Gutachten von Rudolf Kink zur Reform des Statuts der Universität Wien
o. O., 1. Dezember 1853
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Regest

Ministerialkonzipist Rudolf Kink äußert sich zur angestrebten Reform der Doktorenkollegien an der Universität Wien. Grundsätzlich tritt er für den Erhalt der Doktorenkollegien ein, wobei die Kollegien der Doktoren mit jenen der Professoren zur Fakultät vereinigt werden sollten. Der so gebildeten Fakultät sollten die Wahl des Dekans, die Verwaltung des Fakultätsvermögens und der verschiedenen Stiftungen sowie die Vergabe der Stipendien zufallen. Für Fragen der Wissenschaft sollen die Professoren alleinig zuständig sein. Die Fakultät und der engere Ausschuss der Professoren unterstehen dem Dekan. Dieser wird von der gesamten Fakultät aus den inkorporierten Professoren auf die Dauer eines Jahres gewählt. Die Wiederherstellung der akademischen Nationen lehnt Kink strikt ab. Er stellt auch Überlegungen an, in welcher Weise dem katholischen Charakter der Universität, der nie ganz beseitigt worden sei, Geltung verschafft werden könnte: Seiner Ansicht nach solle die Universität – ihrer Stiftung gemäß – als katholische Anstalt bezeichnet werden. Die Universität soll den katholischen Standpunkt und die Interessen der Kirche fördern und Angriffe gegen diese abwehren. In der Frage der Aufnahme von nicht-katholischen Professoren schlägt er vor, in den neutralen Wissenschaften, also den medizinischen, mathematischen und physikalischen und manchen juridischen Fächern auch Nicht-Katholiken zuzulassen. Kink geht auch auf das Amt des Kanzlers ein: Dieser soll, beauftragt von der Kirche, die Übereinstimmung der Lehre mit dem katholischen Glauben überwachen. Gleichzeitig soll dem Staat das Recht eingeräumt werden, einen beaufsichtigenden Vertreter an die Universität zu entsenden.

Anmerkungen zum Dokument

Die erste Seite des Gutachtens fehlt.
Mit eigenhändigen Anmerkungen von Thun.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DBDE-5

