Ein nicht genannter Verfasser legt ein Gutachten über einen Aufsatz des Historikers Beda Dudik vor, in dem dieser die historischen Beziehungen des Herzogtums Troppau zur Markgrafschaft Mähren beschreibt. Dudik war vom mährischen Landesausschuss mit der Ausarbeitung dieser Thematik beauftragt worden. Der Überblick über die historische Entwicklung der staatsrechtlichen Beziehungen von Troppau zu Mähren sollte den Antrag auf die Inkorporation und Annexion Troppaus durch Mähren untermauern. Allerdings ist der Verfasser, obwohl er die Leistung Dudiks durchaus anerkennt, der Meinung, dass der Historiker die ihm vom Landesausschuss gestellte Aufgabe nicht vollkommen erfüllt habe: Denn Dudik habe zu wenig die staatsrechtlichen Grundlagen der Beziehung der beiden Gebiete herausgearbeitet. Der Verfasser erläutert dann ausführlich einige inhaltliche und methodische Kritikpunkte. Schließlich spricht er sich dafür aus, Dudiks Aufsatz nicht weiter zu verwenden. Sollte der Landesausschuss dies doch tun wollen, so beantragt er, den Aufsatz von einer Kommission auf ihre Richtigkeit begutachten zu lassen. Der Verfasser spricht sich jedoch grundsätzlich dafür aus, die Inkorporationsfrage bis zur Bekanntmachung der kaiserlichen Entscheidungen im Hinblick auf eine Verfassungsänderung ruhen zu lassen.
Votum separatum
Über das Operat des Dr.
Dudiks die staatsrechtlichen Beziehungen zwischen der
Markgrafschaft Mähren und dem Herzogthume
Troppau
Die in Folge des Sitzungsbeschlußes dto. 20. April 1850 verfaßte eben berührte
Schrift soll gewiße Incorporirungs- und Annexationsansprüche – das Aufhören der
500jährigen Selbstständigkeit einer Landschaft, welche eine eigenthümliche, der
mährischen nicht unterordnete Vertretung besaß, und endlich
die Veränderung eines durch allerhöchste Entschließungen der jüngsten Zeit
normirten öffentlichen Rechtszustandes – geschichtlich und staatsrechtlich
motiviren.
Ich glaube, daß wenn auch eine solche Absicht in der Sitzung von
22. April 1850 vom Landesausschuße nicht klar ausgesprochen wurde, die
Realisirung derselben doch als möglich gedacht werden kann.
Unter dieser
Voraussetzung verdient jene Frage eine um so größere Beachtung, als wir, die es
eventuell unternehmen würden, in der Sache die Initiative zu ergreifen, kein
anderes Mandat als unsere Meinung, keine anderen Gründe als die zu erweisende
Rechtmäßigkeit unserer Forderungen und keinen andern Zweck haben
können, als die Überzeugung, daß eine solche Incorporirung zum gemeinen
Besten führen werde. Ich glaube daher, daß die Wichtigkeit des in
Verhandlung stehenden Gegenstandes eine eindringliche Prüfung des Operates
und eine ernste Erörterung der darauf zu basirenden Anträge nicht allein
rechtfertiget, sondern auch zur Pflicht macht.
Der Sitzungsbeschluß
dto. 22. April 1850 lautet:
„Zugleich mit diesem Proteste1 ist Professor Dudik zu ersuchen, die staatsrechtlichen
Beziehungen des Herzogthums Troppau und der übrigen
Landestheile von Schlesien zu Mähren mit Hinweisung auf die bezüglichen geschichtlichen
Dokumente und Urkunden zu erörtern und insbesondere anzugeben, seit welcher Zeit
und aus welcher Ursache das Herzogthum Troppau eine von Mähren verschiedene Vertretung erhalten hat, um für den Fall, als bey den künftigen Landtage die Frage
hierwegen zur Sprache kommen sollte, die nöthigen Substrate vorbereitet zu
haben.“
Dr. Dudik ist mit einem
großen Fleiße dieser ehrenvollen Aufforderung nachgekommen. Er hat manche irrige
Data berichtigt, auch sogar neue Urkunden die Geschichte
Troppaus und Schlesien
betreffend bekannt gemacht und dadurch wesentliche Dienste diesem Theile unserer
Geschichte geleistet. In dem ich hiefür ihm meine Anerkennung ausspreche, kann
ich nicht umhin zugleich einige kritische Bemerkungen als Motive meines Votums
vorauszuschicken.
Diese Bemerkungen umfassen den Standpunkt des Verfaßers, die Tendenzen, welche er
vor Augen hatte, die Art, wie er die vom Landesausschuß
formulirte Frage auffaßte, die Anwendung
historischer und staatsrechtlicher Beweismittel, endlich die Form, in welcher die Thatsachen und die Deductionen eingekleidet
sind.
Der Landesausschuß hat folgendermaßen die erwähnte Aufforderung
formulirt: Es sind die staatsrechtlichen Beziehungen des
Herzogthumes Troppau und der übrigen Landestheile von
Schlesien zu Mähren mit
Hinweisung auf die bezüglichen historischen Dokumente und Urkunden zu
erörtern.
Durch diese Fragestellung ist der Charakter
der wissenschaftlichen Behandlung des positiven Stoffes vorgezeichnet
worden; nämlich die Erörterung des Verhältnisses Mährens zu Schlesien, die Aufstellung der Beweise
vom staatsrechtlichen Standpunkte aus.
Dieser Charakter
der Fragestellung konnte an sich nicht verkannt werden, wenn auch die
Nebenfrage, wann Troppau eine von Mähren verschiedene Vertretung erhielt,
nicht gestellt worden wäre.
Hätte der Landesausschuß auf das staatsrechtliche Verhältnis ein nicht so entscheidendes Gewicht
gelegt, so wäre die Erörterung der historischen Beziehungen allein angeordnet
worden.
Der zweyte Theil der an den Verfaßer ergangenen Aufforderung, um für
den Fall als beym künftigen Landtage die Frage hierwegen zur Sprache kommen
sollte, die nöthigen Substracte vorbereitet zu haben, offenbart die Art der
Anwendung dieser Abhandlung.
