Der Historiker Constantin Höfler übersendet Thun einen Druck seiner Rede
vom 28. Mai des Jahres, die er in der Aula der Universität gehalten hat.
Bei dieser Gelegenheit wurden erstmals Preisfragen der Philosophischen
Fakultät veröffentlicht. Die Rede und die Aufgaben wurden mit
Begeisterung aufgenommen. Er hofft, dass Thun ebenfalls Zeit finden
wird, sie zu lesen und er mit der Auswahl der Preisfragen zufrieden ist.
Anschließend geht Höfler auf verschiedene Personalfragen ein und
empfiehlt unter anderem den Englischlehrer Richard Raby, der sich für
verschiedene Stellen in Prag beworben hat, und den Priester Martin
Katzenberger aus Bamberg. Schließlich weist er darauf hin, dass
demnächst die Beratungen hinsichtlich des Neubaus eines Gebäudes für die
naturwissenschaftlichen Fächer anstünden. Dabei gäbe es jedoch
verschiedene Hindernisse zu überwinden. Höfler hofft gleichzeitig, dass
mit dem neuen Gebäude die Philosophische Fakultät wieder Räume im
Carolinum erhalten werde.
In der Beilage teilt Höfler dem Minister
die wesentlichen Ergebnisse der Beratungen für die Neuaufteilung der
Räumlichkeiten an der Prager Universität mit. Zentrale Übereinkunft der
Professoren war, beim Ministerium eine Verlegung des Altstädter
Gymnasiums zu beantragen und in den dortigen Räumlichkeiten dann die
naturwissenschaftlichen Fächer der Universität unterzubringen. Die
Philosophische Fakultät solle außerdem jenen Hörsaal im Carolinum
erhalten, den bisher der jüdische Buchhändler Schalek benütze. Damit
könnte man von einem Neubau absehen. Höfler hofft, dass Thun diesen
Vorschlag unterstützen wird.
Euer Excellenz!
Ich hielt es für meine Pflicht, das erste Exemplar meiner am 28. vorigen Monats
in der akademischen Aula in Gegenwart Seiner Eminenz des Herrn Universitätskanzlers gehaltenen
Rede1 samt den Thematen der Preisaufgaben Eurer Excellenz
zuzusenden, so daß sie meiner Berechnung nach zur selben Stunde, in welcher sie
gehalten wurde, 12 Uhr, sich in den Händen Eurer Excellenz befinden sollte. Da
mir aber Herr Dr. Nowak meldete, sie
sei unbegreiflicher Weise nicht Eurer Excellenz zu Handen gekommen, während ich
sie doch selbst auf die Post trug und in Gegenwart des Dr. Gindely in den Kasten legte, so beeile ich
mich Eurer Excellenz ein anderes Exemplar zu Füßen zu legen. Ich würde mich sehr
glücklich fühlen, wenn Euer Excellenz es lesen wollten. Nach Allem, was mir von
den verschiedensten Seiten gesagt wurde, ist der Gegensatz zwischen dem Alten
und dem Neuen niemals bei einer öffentlichen Gelegenheit, vor einem gemischten
Publicum so stark hervorgetreten und der Sieg des Letztern so augenfällig
gewesen, als bei dieser Feier. Die Wirkung dürfte als nachhaltig bezeichnet
werden. Ein wohlthätiges Feuer schien sich über die Versammlung zu verbreiten
und daß ich (außer unseren Preisen) eine Handvoll Dukaten zu besserer Dotirung
von den verschiedensten Personen erhielt, möchte dafür sprechen, daß die Sache
auch in andern Kreisen Anklang fand. Ich habe die sehr triftigen Bemerkungen,
welche einmal die Kreuzzeitung gegen Preisaufgaben machte, wenn dieselben ein
Famulat für ein bestimmtes System herbeiführen sollen
oder den Candidaten aus seiner natürlichen Entwicklung herausreißen, sehr wohl
beherziget und eben deshalb mich entschieden gegen eine derartige Auffassung
ausgesprochen. Die philosophische Preisaufgabe ist mit bestimmter Rücksicht auf
die Philologen, die historische mit gleicher Beziehung auf die cand. juris
gegeben und berührt die Zeit, in welcher Böhmen die Verwirrung im
deutschen Reiche klug benützend, sich aus der Zersplitterung zu staatlicher
Einheit, aus dem Verfalle zu so großem Ansehen emporarbeitete, daß die Wendung
der europäischen Politik durch die Erhebung Friedrichs II. von einem Könige Siciliens auf den
deutschen Thron von Otokar I.
ausging. Gebe Gott zum Ganzen seinen Segen!
Der Engländer Raby aus München, welcher in
diesen Tagen hier war, ist wie ich eben hörte, vom Verwaltungsrath der
Handelsschule zum Lehrer der englischen Sprache designirt. Ich führte ihn zu dem
Herrn Generalgroßmeister, welcher ihm für den Fall, daß Euer Excellenz den
Organisationsplan der polytechnischen
Schule, wobei ein englischer Lehrer mit 600 fl ein Religionslehrer,
Prediger und zugleich Professor der Philosophie mit 1600 fl beantragt sind,
bekräftigen sollten, seine Stimme zu der erstgenannten cattedra versprach.
Dasselbe hat so viel ich weiß auch Dr. Walter2 gethan. Endlich liegt von Herrn Raby auch eine Eingabe an das philosophische
Professorencollegium um eine Lectorstelle der englischen Sprache und Literatur
vor. Mr. Ricard, Professor der
französischen Sprache und Literatur an der Handelsschule, hat mir heute ein
Gesuch um eine Privatdocentur für französische Sprache und Literatur an unserer
Facultät gebracht. Er spricht vortrefflich, hat ein sehr angenehmes Äußeres und
scheint ein Mann von vieler Bildung zu sein. Ich darf vielleicht bei dieser
Gelegenheit hinzufügen, daß die Sache seiner Ernennung als Privatdocent mit
Sehnsucht entgegensieht – daß in Bamberg ein Professor der
Philosophie, namens Dr.
