Leo Thun äußert sich besorgt zu den politischen Verhältnissen in Ungarn.
Er sieht in der antiösterreichischen Opposition in Ungarn eine Gefahr
für den Staat und die kaiserliche Regierung. Er plädiert daher dafür,
die derzeitige Regierungsform in Ungarn nicht zu verändern, sondern
zunächst für Ruhe zu sorgen, um dann wieder einen staatsrechtlich
geordneten Zustand herzustellen. Anschließend legt er einige Grundsätze
dar, nach denen seiner Ansicht nach die Neuorganisation des Landes
erfolgen sollte. Zunächst glaubt er, dass die ungarische
Verfassungsfrage nicht auf gleiche Art und Weise wie in den anderen
Kronländern behandelt und diskutiert werden könne. Er ist auch der
Auffassung, dass die Woiwodina bis auf Weiteres ein Kronland Ungarns
bleiben sollte. In den Statthaltereiabteilungen sieht er keine
politischen, sondern lediglich administrative Einrichtungen. Und
schließlich betont er, dass die ungarische Sprache nicht die
alleinherrschende Sprache sein dürfe.
In der Beilage nimmt Heinrich
Clam-Martinic Stellung zu den Ausführungen Leo Thuns hinsichtlich der
ungarischen Verfassungsfrage. Dabei grenzt er sich von Thun ab. Er
glaube nicht, dass Thuns Vorschläge eine Lösung für die ungarische Frage
darstellten. Nicht zuletzt gibt er seiner Verwunderung Ausdruck, dass
Thun einen Schwenk in seiner Meinung vollzogen habe und von bisher
gemeinsamen Ideen und Standpunkten abrücke. Clam-Martinic hält es für
eine Illusion, durch das bestehende Beamtenregiment einen
staatsrechtlichen Zustand wiederherzustellen. Er glaubt, dass sofort
eine Reform vollzogen werden müsse, andernfalls drohe eine neuerliche
Revolution. Er bittet Thun daher eindringlich, für die gemeinsamen
konservativen Ideen einzustehen.
Auch Karl Wolkenstein äußert sich
zu den Ausführungen Thuns. Er sieht vor allem in der herrschenden
Nationalstaatsidee in Ungarn und im wachsenden Liberalismus die größte
Gefahr. Er befürchtet, dass der Konservativismus diese Tendenzen nicht
mehr aufhalten werde. Er äußert sich insgesamt skeptisch zur Zukunft
Österreichs: Österreich werde, so der bisherige Weg fortgesetzt wird,
bald international keine Rolle mehr spielen.
Abschrift.
Beilagen:
Heinrich
Clam-Martinic an Leo Thun. Smečno, 20. November
1859.
Bemerkungen von Karl Wolkenstein zu den Ausführungen Thuns.
Diese sind äußert schlecht lesbar und enhalten daher zahlreiche
unsichere Lesungen.
Abschrift der Ausführungen, deren Original ich ohne Zweifel an
Heinrich geschickt habe.
dazu Bemerkung von Wolkenstein
2. Brief von
Heinrich 20/11 1859.1
Die Lage, in welcher sich die österreichische Regierung durch den
unglücklichen Verlauf des italienischen-französischen Krieges befindet, die
Erregung der Erwartung unbestimmter Reformen, die Einberufung ungarischer
Parteiführer und die Umstände, unter denen Baron Hübner von seinem Posten
zurückgetreten ist, das Allles hat in Ungarn die Gährung der Gemüther gesteigert. Die Beamten,
auf denen allein jetzt der Bestand und die Wirksamkeit der Regierung beruht,
fangen an unsicher zu werden. Jede weitere Steigerung dieses Zustandes
nähret die Gefahr völliger Unbothmäßigkeit, der Anarchie.
Bricht sie in
Ungarn aus, so ist der finanzielle
Bankrut und damit auch der politische im gazen Reiche unvermeidlich. Daher
das dringendste Bedürfnis in Ungarn
wieder mit Energie aufzutreten und den Glauben an de kaiserliche Macht
wieder herzustellen. Zu dem Ende ist erforderlich, daß vorläufig an den
bestehenden Einrichtungen nichts geändert, sondern das jetzige
Beamentenregiment aufrecht erhalten und kräftig gehandhabt werde.
Allein
dieses Regiment hat lediglich die Natur einer Diktatur. Die Opposotion in
Ungarn ist zwar jetzt zunächst eine
auf die Idee einer Nationalitätspolitik gegründete. Diese Idee ist ihrem
inneren Wesen nach eine revoluzionäre. Mit ihrer Anerkennung Österreich zu
regieren, ist unmöglich; und es erübrigt also nichts als ihr offenen,
unbeugsamen Widerstand zu leisten. <>2 Mit jener sittlichen unberechtigten Opposition <geht
aber>3 eine
berechtigte Hand in Hand, nämlich der Widerstand gegen die Perennierung der
bloßen Diktatur.
In den übrigen Kronländern wird jetzt von der Regierung
selbst ein gewißes Maß öffentlichen Lebens und auf Grundlage desselben die
Wiederherstellung eines staatsrechtlichen Zustandes angestrebt. Dieses Ziel
zu erreichen ist ein Bedürfnis moralischer Autorität. Der legitime Kaiser
von Österreich kann staatsrechtlich geordnete Verhältnisse nicht entbehren.
Er darf seinen Unterthanen gegenüber nicht in die Lage eines Napoleon, dieser verkörperten Negation
alles Rechtes, kommen oder vielmehr nicht darin verbleiben. Die Folge davon
wäre in Österreich wie in
Frankreich ein ewiges Hin- und
Herschwanken zwischen Revolution und Willkührherrschaft.