In der Voraussetzung, daß dieselbe zum
ämtlichen Gebrauche bestimmt war, ist sie die Rechtsbasis eines öffentlichen
Vorgangs, welcher von der legalen Vertretung des Landes ausgeht. Die
Vollwichtigkeit der Argumente, die einem so wichtigen Inhalte angemessene
tadellose Form die durchgängig objektive und gemäßigte Haltung sind
unerläßlichen Eigenschaften einer Schrift, welche nicht ein
historisches Pamphlet, sondern ein wohldurchdachtes
diplomatisches Aktenstück sein soll. Nach Darlegung dieser Auffassung
des Charakters und der Tragweite der vom Landesausschuß gestellten Aufgabe,
erlaube ich mir die Hauptmomente der von Dr.
Dudik erzählten Geschichte, dann den Gang und Charakter der
Beweise und Deductionen hervorzuheben:
Der Verfaßer theilt die
geschichtliche Abhandlung in 6 Perioden.
I. Troppau als
eine politisch administrativ mit Mähren
verbundene Provinz 1028–1318.
II. Troppau unter den
Premysliden 1318–1464.
III. Die Periode, wo Troppau zu
Schlesien gezogen wird 1464–1526.
IV.
Troppau unter den Habsburgern 1526–1613.
V.
Troppau wird dem Fürsten Liechtenstein als Lehen ausgesetzt 1613–1620.
VI.
Troppau als ein förmliches Lehen des Hauses Liechtenstein
1620–1851.
Die urkundlichen Nachweisungen der I. Periode erheben die
Thatsache über allen Zweifel, daß Troppau mit Jägerndorf wenn nicht bis 1318, doch bis 1261, wo
Ottokar dem unächten Niklas
Troppau verlieh, ein in Castellaneyen eingetheilter Theil
Mährens war, wie Znaim
[Znojmo], Lundenburg [Břeclav],
Iglau [Jihlava] etc. Durch die Bande gemeinsamer
Abstammung, Sprache, Sitte und Gewohnheiten, dann einer Vertretung und
Verwaltung mit Mähren verbunden.
Die
Castellane des Troppauer Distrikts besuchten die
colloquia generalia Mährens, welche sowohl in
Brünn, Znaim als
auch in Troppau abgehalten werden. Kurz, dies Faktum ist
so klar, daß jeder fernere Beweis Eulen nach Athen tragen hieße.
Die
historische Aufgabe ist in dieser Periode gelöst.
Aber schon hier zeigte
sich eine nicht richtige Auffassung der vom Landesausschuß gegebenen Frage und
gewiße Begriffsverwechslungen, welche sich an vielen Punkten der Abhandlung
wiederholen. Der Landesausschuß hat vor allem die staatsrechtlichen Beziehungen
zwischen Troppau und Mähren
kennen wollen.
Diese Beziehungen entspringen aus den Rechten
und Pflichten, welche für den Staatsherrscher und die Unterthanen
gegenseitig so wie auch für die Letzteren unter sich durch den Staatszustand
begründet werden.
Den Schwerpunkt der Erörterung bildet daher nach
der vom Landesausschuß gestellten Frage die Darstellung der positiven
Verhältnisse des Souverains, seiner Familienrechte und Gewalt, der Stände und
Unterthanen; ihrer gegenseitigen Rechte und Pflichten so wie sie in den
verschiedenen Perioden galten und wie sie sich entwickelt, vermehrt oder
verringert haben – kurz die Darstellung der Rechtsverhältnisse der vornehmsten
Staatsfaktoren, um den Charakter der Rechtsbeziehungen Mährens zu Troppau beurtheilen und die ferneren
nöthigen Folgerungen daraus ableiten zu können.
Der Verfaßer scheint jedoch
diesem Gesichtspunkte keine besondere Bedeutung beygelegt zu haben, weil er
seine Beweise fast ausschließlich aus dem Reiche vieldeutiger Thatsachen hohlt –
ein Verfahren, dessen Nachteile am Schluße gezeigt wird.
Dieses Verkennen
der Bedeutung des eigentlichen Schwerpunktes geht so weit, daß der Verfaßer nach
Seite 5 über den Begriff des Staatsrechts selbst mit sich nicht in
Reinen ist, er behauptet nämlich, daß zwischen Mähren und Troppau in der I. Periode von
staatsrechtlichen Beziehungen keine Rede sein kann, weil Mähren und Troppau durchaus ein Land waren. Durch
diese Auffassung wird eine Art Verwechslung des inneren
Staatsrechtes mit jenem im Mittelalter so wichtigen Theile des öffentlichen Rechts kundgegeben, welcher auf den
Verhältnissen der mit besonderen Vertretungen bedachten unter verschiedenen
Vasallen eines Lehenherrns stehenden Landschaften unter einander Anwendung
findet – und dessen der Verfaßer auch nicht mit einer Sylbe Erwähnung macht.
Nach der allgemein sanctionirten Definition des Staatsrechtes als den Inbegriffs
von Rechten und Pflichten zwischen Souverain und Unterthanen, dann der
Unterthanen untereinander, bestanden gerade damals staatsrechtliche Beziehungen
zwischen Troppau und Mähren.
Diese Begriffsverwechslung
wirkt sehr störend in einer Staatsschrift, deren akademische
Eigenschaften oben angegeben wurden.
Gleich in der II. Periode, welche mit
Belehnung Niklas II. 1328 durch
Johann von Böhmen [Johann
von Luxemburg] beginnt, wäre es an der Zeit gewesen, vom rechtlichen
Gesichtspunkte diesen die Trennung Troppaus von
Mähren begründenden Akt zu untersuchen und
nachzuweisen, in wie weit der Landesfürst die Genehmigung der damals schon
constituirten Stände dazu bedurfte und in wie weit der Akt selbst – also die
Trennung – das Gepräge der Rechtmäßigkeit trage oder nicht.
