Constantin Höfler an Leo Thun
Bamberg, 2. Dezember 1853
|

Regest

Constantin Höfler übersendet Leo Thun seine Biografie der Charitas Pirkheimer und berichtet von seiner Vorlesungstätigkeit an der Universität Prag. Derzeit liest er über alte Geschichte und deutsche Literaturgeschichte. Beide Vorlesungen werden gut besucht. Außerdem gibt Höfler Thun die gewünschte Auskunft über einen Zögling des philologischen Seminars in München. Jener wäre gern bereit, in den österreichischen Staatsdienst zu treten, um an einer Universität oder einem Gymnasium wirken zu können. Höfler zufolge spreche er Polnisch, sei in den klassischen Sprachen äußerst bewandert und besitze eine ausgezeichnete Begabung zur Lehre. Mit dem Hinweis auf dessen katholische und konservative Gesinnung und den besten Wünschen für das Neue Jahr schließt Höfler.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochgeborner Herr Graf!
Hochgebietender Herr Unterrichtsminister!

Euer Excellenz gestatten mir wohl den beifolgenden Bericht mit ein paar unterthänigen Zeilen zu begleiten1 und diesem die Denkwürdigkeiten der Charitas Pirkheimer 2 beizufügen, welche ich Euer Excellenz persönlich übergeben zu können hoffte. Da ich aber das Glück nicht hatte Euer Excellenz in Böhmen meine Aufwartung machen zu können und im Jahre 1854 schwerlich nach Wien kommen werde, erlaube ich mir das Bändchen, welches die Reformationsgeschichte in ein neues Stadium bringt, Euer Excellenz mit der Bitte zu übersenden, es gnädigst aufnehmen zu wollen. Ein großer Band Scriptores rerum husiticarum mit dem ungedruckten Petrus de Mladenovic, Laurentius a Brezowa, dem Chronicon Universitatis Pragensis liegt im Manuscripte beinahe vollendet da.3 Ich hoffe ihn im Jahre 1854 in Druck geben zu können. Er ist die Frucht meiner Ferien und meiner Nachtwachen.
Ich habe in diesem Semester den Wurf gewagt, einen regelmäßigen Cyclus von historischen Vorträgen zu eröffnen und denselben mit alter Geschichte zu beginnen, welche ich mit einer in Prag bisher nicht gekannten Ausführlichkeit der orientalischen und occidentalen Verhältnisse lese. Ich war entschlossen mit acht Zuhörern anzufangen, nur um die Sache in Gang zu bringen und den jungen Leuten zu zeigen, was man unter Weltgeschichte zu verstehen hat. Ich bin erfreut wieder einen gefüllten Saal vor mir zu haben und suche nun meinem Auditorium ein abgerundetes Ganzes zu geben, der Atomistik geschichtlicher Auffassung entgegenzutreten, die Zuhörer in die Literatur einzuführen, an Kritik zu gewöhnen, von Skeptik zurückzuhalten und durch Betrachtung bedeutender Kupferwerke ihnen auch richtige Anschauungen des Alterthums zu verschaffen. In der deutschen Literaturgeschichte, welche ich mit wahrer Begeisterung lese, habe ich die Professoren des Kleinseitner Gymnasiums zu meinen fleißigsten Zuhörern. Der ausgestreute Samen wird mit Gottes Hilfe aufgehen und ich meine, die Früchte sollen nicht die schlechtesten sein. Ich habe bisher 10 und 15 Stunden Vorbereitung zu einer Kollegienstunde verwendet, muß mich aber jetzt etwas schonen, da ich zu meinem Schrecken bemerkte, daß ich Blut auswarf, die Natur somit ihr Recht zurückverlange.
Euer Excellenz geruhten mich einmal in Bezug auf einen Zögling des Münchner philologischen Seminars, Dr. Wernberger, gegenwärtig in Osmolice bei Lublin, der neben gründlichen Kenntnissen in den classischen Sprachen, besonders im Griechischen, auch polnisch spricht und auch eine ausgezeichnete Lehrgabe besitzt, mit dem Auftrage zu beehren, ihn wegen des Eintrittes in kaiserliche Dienste zu befragen. Derselbe würde sich sehr glücklich fühlen in den östlichen Theilen der Monarchie an einer Universität oder den höheren Classen des Gymnasiums eintreten zu können. Er ist katholisch, streng conservativ, politisch ganz intact, hat stets die entschiedensten monarchischen Grundsätze durch Wort und That bekannt und besitzt eine große Aufopferungsfähigkeit für das, was ihm anvertraut ist. Seine ganze äußere Erscheinung erweckt Vertrauen. Er hat sich unlängst in Krakau aufgehalten und mir von da eine sehr detaillirte Beschreibung der Wirksamkeit der philosophischen Facultät zugesandt, die eine große Schärfe der Auffassung verrieth. Er wird gegenwärtig 28 Jahre alt sein.
Indem ich mir den Wunsch auszusprechen erlaube, Euer Excellenz möchten das alte Jahr glücklich zurücklegen, das Neue im besten Wohlsein antreten und um Fortdauer Ihrer gnädigen Gesinnungen bitte, habe ich die Ehre zu verharren
in tiefster Ehrerbietung

Euer Excellenz

unterthänigster
Dr. C. Höfler

Prag, 2. December 1853