Eine dauernde
Negation jedes Staatsrechtes liegt nicht in der Absicht S. Majestät. Aber in
der Form eines omnipotenten, die konservativen Elemente zersetzenden
Beamtenregiments entspricht sie vor der Hand den Wünschen und Tendenzen des
modernen Liberalismus. Die ungarische Opposition ist <wenn auch in nicht
geringem Maaße von modernen konstituzionellen Ideen infiziert, doch
wenigstens theilweise gegen den nivellierenden Liberalismus>4 gerichtet. Deshalb und
keineswegs bloß aus österreichischem Patriotismus sind für jetzt auch die
Liberalen in Österreich allerdings Feinde dieser ungarischen Opposition. Sie
wollen ihre Unterdrückung, denn sie rechnen nicht ohne Grund darauf, daß
wenn nur erst auch in Ungarn das
ausschließliche Beamtenregiment erstarkt ist und die Reste der
eigenthümlichen Gestaltung des Landes zersetzt hat, so daß von dort gegen
die modernen Theorien kein wirksamer Widerstand mehr zu besorgen ist, sie
dann leicht zur Herrschaft in ganz Österreich gelangen, neben dem
Bureaukratismus eine moderne Konstitution einsetzen und so die omnipotente
Staatsgewalt an sich reißen werden.
Soll diesem Entwicklungsgange
ausgewichen werden, so ist es unerläßlich – während für jetzt das
vorstehende Beamtenregiment in Ungarn
energisch gehandhabt wird – zugleich Garantien dafür zu gewinnen, daß
dasselbe nur ein einstweiliges Mittel sei, Ruhe und Ordnung im Lande
aufrecht zu erhalten und die unmittelbaren Zwecke der Regierung zu sichern,
daß aber auch dort die Wiederherstellung eines staatsrechtlich geordneten
Zustandes, welcher eine Krönung mit Krönungseid wieder möglich machen wird
(was zumal in Ungarn ein unschätzbarer Zuwachs moralischer Autorität wäre)
angestrebt werde.
Vorerst bitte ich angelegentlichst, daß ein solcher
Allerhöchster Ausspruch als Nachtrag zu dem Programm des Ministeriums,
bindend für alle Minister erfolge. Die Wiederherstellung eines
staatsrechtlichen Zustandes wird auch in Ungarn nur in der Weise möglich sein, daß dieser Zustand
von unten auf erbaut werde, weil bis in die untersten Stufen der Verwaltung
öffentlicher Angelegenheiten das historisch gewordene gänzlich beseitigt
worden ist. Unter den schwierigen Verhältnissen dieses Landes kann man aber
noch weniger als anderswo den Bau beginnen, ehe nicht in den Hauptumrissen
der Plan des ganzen Gebäudes vorliegt. Es ist demnach, so wie es in
Tyrol geschieht, die ganze zulässige
staatsrechtliche Gestaltung ins Auge zu fassen und erst wie man sich darüber
wenigstens so weit klar geworden ist, daß sich bezeichnen läßt, was zulässig
und was unzulässig ist, mit offiziellen Berathungen eines von der Regierung
vorbereiteten Projektes über die Gemeinde und Komitatsverfassung vorzugehen.
In den anderen Kronländern hat man allerdings den Versuch gewagt,
Vertrauensmänner zur Berathung lediglich über das Gemeindegesetz einberufen
zu lassen, ohne ihnen irgend welche weitere organisatorische Gedanken
vorzulegen, oder vielmehr ist jedem Landes-Chef überlassen worden, was er
ihnen für eine Vorlage machen wolle.
Die Erfahrung hat meines Erachtens
schon den Beweis geliefert, daß dieser Vorgang kein zweckmäßiger war. Er
wird zu Ergebnissen führen, die sehr verschieden sind, nicht etwa nur aus
Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der Landesverhältnisse, was ganz in
der Ordnung ist und mit Recht beabsichtigt wurde, sondern auch verschieden
in der politischen Richtung. Diese Berathungen haben überdieß auch in jenen
Ländern eine nicht unbedeutende Bewegung in die derselben zugänglichen
Klassen der Bevölkerung und in die Presse gebracht, zum Theile in nicht
wünschenswerther Richtung. Das ist gleichwohl in diesen Ländern minder
bedenklich, ja in soferne nicht ohne Nutzen gewesen, weil daselbst
wenigstens die konservativen Elemente in einen Zustand von Lethargie
gerathen waren, welcher die Durchführung jeder gesunden politischen
Organisation unmöglich machen würde. Anders verhält es sich aber in
Ungarn, das ohnehin schon an einem
Übermaß politischer Agitation leidet. Würde dort die Diskussion
herausgefordert, so würde sie gewiß ganz andere Dimensionen annehmen als in
den übrigen Kronländern und, unter den dermaligen Verhältnissen, nur einem
leidenschaftlich oppositionellen Geiste <dienstbar werden>5. Es würde
<überdies>6
unmöglich sein, sie nur auf den Gegenstand der unmittelbaren Frage zu
beschränken, weil die Verfassung eines Landes wirklich ein organisches
Ganzes sein muß und die an politisches Leben gewohnten Ungarn diesen innern
Zusammenhang sehr wohl verstehen und auszubeuten wissen würden. Deshalb muß
dort die Regierung durch eigene Vorschläge der Diskussion eine bestimmte
Richtung geben und bestimmte Gränzen ziehen.