Nachdem damals
der Landfürst selbst kleinere Güter nicht ohne „Consilium“ der Barone verleihen
konnte, so muß angenommen werden, daß diese Einwilligung um so mehr bey der
Belehnung des Niklas mit Troppau, bey der Abtrennung2 eines bedeutenden Gebiethes von
Mähren eingeholt wurde. Von
diesem Augenblicke an bleibt Troppau von Rechtswegen eine
selbstständige Landschaft, ein Kronlehen Böhmens (nach der Goldenen Bulle Carls
IV.
des Jahres 1348).
Troppau war
nach dieser Bulle mit Mähren und Ollmütz im koordinirten Verhältnisse und mit
diesem nur durch die Krone Böhmens in staatsrechtlicher Verbindung. Auch dieses so wichtige Verhältnis historisch rechtlich zu
erörtern, wurde unterlassen, was um so mehr zu bedauern ist, als der
Verfaßer bey einer klaren Auffassung der vom Landesausschuß gestellten Frage,
niemals unter den Einfluß der vorgefaßten Meinung gerathen wäre, als ob
Troppau auch nach 1318 und 1338 ein Theil Mährens gewesen, als ob durch die nicht erfolgte
Verschmälzung Troppaus mit Mähren ein Unrecht begangen worden wäre. Dieses ursprünglich aus
der Wahrnehmung der Stammesgleichheit der Bewohner beyder Landschaften
entstandene, durch eine viel zu geringe Würdigung jener Trennung Troppaus und seiner neuen
staatsrechtlichen Verhältnisse mit Mähren
verstärkte Vorurtheil, hat den Verfaßer mit der Methode
vertraut gemacht, irrige Schlußfolgerungen anzuführen,
Scheingründe geltend zu machen, welche nur befangene Blicke täuschen
können. Verschiedenheiten zu übersehen, die faktisch existirt haben und
endlich auch Thatsachen als für seine Meinung redend
vorzubringen, welche sehr vieles, aber nicht das, was sich der Verfaßer zur
Aufgabe stellte, beweisen. Er sollte das staatsrechtliche Verhältnis zwischen Mähren und Troppau
objektiv aufhellen und hat von dieser Aufgabe sich entfernend
immer nur beweisen wollen, daß Troppau zu Mähren gehöre und daß die Nichtincorporirung mit Mähren ein von
Jahrhundert zu Jahrhundert sich forterbendes Unrecht war. Weil ihm jedoch dies
nicht gelingen konnte, überträgt er die Deductionen auf den Streit zwischen
Troppau und Schlesien und erblickt wieder
in jeder Bemühung der Schlesier Troppau nach
Breslau zu ziehen, in jeden Versuch Troppaus Selbstständigkeit von kaiserlicher oder
schlesischer Seite her anzugreifen, ein dem Lande Mähren und den mährischen Ansprüchen zugefügtes Unrecht.
Aus
dieser Würdigung des Geistes und der Tendenzen der Schrift, läßt es sich
erklären, wie es kam, daß der Verfaßer selbst aus der Verschiedenheit des
Wortlautes zwischen dem Troppauer und den schlesischen Lehenbriefen – (im ersten
gibt der König sein Oppaland; in den Letztern präsentiren die
Fürsten ihre Herzogthümer zu Lehen) – Consequenzen für die
Behauptung zog, Troppau seye kein schlesisches Herzogthum,
folglich nur ein Theil Mährens gewesen, daß er S.
55 und 93 die Vermuthung ausspricht, der Troppauer Adel habe den mährischen
Landtag besucht, und diese Vermuthung nicht
begründete.
Dagegen wird der so wichtige Umstand nicht erörtert, welche staatsrechtlichen Folgen für Troppau
die Anwesenheit der premyslidischen Herzoge am Breslauer Fürstentage nach sich
zog.
Freylich motivirt der Verfaßer diese Anwesenheit einfach durch die
gleichzeitige Herrschaft der Premysliden in schlesischen
Landen, allein eine Darlegung der Wirksamkeit des Fürstentages, der Bedingungen
zur Theilnahme an demselben, hätte das sicherste Kriterium des Rechts sowohl zur
Beurtheilung jener staatsrechtlichen Folgen als auch des Prozesses, welcher in
der Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen den Troppauer und den schlesischen
Ständen um die Incorporirung des Oppalandes entstand, gegeben.
Daß dieser Prozeß und die Ansprüche der Schlesier sich auf die unter den
Premysliden zwischen Troppau und
Breslau angeknüpften politisch-administrativen Verbindungen
gründeten, unterliegt keinen Zweifel.
Prägnanter, schärfer und klarer wäre
diese Art von Beweisführung gewesen, als jene, welche der Verfaßer zur
Motivirung, daß Troppau zu Mähren gehört, S. 63 anwendet; um dies zu begründen
beruft er sich auf das Versprechen G[eorg]
Podiebrads, die Troppauer nach den in Böhmen und Mähren geltenden
Gesetzen zu behandeln, und auf den Umstand, daß die Troppauer sich überhaupt an
mährisches Recht hielten.
Die Reception fremder Rechte lag in den
Rechtsgewohnheiten jener Zeit; und man würde, wenn aus der Thatsache der Annahme
mährischer Rechte die politische Abhängigkeit Troppaus von der Rechtsheimath gefolgert wird, einen eben so
falschen Schluß ziehen, als wenn man aus der Reception des Magdeburger Rechts in
Ollmütz und
Breslau die Abhängigkeit dieser beyden Städte von
Magdeburg beweisen wollte. Ich bin nicht verlegen um
ähnliche Receptionsbeyspiele in unserem Vaterlande. Die Iglauer Bergrechte galten fast in ganz
Deutschland, die Brünner Stadtrechte in Prag, die
Falkensteiner Decisiones in Mähren, und es wird doch niemand behaupten wollen,
daß Deutschland von Iglau,
Prag von Brünn
und Mähren von Ostreich
deshalb abhängig waren.
Diese irrige Behauptung
wiederholt sich S. 111, 115 und 237.