Katzenberger, sich befinde, welcher als Geistlicher ebenso die
allgemeine Achtung erlangte wie als Professor, wage ich in Bezug auf die bei dem
Polytechnicum beantragte Stelle ganz unmaßgeblich zu bemerken.
Morgen findet
eine Commissionssitzung in Betreff des Neubaues für naturwissenschaftliche
Fächer statt. Der Rector, der philosophische Professorendecan und Prof. Pierre werden sich hiebei für
die Versetzung der Anatomie aus der Universität, dem Centrum der Stadt und dem
Aufenthalt der Lebenden in das Krankenhaus und Unterbringung der Physik in den
Räumen des Carolins aussprechen und in dieser Beziehung einen submissen Antrag
stellen. Wie mir Prof. Löscher
[sic, richtig Löschner] sagt, scheitern viele sanitätspoliceiliche Maßregeln in
Prag an der Thatsache,
welche freilich einzig in ihrer Art sein dürfte, daß die Leichen vom
Krankenhause durch den belebtesten Theil der Stadt ins Carolinum gebracht
werden, daß dort Sectionen und Präparationen statt finden. Daß die
philosophische Facultät, welcher Kaiser
Karl das Carolin schenkte, daselbst nicht einmal einen Hörsal besitzt,
wohl aber H. Schalek die bel étage
einnimmt, gehört mit zu den bedeutenden Eigenthümlichkeitn des Carolins. Und
doch sind jetzt die philosophische und juristische Facultät so enge mit einander
verbunden, daß ein philosophischer Hörsal im Carolinum bereits ein steigendes
Bedürfnis wird, abgesehen von dem physikalischen, welcher wo möglich in der Nähe
des chemischen Laboratoriums sein sollte.
Indem ich meine Bitte, Euer
Excellenz möge die Rede einer gnädigen Aufmerksamkeit würdigen, zu wiederholen
wage, habe ich die Ehre zu verharren in tiefster Ehrfurcht
Euer Excellenz
unterthänigst gehorsamster Diener
Dr. C. Höfler
Prag, 5. Juni 1857
Da die Commission glücklicher Weise nach langen Erörterungen sich einigte, so
erlaube ich mir Euer Excellenz die Anträge dem wesentlichen Inhalte nach
vorzulegen:
1. Der projectirte Neubau im Clementinum unterbleibt.
Dagegen sollen Eure Excellenz gebeten werden, das Altstädter Gymnasium zu
verlegen – eventuell in das Bouquoische Haus – und dessen Räumlichkeiten den
naturhistorischen Fächern zu übergeben.
2. Solle der erste Stock –
unbeschadet der Wohnung des Bibliothekars – Prof. Pierre für das physikalische Cabinet,
Laboratorium, Hörsal, Wohnung des Cabinetsdieners eingeräumt werden.
3.
Der zweite Stock, wie ihn das Altstädter Gymnasium besessen, solle dem Prof. Stein für das
zoologische Museum überwiesen werden.
4. Prof. Reuß erhält für mineralogisches Cabinet,
Hörsal, Arbeitszimmer, Lokalität für den Amtsdiener das bisherige
zoologische Cabinet und die mineralogischen Localitäten zusammen.
5.
Prof. Dr. Kosteletzký
erhält einen Hörsal im Carolinum und zwar den, wo bisher der Buchhändler Schalek wohnte. Dieser Hörsal,
welchen weder die medicinische noch die juristische Facultät benützt, wird
zugleich von denjenigen Professoren der philosophischen Facultät benutzt,
welche obligate Collegien für die Juristen lesen und bisher wegen Mangel an
Hörsälen zur ungelegensten Stunde für Candidaten wie für Professoren lesen
mußten. Dadurch wird einem wesentlichen Übelstande abgeholfen werden, ohne
daß den beiden anderen Facultäten ein Nachtheil erwächst. Die philosophische
Facultät beansprucht von ihnen nur das bescheidene Plätzchen, welches sie
bisher dem Juden Schalek gönnten
und doch ihren Collegen nicht verweigern werden! Zugleich soll hier, was uns
bisher so sehr abging, ein Lesezimmer für die Professoren begründet
werden.
6. Wird für den Fall der Verlegung des Altstädter Gymnasiums in
das Bouquoische Haus beantragt, den Bau einer Capelle zu unterlassen, da die
Nähe der Thein- und St. Gallikirchen dieselbe überflüssig machen.
Das
ursprüngliche Project in Betreff der Versetzung der Anatomie ward aus dem
Grund aufgegeben, weil es zwar für die Physik am vortheilhaftesten, aber in
Betreff der übrigen naturhistorischen Fächer nicht ausgiebig wäre. Es müßte
dann doch der Neubau geführt werden, während man so dem Staate die
bedeutende Ausgabe erspart.
Ich erlaube mir nun Eurer Excellenz diese
unmaßgeblichen Vorschläge, in welchen sich Prof. Kosteletzký, Reuß, Stein, Pierre mit mir einigten, um so mehr zu
empfehlen, als von unserer Seite nur das wissenschaftliche Interesse
vorwaltet und wir ja bei einer Verlegung des Gymnasiums in das Bouquoische
Haus nicht wohlfeile Mieten verlieren, wie dieses der Fall bei den
juristischen Professoren und wohl auch der Grund partieller Abneigung gegen
den erwähnten Vorschlag ist.
In tiefster Ehrfurcht
Höfler