Um aber auch nur ein
vorläufiges Projekt herzustellen, ist es unzulässig, sich mit landeskundigen
Männern zu berathen, und es handelt sich also zunächst um die Frage, wie das
anzufangen. Meines Erachtens wäre vorerst nur Ein "Vertrauensmann" zu
suchen. Ist er gefunden, so wäre er der Berathung organisatorischer Fragen
im Gesamt-Ministerium beizuziehen und mit seiner Mitwirkung zuerst die
Reform des Reichsrathes auszuarbeiten. Wer dazu mitwirkt, kann in der Frage
der Kompetenz der Landtage nicht mehr über die zulässigen Gränzen
hinausgehen. Gelingt es, sich mit diesem Mann über die Hauptgrundsätze der
ungarischen Organisationsfrage zu verständigen, so wäre es ihm zu
überlassen, den Gegenstand mit anderen Männern des Landes zu besprechen und
eine Kommission zur genaueren Berathung desselben vorzuschlagen. Vorerst
müßte jedoch über das Maaß der Zuläßigkeit der bekannten ungarischen
Begehren die unabänderliche Meinung der Regierung festgestellt werden und
zwar meines Erachtens im folgenden Sinn:
1. Seiner Majestät kann nicht
zugemuthet werden, die Konstituierung der Wojwodina als
selbständiges Kronland, die eine der Bedingungen war, unter denen in der
Zeit des Krieges und großer Bedrängniß die bewaffnete Hilfe der Serben
gewonnen wurde, einseitig zu annullieren. Die Wojwodina muß
demnach wenigstens in so lange ein von Ungarn getrenntes Kronland bleiben, bis etwa ein
Einvernehmen der beiderseitigen Landtage und unter Feststellung von
Garantien gegen ungarische-nationale Unterdrückung die Wiedervereinigung
durchgeführt werden kann.
2. Die Statthalterei-Abtheilungen sind keine
politische, sondern lediglich eine administrative Einrichtung und als solche
vom Standpunkte administrativer Zweckmäßigkeit zu beurtheilen. Sie bilden
aber kein Hinderniß Ungarn in politischer Beziehung als einen gemeinsamen
Körper zu behandeln und daher seiner Zeit einen gemeinsamen Landtag zu
berufen.
3. Der Landtag darf nicht auf modern repräsentativem Wahlsystem
nach Kopfzahlen gegründet werden, sondern er muß hervorwachsen aus den
untern Organismen.
Ferner kann keine Rede sein von konstitutoneller
"Theilung der Gewalten", von einem Rechte der Steuerbewilligungen
etc.
4. keine magyarische Nationalitätspolitik die keine diplomatische
Alleinherrschaft der ungarischen Sprache, sondern in der Sprachenfrage
überall nur praktisches Bedürfnis und praktisches Ausführbarkeit als
maßgebend zu betrachten.
Es ist mir entgegnet worden, es bestehe keine Berechtigung für Ungarn gleichsam eine Restauration auf
historischer Grundlage zu verlangen.
Die Revolution habe das
vorbestandene öffentliche Recht zertrümmert, Seine Majestät habe das Land
mit dem Schwerte sich wieder unterworfen und sei in Folge dessen ebenso
berechtigt, unbehindert durch die frühere Verfassung zu handeln, wie es
Kaiser Ferdinand II. in Böhmen nach der Schlacht am weißen Berge
gethan hat.
Nichts kann mir erwünschter sein, um meinen Gedanken klar zu
machen als die Vergleichung mit dem was 1620 in Böhmen geschehen ist.
Kaiser Ferdinand hat ein strenges Gericht gehalten, die
Protestanten, welche die damalige Revolutionspartei waren, des Landes
verwiesen und die Stände derjenigen Rechte verlustig erklärt, die sie sich
widerrechtlich angemaßt oder die sie gröblich mißbraucht hatten; aber die
innere Verwaltung des Landes ließ er unberührt. Was in Böhmen geschah (auch neue Strafgerichte und
Landesverweisung, wenn es nothwendig werden sollte.) mag in Ungarn auch geschehen. Änderungen in der
Verfassung des Landes werden in größerem Maaße erforderlich sein, als 1620
in Böhmen, wo nicht einmal die
Zusammensetzung des Landtags durch die "verneuerte Landesordnung" wesentlich
alterirt wurde.
Ich stelle nicht das Recht Seiner Majestät in Abrede
nach den Ereignissen der Jahre 1848 und 1849 aus kaiserlicher
Machtvollkommenheit solche Veränderungen in der Verfassung vorzunehmen, wie
sie nothwendig sind, um vor der Wiederkehr ungarischer Revolution Österreich und Ungarn zu bewahren. Der Gedanke, der mir vorschwebt, ist
nur der, daß es für die moralische Autorität der Krone von höchster
Wichtigkeit, daß es Gewissenspflicht und von politischer Weisheit gebothen
ist, von jenem äußersten Rechte des Landesherrn nur mit größter Mäßigung
Gebrauch zu machen, das Land nicht als eine tabula rasa zu betrachten,
<und nicht von der Ansicht auszugehen, als ob>7 dessen frühere Institutionen und
herkömmliche Einrichtungen gar keine Rücksicht verdienten.
