Melchior Diepenbrock an Leo Thun
Breslau, 4. April 1850
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Regest

Fürstbischof Melchior Diepenbrock bittet Leo Thun um Unterstützung für Albert Koch, der ein fossiles Riesentier in Wien ausstellen möchte und ein dazu ein passendes Gebäude benötigt. Im zweiten Teil des Briefes kommt Diepenbrock auf die Berufungspolitik Thuns zu sprechen. Er betont dabei, dass die Berufung gewisser, nicht näher genannter Personen nach Österreich in Breslau und auch andernorts durchaus Befremden ausgelöst habe. Insbesondere wundere man sich, dass Thun dabei einem Berater folge, der für ein katholisches Land wie Österreich wohl nicht geeignet erscheint. Diepenbrock hatte auch erst kürzlich mit Theodor Brüggemann, der für das katholische Unterrichtswesen im preußischen Unterrichtsministerium zuständig ist, darüber gesprochen. Brüggemann hat Diepenbrock in dieser Angelegenheit zudem einen Brief geschrieben, den er diesem Schreiben beilegt. Zuletzt kommt Diepenbrock auf die Bischofsversammlung des vorigen Jahres zu sprechen, und spricht seine Hoffnung aus, dass die dort gefassten Beschlüsse möglichst bald umgesetzt werden.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochgeborner Graf!
Hochzuverehrender Herr Staatsminister!

Eurer Excellenz erlaube ich mir nachträglich zu meinem letzten Schreiben in der Angelegenheit des Herrn Prof. Dr. Koch, anliegend eine soeben hier erschienene kleine Schrift desselben ergebenst zu übersenden, woraus Euer Excellenz Sich Selbst überzeugen wollen, daß die von Dr. Koch beabsichtigte oder gewünschte Aufstellung seines merkwürdigen fossilen Riesenthieres in Wien, allerdings durch das lehrreiche Interesse, welches sie bietet, Hochdero Unterstützung behufs der kostenfreien Anweisung eines geeigneten Locales wohl verdient, um welche ich daher im Namen des wackern Mannes nochmals recht angelegen bitte.
Zugleich erlaube ich mir in redlichem Vertrauen Eurer Excellenz einen gestern von Herrn Geheimenrath [sic!] Dr. Brüggemann (gegenwärtig in Erfurt) erhaltenen Brief aus dem Grunde zur gefälligen Einsicht mitzutheilen, weil darin eine, auch Eure Excellenz nahe betreffende Angelegenheit berührt wird, die Berufung nämlich preußischer Professoren nach Oesterreich. Ich kann es nicht läugnen, daß diese Maßregel, und insbesondere manche der Personen, auf welche sie sich erstreckt, hier und anderwärts in intelligenten Kreisen Gegenstand des Befremdens und der Besorgnis geworden, und daß man sich fragt, ob Oesterreich denn nicht schon hinlänglichen eigenen Vorrath an auflösenden und zersetzenden Elementen habe, daß es sich derlei Stoffe künstlich von außen importire und einimpfe? Insbesondere nennt man hier einen Gelehrten1, der mit seinen Vorschlägen dabei zu Rathe gezogen seyn soll, und dem man wohl philologisches Wissen, umso weniger aber alles andere zuerkennen will, worauf es bei der Auswahl der Jugendbildner, zumal für ein katholisches Land, doch zunächst ankommen dürfte. – Geheimrath Brüggemann, der das katholische Studienwesen im preußischen Cultusministerium leitet, war kürzlich hier, und wir sprachen auch gelegentlich über jene, von Eurer Excellenz gewiß, woran niemand zweifelt, in der allerbesten Absicht zugelassenen Berufungen, und an dieses Gespräch knüpft sich der gestrige Brief2, den ich Hochderselben nicht vorenthalten zu dürfen glaube, bittend jedoch, daß diese Mittheilung als eine des engsten Vertrauens angesehen werden wolle. Geheimrath Brüggemann ist ein durch Charakter und wissenschaftliche Bildung gleich sehr ausgezeichneter Mann, und dabei von inniger katholischer Gesinnung und Glaubenstreue beseelt, wie sein Auftreten in der preußischen Kammer bewiesen [sic!]. (Seine durch ein momentanes Augenleiden unglücklicher Weise noch unleserlicher gewordene Handschrift bitte ich zu entschuldigen; ich habe mich bemüht, durch Nachhülfe der Züge das Dechiffriren möglichst zu erleichtern.)
Wird denn unsre vorigjährige so mühsame Episkopalconferenz nicht endlich einige Früchte tragen? Es wäre wohl an der Zeit! – Möge man auch erkennen, daß es, namentlich bei der heutigen politischen Weltlage, für einen katholischen Staat gewiß eine Forderung der Klugheit, geschweige der Gerechtigkeit ist, der katholischen Kirche gegenüber sich mindestens ebenso liberal zu beweisen, wie das erzprotestantische Preußen. – Möge es dem gerechten redlichen Willen Eurer Excellenz, von welchem ich vollkommen überzeugt bin, bald gelingen, die entgegenstrebenden Hindernisse zu beseitigen oder zu besiegen, und die Verfassungsverheißungen, die in diesem Punkte unzweifelhaft edle Errungenschaften sind, wahr zu machen!

Mit vollkommenster Hochachtung habe ich die Ehre zu geharren

Eurer Excellenz
ganz ergebenster Diener
M. Diepenbrock
Fürstbischof

Breslau, den 4. April 1850