Alois Flir an Leo Thun
Wien, 6. Februar 1854
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Regest

Der Priester und Professor Alois Flir informiert Leo Thun über seine wissenschaftlichen Forschungen und seinen Aufenthalt in Rom. Zunächst dankt Flir dem Minister für dessen Förderung. Flir will demnächst eine Arbeit zur christlichen Ästhetik herausgeben. Aus seiner Sicht ist eine solche dringend notwendig, da die bisherigen Versuche, eine Ästhetik auf christlicher Grundlage zu schreiben, gescheitert seien. Daher dominiere derzeit die schädliche Ästhetik des Hegelianers Friedrich Theodor Vischer. Der Aufenthalt in Rom – mit seinen zahlreichen Kunstschätzen und den hier anwesenden Künstlern – bietet Flir die besten Voraussetzungen für ein solches Unterfangen.
Anschließend informiert Flir Thun über den Zustand des Kollegs Santa Maria dell'Anima und seinen Besuch beim Papst. Flir berichtet außerdem, dass er oft mit den in Rom anwesenden deutschen und österreichischen Künstlern verkehre. Bei diesen habe er den Wunsch vernommen, es möge einen Mentor geben, der junge Künstler bei ihrem Aufenthalt in Rom betreue. Für ein solches Amt schlägt Flir den Vorarlberger Künstler Gebhard Flatz vor.

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Edierter Text

Euer Excellenz!
Hochgeborner Graf!

Die huldvollen Decrete vom 30. December vorigen Jahres und vom 17. Jänner dieses Jahres durchdringen mich mit einem Dankgefühle, welches ich mit Worten nicht auszudrücken vermag. So nützlich auch für meine Verhältnisse die mir freigebigst verliehenen Zeit- und Geldmittel sind, so gereicht mir die Gnade Seiner Majestät und die Huld Euer Excellenz doch zur unvergleichbar größeren Wonne als die äußerliche, großmüthige Gabe. Eine Ermunterung dieser Art muß mein Streben, welches von selbst mir einwohnt, zum unermüdlichsten Eifer steigern und ich wünsche mit heißer Sehnsucht, diese Versprechung durch ein reelles Resultat rechtfertigen zu können.
Eine Ästhetik, von christlicher Philosophie und empirischer Sachkenntniß organisch zusammengesetzt, ist ein dringendes Bedürfniß unserer Zeit. Die Versuche von Dursch und Deutinger drangen nicht durch. Vischers Ästhetik dominirt. Gelehrsamkeit und Genialität spreche ich diesem Hegelianer nicht ab, aber die Schädlichkeit des Pantheismus grassirt vielleicht gegenwärtig nirgends so wie gerade in diesem Werke. Wir Katholiken müssen daher fortfahren, wissenschaftliche Opposition zu machen, und zwar nicht bloß kritisch, sondern schaffend. Die Kunst des Katholicismus zeigt nach allen Seiten ihren Sieg; die katholische Kunstwissenschaft hat noch kaum den Kampf begonnen. Ich gestehe übrigens, daß ich meine Kräfte und meine Vorbildung für eine zeitgemäße Leistung dieser Art so unzulänglich fand, daß mein Vorsatz schon schwankte, aber die Munificenz und Gnade, welche sich mir überraschend zugewendet hat, übt auf mich einen moralischen Zwang; ich betrachte dieses Ereigniß zugleich als ein Zeichen der Vorsehung – es steht also meinerseits unerschütterlich fest – ich schreibe eine Ästhetik. Habe ich hiezu von Gott einen Beruf, so bekomme ich sicher wie die äußerliche, so auch die innere Hülfe.
Ich bitte Euer Excellenz um die Gnade, diese Erklärung und meinen unaussprechlichen Dank vor der Stufe des erhabenen Kaiserthrones niederzulegen und zugleich persönlich die Versicherung entgegenzunehmen, daß meine Ergebenheit keine Gränzen kennt.
Meine hiesigen Verhältnisse sind so angenehm, als ich sie nur wünschen kann. Die Congregation behandelt mich mit größtem Wohlwollen; im Hause herrscht Ordnung und die beste Stimmung. Der Gottesdienst wird eifrig besucht. Ich habe das Glück, mit ausgezeichneten Männern von Zeit zu Zeit zu conversiren. Die Kunstwerke und Antiquitäten sind zahllos. Das Studium ist ein Schöpfen aus einem Meere. Die Flüchtigkeit der Zeit ist hier das einzige Kreuz.
Am 18. Februar wird zur Danksagung für die wunderbare Rettung unsres glorreichen Kaisers in unserer Kirche ein feierlicher Gottesdienst gehalten.
Am 2. Februar hatte ich als Rector die Ehre, Seiner Heiligkeit eine beinahe 6 Schuh lange Prachtkerze zu überreichen. Etwa zweihundert Vorstände von Kirchen Roms waren in den Zimmern des Vatican zu gleichem Zweck versammelt.
Im Verkehre mit Künstlern nehme ich öfter den Wunsch wahr, daß die hohe Regierung den jungen Künstlern, welche aus Oesterreich zeitweilig hier sich bilden, einen Mentor anweisen möchte, welcher mit Rath und Tath in Allem ihnen an die Hand gehen könnte. Nach dem einstimmigen Urtheile, welches ich höre, und nach meiner eigenen vollen Ueberzeugung läßt sich zu einem solchen Zwecke kein geeigneterer Mann wünschen als Gebhart Flatz. Ein musterhafter Charakter, Anstand und Ordnung in Allem, einer der allerangesehensten Künstler Roms, tactvoll und fein in der Kritik, umsichtig und gewandt für die mannigfaltigsten Beziehungen der Bedürfnisse eines jungen Künstlers, liebreich und einnehmend und voll Aufopferung – das sind Eigenschaften des Herrn Flatz, welche hier von allen, die ihn kennen, bestätigt würden.
Wollen Euer Excellenz mir meine Weitläufigkeit und Freimüthigkeit gütigst nachsehen und huldvoll genehmigen, daß sich mit tiefster Ehrfurcht unterzeichne
Euer Hochgeboren

unterthäniger, dankerfüllter Diener
Alois Flir

Rom, den 6. Februar 1854