Wäre Kaiser
Ferdinand II. so vorgegangen,
hätte er zu der Meinung, als liege es in seiner Absicht, Böhmen auseinander zu reißen, Anlaß gegeben,
die ganze hergebrachte Verwaltung umgestoßen, dazu das Land mit fremden
Beamten überschwemmt und durch sie allenthalben wirkliche Interessen und
zugleich die lebendigsten Gefühle der Bevölkerung verletzt, so wäre er
wahrscheinlich in eine ähnliche Lage gerathen, in der Seine Majestät jetzt
Ungarn gegenüber steht; dann wäre es
auch ihm unmöglich gewesen, eine "verneuerte Landesordnung" zu erlassen,
dadurch die Diktatur, die auch dort gleich nach der Schlacht am weißen Berge
eintreten mußte, wieder in ein staatsrechtliches Verhältnis umzugestalten
und kaum wären Martinic
und Slavata seine treuesten
Kräfte und Diener geblieben.
Smecno 20/11 1859
Lieber Leo
ich habe acht Tage vorüber gehen laßen, bevor ich auf deinen Brief, den
Richard mir
überbrachte, zu antworten unternahm, weniger wegen äußerer
Verhinderungsgründe als vielmehr weil deine Erörterungen meinem Gefühle und
Eindruck nach so sehr aus jenen Kreis ferne heraustreten, in welchem uns zu
begegnen und wiederzufinden ich als zweifellos angenommen hatte. Ich wollte
daher erst erproben, ob längere, ruhige Ueberlegung mich zu einem anderen
Resultate brächten, als jener erste Eindruck. Je mehr und öfter ich darüber
nachdenke, desto weniger kann ich mir verhehlen, daß der Weg den du
andeutest, nicht derjenige ist, über den wir bisher überein gekommen waren;
daß – meiner Ansicht und Überzeugung nach – auf diesem Wege eine
befriedigende Lösung weder für Ungarn
noch für die übrigen Provinzen zu erreichen ist, und daß er keinesfalls zu
jenem Ziele führen kann, das wir uns vorgesteckt haben, daß ich endlich in
keiner Weise einsehe, wie es möglich sein soll, auch nur äußerlich den Gang
einzuhalten, den du vorzeichnen möchtest. Es ist für mich sehr schwer
speciell über die ungarischen Zustände zu sprechen, da ich sie an und für
sich wenig – am allerwenigsten aber ihr dermaliges Stadium kenne, und nicht
beurtheilen kann, welche Veränderungen und Steigerungen allenfalls in den
Partheistandpunkten und Programmen inzwischen eingetreten, welche neuen
Faktoren etwa hinzugekommen sind. Ich kann daher nur im Allgemeinen an das
anknüpfen, was mir von früherer Zeit bekannt ist. Da kann ich dann nicht
anders als fest bei der Ansicht verharren, die du übrigens selbst
aussprichst, daß die Bewegung in Ungarn das Resultat zweier Faktoren ist, eines antiösterreichischen – revolutionären –
unberechtigten und verwerflichen, der alles das in sich begreift, was du
Nationalitäts-Politik nennst, und eines seinem Ursprung und seinen
Grundlagen nach conservativen, moralisch berechtigten, ja sogar sehr
werthvollen, nämlich der Opposition gegen das Zertrümmern aller
staatsrechtlichen Organismen, gegen das Nivellierungssystem der Bureaucratie
und des hinter dieser stehenden Liberalismus. Daß beide Faktoren vereint in oppositioneller Richtung
wirken, ist wesentlich Schuld der Regierung, des Bachschen Systems:
nur in ihrer Trennung kann das Heil gesucht werden. Läßt man auch
fernerhin beide Potenzen, dadurch daß sie in die Lage gesetzt werden,
gemeinsam gegen die Regierung anzukämpfen, sich in ihrer Aktion unterstützen
und verstärken, so müßen sie in naher Zukunft zu einer Macht anwachsen, die
nicht mehr zu gewältigen sein wird: das werden sie aber gewiß, wenn man nach
halbjähriger Rechtlosigkeit und nachdem man Hoffnungen und Erwartungen in
überschwänglichem Maße erregt hat, sich wieder dem alten System in die Arme
wirft. Ich halte es entschieden für die größte Illusion wenn man meint, man
könne das bisherige Beamtenregiment mit Nachdruck handhaben, und
gleichzeitig Garantien finden und gewähren
dafür, daß dieses Regiment nur ein Übergangszustand sei, und daß unter
diesem Schutze ein staatsrechtlich geordneter Zustand wiederhergestellt
werden solle. Haben wir nicht oft und oft bei früheren Anläßen mit allem
Nachdruck betont, daß das bureaucratische Regiment organischem Werden so
diametral entgegen gesetzt ist, daß eines das andere nothwendig ausschließen
müße? haben wir nicht auf dieser Grundlage gekämpft? von diesem
Grundsatze abzulaßen, heißt den Gegner das Feld räumen. Daß eine kräftige
und rücksichtslose Handhabung des Beamtenregiments Ungarn weder äußerlich zu
beruhigen noch innerlich zu befriedigen vermag, daß es dann feindlichen
Potenzen die Spitze nicht abbricht, ihre Verbindung nicht auflöst, das haben
wir doch zur Genüge aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt. An Kraft
und Nachdruck hat es dem Regimente nicht gefehlt.
Dessen Fortsetzung
wird ihm darin kaum gleich kommen können. Wo soll die Beruhigung, wo die
Möglichkeit herkommen, irgend je wieder in andere Bahnen einzulenken? Worin
sollen jene Garantien, die du andeutest, liegen? Etwa in einem in
friedlicher Weise zu erlaßenden Ausspruch kaiserlichen Willens? Da sei [?]
daß auf diesem Wege – auf dem Wege der allgemeinen Versprechen und
Zusicherungen – fortgefahren werde! Wir wißen, daß das kaiserliche Manifest
mit dem Versprechen zeitgemäßer Reformen irgendwie festgestellt war, wie
jene Reformen beschaffen, auf welchem Wege sie zu suchen sein sollen, das
meiste dazu beigetragen hat, uns in die trostlose Situation zu verrennen,
aus der uns herauszuarbeiten wir vergeblich bemüht sind. Das sollte doch für
alle Zeiten uns gewitzigt haben vor diesem Wege. Was auch für Bahnen
eingeschlagen werden mögen, das Eine möge nicht mehr versucht
werden.
