Fürstbischof Heinrich Förster berichtet dem Minister, dass der Direktor
des Teschener Gymnasiums ihn mehrmals um die Entfernung des Lehrers
Florian Lukas gebeten hat, der durch anonyme Briefe die geistlichen
Lehrer des Gymnasiums verleumdet hatte. Förster bittet daher um eine
kurze Mitteilung, was in der Sache geschehen soll.
Im beigelegten
Schreiben von Direktor Philipp Gabriel an Heinrich Förster beklagt sich
jener, dass das anonyme Schreiben, in welchem er und andere Lehrer
verleumdet wurden, mittlerweile auch in der Öffentlichkeit bekannt
geworden sei. Er deutet dies als weitere Verschwörung der Verleumder
gegen die katholische Kirche. Das Ansehen der Lehrer bei der Bevölkerung
und insbesondere bei den Schülern leide sehr darunter. Er bittet den
Bischof daher den Schreiber schnellstmöglich zu enttarnen und ihn und
seine Helfer aus dem Gymnasium zu entfernen, da sonst der Schaden nicht
nur für das Gymnasium, sondern für ganze katholische Kirche nur noch
größer werde.
Der Brief ist gemeinsam mit weiteren Briefen, die dieselbe Thematik
betreffen, abgelegt:
Heinrich Förster an Leo Thun. Schloss Johannesberg, 10. September
1855.
Andreas Wilhelm an Leo Thun. Krakau, 15. September
1855.
Andreas Wilhelm an Rudolph Kink. Krakau, 15. September 1855
.
Heinrich Förster an Leo Thun. Schloss Johannesberg, 11. Oktober
1855.
Beilage: Philipp Gabriel an Heinrich Förster. Teschen, 1. November 1855.
Hochgebietender Herr Minister,
Hochgeborener Her Graf!
In der betrübenden Teschner Angelegenheit bin ich seither von dem Direktor
Gabriel in Wahrheit mit einer
Fluth von Klagen, Hilferufen und Bitten überschwemmt worden. Die neueste gestern empfangene scheint mir der Art, daß
ich es Euer Excellenz nicht ersparen kann, Hochdieselben damit zu belästigen und
um Abhilfe dieser Übelstände, namentlich aber um Amotion jenes früher
bezeichneten Lehrers ganz gehorsamst zu
bitten, von welchem die anonymen Briefe ausgegangen sind und dem jedes Mittel
recht zu sein scheint, sein Ziel – die Amotion der Priester und namentlich des
Gabriel vom Gymnasium – zu
erreichen.
Eine, wenn auch noch so kurze Notiz von dem, was in dieser Sache
geschehen wird, würde mich sehr beruhigen als dankbar
verpflichten.
Genehmigen Hochdieselben den Ausdruck der besonderen
Verehrung, mit welcher verharrt
Euer Excellenz gehorsamster Diener
Heinrich
Fürstbischof
Breslau den 4. November 1855
Hochwürdigster Fürstbischof!
Gnädigster Herr!
Mit tiefer Betrübnis gebe ich Euer Fürstbischöflichen Gnaden bekannt, daß
Teschen von der Thatsache erfüllt ist: die
katholischen Priester am Gymnasium seien sowol bei Seiner Excellenz dem k.k.
Cultusminister als auch bei Euer Fürstbischöflichen Gnaden
verklagt; ebenso wurde der Innhalt des anonymen Schreibens in öffentlichen
Häusern bereits kund gegeben. Dies meldeten mir heute der Katechet Sobetzki und der Lehrer Danel.
Da ich bis jetzt von dem mir auf
vertraulichen Wege bekannt gewordenen Innhalte des anonymen Schreibens gegen
Niemand Erwähnung gemacht habe, so muß der Schluß nahe liegen, daß der
Verfasser selbst oder einer der Helfershelfer – denen der Erfolg zu lange
ausbleibt – den Innhalt des Schreibens absichtlich zur Kenntnis der
Bevölkerung gebracht haben, um die Erbitterung gegen die katholischen
Priester am Gymnasium in speciel zu entflammen und – durch die consequente
Fortsetzung der revolutionären Handlungsweise – den Sieg endlich doch über
dieselben – inmitten der Protestanten, im Angesichte der katholischen
Bevölkerung und was flucherregend erscheint, vor der Jugend, bestehend aus
einigen tausend großen und kleinen Schülern, beiderlei Geschlechtes –
davonzutragen!
Unter den genannten Umständen, da die Schandthat von
außen an uns dringt, habe ich heute die beteiligten Priester mit dem
Sachverhalte bekannt gemacht. Sie erkennen in der infernalen Bosheit des
Verfassers zugleich die destructive Tendenz deßelben in sittlicher und
religiöser Beziehung und erklären: „Daß der Sittlichkeit und Religiosität
der Jugend und katholischen Bevölkerung hohe Gefahr drohe, wenn nicht der
Verfasser – sogleich von Teschen übersetzt wird,
welcher überdies kaum solche freventliche, die Zwecke des Staates und der
Kirche untergrabende Schritte gewagt haben würde, hätte derselbe nicht auf
die Gunst und den Schutz des vorgesetzten Herrn Schulrates – vermeßentlich
gesündiget. In diesem Verhältnisse und in dem von heftiger Leidenschaft und
Haß gegen den katholischen Clerus erfüllten Character des Verfassers liegt
die tiefste Wurzel der Schandthat.“
Die besseren Bürger der Stadt, so
wie die Staatsbeamten sind über die maßlose Schlechtigkeit sehr indigniert;
Niemand ahnt jedoch noch, daß der Verfasser zugleich ein Mitglied des
katholischen Lehrkörpers ist.
