Der Historiker Constantin Höfler sendet Leo Thun einen Antrag der
Königlich Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften an den Ständischen
Ausschuss Böhmens um eine jährliche Zuwendung. Der Ausschuss hat diesem
grundsätzlich zugestimmt, Höfler bittet nun den Minister, diesen Antrag
ebenfalls zu unterstützen.
In der Beilage findet sich der erwähnte
Antrag. Darin betont Höfler, als Direktor der Gesellschaft, die großen
Verdienste derselben um die Wissenschaften und die geistige Entwicklung
des Landes. Die Gesellschaft wird dabei als Gegenpol zu den
Brotwissenschaften und deren bloß materiellen Interessen geschildert.
Die Gesellschaft leiste damit einen wichtigen Beitrag für Frieden,
Wohlstand und wissenschaftlichen Ausgleich im Land. Mit der beantragten
Förderung sollen die Kosten für den Druck der jährlichen Berichte
gedeckt werden.
Beilage: Abschrift einer Eingabe der königlich-böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften an den königlich-böhmischen Landesausschuss.
Euer Excellenz!
Die k. böhmische
gelehrte Gesellschaft glaubt es wagen zu dürfen, Euer
Excellenz in der Anlage die Abschrift einer Eingabe an den ständischen
Ausschuß Böhmens um Erlangung einer
jährlichen Dotation aus dem Domesticalfond ehrerbietigst vorzulegen. Bereits
hat der Ausschuß den darin enthaltenen Motiven Gehör schenkend den Antrag auf
eine jährliche Unterstützung von 2000 fl CM gestellt, wie Graf Albert Nostiz mich zu versichern
die Freundlichkeit hatte. Da von der allerhöchsten Entscheidung Seyn oder
Nichtseyn der gelehrten Gesellschaft abhängt, wagt es dieselbe durch den
ehrfurchtvollst Unterzeichneten als ihrem gegenwärtigen Director Euer
Excellenz gnädigste Intervention in tiefster Ehrerbietung anzurufen und die
Angelegenheit Hochdemselben zu gnädiger Berücksichtigung zu
empfehlen.
Ich habe die Ehre zu verharren in tiefster Ehrfurcht
Euer Excellenz
unterthänigst gehorsamster Diener
Dr. C. Höfler
Prag 26. Juni 1858
Hochlöblicher Königlich böhmischer Landesausschuß!
Die Königlich
Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften erfreut sich bereits
eines 74jährigen Bestandes. Gegründet in einer Zeit als Europa von einer
allgemeinen Erschöpfung rasch in den Paroxysmus des Revolutionsfiebers
überging, hat sie ihre Aufgabe, Pflege der Wissenschaft, unparteiische
Erörterung von Fragen, an welchen die Menge gedankenlos vorübergeht oder die
sie nie mit Leidenschaft auffaßt, niemals aus den Augen gelassen. An dem
Sitze einer Universität wirkend, die so viele bedeutende Männer aus ihrem
Schoße hervorgehen sah, suchte sie namentlich auf jene Kreise Einfluß zu
gewinnen, welche sich der Universität bereits entzogen hatten und während
die Mitglieder der letzteren es sich stets zur Ehre rechneten, ihr
anzugehören, war es ihr vorzüglich beschieden, die sogenannten Gebildeten,
die Freunde der Literatur und exakter Wissenschaft in allen Ständen zu einem
gedeihlichen Wirken zu vereinen.
Wohl läßt sich der geistige Einfluß
nicht mit Zahlen bestimmen, jedoch ist es keine Übertreibung zu sagen, daß
das Gedeihen wissenschaftlicher Bildung selbst in Zeiten, welche derselben
nicht günstig waren; daß die Erhaltung eines lebhaften Sinnes für Studien,
deren praktischer Werth nicht immer unmittelbar hervortritt, deren
Nichtvorhandensein jedoch einem Staate einen unermeßlichen geistigen Einfluß
entziehen würde, daß überhaupt die geistige Regsamkeit, welche das Kronland
Böhmen vor manchen anderen auszeichnet, mit der geräuschlosen Wirksamkeit
der Königlich Böhmischen Gesellschaft in Kausalzusammenhange steht. Wenn
Österreich sich in den 74 Jahren einer zum Theile mit großen auswärtigen
Kriegen erfüllten Zeit an der geistigen Bewegung Mitteleuropas betheiligte,
so geschah dieß vorzugsweise durch die Königlich
Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften. Ihr guter Klang im Auslande
beruht auch jetzt noch darin, daß sie nicht bloß Stoff
für den Forscher aufhäufte, sondern denselben auch zu bewältigen suchte und
während sie die Brodwissenschaft ferne zu halten schien, jene idealen und
höheren Anknüpfungspunkte zu erlangen strebte, welche alle wahrhaft
gebildeten Völker als ihr gemeinsames geistiges Erbe, den ihnen angemessenen
Schauplatz, zu betrachten gewohnt sind.
Die Königlich Böhmische
Gesellschaft kann sich jedoch nicht verhehlen, daß ihre äußere Thätigkeit,
bedingt durch pecuniäre Unterstützung, theils durch das allgemeine Vorwiegen
der materiellen Interessen, theils durch die Entziehung des Schematismus und
somit eines außerordentlichen Einkommens von 1000 fr, welches ihr vormals
glänzendes Dasein leidlich erhielt, in ein Stadium getreten ist, das das
Schlimmste besorgen läßt. Sie hält es im Angesichte der Thatsache, daß
seitdem mit einem ordentlichen Einkommen von 1000 fr (Zinsen ihres Capitals)
nur durch eine seltene Opferfähigkeit ihrer Mitglieder ihr Bestand (aber
nicht ihre Wirksamkeit) gesichert ist, kaum für überflüssig, die Frage
aufzuwerfen, ob nicht bei der notorischen Präponderanz
der industriellen Richtung, die überall, wo sie
durchdringen kann, die Alleinherrschaft erstrebt und für
alles Höhere indifferent zu sein pflegt, gerade eine Kräftigung
entgegengesetzter geistiger Richtungen selbst im
wolverstandenen Interesse des Staates liegen müsse, solle nicht nach der
Weise aller menschlichen Dinge die Eine Richtung zum Extreme führen und eben
dadurch früh oder spät unheilvolle Consequenzen an den Tag treten, denen nie
bei Zeiten durch ein heilsames Gegengewicht gesteuert werden kann.
Sie
dürfte vielleicht selbst die Frage aufwerfen, ob, wenn frühere Zeiten, die
man die finsteren nennt, in Gründung von Universitäten und Bildungsanstalten
wetteiferten, nicht auch für unsere vielfach vorgeschrittene der alte Satz
gelte, daß je mehr es Mittelpunkte des
geistigen
Lebens
gebe, je mehr aller obscuren Gesinnung durch geistiges
Licht gesteuert werde, desto mehr auch der höhere
Staatszweck erreicht werde.
Endlich darf sie
vielleicht aufmerksam machen, daß die Königlich Böhmische Gesellschaft
vorzugsweise eine einheimische Einrichtung sei, einen
geistigen Einfluß wirklich besitze und übe, dieser aber
der Einfluß des Friedens und der wissenschaftlichen Ausgleichung der Gegensätze sei.
Es kann
nun ferner nicht geläugnet werden, daß die Königlich Böhmische Gesellschaft
zu gleicher Zeit die Hälfte ihres Einkommens verlor und an der mährischen
Gesellschaft eine durch die Gunst der mährischen Stände reichlich
unterstützte Rivalin erlangte. Wohl wissen wir, welch hohe Verdienste die
böhmischen Stände sich um die Gründung und Erhaltung technischer Institute
und des künstlerischen Lebens erwarben. Nichtsdestoweniger aber bleibt die
Thatsache unanfechtbar, daß die Königlich Böhmische Gesellschaft durch
Mangel an Fonds eher der Selbstauflösung als einer gedeihlichen Zukunft
entgegengehe.
Von den 1000 fl Einkünften verschlingen die sicheren und
regelmäßigen Ausgaben, die jedes Jahr wiederkehren, 500 fr mindestens. Soll
die Bibliothek nur etwas in Stand gehalten werden, so werden für sie
mindestens 300 fr benöthigt, mit den übrigen 200 fr aber (500+300+200=1000)
läßt sich um so weniger ein Lebenszeichen geben, als die Kosten auch nur
Eines Bandes 1600 fr zu betragen pflegen.
Im Gegensatze zu allen anderen
gelehrten Gesellschaften, Akademien, beziehen die Gesellschaftsbeamten kein
Honorar, selbst die Verfasser der Denkschriften haben bis jetzt ohne Honorar
ihre zum größten Theile wissenschaftlich sehr bedeutenden Arbeiten
geliefert. Soll die Königlich Böhmische
Gesellschaft ihre gebührende Stelle einnehmen und nicht
unserer Zeit der Vorwurf erwachsen, daß sie in Verfall gerathen lasse, was
die Ahnen sorgsam gepflegt, so müßte denn auch, wie früher, mindestens ein
Band in den 2 Abtheilungen philosophisch-historischer und
mathematisch-naturhistorischer Section publicirt werden. Hiezu ist aber die
Summe von 1.600 fr ohne Berechnung irgend eines Honorars, welches den
Schriftsteller anleiten könnte, seine gediegenen Arbeiten der Königlich
Böhmischen Gesellschaft zu widmen, unumgänglich nöthig.
Das Budget der
Gesellschaft stellt sich nun so heraus:
Eigene Einnahmen ...1000 fr
Ständige Ausgaben ...... 500
fr
Bibliothek .................... 300 fr
Fond für
wissenschaftliche
Zwecke außerordentlicher
Art
.................................200 fr
...................................... 1000 fr
Als Wunsch, der
zugleich Lebensbedingung ist für einen Band Denkwürdigkeiten
jährlich
.......................... 1600 fr
an Honorar für 1 Bogen
die
geringe Summe
von 10 fl bei
60 Bogen ...................... 600 fr
....................................... 2200
fr
Möge es einem hochlöblichen Ständischen Ausschuße gefallen zur
Förderung des geistigen Lebens sein Augenmerk auf diese Verhältnisse richten
und derselbe der Unterstützung, Pflege der Wissenschaft im Geiste eines
Bohuslav
Lobković, Martinić, Slavata,
die Grafen von Sternberg1 und so vieler anderer
berühmten und herrlichen Namen sich gnädigst unterziehen wollen.
Von der Königlich Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften
Dr.
Höfler
dieses Jahr Director