Die aufgeregte Fluth mit Worten zu besänftigen und
Versprechen leichtsinnig in die Welt zu schleudern, bevor man
vollkommen mit sich darüber einig ist, in welcher Weise und in
welchem Maß man sie einlösen will. Wenn also von Manifesten und Patenten
nicht die Rede sein soll, wie anders soll kennbar und
bindend der Wille aus dem dermaligen Regime zu einer
staatsrechtlichen Organisation überzugehen ausgesprochen werden? Mir
leuchtet das nicht ein: jede Vertröstung wird wirkungslos verhallen, und
auch durch die wiedererstarkte Gewalt der restaurirten Bureaucratie
wirkungslos werden. Wenn nun solche Garantien weder bestünden noch geboten
werden können, so wird der Weg, den du andeutest zu nichts anderem führen,
als zu einer erneuerten und verstärkten Auflage der bisherigen Wirthschaft,
zu einer Fortdauer jenes Zustandes von Desorganisation und Atomisierung, den
du selbst bei früheren Anläßen so trefflich geschildert hast, und in dem wir
eben die größte und dringendste Gefahr für Österreich erkannt haben. Ich muß
also dabei bleiben, daß es die erste, naheliegendste, alle anderen an
Gewicht überragende Aufgabe des Moments ist, aus diesem Zustande
herauszugelangen, die Bahnen des liberalisierenden Bureaucratismus zu
verlaßen und den Grundbau zu staatsrechtlich-geordneten Verhältnissen (deren
wie du selbst sagt der legitime Kaiser von Österreich durchaus nicht – also
auch nicht in Ungarn – entbehren kann) zu legen. Diese Aufgabe muß gelöst
werden, und sei es unter schwer wiegenden Opfern. Opfer
muß das Regenerationswerk kosten: daß die Regierung aus der trostlosen Lage,
in die sie versunken ist, ohne Opfer herausgelangen sollte, kann nicht
erwartet werden. Jeder Tag der Zögerung vergrößert diesselben. Jetzt können sie noch mit freier Selbstbestimmung in die Richtung
und in dem Maß gebracht werden, die zum Heile führen, will man jetzt keinen
Fingerbreit des occupirten Terrains hergeben, so wird und muß der Augenblick
kommen, wo weit größeres als "Concession" abgerungen, und der Regierung das
Steuer entrißen werden wird. Jetzt kann die Regierung
noch den Einen der ihr entgegenstrebenden Factoren zum großen Theile
entwaffnen, ja sogar sich daraus einen Bundesgenoßen machen, dessen Gewicht
ihr selbst in den anderen Provinzen gar wohl zu statten kommen dürfte: Fährt
sie fort auf diesem in eine ihr feindselige Stellung zu drängen, so wird und
muß der Parteigeist über alle anderen Motoren die Oberhand gewinnen, und
dann wird es zu spät sein, wenn man doch einmal geneigt werden sollte zu
pactiren.
Ich habe immer die Überzeugung ausgesprochen, und halte noch
daran fest, daß es möglich ist, einen großen Theil der jetzt feindseligen
Elemente in Ungarn zu gemeinsamer Aktion
mit der Regierung zu gewinnen, wenn rasch und entschloßen und durch die That
mit dem bisherigen Regime gebrochen, der Grundriß zu organischem Aufbau
entworfen und dieser gleich mitten in's Leben hineingestellt wird. In dem
Mißlingen der Transaction mit den Partheiführern sehe ich durchaus keinen
Gegenbeweis: unter den gegebenen Umständen mußten diese mißlingen. Diese
Männer sind durch ihre politischen Antecedentien gebunden oder halten sich
doch dafür: so lange sie gefragt werden, so lange mit ihnen
unterhandelt wird, müßen sie ihre politischen Petita
voranstellen und wenn sie diese jetzt mit dem Gewicht der
Nationalitätsfragen beschweren, so geschieht dieß wohl in der sich ihnen
immer mehr aufdrängenden Befürchtung, sonst im Lande überflügelt zu werden.
Je mehr sie aber jetzt unter dem Drucke dieser Befürchtung leben, desto
sicherer werden sie sich gezwungen sehen, einen als gegeben vor
ihnen liegenden Boden zu öffentlicher, selfgovernmentaler Thätigkeit
anzunehmen, Municipiale Einrichtungen – ein regemente [?] organisation
können sie nicht ignorieren und sie werden es nicht,
wenn einerseits die Regierung kein Schwanken sondern den festen Willen
zeigt, das begonnene Werk durchzuführen und wenn andererseits eine
Verständigung auf dem weiteren Gebiethe politischer Fragen offen gelassen
und der Zukunft vorbehalten wird. Durch die Gewährung öffentlichen Lebens,
durch die Rückkehr zu municipialer Einrichtungen als Grundbau eines bis zum
Landtage aufsteigenden Organismus wird nicht nur ein großer Theil der –
gegenwärtig vereint mit den Nationalitätstendenzen wirkenden – Potenzen aus
dieser Verbindung gerißen, sondern es wird auch in den wichtigsten
Beziehungen jenen Tendenzen selbst die Spitze abgebrochen, indem gerade in
den untersten Gruppen und Zusammenfaßungen das Bedürfnis und die
thatkräftigen Verhältnisse das Regulativ abgeben werden. Je tiefer man
anfängt, desto sicherer wird dies der Fall sein. In der Gemeinde werden die
Leute in keiner Sprache anhören die sie nicht sprechen und nicht verstehen:
und wenn aus den Gemeinde Autoritäten Bezirksorgane hervorgehen, so werden
sich auch hier die natürlichen Zahlenverhältnisse zur Geltung bringen. Ist
auf diesem Boden dem berechtigten Ansprüchen und Wünschen
Genüge geleistet, dann – aber auch nur dann – kann und mag man allen weiter
gehenden, unberechtigten Strebnißen sprachlicher und nationaler
Alleinherrschaft mit Ernst und Festigkeit entgegentreten. Und endlich sollte
man nicht vergeßen, daß die nationale Agitation in Ungarn nicht blos auf die
Herrschaft der ungarischen Sprache gegenüber der übrigen Landessprachen
gerichtet, sondern auch wesentlich ein Sträuben gegen die Herrschaft der deutschen über alle Landessprachen
ist, und daß ihr hierin jede Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.