Schlagworte

Edierter Text

[…]1

müßte die Regierung erst noch darauf gefaßt sein, daß eben die Ernannten, um nur nicht als bloße Werkzeuge dazustehen, zu Renegaten und gerade so hartnäckig würden, wie diejenigen, die man eben vermeiden wollte. Doch auch abgesehen davon, so scheint mir, daß dieser Vorschlag ohne alle Vortheile gerade alle jene Nachtheile in sich vereinigt, welche überhaupt mit einer Concession in der Regel verbunden sind. Er würde nicht die Sache, er würde nur die Ziffern ändern; der Dualismus, der früher zwischen den zwei Collegien bestand, würde nun im Innern des einen Körpers fortleben und ihn in die permanenten 2 feindlichen Lager der Professoren und der beigezogenen Doctoren spalten.2Es würde ganz der gleiche Fall sein wie gegenwärtig mit dem Universitätsconsistorium. Letzteres besteht jetzt aus 8 concludirenden Stimmen der Professoren und 4 der Doctoren. Die Folge davon ist, daß dieses Collegium es schließlich vorgezogen hat, über Controversgegenstände, welche die Parteistellung der Professoren und Doctoren betreffen, gar nicht mehr abstimmen zu lassen; weil man im vorhinein weiß, daß das Stimmenverhältnis sich regelmäßig herausstellen wird wie 8:4.3
Endlich, und das ist die Hauptsache, würde dieser Vorschlag über die oben sub a und b angeführten Hindernisse gar nicht, über das sub c fast gar nicht hinauskommen und überdies keinen positiven Nutzen gewähren. Denn es ist in der That nicht abzusehen, wozu diese beigezogenen Doctoren in Wesenheit förderlich sein sollen; sie werden nichts anderes thun, als daß sie den auf ein kleineres Gebiet eingeschränkten Hader perpetuirlich machen. Denn man kann sich nicht genug gegenwärtig halten, daß etwas, was wie eine Concession aussieht, gewiß nie eine Befriedigung schaffen wird, und daß diejenigen, die es angeht, gewiß alle oppositionellen Kräfte bei dem Hinterthürchen concentriren werden, welches man ihnen offen gelassen hat.
Soll man nun die Doctorencollegien weder ganz noch theilweise cassiren, so folgt daraus, daß man sie ganz beibehalten soll, jedoch wie gesagt nicht in ihrer gesonderten Gestalt, sondern indem man sie mit den Professoren zu einer Facultät vereinigt. In Wahrheit ist dies auch der einzig befriedigende, geschichtlich correcte und vollkommen ehrliche Ausweg. Die vereinigten Professoren und Doctoren haben eben von jeher (das ist seit 1429) die Facultät vorgestellt, und in dieser Eigenschaft haben sie jene Rechte erlangt, um deren Aufrechthaltung es sich noch handeln mag. Gegen den Einwurf, daß sodann die Doctoren unverhältnis gegen die an Zahl geringern Professoren vorwiegen und in der Facultät die Herren spielen würden, werde ich weiter unten ein gründliches Abhilfsmittel vorschlagen; hier erlaube ich mir nur noch ein anderes Corollarium zu besprechen.
Es frägt sich, was mit denjenigen Professoren anzufangen ist, welche nicht incorporirte Doctoren sind. Man kann diesfalls dreierlei Dinge vorschlagen:
α. „Jeder von der Regierung ernannte ordentliche oder außerordentliche Professor ist ipso facto für die Dauer seiner lehrämtlichen Function an dieser Universität Mitglied der betreffenden Facultät.“ In merito ließe sich gegen diesen Vorschlag insoferne nichts sagen, als ein Mann, dem die Regierung eine Professur verleiht, wohl doch a priori als mit jenen Kenntnissen ausgerüstet anzusehen ist, welche man von einem Doctoranden verlangt. Auch ist dieser Fall schon vorgekommen. Kaiser Ferdinand II. hat in der Sanctio pragmatica von 1623 angeordnet, daß jene Patres, welche die Societät Jesu zu philosophischen oder theologischen Professoren bestellen würde, eo ipso ohne irgend weitern Actus temporär als incorporirte Facultätsglieder zu betrachten seien. Andererseits läßt sich aber nicht läugnen, daß einer solchen Maßregel die levis macula einer rücksichtslosen Willkührlichkeit ankleben würde. Sie würde gerade in den corporativen Bestand als solchen ein Loch reißen und die Möglichkeit der geschichtlichen Berufung auf die Zeiten der Societät würde ihr zu keinen Gönnern verhelfen.
β. „Jeder ernannte Professor, der nicht schon einverleibter Doctor ist, hat die Verleihung des Doctorates und die Einverleibung unter den gewöhnlichen Bedingungen binnen eines gewissen Präclusivtermines nachzusuchen und auszuweisen.“ Formell läge hierin keine Unbilligkeit; es geht aber damit, wie oft in andern Dingen, wo die auf dem Papiere ausgesprochene Gleichheit in praxi die schreiendsten Ungleichheiten zur Folge hat. Ein Professor, der auf die erste Universität der Monarchie berufen wird, steht nicht auf gleicher Stufe mit einem gewöhnlichen Candidaten des Doctorgrades; es könnte sich treffen, daß er seine sämmtlichen Examinatoren an Wissen übersähe. Ich würde daher
γ. folgendes vorschlagen. Ein solcher Professor habe nur mehr einen Actus Promotionis nebst einer Dissertation vorzunehmen und die Promotionstaxen zu zahlen. Für letztere könnte man ihm eine Ratenzahlung, für erstere einen Präclusivtermin vorschreiben und bestimmen, daß er für die Dauer desselben interimistisch als Mitglied der Facultät anzusehen sei. Es ist gewiß nicht unbillig, daß für die kurze Dauer eines solchen Interims das Vertrauen, das die Regierung in den Mann setzte, sein Diplom einstweilen supplirt. Ein solcher Vorgang hätte seine volle geschichtliche Analogie. Denn bis zur Zeit Maria Theresias hat jede Facultät Doctoren und Professoren, die von anderswoher kamen, durch den Actus Repetitionis, d. h. nach Haltung einer Dissertation oder Disputation und Vornahme der Promotion nebst Taxenzahlung, in ihre Gemeinschaft zugelassen. Ich muß nun freilich gestehen, daß diese Maßregel solche <Professoren>4 voraussetzt, welche schon überhaupt Doctoren sind. Ich glaube aber, daß der entgegengesetzte Fall ohnedies nicht leicht eintreten würde; ja, daß man für die Verleihung einer Professur in Wien den Doctorstitel geradezu verlangen solle. Nun kann aber auch noch der Fall eintreten, daß manche auswärtige Doctoren (wie z. B. Prof. