Melchior Diepenbrock dankt für das Vertrauen, das Leo Thun ihm bei der Suche nach fähigen Kandidaten für Lehrerstellen entgegengebracht hatte und ist vollkommen damit einverstanden, dass der Minister noch weitere Erkundigungen einholen will. Diepenbrock kann diesen Schritt umso mehr verstehen, als die Auswahl der richtigen Lehrpersonen, eine wesentliche Vorrausssetzung für den Aufschwung des Unterrichtswesens in Österreich bilde. Im zweiten Teil des Briefs bedankt sich Diepenbrock für die Hilfe für Albert Koch. Thun hatte sich nämlich bereit erklärt, Koch bei der Suche nach einem geeigneten Ort für die Ausstellung des von Koch entdeckten Skeletts einer urzeitlichen Wasserschlange behilflich zu sein. Diepenbrock verspricht sich von der Ausstellung nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern vor allem biete das Skelett auch einen Beweis für den mosaischen Schöpfungsbericht und könne daher auch ungläubige Betrachter zum Glauben bekehren. Zuletzt empfiehlt Diepenbrock nochmals Franz Schmölders und Karl Grysar.
Unter dieser Signatur sind noch zwei weitere Briefe Diepenbrocks an Thun
abgelegt:
Melchior Diepenbrock an Leo Thun. Breslau, 28. Mai
1850.
Melchior Diepenbrock an Leo Thun. Johannesberg bei Jauernig, 27.
August 1850.
Breslau, den 4. Juni 1850
Eurer Excellenz
geehrtes Schreiben vom 1. dieses Monats will ich vor allem mit der aufrichtigsten
Versicherung beantworten, daß es mir nicht nur nicht unangenehm, sondern
vielmehr im allerhöchsten Grade erwünscht ist, wenn Hochdieselben über die
Personalvorschläge, welche Ihr Vertrauen mir zu machen gestattet, auch noch
anderweitige Erkundigungen einziehen. Die hohe Verantwortlichkeit Ihrer Stellung
fordert dies, und auch meine individuelle Verantwortlichkeit wird dadurch
erleichtert, was mir um so beruhigender, da ich doch nur wenige der genannten
Personen selbst kenne und mich also auch auf fremdes Urtheil verlassen muß.
Herrn Geheimer Rat Brüggemanns
frühere Äußerung, auf welche Eure Excellenz zurückdeuten, scheint mir auch durch
etwas anderes veranlaßt, als durch diese sich von selbst verstehende, durch sich
selbst gerechtfertigte Sorgfalt für möglichst zuverlässige, also möglichst
vielseitige Renseignements. Ich meines Theils bitte Eure Excellenz hiermit
förmlich, neben den von mir gegebenen, noch alle sonst erreichbaren
Erkundigungen einziehen und meine Daten nur als unmaßgebliche Fingerzeige
ansehen zu wollen. Ich begreife vollkommen die großen Schwierigkeiten, welche
Eurer Excellenz auf dem Wege zur Regeneration des Studienwesens überall im Wege
liegen, und wievielerlei Rücksichten da nothwendig werden, um nur das Mögliche
zu erreichen und nicht am Unmöglichen zu scheitern.
Herr Dr. Koch war über die gnädige ihn und
seinen antediluvianischen Pflegling Hydrarchus Zeuglodon betreffende Zusicherung
Eurer Excellenz sehr erfreut und bittet mich, seinen respectvollsten Dank dafür
auszudrücken. Nach Beendigung des Wollmarktes, mit Ende dieses Monats, wünscht
er allerdings, seine Wanderung nach Wien antreten zu
können. Daß der Anblick dieses Riesenskeletts aus einer vorfluthlichen Thierwelt
geeignet ist, ernste Gedanken auch in den ungläubigsten Beschauern
hervorzubringen, zumal Herrn Dr.
Kochs fachkundige Erklärungen auf einer entschieden gläubigen
Harmonie mit dem mosaischen Schöpfungsberichte beruhen, davon hat sein
hie[si]ger Aufenthalt viele sehr auffallende Beweise geliefert, und schon aus
diesem Grunde möchte ich wünschen, daß er wie ein anderer Prophet Jonas aus dem
Bauche seines versteinerten Meerungeheuers auch den Wiener Niniviten seine in
fossiler Lapidarschrift geschriebene Predigt von den Wundern Gottes vorhalte.
Ich erlaube mir daher, die baldige Erfüllung seines Wunsches hinsichtlich der
Einräumung eines passenden Locales Eurer Excellenz nochmals ergebenst zu
empfehlen. Hier hatte ihm Graf Henckel-Donnersmark seine geräumige Reitbahn eingeräumt;
sollte nicht in Wien irgendein grosser Herr ein ähnliches
Local für kurze Zeit zu einem Tempel der Wissenschaft zu weihen sich bestimmen
lassen?
Wenn mein Hirtenbrief nach Ihrer freundlichen Versicherung einigen
guten Eindruck gemacht hat, so habe ich Eurer Excellenz zunächst dafür zu
danken, da Ihr werthes Vertrauen mich zunächst zu dessen rechtzeitiger Erlassung
veranlaßt hat.
Über den Prof. Grysar
in Cöln habe ich soeben den Prof. Dr. Schmölders, der ihn
genau kennt, befragt und von ihm erfahren, daß er ein ganz ausgezeichneter
Latinist, ein sehr wackerer Mann, tüchtiger Pädagog, jedoch etwas eigensinnig
und wenn auch nicht gerade sehr eifrig und prononcirt kirchlich, doch auch gewiß
kein schlechter Katholik und als Professor jedenfalls sehr empfehlenswürdig
sey.
Ich erlaube mir hierbei den Dr. Schmölders selbst nochmals zu empfehlen, dessen ruhiges,
besonnenes, bescheidenes und durchaus tüchtiges Wesen und einnehmende
Persönlichkeit ihn gewiß zu einer höchst schätzungswerthen Acquisition für
Österreich machen würde.
Ich
schließe mit der erneuerten Versicherung ausgezeichnetster Hochachtung.
Eurer Excellenz
ergebenster Diener
Melchior Fb.