Wird das Streben aufgegeben, die deutsche Sprache dem öffentlichen Leben
einzuimpfen und aufzuerlegen, so wird zwischen den Landessprachen selbst der
Friede leichter gemacht werden. Es mag schwer – es mag selbst bedauerlich
sein, jenem Streben zu entsagen: es ist aber dies eines jener Opfer, die jedenfalls gebracht werden müßen, und am Ende kein
solches, das nicht verschmerzt werden könnte. Und wenn man selbst (- doch
das ist nur eine Idee die mir eben durch den Kopf fährt) in den über den
Bezirk oder das Comitat hinausgehenden Regimen zu der lateinischen Sprache
als diplomatischem Idiom zurückkehren wollte, wer weiß ob die nicht vor der
Hand als gütliches Abkommen hingenommen würde. Wie dem auch sei, ich kann
die Nationalitäts- und Sprachenfrage, oder vielmehr ihre Schwierigkeiten und
Gefahren nicht so sehr in den Vordergrund stellen, daß ich ihrethalben von
dem Postulate ablassen könnte: vor allem und um jeden Preis aus dem jetzigen
Zustande heraus und wieder zu einem organischer Weiterbildung fähigen
Zustande zu gelangen. Das ist "Carttaginem esse delendam" – mein Alpha und
Omega. Ich muß umso fester daran halten, als nichts mich in der Überzeugung
wanken machen kann, daß jeder andere Weg uns direkt zur Revolution oder aber
zuerst zum Constitutionalismus und durch ihn erst ganz sicher zur
Catastrophe führen muß.
Wenn wir dieser Catastrophe
noch vorbeugen können, so kann es – nach meiner Überzeugung – nur dann geschehen, wenn die
Regierung sich rasch wieder ermannt, das Herumtasten und das Herumfragen
aufgibt und zur That schreitet. Das Experiment mit den Vertrauensmännern ist
gerade den Weg gegangen, hat gerade zu jenen Resultaten geführt, die ich
vorhergesagt und zu deren Vorbeugung ich eine feste Entschließung der
Regierung von jeder Berathung gefordert habe. Dieses Experiment darf um
keinen Preis wiederholt – ja es müßen die Akten darüber so schnell als
möglich geschlossen werden. Ohne lang über den Aktenstößen und Protokollen
zu grübeln, möge die Regierung mit der That hervortreten, hervortreten für
Ungarn wie für alle anderen
Provinzen, möge Plan und Umriß des Aufbaus in allgemeinen aber festen Zügen hinstellen. Das Beiwerk, die Ausfüllung des Gerippes,
die Durchführung möge weiterer Erörterungen überlassen bleiben, aber was und
wie es geschehen soll muß – es erübrigt einmal nichts Anderes – die
Regierung aus ihrer Machtvollkommenheit sagen und befehlen. Sie darf sich
dann allerdings nicht durch Schwierigkeiten, nicht durch das Geschrei der
liberalen Journale und sonstiger Bannerträger des Liberalisms irre machen
lassen. Wenn sie einen conservativen Aufbau will, so muß sie die Hoffnung
und das Streben aufgeben, es diesen recht zu thun, von diesen geschützt zu
werden, sie muß sich entschieden auf die conservativen Elemente stützen; und
je schwerer der Kampf ist, je mehr Hülfstruppen sie braucht, desto mehr muß
sie daran setzen, das Contingent zu gewinnen, welches ihr Ungarn bieten kann. Dieses Contingent wird sie
gewinnen, wenn sie rasch, aufrichtig und rückhaltslos das Maaß der
politischen Regeneration unternimmt. Und sollte endlich die "Integrität des
Landes", sollte die Frage der Wojwodina der
Preis sein, um welche dies zu erreichen wäre, so wäre es nach meiner – schon
einmal ausgesprochenen Ansicht – unverantwortlich, ihn nicht daran zu
setzen. Es ist nicht richtig, daß die getrennte Constituierung der
Wojwodina die Bedingung der Mitwirkung der Serben war
(einer Mitwirkung die beiläufig gesagt von zweifelhaftem Werthe und
jedenfalls von geringem Ausschlag gewesen). Die Serben haben aus freien
Stücken und aus kaum lauteren Motiven zu einer Zeit zu den Waffen gegriffen,
wo die ihnen entgegenstehende Armee auch kaiserlich war; man hat sie später
als Mitkämpfer benützt, und man hat endlich als man Ungarn als erobertes – oder zu eroberndes Land betrachtete,
mit der Constituierung der Wojwodina einen
Akt vollführt, der jedenfalls nur in der Gewalt seine Begründung finden
kann. Wenn jetzt für die Wiedervereinigung der Wojwodina mit
Ungarn die Zustimmung der Landtage
gefordert werden will, so könnte sie wohl mit mehr Recht zuvörderst für die
Sanktionierung der Trennung beansprucht werden. Doch alle
diese und ähnliche Deductionen sind nutzlos wo es sich um eine
Gewaltmaßregel handelt. Es sind davon in diesen 10 Jahren viele geschehen
und wieder zurückgenommen worden: ich kann mich nicht überzeugen, daß diese
eine tiefere Begründung hätte als andere und kann nur wiederholen, daß ich
nimmer begreifen könnte, wenn man an dieser Frage allein
eine Verständigung scheitern ließe.
Ich habe hier meine Gedanken so
aphoristisch hingeworfen, daß ich die leitenden Ideen, die für mich dabei
maßgebend sind, in kurzen Worten zu resümieren das Bedürfnis fühle.
Ich
sage also:<Der Zustand, in welchen uns das Regime der letzten zehn Jahre
gebracht hat, ist absolut unhaltbar. Er führt uns zum Zerfalle – zur
Revolution. Der einzige Ausweg aus demselben ist das Zurückkehren zu einem
organischen Aufbau, einem staatsrechtlichen Organismus.
Diese Rückkehr
ist ein Postulat für alle Provinzen, für Ungarn noch mehr als für die anderen.>8 Die
Bewegung in Ungarn allein mit Gewalt und
mit Beamtenherrschaft niederzuhalten halte ich für unmöglich: beide müßen
sich als unzureichend erweisen. Es muß zum offenen Kampfe kommen, in welchem
die Chancen nicht auf unserer Seite stünden, und welcher selbst wenn wir
daraus siegreich hervorgingen, uns erst recht die Möglichkeit benähmen, zu
einer Lösung zu gelangen.
Die Beamtenherrschaft aufrecht zu halten und
gleichzeitig jene Organisation anzubahnen ist unmöglich und muß an dem
diametralen Gegensatz beider Richtungen scheitern.
Die ungarische
Bewegung ist nicht ausschließlend eine nationale, sondern auch eine
politische. Durch eine Unterdrückung beider werden sie erst zu gemeinsamer
Aktion gedrängt.
Es ist möglich dem Streben nach innerer Freiheit und
staatsrechtlichen Einrichtungen zu genügen ohne den ausschweifenden
Nationalitätstendenzen nachzugeben – nur in der Trennung beider Bewegungen
liegt die Möglichkeit ihrer Bewältigung.
In der Begründung solcher
Einrichtungen und in der Gewährung selfgovernmentaler Thätigkeit liegt
selbst ein Ausweg zur Befriedigung des berechtigten Antheils der nationalen
Bewegungen durch dieselben gewinnt die Regierung die Stütze und den Rückhalt
einer mächtigen und gegliederten conservativen Parthei zum Kampfe mit dem
immer offener auftretenden Liberalismus. Darum die Nothwendigkeit raschen –
zur That reifenden Entschlußes.
Das ist mein
Programm, wie ich es – abgeschieden von dem Leben und Treiben der Partheien
und unbekannt mit den Details der Situation – lediglich in treuer Ausführung
der mich leitenden obersten Principien für mich formulieren kann. Will man
diesen Weg nicht gehen, oder glaubt man es nicht zu können, dann mache man
sich keine Illusionen darüber, daß man mit der Möglichkeit einer friedlichen
und gedeihlichen Lösung – und nicht blos für Ungarn sondern überhaupt – bricht, und den Weg zur
Napoleonischen Gewaltherrschaft, oder zum Constitutionalismus wandelt. Ich
mag mich in allem Anderen irren: daß ich mich in letzterem nicht irre,
darüber habe ich keinen Zweifel.
Lieber Leo, ich habe meine Ansichten
ohne Rückhalt und vielleicht mit mehr Schärfe als es sich ziemt
ausgesprochen; du wirst mir dies aber nicht übeldeuten. Das Gewicht der
Entscheidungen die gefaßt werden müßen, ist so unberechenbar, der Augenblick
selbst, so ungünstig er ist – doch unwiderbringlich, und du der Einzige, der
in der Lage ist im Entscheidungskampf das Banner der Conservatismus
emporzuhalten: es ist also wohl begreiflich und gerechtfertigt, wenn ich mit
allen Männern und allem Nachdruck dich beschwöre nicht abzulassen von dem,
wofür wir bisher gemeinsam gekämpft und gestritten.
Gott segne und
stärke und erleuchte dich in ferneren Kämpfen, das ist das innige Gebet
deines treuen Bruders
Heinrich
Ich kann mir in der Sache keine Competenz zuschreiben. Aber meine Ansicht ist
folgende:
Ich gebe zu, daß die Nationalitäts-Idee in Ungarn schon vor 1848 aus ihren berechtigten
Gränzen hervorgetreten ist – und dieß Rebel hat sich seit 1848 ohne Zweifel
gesteigert – mußte sich steigern, nachdem man alle
staatsrechtlichen und politischen Organisationen des Landes zerstört oder
doch negiert hat, und sie durch die rohe Naturkraft der Nationalitäts-Idee
der moderierenden[?] Organismen entbunden hat.
Ich gebe zu, daß die
Nation.-Idee eine durchaus unorganische-revolutionäre sey, denn die
Nationalitäten sind bey uns keine Organismen.
