Alois Flir, Rektor der Kirche Santa Maria dell' Anima in Rom, erklärt die
offenen und unverblümten Worte, die er in seinem Dankschreiben für seine
Ernennung zum Auditor der Römischen Rota an den Kaiser gewählt hat.
Dabei geht es besonders um seine Aussage, er werde Mühe haben, sich mit
dem prunkvollen Formalismus der Rota zu arrangieren und sich der
geheimen Kabalen zu erwehren. Als er dies schrieb, hatte er vor Augen,
dass seine Wohnung in der Anima großen Umbaumaßnahmen unterworfen werden
müsse, um dem Zweck der Repräsentation und den formalen Ansprüchen der
Rota zu genügen. Hinsichtlich der Kabalen wollte er andeuten, dass
bereits mehrfach versucht worden sei, ihn von seiner Stellung als Leiter
der Anima zu vertreiben. Wenn er nun gleichzeitig auch Auditor der Rota
sei, so wäre das vielleicht in Zukunft noch öfter der Fall. Als Grund
für diese Intrige gegen ihn und den Kaplan Simon Dompieri vermutet er
Neid, den er sich dadurch zugezogen habe, dass die Anima vermehrt
Agentiegeschäfte der deutschen und österreichischen Bischöfe übernommen
habe. Flir will die Agentie aber weiterhin durch Dompieri betreiben
lassen – sofern Thun und der Kaiser nichts dagegen einzuwenden
haben.
In der Beilage bedankt sich Flir beim Kaiser für seine
Ernennung zum Auditor der Römischen Rota. Er bittet den Kaiser auch, ihn
dennoch in seiner Stellung als Leiter der Kirche Santa Maria dell'Anima
zu belassen. Er betont, dass die Anima wieder in altem Glanz erstrahle
und sie dadurch zum Aushängeschild Österreichs in Rom geworden sei.
Die Worte, welche in meinem allerunterthänigsten Dankschreiben an unsern allergnädigsten Kaiser Seine Majestät allerdings auffallend erscheinen mußten, wären vielleicht aus ehrfurchtsvoller Rücksicht unterblieben, wenn ich zuerst ein Konzept entworfen; dasselbe nach einiger Zeit kaltblütig überdacht und dann erst ins Reine geschrieben hätte: aber eine Procedur dieser Art geht bei mir nicht an; nicht erkünstelt, sondern nur wahr und natürlich wollen, wie meine Worte, so auch meine Briefe sein und so wagte ich es denn, sogar an Seine k.k. Apostolische Majestät unmittelbar und offenherzig aus meiner Seele heraus zu schreiben, was ich dachte. Wo ich aber schrieb, daß ich Mühe haben werde, mich als Uditore di Rota zugleich als Vorstand all’Anima zu behaupten – gegenüber einem prunkenden Formalismus und egoistischen geheimen Kabalen – da lagen diesen Ausdrücken folgende Gedanken zu Grunde. Erstlich wußte ich, daß die Uditori rücksichtlich ihrer Wohnung Formalitäten unterworfen sind, die sich all’Anima schwer erfüllen lassen: man begehrt eine bequeme Einfahrt für Kutschen durch die Hauspforte; eine nicht allzu hohe Lage der Lokalitäten, eine bestimmte Anzahl, Aufeinanderfolge und Ausstattung der Zimmer. Inzwischen habe ich nun fachkundige Herren ersucht, in dieser Beziehung ihr Urtheil auszusprechen und mir einen geeigneten Rath zu ertheilen. Zwei Uditori, zwei Advokaten von Uditori, ein Hausmeister und ein päpstlicher Hofbedienter haben nun nach genauer Besichtigung erklärt, die Wohnung, die ich jetzt innehabe, sei auch für meine neue Stellung zulässig, wenn ich einige Modifikationen anbringe: eine Einfahrt lasse sich vielleicht mit der Zeit wohl noch machen; inzwischen solle ich über den Eingang ein Dach ausspannen, unter dem man von der Kutsche aussteigen könne: die im 3. Stocke liegende Wohnung sei zwar hoch, aber die Kommission der Rota (welche leider erst am Ende des Noviciates ihren Spruch fällt) könne deshalb die Wohnung nicht rejiciren und vielleicht gelinge mir mit der Zeit ein Umtausch des dritten Stockes mit dem ersten: die Zimmer seien übrigens dem Zwecke angemessen, nur müsse ich ein grün tapezirtes roth austapeziren, in einem Gange müsse ich zur strengen Absonderung des sogenannten Studium (wo ich mit dem Advokaten und den Segreti arbeiten