Die staatsrechtlichen Verbindungen,
welche Troppau durch die Anwesenheit seiner Herzoge S. 59, 60
in Breslau mit Schlesien einging,
wirkten nach dem Absterben der Pemysliden in Troppau 1464 so
mächtig, daß S. 73 die Verfügungen Mathias
in Bezug auf das Steuerwesen Troppau als ein schlesisches
Fürtstenthum behandelte und Ludwig in einem
1523 an die schlesischen Stände gerichteten Briefe die angeblich
von Troppau versuchte Vereinigung mit Mähren
(sic), die Trennung der Troppauer ab
antiquissima comeritate silesiaea, eine innovatio et
motatio[sic!] nennt, die er nie zugeben würde.
Von
dieser Epoche beginnen die Kämpfe zwischen den Oppaständen und den
Landesfürsten, welche Troppaus administrative und
Vertretungsselbstständigkeit dadurch bedrohen, daß sie das Herzogthum den
schlesischen Behörden und dem Fürstentage unterwerfen, während die Troppauer, um
den hochbesteuerten Fürstenverband zu entgehen, ihre Selbstständigkeit behaupten
und daher den König Vladislaw dazu
vermochten, S. 80, 87 ihre Selbstständigkeit und die Unveräußerlichkeit (daß diese sowohl gegen Schlesien als
auch gegen Mähren galt, versteht sich von
selbst) des Fürstenthums wiederholt zu verbriefen.
Diese
Selbstständigkeit wird vom Landesfürsten soweit anerkannt, daß
Troppau im Jahre 1513 nach dem Tode Casimirs von Teschen einen
Statthalter erhält und S. 100 der böhmische König sich im Geiste der aurea bulla
Herr von Troppau nennt.
Wenn daher, wie in der
Schrift behauptet wird, die politisch administrative Verbindung Troppaus mit Schlesien ein gegen das
bestehende Staatsrecht gerichteter Machtspruch gewesen wäre, weil die Stände
dagegen protestirten, so ist es anderseits nicht minder wahr, daß kein Vertrag,
kein rechtgültiger Landtagsbeschluß die S. 99 ausgesprochene Behauptung
rechtfertigt, daß nach dem Tode des letzten Troppauer Kronvasallen,
Troppau hätte mit Mähren
vereinigt werden müssen.
Daraus kann nur die Selbstständigkeit Troppaus gefolgert werden, wie denn auch das
Fürstenthum eine besondere Landtafel, besondere Ständeversammlungen und
Statthalter für sich hatte und die Troppauer Stände auch ihr Landtafelrecht gegen Mähren
, die Mährer gegen
Troppau vertheidigt haben, pag. 115. Obwohl der Verfaßer
die Leichtigkeit der Güterübertragung von einer Landtafel zur andern, daher auch
die Änderung der Landesgränze rühmt, so haben doch die Troppauer und Mährer
sowohl wegen der Güterübertragungen als auch wegen der Gränzen gestritten. Die
Troppauer vertheidigten somit ihre selbstständige Territorialgerichtsbarkeit,
und dieser Umstand wird sonderbarer Weise vom Verfaßer als Beleg für die
Verbindung Troppaus mit Mähren angeführt. Da das Oppaland nach der Goldenen Bulle ein
böhmisches Kronlehen war, so fiel es nach dem Tode des Vasallen an Böhmen zurück, weshalb sich der König, wie früher
bemerkt wurde, auch Herr von Troppau nennt.
Hätte das
Aussterben der Vasallitischen Familie, wie der Verfaßer behauptet, die
Consolidation und zugleich Einverleibung von Mähren und Troppau ipso facto veranlaßt, so müßte
der König in einem solchen Falle die bezüglichen Titel als Markgraf von Mähren
und Herr von Troppau ablegen; wir sehen aber, daß der König von Böhmen sich auch
nach jenem Aussterben Herr von Troppau nennt, wie er Markgraf von Mähren betitelt wird, also bewährt
Troppau stets denselben durch die Goldene Bulle erhaltenen
Charakter wie Mähren, d. h. jenen eines
selbstständigen nur von Böhmen abhängigen
Kronlehens, bey welchem die Consolidation nicht die politische
Einverleibung nothwendig zur Folge hatte. Wenn auch damit die
Verhältnisse Anfangs des 16. Jahrhunderts auf die Rechtsbasis der Goldenen Bulle
zurückgeführt werden und Troppau als kein schlesisches
Herzogthum angesehen wird, so ist es andrerseits nicht zu bezweifeln, daß
Troppau als ein mit Mähren
koordinirtes Kronlehen –
als eine selbstständige
Landschaft galt
.
Wo ist denn das behauptete Unrecht, wo
die beklagte Verletzung der Hausgesetze, wo haben die Troppauer Stände
protestirt? Welche staatsrechtlichen Momente kann der Verfaßer für seine
Behauptung anführen? Haben Ottokar, haben
Johann oder spätere
Monarchen oder irgend welch rechtsförmlicher Vertrag die die Reincorporirung
Troppaus mit Mähren ausgesprochen?
So wie die obangeführten Reception eines
Rechtsbuchs oder von Rechtsgewohnheiten aus fremden Landen eine politische
Abhängigkeit nicht zur Folge hatte, eben so läßt sich aus dem Umstande, daß die
Troppauer mit den schlesischen Ständen einen Landfrieden schlossen, weder eine
Unabhängigkeit p. 63, noch die Abhängigkeit der Paciscenten daraus ableiten.
Wenn zum Beweise der Unabhängigkeit der Paciscenten der zwischen den Souverainen
in keinem Verbande stehenden Fürsten von Mähren
und Österreich geschlossene Landfriede
durch den Verfaßer citirt wird, so könnte andererseits das Schließen eines
Landfriedens der mährischen Stände, welche sicher in einem innigen
staatsrechtlichen Verbande miteinander standen, als Beweis für ein ähnliches,
zwischen den schlesischen und den Troppauer Ständen bestehendes Verhältnis
gelten – was jedoch der Verfaßer sicher nicht zugeben wird.