Aber was ich – nach meinem
Wissen – nicht zugeben kann ist: daß die Nationalitäts-Idee in Ungarn die einzige wenn auch
nur die wirklich dominierende sey. In Ungarn lebt auch noch das staatsrechtliche und politische
Ungarn. Die Idee der Integrität des
Landes – die legalen Grundlagen seiner Rechtszustände – des
Municipialwesens[?], seiner Rechtsintitutionen – sind in Ungarn nicht minder lebendig, und in diesem
Sinne begegnen sich meines Wissens auch die verschiedenen [?]. Diese Ideen
sind – nach Abzug dessen, was die Thatsachen unmöglich gemacht – berechtigte und durchaus conservative
Natur. Wollten[?] [?] diese Ideen [?] in anderen Ländern ebenso wie in
Ungarn der [?] würde kein rascher[?]
radicaler seyn.
Also Kampf auf Leben und Tod – nicht nur berechtigter
Kampf gegen die revolt. Nationalit.-Idee – sondern auch unberechtigter Kampf
gegen gerechte und conservative Verlangen und Elemente, das ist die Basis
des Kampfes.
Fragen wir nach den Mitteln? Bureaucratische Autorität –
kaiserl.[?] Autorität! Ich zweifle daß sie ausreichen – und bin vielmehr der
Meinung, daß sie bey dem kleinen Reste dieser Autorität dann nur noch [?],
aufge[?] werden wird.
Also [?] – möglicher Weise innerer Krieg – [?] Ob
wir [?] [?], ob wir [?] [?] kann ich nicht beurtheilen - dieser scheint es
mir aber nicht. Einmal muß jedoch die [?] ein Ende nehmen und was dann?
Wahrscheinlich aber unter ähnlichen Zustände wie jetzt, nur in
verbitterterer Art.
Was mir die wahrscheinlichste Folge dieses Ganges
scheint, ist, daß wir vollends dem revolutionären Geiste, der von Frankreich über Deutschland zu uns gedrungen ist – in die
Arme gedrängt wären. Mit Hülfe des deutschen Liberalismus und allen analogen
Elementen in unseren übrigen Ländern. Und sie sind bey weitem die stärkeren
in diesen Ländern – wird der Kampf vielleicht durchzuführen seyn – aber
diese Hilfe wird nicht zu entbehren seyn – und nicht umsonst geleistet
werden - sie wird uns und auch der Dynastie theuer zu stehen kommen. Ob sie
bey den übrigen nationalen Elementen dem Kampf ruhig zusehen werden, ob sie
so weit [?] (im schlechten Sinne) sind – um gegen Ungarn zu stoßen – oder ob sie eine gemeinsame Gefahr auch
für ihre National. darin sehen – lasse ich dahin gestellt.
Nur die
Rückwirkung auf die unseren Länder. Daß unter solchen Verhältnissen eine
Herstellung dieser Länder im conservat. Sinne möglich seyn wird, bezweifele
ich – die Elemente dazu in diesen Ländern scheinen mir für sich allein zu
schwach. Diese conserv. Elemente wird man wohl auch wieder zur Ruhe bringen
– Aber ob man die erwachten und wach gerufenen liberalen Elemente auch
wieder zur Ruhe bringen wird?
Man wird mit ihnen gehen – oder vielmehr
sich von ihnen führen lassen müssen.
Es war ein ganz richtiger Instinkt
der Bach[?] leitete, die Schärfe
seines Systems vorzugsweise gegen Ungarn
zu richten. Von dort drohte seinen revolutionären Conceptionen Gefahr – dort
(und in dem kleinen Tirol) fanden sie
bisher unüberwundenen Widerstand. In den anderen Ländern zeigten sich die
conser. Kräfte lahm – und die Revolutionäre rieben sich die Hände, denn es
war der Sprung den sie wünschten. Ab [?] consilium! Also Krieg auf Leben und
Tod mit dem einzigen Lande (außer Tirol)
wo die conservativen Ideen noch [?] Ideen sind!
Mein Weg ist das nicht –
ich sehe keinen anderen – als den und dem politischen und staatsrechtlichen
[?] innerhalb den Gränzen des Möglichen, gerecht zu werden, wenigst vor der
Hand Anerkennung in [?] – und über diese Gränzen scheint mir eine
Verständigung endlich nicht unmöglich – dadurch kann man Gefahren den
National.Idee auf die man alle [?] hinleitete – allmälig zur Heilung bringen
– und wenn nicht, dann hat man eine rechtliche Grundlage und einen gerechten
Kampf.
Vor der Hand – wenn dem Landfrieden Gefahr droht – meinetwegen
Ausnahmszustände, Kriegsrecht – das begreifen die Leute – aber zugleich
entschiedenes und erkennbares Aufgeben der Idee, daß der
Bureaucratismus in Ungarn als System –
nicht blos als momentanes Hilfsmittel – etabliert bleiben soll.
Es ist
möglich, daß auf einem mir [?] anderen Weg [?] zu [?] – Aber der Unterschied
ist der: kommt man auf den [?] zum Ziele, dann hat man nicht nur ein ganzes
– sondern auch ein im sittlichen Sinne refformiertes Oesterreich.
Kommt
man auf dem Wege den man doch die [?] 10fachen gegangen – und uns [?] [?] es
sich eigentlich handelt zum Ziele, so wird man (wie lange weiß ich nicht)
ein ganzes Österr. behalten – aber
die sittliche [?] Öst. ist dahin! und als ein bloßen
geographischen Begriff, hat wenigst für mich auch dieses ganze Österr. eine
sehr untergeordnete Bedeutung.