Leo Thun äußert sich stichpunktartig und knapp zu einigen strittigen Fragen der Universitätsreform. Wesentliche Punkte sind dabei die Rolle der Studiendirektoren, die Lehr- und Lernfreiheit und – damit verbunden – Fragen des Prüfungswesens. Im Hinblick auf die Studiendirektoren betont er, dass diese nicht geeignet seien, die Universität zu leiten, da sie keine Wissenschaftler seien. Die Leitung soll vielmehr durch die Professoren selbst erfolgen. Die Professoren und Dozenten sollen auch die Überwachung der Studenten übernehmen, da sie am besten auf die Studenten wirken können und selbst dafür verantwortlich seien, auf dem Katheder keine falschen oder gefährlichen Lehren zu verbreiten. Hinsichtlich des Prüfungswesens betont Leo Thun die Wichtigkeit der Staatsprüfungen und erläutert deren Verteilung über das Studium. Der Minister hält außerdem fest, dass einzig das Ministerium für Unterricht in Fragen der Reorganisation der Universitäten die Entscheidungsgewalt besitzen soll.
Ich kann die Fragen nicht beantworten, ohne zu Vermeidung vielfacher Wiederholung
im Voraus den Standpunkt zu entwickeln, von welchem aus ich die Angelegenheit
betrachte und dann thatsächlich in Beziehung auf Legislation und auf den Zustand
der Universitäten darzustellen, auf welches sich an vielen Orten wird bezogen
werden müssen, daher schicke ich der eigentlichen Aufgabe voraus:
1.
gegenwärtige Aufgabe der österreichischen Universitäten nach geschichtlicher
Entwicklung
2. Reformbestrebung vor 1848
3. wesentlicher Gang der
Legislation seit 1848
4. damaliger Zustand der Universitäten
5.
Beantwortung der Fragen
6. Inneres der juridischen Studien
7.
Schlußbemerkung; Übergangszustand und Forderung daraus
Man kann genug beachten, daß jeder direktere Einfluß nicht wissenschaftlicher
Organe in hohem Grade die Gefahr enthält, das wissenschaftliche Leben in der
Universität zu hemmen und zu lähmen und einen todten Formalismus zu erzeugen.
Dadurch mag zwar der Zweck erreicht werden jeder direkten schädlichen
Wirksamkeit vorzubeugen. Aber viel schneller und mehr verdirbt auch der heilsame
Einfluß, der die eigentliche Bestimmung der Universitäten ist, und in dem Maße,
als sie das geistliche Leben nicht wissenschaftlich fördern, wird der Prozeß
geistiger Fäulnis gefördert, der nach allen Seiten hin geradezu verderblich
wirkt.
Darum muß jede nicht mit aller Sachkenntnis und mit regen
wissenschaftlichem Interesse geübte Administration der Universitäten in Kurzem
verderblich werden und deshalb darf diese allein dem Unterrichtsministerium zustehen und andere administrative Organe
dürfen ihm zur gelegentlichen Hilfeleistung zu Gebothe stehen.2
Daß die Direktoren keine Gewähr den Studenten gegenüber
leisten hat sich im Jahr 1848 unzweifelhaft erwiesen. An keiner Universität hat
in jener Zeit ein Direktor einen wirklichen Einfluß geübt. Wohl aber einzelne
Professoren, theils zum Schlechten, theils zum Guten. So hielt in Prag
Prof. Exner die Philosophie in Ordnung,
bis zu dem Augenblick, wo er nach Wien abberufen wurde,
ebenso der Jurist Prof. Wessely, bis
seine Gesundheit der Anstrengung und übergroßen Aufregung unterlag. Der Grund
ist ein ganz natürlicher, weil nur der Prof. in unmittelbarer Berührung mit den
Studenten und dadurch in der Lage ist, sie zu kennen, auf ihre Überzeugung und
ihr Gemüth zu wirken, die Tüchtigen hervorzuheben und durch sie auf die übrigen
Einfluß zu üben und [?].
2. Staatsprüfung: Römisches Recht, Kirchenrecht, Lehensrecht,
Rechtsgeschichte
3. Staatsprüfung: Bürgerliches Gesetzbuch und Verfahren,
österreichisches Strafrecht und Verfahren, Handels- und Wechselrecht
4.
Staatsprüfung: Politische Gesetzeskunde, Finanzgesetzkunde, Nationale
Ökonomie
1. Staatsprüfung: Geschichte, Statistik, Völkerrecht
An der Universität Lehr- und
Lernfreiheit
Privatdozenten
Kollegiengeld
Frequentationszeugnis;
jedoch für deren Wahrheit der Dozent verantwortlich, daher zu Katalog lesen
verpflichtet
Jeder Student, der an der juridischen Fakultät immatrikulirt
ist, muß binnen längstens 3 Semestern eine Staatprüfung nach der andern machen,
sonst wird er abgewiesen.
Ausgenommen: er sucht auf Grundlage des Nachweises
spezieller wissenschaftlicher Bestrebungen um Bewilligung an, die Studien
fortzusetzen, ohne sich der Staatsprüfung zu unterziehen.
Zu den
Staatsprüfungen kann man sich nicht früher melden als zur ersten 1 Jahr nach
abgelegter Maturitätsprüfung; zu jeder späteren 1 Jahr nach der
früheren.
Wer sich meldet hat auszuweisen, was er seit der Maturitätsprüfung
oder seit der früheren Prüfung getrieben hat, und zwar entweder:
a) er war
auf der Universität ordentlicher Hörer, in dem Falle hat er seine
Frequentationszeugnisse beizubringen und muß mindestens 3 Kollegien per Semester
frequentirt haben.
Dann bezahlt er bloß die Prüfungstax.
oder
b) er
war nicht ordentlicher Hörer oder hat nicht mindestens 3 Kollegien per Semester
frequentirt.
Dann bezahlt er noch überdies bei jeder Prüfung 50 fl.
An der philosophischen Fakultät einfach [?] Lehr- und Lernfreiheit mit Verantwortlichkeit der Dozenten für deren Inhalt.
An der medizinischen ebenfalls, mit Rigorosen in Mitte des Studiums
An der theologischen wie bei medizinischen.