Der Landfriede
war die Aufstellung eines Normativs zwischen den Vertragsschließenden Partheyen
und konnte sowohl in staatsrechtlichen wie in völkerrechtlichen Beziehungen
Anwendung finden. Eben so wenig kann ich als Beweis eines politisch
administrativen Verbandes zwischen Troppau und Mähren den Apellationszug von
Troppau nach Mähren
anerkennen.
Die Universität
Leipzig und andere, das Dohnasche Schöffengericht und Brünn selbst waren Appelgerichte für Orte, welche nicht mit in
den Staatsverband jenes Gerichtsortes standen. Die Rechtsgewohnheit der
damaligen Zeit gestattete dies, ohne ein weiteres politisches Verhältnis
zwischen den Appeleanten und derjenigen Landschaft deshalb herzustellen, in
welcher sich der Sitz des Appellationsgerichtes befand.
In der IV. Periode,
in welcher Troppau unter Habsburgs Scepter durch jene
geistvolle und tugendhafte Anna kam, haben die premyslidischen Präjudikate (Bogen 3) so
mächtig gewirkt, daß Ferdinand
Schlesien zum Defensionswerke in 4 Kreise theilt,
Troppau dem südlichen Kreise einverleibt, die Steuer und
das Contigent des Oppalandes nach Breslau weist.
Wenn
der Verfaßer diesem Faktum den Umstand S. 111 entgegenhält, daß
Troppau seine besondern Landrechte und Landtage hatte, mit
hin mit Schlesien in keinen Verbande stand, so muß wiederholt
werden, daß damit immerhin die autonome Verfaßung Troppaus behauptet, nie aber
die Folgerung gemacht werden könne: also hat
Troppau, weil es mit Schlesien nicht
verbunden werden konnte, zu Mähren
gehört.
Auf diese Art müssen die ähnlichen Beweisführungen S. 127
und 137 gewürdiget werden. Daß Troppau damals mit
Schlesien und Mähren
coordinirt, wie der Verfaßer selbst bemerkt, auf den Generallandtag zu
Prag, wo alle Kronländer vertreten waren, auftrat,
ist nur ein Beleg mehr für meine Ansicht, so wie diese Beschickung des
Generallandtages p. 116 und 118 der Autonomie Mährens, Schlesiens und Troppaus nicht präjudicirlich seyn konnte, eben so
war die bloße Anwesenheit der Troppauer Stände bey den Brünner Zusammenkünften
kein Beweis für die politisch administrative Verbindung Troppaus mit Mähren.
Ungeachtet
der autonomen Stellung Troppaus und dessen
Eigenschaft als böhmisches und den böhmischen Centralbehörden unterstehendes
Kronlehen geht nach p. 116 der Troppauer Landeshauptmann zum Breslauer Fürstentage.
Obwohl der Verfaßer
diese faktische Annexation tadelt und ihr keine Geltung gibt, weil der
Landeshauptmann als kaiserlicher Beamter, ohne sich um die Berechtigung seiner
Schritte zu kümmern, gehorchen muß, so ließ er doch das staatsrechtlich so
wichtige (übrigens die eigentliche Frage nicht berührende) Moment unerörtert, ob
mit Rücksicht auf das damals geltende Staatsrecht die diesfälligen, an den
Landeshauptmann erlassenen Anordnungen den legitimen Charakter bewähren und ob,
falls dies bejaht wird, Consequenzen für Troppau auf der
Verbindung mit Schlesien und welche gezogen werden können? Dann
die nicht minder interessante und wichtige Frage: In welchen Verhältnissen
standen die schlesischen Landschaften zum Fürstentage und dieser zum
Generallandtage, in wie weit waren die Beschlüsse des Fürstentages für die
Landschaften bindend? usw.
Nach S. 122 scheint
Breslau ein Zwischencentralpunkt für die schlesischen
Fürstenthümer gewesen zu seyn, dort werden Steuern gezahlt, dort Truppen
gestellt und die Cameralgefälle abgeführt. Das Oberrecht und die k. Kanzley
residiren in Breslau und ertheilen schon den Troppauern
Befehle.
Die Bande, welche Schlesien in der 2. Hälfte des
16. Jahrhunderts um Troppau schlingt, werden immer fester und
legen hiemit den Grund zu einem Prozesse der oberen Stände (die Städte waren
deutsch und neigten sich immer dem mehr germanisirten Schlesien
zu) gegen Schlesien, welcher ohne entschieden zu werden,
Jahrhunderte dauerte, die faktische und seit 1622 auf die zweifellos rechtliche
Incorporirung Troppaus und des an die Familie
Schellenberg übergangenen
Fürstenthums Jägerndorf mit
Schlesien bewirkte. Die Geschichte dieses Prozesses umfaßt
die drey letzten Perioden des Werkes und wird zu einer Bedeutung erhoben,
welcher leider zur Förderung einer eventuellen Incorporirung Troppaus nichts beyträgt, denn alle Argumente, welche
der Verfaßer für die Troppauer Sache anhäuft, können weder die faktische
Verbindung mit Schlesien und die von den Kaisern auf Grund dieser getroffenen
Verfügungen wegläugnen, noch die Frage über eine existirende faktische oder
rechtliche Verbindung Mährens mit
Schlesien auch nur um einen Schritt der Lösung näher
rücken.
