Constantin Höfler übersendet Leo Thun seine Biografie der Charitas Pirkheimer und berichtet von seiner Vorlesungstätigkeit an der Universität Prag. Derzeit liest er über alte Geschichte und deutsche Literaturgeschichte. Beide Vorlesungen werden gut besucht. Außerdem gibt Höfler Thun die gewünschte Auskunft über einen Zögling des philologischen Seminars in München. Jener wäre gern bereit, in den österreichischen Staatsdienst zu treten, um an einer Universität oder einem Gymnasium wirken zu können. Höfler zufolge spreche er Polnisch, sei in den klassischen Sprachen äußerst bewandert und besitze eine ausgezeichnete Begabung zur Lehre. Mit dem Hinweis auf dessen katholische und konservative Gesinnung und den besten Wünschen für das Neue Jahr schließt Höfler.
Hochgeborner Herr Graf!
Hochgebietender Herr Unterrichtsminister!
Euer Excellenz gestatten mir wohl den beifolgenden Bericht mit ein paar
unterthänigen Zeilen zu begleiten1 und diesem die Denkwürdigkeiten der Charitas
Pirkheimer 2 beizufügen, welche ich Euer
Excellenz persönlich übergeben zu können hoffte. Da ich aber das Glück nicht
hatte Euer Excellenz in Böhmen meine Aufwartung
machen zu können und im Jahre 1854 schwerlich nach Wien
kommen werde, erlaube ich mir das Bändchen, welches die Reformationsgeschichte
in ein neues Stadium bringt, Euer Excellenz mit der Bitte zu übersenden, es
gnädigst aufnehmen zu wollen. Ein großer Band Scriptores rerum husiticarum mit
dem ungedruckten Petrus de Mladenovic, Laurentius a Brezowa, dem Chronicon
Universitatis Pragensis liegt im Manuscripte beinahe vollendet da.3 Ich hoffe ihn im Jahre 1854 in Druck
geben zu können. Er ist die Frucht meiner Ferien und meiner Nachtwachen.
Ich
habe in diesem Semester den Wurf gewagt, einen regelmäßigen Cyclus von
historischen Vorträgen zu eröffnen und denselben mit alter Geschichte zu
beginnen, welche ich mit einer in Prag bisher nicht gekannten Ausführlichkeit der orientalischen
und occidentalen Verhältnisse lese. Ich war entschlossen mit acht Zuhörern
anzufangen, nur um die Sache in Gang zu bringen und den jungen Leuten zu zeigen,
was man unter Weltgeschichte zu verstehen hat. Ich bin erfreut wieder einen
gefüllten Saal vor mir zu haben und suche nun meinem Auditorium ein abgerundetes
Ganzes zu geben, der Atomistik geschichtlicher Auffassung entgegenzutreten, die
Zuhörer in die Literatur einzuführen, an Kritik zu gewöhnen, von Skeptik
zurückzuhalten und durch Betrachtung bedeutender Kupferwerke ihnen auch richtige
Anschauungen des Alterthums zu verschaffen. In der deutschen
Literaturgeschichte, welche ich mit wahrer Begeisterung lese, habe ich die
Professoren des Kleinseitner Gymnasiums zu meinen fleißigsten Zuhörern. Der
ausgestreute Samen wird mit Gottes Hilfe aufgehen und ich meine, die Früchte
sollen nicht die schlechtesten sein. Ich habe bisher 10 und 15 Stunden
Vorbereitung zu einer Kollegienstunde verwendet, muß mich aber jetzt etwas
schonen, da ich zu meinem Schrecken bemerkte, daß ich Blut auswarf, die Natur
somit ihr Recht zurückverlange.
Euer Excellenz geruhten mich einmal in Bezug
auf einen Zögling des Münchner
philologischen Seminars, Dr. Wernberger,
gegenwärtig in Osmolice bei
Lublin, der neben gründlichen Kenntnissen in den
classischen Sprachen, besonders im Griechischen, auch polnisch spricht und auch
eine ausgezeichnete Lehrgabe besitzt, mit dem Auftrage zu beehren, ihn wegen des
Eintrittes in kaiserliche Dienste zu befragen. Derselbe würde sich sehr
glücklich fühlen in den östlichen Theilen der Monarchie an einer Universität
oder den höheren Classen des Gymnasiums eintreten zu können. Er ist katholisch,
streng conservativ, politisch ganz intact, hat stets die entschiedensten
monarchischen Grundsätze durch Wort und That bekannt und besitzt eine große
Aufopferungsfähigkeit für das, was ihm anvertraut ist. Seine ganze äußere
Erscheinung erweckt Vertrauen. Er hat sich unlängst in
Krakau aufgehalten und mir von da eine sehr
detaillirte Beschreibung der Wirksamkeit der philosophischen Facultät zugesandt,
die eine große Schärfe der Auffassung verrieth. Er wird gegenwärtig 28 Jahre alt
sein.
Indem ich mir den Wunsch auszusprechen erlaube, Euer Excellenz möchten
das alte Jahr glücklich zurücklegen, das Neue im besten Wohlsein antreten und um
Fortdauer Ihrer gnädigen Gesinnungen bitte, habe ich die Ehre zu
verharren
in tiefster Ehrerbietung
Euer Excellenz
unterthänigster
Dr. C. Höfler
Prag, 2. December 1853