Fürstbischof Melchior Diepenbrock bittet Leo Thun um Unterstützung für Albert Koch, der ein fossiles Riesentier in Wien ausstellen möchte und ein dazu ein passendes Gebäude benötigt. Im zweiten Teil des Briefes kommt Diepenbrock auf die Berufungspolitik Thuns zu sprechen. Er betont dabei, dass die Berufung gewisser, nicht näher genannter Personen nach Österreich in Breslau und auch andernorts durchaus Befremden ausgelöst habe. Insbesondere wundere man sich, dass Thun dabei einem Berater folge, der für ein katholisches Land wie Österreich wohl nicht geeignet erscheint. Diepenbrock hatte auch erst kürzlich mit Theodor Brüggemann, der für das katholische Unterrichtswesen im preußischen Unterrichtsministerium zuständig ist, darüber gesprochen. Brüggemann hat Diepenbrock in dieser Angelegenheit zudem einen Brief geschrieben, den er diesem Schreiben beilegt. Zuletzt kommt Diepenbrock auf die Bischofsversammlung des vorigen Jahres zu sprechen, und spricht seine Hoffnung aus, dass die dort gefassten Beschlüsse möglichst bald umgesetzt werden.
Hochgeborner Graf!
Hochzuverehrender Herr Staatsminister!
Eurer Excellenz erlaube ich mir nachträglich zu meinem letzten Schreiben in der
Angelegenheit des Herrn Prof. Dr.
Koch, anliegend eine soeben hier erschienene kleine Schrift
desselben ergebenst zu übersenden, woraus Euer Excellenz Sich Selbst überzeugen
wollen, daß die von Dr. Koch
beabsichtigte oder gewünschte Aufstellung seines merkwürdigen fossilen
Riesenthieres in Wien, allerdings durch das lehrreiche
Interesse, welches sie bietet, Hochdero Unterstützung behufs der kostenfreien
Anweisung eines geeigneten Locales wohl verdient, um welche ich daher im Namen
des wackern Mannes nochmals recht angelegen bitte.
Zugleich erlaube ich mir
in redlichem Vertrauen Eurer Excellenz einen gestern von Herrn Geheimenrath
[sic!] Dr. Brüggemann
(gegenwärtig in Erfurt) erhaltenen Brief aus dem Grunde
zur gefälligen Einsicht mitzutheilen, weil darin eine, auch Eure Excellenz nahe
betreffende Angelegenheit berührt wird, die Berufung nämlich preußischer
Professoren nach Oesterreich. Ich kann es nicht läugnen, daß
diese Maßregel, und insbesondere manche der Personen, auf welche sie sich
erstreckt, hier und anderwärts in intelligenten Kreisen Gegenstand des
Befremdens und der Besorgnis geworden, und daß man sich fragt, ob
Oesterreich denn nicht schon hinlänglichen eigenen
Vorrath an auflösenden und zersetzenden Elementen habe, daß es sich derlei
Stoffe künstlich von außen importire und einimpfe? Insbesondere nennt man hier
einen Gelehrten1, der mit seinen
Vorschlägen dabei zu Rathe gezogen seyn soll, und dem man wohl philologisches
Wissen, umso weniger aber alles andere zuerkennen will, worauf es bei der
Auswahl der Jugendbildner, zumal für ein katholisches Land, doch zunächst
ankommen dürfte. – Geheimrath Brüggemann, der das katholische Studienwesen im preußischen
Cultusministerium leitet, war kürzlich hier, und wir sprachen auch gelegentlich
über jene, von Eurer Excellenz gewiß, woran niemand zweifelt, in der allerbesten
Absicht zugelassenen Berufungen, und an dieses Gespräch knüpft sich der gestrige
Brief2,
den ich Hochderselben nicht vorenthalten zu dürfen glaube, bittend jedoch, daß
diese Mittheilung als eine des engsten Vertrauens angesehen werden wolle.
Geheimrath Brüggemann ist ein
durch Charakter und wissenschaftliche Bildung gleich sehr ausgezeichneter Mann,
und dabei von inniger katholischer Gesinnung und Glaubenstreue beseelt, wie sein
Auftreten in der preußischen Kammer bewiesen [sic!]. (Seine durch ein momentanes
Augenleiden unglücklicher Weise noch unleserlicher gewordene Handschrift bitte
ich zu entschuldigen; ich habe mich bemüht, durch Nachhülfe der Züge das
Dechiffriren möglichst zu erleichtern.)
Wird denn unsre vorigjährige so
mühsame Episkopalconferenz nicht endlich einige Früchte tragen? Es wäre wohl an
der Zeit! – Möge man auch erkennen, daß es, namentlich bei der heutigen
politischen Weltlage, für einen katholischen Staat gewiß eine Forderung der
Klugheit, geschweige der Gerechtigkeit ist, der katholischen Kirche gegenüber
sich mindestens ebenso liberal zu beweisen, wie das erzprotestantische
Preußen. – Möge es dem gerechten redlichen Willen Eurer
Excellenz, von welchem ich vollkommen überzeugt bin, bald gelingen, die
entgegenstrebenden Hindernisse zu beseitigen oder zu besiegen, und die
Verfassungsverheißungen, die in diesem Punkte unzweifelhaft
edle Errungenschaften sind, wahr zu machen!
Mit vollkommenster Hochachtung habe ich die Ehre zu geharren
Eurer Excellenz
ganz ergebenster Diener
M.
Diepenbrock
Fürstbischof
Breslau, den 4. April 1850