Es wird gezeigt, daß die Mährer die Troppauer moralisch und
materiell dabey unterstützten. Dagegen sprechen viele gewichtige Umstände für
den Bestand einer faktischen Verbindung zwischen Troppau und
Schlesien. So z. B. huldigen die Troppauer 1563 dem Kaiser
Max in
Breslau, und als der Prozeß begonnen, trifft der
Kaiser das Provisorium, daß Troppau in der Verbindung mit
Breslau verbleibe 1567.3
Wenn auch die Troppauer dieser Anordnung sich nicht fügen
und dem Kaiser Rudolf die Huldigung in
Breslau verweigern, so motiviren sie ihre Bitte, der Kaiser möge sich in Troppau huldigen
lassen, damit, daß sie nicht außerhalb der Landesgränzen
huldigen wollen. Wäre es ihnen um die Verbindung mit Mähren Ernst gewesen, so hätten sie gebethen, in
Brünn oder Prag
huldigen zu dürfen, und dadurch die beste Gelegenheit gehabt, durch einen nach
dem damaligen Staatsrechte die Territorialautonomie charakterisirenden Akt ihre
Annexationslust mit Mähren und ihre Neigung zum
politischen Selbstmord glänzend an Tag zu legen. Und als Rudolf 1577 sich huldigen läßt, so thut er es als
König von Böhmen, nicht als Markgraf
von Mähren. Eben so Mathias, als ihm 1611
in Troppau gehuldigt wurde.
Mit dem Jahre 1613 tritt
der Prozeß in ein neues Stadium, ohne deshalb einen für die angeblichen Rechte
Mährens günstigeren Charakter zu gewinnen, im Gegentheile, es wird jetzt die
Selbstständigkeit Troppaus und seine Verbindung mit Schlesien eine fast
unausweichliche Nothwendigkeit.
Die von keiner Seite angefochtene
Consolidation des Lehens Troppau mit der böhmischen Krone hört
in diesem Jahre auf. Mathias belohnt den
Fürsten Liechtenstein über
Vorschlag des schlesischen Vizekanzlers Schöneaichs [Schönaich] mit Troppau (Jägerndorf war an den Markgrafen von Brandenburg
übergegangen, den nachmaligen obern- und niederschlesischen Condottiere der
protestantischen Rebellen).
Ohne die Hausgesetze der Regentenfamilie bekannt
zu machen, findet der Verfaßer, daß Mathias
zu dieser Belehnung nicht berechtigt war, weil nach den Privilegien Wladislaws, welche wiederholt confirmirt
wurden, die Könige Böhmens die Nichtalienirung
des Herzogthums den Troppauern sicherten.
Es hätte, um diese Behauptung zu
rechtfertigen, mit Hinweisung auf das Staatsrecht der damaligen Zeit der für die
Streitfrage entscheidende Begriff der Nichtalienirung erörtert und
bestimmt werden sollen. Ist unter Alienirung eines Lehens die einfache
Belehnung, die Separirung des Ober- vom Nutzungseigenthume oder das Abtreten des
Lehens an einen fremden, mit der Krone in keiner Verbindung stehenden Herrscher
zu verstehen?
In so lange diese Frage nicht beantwortet wird, muß das
Urtheil über die Rechtmäßigkeit der Belehnung Liechtensteins suspendirt werden, und
es hätte sich der Verfaßer von so schweren Anklagen gegen den Kaiser um so mehr
enthalten sollen, als S. 178 angegeben wird, daß die schlesischen,
Troppauer und mährischen Stände bey der Entscheidung des Proceßes auf
den Kaiser kompromitirt haben und ihm daher das
Endurtheil überließen.
Kraft dieses Compromißes belehnte Mathias den Liechtenstein oder mit einem Worte: der Kaiser erhob ihn zu
einem schlesischen Fürsten und wollte dadurch die Verbindung Troppaus mit Schlesien
andeuten.
Wenn auch die Frage bezüglich der Alienirung klar beantwortet, des
Kaisers unrechtmäßige Gebiethstrennung 4 bewiesen, das Compromiß (wie es auch faktisch nach S. 180
und 182 geschah) durch die Stände nicht anerkannt worden wäre – frage ich: Hat
der Verfaßer außer den gemeinschaftlichen Prozeßinstruirungen der Mährer und
Troppauer, auch nur den schwächsten politisch administrativen Nexus Mährens mit Troppau
nachgewiesen?
Er that es nicht und konnte es um so weniger thun, als selbst
die mährischen Abgeordneten zur Prager
Tagsatzung (in Sachen des Troppauer Prozeßes) des Mai 1616
Troppau als böhmisches Krohnlehen
anerkennen.
Aus dieser einstigen Erklärung und Anerkennung Troppaus als böhmisches Kronlehen (dessen Stellung
durch Carls Goldene Bulle normirt war)
folgerte der Verfaßer, daß zwischen Böhmen, Mähren und
Troppau eine Personal-, dagegen zwischen Mähren und Troppau eine
Realunion existirt habe, ohne aus zuvordererst mit der staatsrechtlich
so wichtigen und hier so nothwendigen Begriffsbestimmung über Personal- und
Realunion bekannt zu machen.
Wenn der Verfaßer die Personalunion auffaßt als
eine nur vorübergehende Verbindung zweyer an sichselbstständiger Staate, unter
einem Zepter dadurch, daß in Folge einer zufälligen Übereinstimmung der in
denselben geltenden Successionsgesetzen dieselbe Person oder Familie zu zwey
oder mehreren Kronen berufen wird, nach deren Aussterben jedes Land nach seinem
eigenthümlichen Gesetzen auch von verschiedenen Regenten beherrscht werden kann,
so zeigt die Geschichte, daß eine solche Personalunion zwischen Böhmen, Mähren und
Troppau nicht vorhanden war; denn der Besitz der Krone
Böhmens bedingt die Herrschaft von Mähren und
Troppau.
Dagegen glaubt der Verfaßer, daß zwischen
Mähren und Troppau eine Realunion bestanden habe. Mag nun diese Realunion als
gemeinsames für zwey oder mehrere Länder verbindliches Sucessionsgesetz oder als
das Bestehen einer gemeinschaftlichen Vertretung und Verwaltung des durch keine
Gränzen geschiedenen autonomen Gemeinwesens aufgefaßt werden, so wäre gerade
eine solche Realunion nicht vorhanden, weil diese in der ersten Bedeutung für Troppau und Mähren gemeinsame, den böhmischen entgegengesetzte
Sucessionsgesetze voraussetzt, was historisch und rechtlich unrichtig ist, da
der König von Böhmen wie bemerkt als solcher, nicht aber als Markgraf von Mähren Herr von Troppau war, da endlich in der zweyten Bedeutung nach dem
Jahre 1318 Troppau und Mähren
nie eine, sondern immer zwey
Repräsentationen hatten. Daher ist die Folgerung, daß zwischen Mähren, Böhmen und
Troppau eine Personal-, zwischen Mähren und Troppau aber eine Realunion aus dem
Grunde bestand, weil die Mährer in Prag
Troppau als ein böhmisches Kronlehen, hiemit
als eine selbstständige Landschaft anerkannten, nicht allein nicht historisch
begründet, sondern auch staatsrechtlich unrichtig.