werde) eine Thüre einsetzen und es sei wünschenswerth, daß ich mein jetziges Schlafzimmerchen durch Abbrechung der neuerrichteten Mauer cassire. Schlafen müßte ich dann im 4. Stock: das Schlafen ist aber eine Privatsache und geht nur mich allein an. Ich wende mich nun zum zweiten Punkte. Als ich mein ehrfurchtsvollstes Dankschreiben an Seine k.k. Apostolische Majestät zu Papier brachte, hegte ich aus Gründen die Besorgnis, daß egoistische geheime Kabalen mein Verbleiben All’Anima zu hintertreiben sich bestreben werden. Bekanntlich wenden sich lange schon sehr viele Bischöfe des Kaiserstaates und vom übrigen Deutschland in verschiedenen kirchlichen Geschäften an mich und an den für solche Kommissionen ungemein fachkundigen und rührigen Kaplan von Dompieri aus Trient. Individuen, welche aus der Agentie bedeutende Einkünfte beziehen, haben schon vor Jahren, wo noch all’Anima keine Agentie bestand, die Gefahr für ihre Agentie vorhergesehen, wenn die Geistlichen all’Anima mit den Bischöfen Oesterreichs und Deutschlands in eine engere Beziehung treten würden. Als daher Seine Eminenz der Kardinal Schwarzenberg für hieher kommende Bischöfe ein Wohnhaus zu bereiten entschlossen war, wurde von Verschiedenen, aber vorzüglich von P… alles Mögliche aufgeboten, den Kardinal zu bewegen, ein auf dem fernen Pincio liegendes Haus der Anima für jenen Zweck zu pachten. Ich und noch weit lebhafter Dompieri stellten Seiner Eminenz die Gegengründe vor. wir siegten. Der Kardinal pachtete das an das Hospitium angrenzende Haus und beauftragte den Dompieri (ich selbst lehnte jeden Antheil ab) mit dem Adaptirungsbau. P… gewann einige Mitglieder der Congregation für seine Intentionen und schob alle möglichen Hindernisse gegen die Fortschritte des Baues. Ich aber billigte zwar durchaus nicht alle Projekte des bauführenden Dompieri, und ich machte den Kardinal rechtzeitig auf den Umstand aufmerksam, daß dieser Bau die beantragten Kosten weit übersteigen werde: die Hindernisse, welche die Congregation entgegensetzte, bezogen sich aber nicht auf Kostenpunkte, sondern auf zweckmäßige Unternehmungen. Ich verfocht daher den Bau, gewann für meine Ansicht einige Mitglieder der Congregation. P… setzte nichts mehr durch und erschien nicht mehr bei den Sitzungen. Es wurde aber doch gegen Dompieri intriguirt und der in das Spiel gezogene Msgr. Fürst Hohenlohe erwirkte mit Berufung auf den Kardinal Brunelli und Seine Exzellenz den k.k. Botschafter Graf Colloredo beim Fürstbischofe von Trient ein Abberufungsdekret des Dompieri. Ich zerschmetterte die ganze Intrigue in einer halben Stunde und der Fürstbischof nahm das Dekret zurück. Unter diesen und ähnlichen Schwierigkeiten wurde der Bau der Bischofswohnung geführt und vollendet. Was P… sich vorhergedacht hat, ist wirklich eingetroffen. Viele Bischöfe wohnten bereits bei uns; die Kommissionen vermehrten sich; vielseitig wurde mir die Agentie angeboten, weil ich aber sie ablehnte, wurde sie von 25 Bischöfen, namentlich von allen baierischen, von einigen preußischen, von einigen österreichischen, unter Einwilligung des Kardinalvisitators in Dompieri’s Hände gelegt, der den Ertrag zum Besten der Anstalt hingibt, Schulden abzahlte, Einrichtungen ankauft, ärmere Priester und Studirende gratis oder um einen ermäßigten Preis verpflegt. Dompieri ist daher bei allen, die aus der Agentie Oesterreichs und Deutschlands Gewinn ziehen, in hohem Grade verhaßt und angefeindet: diese Gegner brummen wohl auch gegen mich, über meine allzu große Nachsicht gegen ihn, über meine allzu große Güte, über meine Schwäche und dgl. Dieselben, die mich für schwach ausgeben, halten mich aber doch für so stark, daß sie die Ohnmacht aller ihrer Angriffe gegen Dompieri fühlen, so lang ich ihn decke: würde ich von der Anstalt abtreten, so würde Dompieri resigniren oder wenn er