Es ist bei den genannten Umständen aus
Rücksichten der religiös-sittlichen Erziehung der Jugend im Angesichte der
Bevölkerung dringend geboten, daß Euere Fürstbischöflichen Gnaden, als
Oberhirt dieses Anteils, die allsogleiche Versetzung und Entfernung dieses
Lehrers von Teschen postulieren und wenn – aus
persönlichen Rücksichten noch Verzögerungen eintreten sollten – aus
unverschiebbaren Dringlichkeitsgründen, diese systematische Revolution,
wegen ihrer bedeutungsvollen Tragweite für den Staat und die Kirche,
zunächst aber wegen der destructiven Tendenz, zur unmittelbaren Kenntnis
Seiner k.k. Apostolischen Majestät bringen. Es kann solch ein extremer Fall
sich kaum wieder im Umfange der Monarchie ereignen!
Sollten Euere
Fürstbischöflichen Gnaden des Seelenheiles der Hochihrem Schutze
anvertrauten Priester und Diöcesanen wegen, so wie aus Rücksichten für das
katholische Gymnasium, der einzigen Pflanzschule des diesseitigen Clerus,
selbst eine Reise nach Wien unternehmen müssen; so
mögen Sie, Hochwürdigster Fürstbischof, dieses Opfer, des erhabenen Zweckes
und der Zukunft wegen, im Hinblicke auf die religiös-sittliche Bildung der
Generation, nicht scheuen. Der Herr wird Ihnen dafür segensreich edle
Früchte heranreifen lassen!
Die katholischen Priester des Gymnasiums
halten den bezeichneten Weg für den besten und schnellsten, weil Gefahr im
Verzuge liegt; sie nehmen jedoch keinen Anstand, selbst den Weg der
Öffentlichkeit zu betreten, wenn Euere Fürstbischöflichen Gnaden gestatten,
daß sich dieselben auf das hohe Ordinariatsschreiben vom 8. Oktober berufen
dürfen, in welchem der Verfasser des anonymen Schreibens aus der vorgelegten
Handschrift unbezweifelt erkannt wurde. Im letzteren Falle würde jedoch hier
großes Aufsehen und Parteienhaß erregt werden und eine Verletzung des Herrn
Schulrates – den wir Alle hoch schätzen – unvermeidlich sein, auch,
unbezweifelt, viele persönliche Reibungen für die Zukunft
herbeiführen.
Daß ein energisches Einschreiten bei einzelnen auffälligen
Erscheinungen nicht statt fand, wird wol erklärlich sein, wenn bedacht wird,
daß die ganze Zukunft eines Professors von dem Vorgesetzten abhängt und ich
es jederzeit als unlöblich für den katholischen Priester erachtet habe,
denselben in irgend einer Weise amtlich unangenehm zu berühren, was offenbar
unvermeidlich gewesen wäre. Euer Fürstbischöflichen Gnaden aber steht in
Erziehungsangelegenheiten der katholischen Schulen in der Diöcese das Recht
und die Pflicht zu, rücksichtslos, auf Grund der constatierten Thatsachen,
einzuschreiten und somit von den katholischen Priestern, als Untergebenen
bei der Schule – eine Calamität von Seite des Schulrates –
abzuwenden.
Aus den oben bezeichneten Gründen ist es daher dringlich
notwendig, daß für den Führer dieser – seit Jahren eingeleiteten
systematischen Revolution gegen den katholischen Clerus, mit dem Zwecke die
katholischen Institute aufzulösen oder mit dem evangelischen Gymnasium in
Teschen zu vereinigen – ein Lehrer für Latein, welcher zugleich in der
katholischen Richtung erprobt ist, hieher schleunigst berufen, derselbe aber
angewiesen werde, Teschen sogleich zu verlassen.
Könnte eine solche Berufung auch für den Lehrer S., welcher eben auch Latein
lehrt geschehen, da derselbe in diese Angelegenheit mitverflochten ist – den
kein Piaristenrector wegen gleicher Zerwürfnisse in seiner Familie dulden
wollte, der viel Unheil über unzählige Personen in und außer dem Orden
gebracht hat; – dann glaube ich, dürfte der Herd des schmachvollen
Zerwürfnisses, gleich hemmend für den wissenschaftlichen als
sittlich-religiösen Fortschritt der Jugend, für die Gegenwart gesprengt
sein!
Indem die katholischen Priester Bitta, Danel,
Sobetzky mit dem Gefertigten
ihre zur Beseitigung dieses gewiß beklagenswerten Ereignisses unerläßliche
Bitte Euer Fürstbischöflichen Gnaden ehrfurchtsvollst unterbreiten,
empfehlen sich dieselben zu weiteren Gnaden mit der Versicherung, daß sie
jederzeit dem Berufe treu und würdig vorgehen werden.
In demutsvoller
Ergebenheit verharret
Euer Fürstbischöflichen Gnaden
unterthänigster
Dr. Gabriel
pr.
Director des kth. Gymnas. u. [?] [?] adligen Convictes
Teschen am 1 November 1855