Die sechste und letzte
Periode 1623, die Belehnung des Hauses Liechtenstein mit
Troppau und mit dem, dem geächteten Rebellen von Brandeburg
abgenommenen Jägerndorf, läßt uns aber die Stellung dieser Fürtstenthümer in
keinem Zweifel, wenn auch die Troppauer die Unterwerfungsbedingungen, worunter
die Annexation deutlich ausgesprochen ist, im Jahre 1622 nicht unterschrieben
hätten, wenn auch die mährischen Troppauer Stände die Verbindung mit
Schlesien stillschweigend nicht anerkannten und die
ersteren durch Wiederaufnahme des Prozeßes 1657 und 1682 (zum letzten Mal) die
Troppauer als Mähren
nahe stehend p. 223 betrachteten.
Liechtenstein wurde belehnt, die
Stände gaben ihre Zustimmung und der neue Herzog nahm seinen Sitz unter den
schlesischen Fürsten sein. Selbst die unter Ferdinand III. geschehene Bestätigung der alten Troppauer
Privilegien, hiemit der „Nichtalienirung“ p. 237 konnte den Troppauern nicht
förderlich seyn, wie der Verfaßer behauptet; im Gegentheil, Ferdinand III. zeigte damit,
daß unter Alienirung nicht eine Belehnung, sondern die Veräußerung an
andere Souverains zu verstehen sey; daß folglich die Belehnung
Liechtensteins den
Privilegien nicht widerspreche.
Durch die Verbindung mit
Schlesien ist Troppau größtentheils
germanisirt worden; die Erinnerung an die gemeinsamen natürlichen Bande mit
Mähren verschwand bis zu dem Grade, daß nach
dem Verluste Schlesiens im Hubertsburger
Frieden Troppau mit Teschen
selbstständig wurden.
Unter Kaiser
Josef fand zwar eine administrative Vereinigung, jedoch nur in
den obersten Landesstellen statt, welche den specifisch schlesischen Geist
Troppaus so wenig an Mähren fesselte, daß, als im Jahre 1848 in Folge einer durch
Professor Schembera [Šembera]
im Landtage angeregten parlamentarischen Conversation über die Incorporirung
Troppaus mit Mähren, zahlreiche Demonstrationen in Schlesien
dagegen stattfanden. Im Jahre 1849 erfolgte eine neue Constituirung Ostreichs. Schlesien erhielt
die Würde eines Kronlandes und angelte sogar nach den zweifellos mährischen
Enclaven.
Nur 11 Gemeinden des Troppauer Kreises mährischer Zunge
überreichten 1848 zur Zeit, als der hochwürdige Herr Prälat, Ritter von Wokral, Präsident und ich Sekretär des
Petitionscomites waren, dem Landtage eine Bittschrift, worin sie um Annexation
bathen. Allein die Petition wurde dem Verfassungscomite überwiesen und theilte
dort das Schicksal mehrerer anderer Petitionen, sie wurde unerledigt dem
Landesausschuße übergeben.
Wenn die kritischen Bemerkungen über die
einzelnen Theile dieses Elaborats reassumirt werden, ergibt es sich, daß der
Gesichtspunkt der vom Landesausschuß gemachten Fragestellung nicht immer
festgehalten, daß der ganze Eifer der Beweisführung auf Thatsachen gelegt wurde.
Die Rechtsfolgerungen aus Thatsachen sind aber ohne genaue
Kenntnis, ohne scharfe Auslegung der positiven Rechtsnormen gewagt,
unsicher und oft nur verirrend.
In dem das Gewicht der Argumentation auf
Thatsachen gelegt wird, erhält der Gegner dasselbe Recht.
Dieses
unwillkürliche Zugeständnis ist in der vorliegenden Frage um so bedenklicher,
als es mehr Thatsachen gibt, die für als gegen die Gegner
streiten; um einer so unvortheilhaften Lage zu entkommen, muß man sich
entschließen, einen fortwährenden, den Totaleindruck verwischenden kleinen Krieg
gegen die vieldeutigen Facta zu führen, wobei die Kraft der Argumente
zersplittert, unhistorische Analogien und, wo Beweise fehlen, grammatische
Assertionen angewendet werden müssen!
Wenn auch die Thatsachen der Sache
Mährens günstiger wären, so sind die daraus
abgeleiteten oder abzuleitenden praktischen Schlußfolgerungen dadurch erschwert,
weil die Materialien zur Erörterung der Rechtfrage
fehlen.
Die Entfernung vom Rechtsboden hat aber auch noch die
wesentlichen Nachtheile, daß der Forscher wie von dem allein wahren Compaß
verlassen nach gewissen Beweisen hascht, die in einer Staatsschrift nicht
vorkommen dürfen.
Der Verfaßer beruft sich oft auf das mährische Bewußtseyn
der Troppauer, auf die Stammverwandtschaft mit Mähren, auf Wünsche, Hoffnungen, ja sogar auf Schritte, welchen die Weise der
Gesetzlichkeit fehlt. Weder sympathische Velleitäten noch
Naturbestimmtheiten können in positiven Staatsfragen ein Recht aufheben oder
begründen. Dem Lombarden wird die Liebe zu Piemont, dem Pohlen
die Sympathie für ein nationales Reich, dem Deutschen die Neigung zum einigen
Deutschland nie als staatsrechtlicher Titel angerechnet
werden.