bliebe, vermuthlich unterliegen. Bei diesen Umständen fürchte ich also, daß Kabalen, die aus Egoismus (besser gesagt aus eigenem Interesse) entspringen, wenn auch nicht öffentlich, doch im Geheimen mit Vorschiebung getäuschter Autoritäten, gegen meine Fortführung der Leitung dieser Anstalt das Möglichste aufbieten werden. Diese meine Besorgnis ist zwar noch nicht ganz gehoben, aber sie ist kleiner geworden: denn ich sagte diesen Gegnern, die ich nur zu gut kenne, in das Angesicht: „Ich werde all’Anima bleiben, wenn es Seiner Majestät und Seiner Heiligkeit genehm ist und ich habe gute Gründe, dieses zuversichtig zu erwarten.“ Dieser Ton schüchterte die Herren ein. Wenn – und dieses erlaube ich mir beiläufig zu bemerken – wenn Seine k.k. Apostolische Majestät es nicht billigen, daß Dompieri zum Besten der Anstalt Agentiegeschäfte von österreichischen Bischöfen beibehalte oder in Zukunft noch übernehme, so will ich bei Seiner Eminenz dem Kardinalvisitator die entsprechende Weisung sogleich erwirken oder vielmehr dem Dompieri nur diesen Allerhöchsten Willen des allergnädigsten Kaisers zu wissen machen und er wird augenblicklich gehorchen. Daß Dompieri schriftliche Einladungen an Bischöfe ausgesendet hat, verwies ich ihm und er wird dieses in Zukunft unterlassen.
Euer Kaiserliche Königliche Apostolische Majestät!
Glorreichster
Allergnädigster Kaiser und Herr!
Durch die Allerhöchste Gnade Euer k.k. Apostolischen Majestät zum Auditor
Sacra Rota ernannt wagt es der allerunterthänigst Unterzeichnete, seinen
unaussprechlichen Dank mit gerührtem Herzen und in tiefster Ehrfurcht vor
den Stufen des erhabenen Kaiserthrones niederzulegen. Bei dieser
überraschenden, nie geahnten Beförderung liegt der Grund meiner Wonne nicht
in dem äußerlichen Range, vor dem ich vielmehr schüchtern bin, sondern
einzig und allein in der kaiserlichen Huld, die sich auf mich
herabließ.
Dem Allergnädigsten Vertrauen in dieser neuen Sphäre zu
entsprechen, wird für mich zwar eine große Schwierigkeit sein: aber desto
gewissenhafter will ich mich anstrengen und desto anhaltender zu Gott um
Seinen Beistand flehen. Außer meinem eigentlichen Berufsgeschäfte, welches
fast ausschließlich nur Angelegenheiten des Kirchenstaates angehören wird,
will ich jede Gelegenheit ergreifen, durch werkthätige Theilnahme für
hülfsbedürftige Mitunterthanen meine innigste Ergebenheit für den
gemeinsamen Kaiser und durch eifrigste Bereitwilligkeit zu jedem Dienst und
zu jedem Opfer überhaupt meine Treue für jedes Interesse Oesterreichs an den Tag zu legen. In eben
diesem Streben wünsche ich sehnlich auf dem schönen Posten zu S. Maria dell’Anima, den mir die
Gnade Euer k.k. Majestät anzuvertrauen geruthe, noch fortzuwirken. Ich werde
aber Mühe haben, mich auf demselben zu behaupten – gegenüber den
Anforderungen eines prunkenden Formalismus und gegenüber egoistischen,
heimlichen Cabalen. Seine Heiligkeit spricht hoffentlich ein Wort der
Entscheidung. Die Anstalt, wie sie jetzt schon dasteht, bleibt ein schönes
Denkmal der hochsinnigen Protection Eurer k.k. Apostolischen Majestät und
unsere zahlreichen geistlichen Gäste aus allen Gauen Deutschlands sprechen mit Begeisterung ihren
Dank aus und tragen diese Gefühle in die Heimath zurück. Nicht nur Deutsche,
auch Italiener beneiden uns glückliche Oesterreicher um unseren
Kaiser.
Gott erhalte dieses Glück dem großen Kaiserstaate und für ganz
Deutschland viele, viele Jahre! Täglich will ich am
Altare und sehr oft – besonders aber in diesen Tagen – an Roms Gnadenorten mein zwar schwaches, aber
aufrichtiges Gebeth zum Himmel senden – als
Euer k.k. Apostolischen Majestät
allerunterthänigster und mit Tyroler
Treue bis in den Tod sich hingebender Knecht
Aloys Flir
k.k. Rector
der deutschen Nationalanstalt S. Maria dell’Anima und Allergnädigst
ernannter Auditor Rota
Rom, den 29. Juli 1858