Da auf das Bewußtseyn der Troppauer so viel Gewicht gelegt wird, so
erinnere ich, daß wenn dieses Bewußtseyn im Mittelalter für,
dasselbe Bewußtseyn in jüngster Zeit gegen Mähren sprach.
Durch diese Methode in der Beweisführung, die
den Forscher oft auf ein der Frage fernstehendes Feld drängt, gewinnt es den
Anschein, daß der Verfaßer im Dienste einer vorgefaßten Meinung steht, die ihn
nöthigte als Sachwalter aufzutreten dort, wo er hätte Richter seyn sollen.
Ich will hier nicht nochmals auf die
Eigenschaften einer Staatsschrift zurückkommen, deren erstes Erfordernis das
Fernhalten alles dessen seyn muß, was den Gegner zu Verdächtigungen Anlaß geben
könnte, ich will hier nicht die Form der Argumentationen berühren, die ich
früher hinlänglich gewürdigt habe, nicht die stylistischen Kakophonien
hervorheben, welche der Arbeit den Anstrich eines unfertigen historischen
Versuches geben, sondern beschränke mich bloß, die Aufmerksamkeit auf einige
Stellen zu leiten, welche in einer über Aufforderung des Landesausschußes
geschriebenen, von ihm zu sanktionirenden Schrift geradezu unschlicklich
erscheinen. So beurtheilt z. B. 163 der Verfaßer die Belehnung Liechtensteins durch Kaiser Mathias mit folgenden Worten:
„Das
Fürstenthum mußte der Politik, oder besser gesagt, dem Privatinteresse des Kaisers wider jedes Recht
unterliegen! Es mußte als Tauschmittel gegen die Grafschaft
Pardubitz und der Geschichte als neues Beleg dienen,
daß das Ludwigsche l’etat c’est moi praktisch seit undenklichen Zeiten bekannt
ist!“ Dann wieder S. 178: „Ob nicht eine Schaamröthe des Kaisers
Antlitz überzog, als er den böhmischen Ständen die vollzogene Belehnung
anzeigt.“
Wenn auch Mathias, was noch
zu erweisen ist, unrecht gehabt hatte, so glaub‘ ich, daß dergleichen im
Pamphletenstyl gehaltene Reflexionen über die Persönlichkeit und die Gesinnungen
eines Vorfahren des regierenden Kaisers in einer ernsten Staatsschrift, die von
der das Land repräsendirenden Corporation eventuell ausgehen soll, nicht Platz
finden dürfen.
Eben so vorsichtig sind Akte, welche aus der kaiserlichen
Machtvollkommenheit stammen, zu beleuchten. Wir dürfen nicht vergessen, daß
unsere Zustände auf einen solchen Akt basieren und daß jeder öffentliche Schritt
einer gewählten politischen Körperschaft so leicht als Demonstration
interpretirt werden kann; es müßten daher die schroffen Winke in der
Beurtheilung der Belehnung Liechtensteins nach der Schlacht am Weißen Berge durch Ferdinand II. sehr gemildert, wo nicht ganz
ausgelassen werden.
Endlich hätten wage Ausdrücke
vermieden werden sollen, weil solche Ausdrücke bey schwierigen und verwickelten
staatsrechtlichen Erörterungen leicht Mißverständnisse erzeugen. Nach den oft
gebrauchten Worten „Troppau gehörte zu Mähren“ muß gefragt werden, was wird
unter gehören verstanden?
Wird das „Gehören“ in
ethnographischer, linguistischer Bedeutung genommen, so muß immer die Frage
bejahend beantwortet werden, wobey zu erst die Consequenzen, die bezüglich der
bekannten böhmischen Ansprüche für Mähren nachtheilig seyn könnten und die
Einwendungen zu beachten sind, daß in der Aufforderung des Landesausschußes ja
nur von staatsrechtlichen Beziehungen die Rede ist; und wenn
der Begriff des „Gehörens“ ein staatsrechtlicher war, so hätten immer die
Gränzen und der Inhalt des Begriffs „gehören“ bestimmt ausgedrückt werden
sollen. In Erwägung der über Inhalt und Form der Schrift hier gemachten
Bemerkungen, welche nur die Überzeugung aufdrängen, daß die dem Verfaßer
gestellte Aufgabe nicht gelöst wurde, stelle ich den Antrag: Diese
Schrift ad acta5 zu legen und dem Dr. Dudik die
Breslauer Reise zu vergüten, weil
er sie im Auftrage des Landesausschußes unternahm.
Sollte sich
jedoch der Landesausschuß nicht bestimmt finden, von dem schon in der Sitzung
des 22. April 1850 gefaßten Beschluße abzugehen, so stelle
ich den weitern Antrag:
I. Diese Arbeit einer theils aus
Landesausschußgliedern, theils aus Fachmännern zusammengestellten Kommission zur
Begutachtung zu übergeben, damit dieselbe sich ausspreche:
a. über die
Richtigkeit der gemachten historisch staatsrechtlichen Beweisführungen und
Deductionen und b. über die praktisch rechtliche Folgerung, welche in Bezug auf
einen eventuellen Antrag auf Incorporirung Troppaus mit Mähren, aus dem
Verhältnisse Mährens zu Troppau
gezogen werden könnten.
Wenn auch der Landesausschuß in meiner Beleuchtung
nicht volles Vertrauen setzt, so glaube ich, daß bey der hohen Bedeutung, welche
diese Schrift durch die Agnostirung von Seite des Landesausschußes erhalten
soll, eine unbefangen gerechte wissenschaftliche Beurtheilung
derselben nur im Interesse des hohen Gremiums und des Dr. Dudik selbst liegen kann.
Im Übrigen
behalte ich mir nach Vollendung der Commissionsarbeiten vor, selbst in dem Falle
als dazu Arbeiten allerfällige Incorporirungsideen unterstützen und motiviren
könnten (woran ich nicht glaube), den Antrag zu stellen, die
Incorporationsfrage bis auf die Bekanntmachung der in Aussicht stehenden
allerhöchsten Entschließungen in Verfaßungsangelegenheiten einstweilen auf
sich beruhen zu lassen.
December 1850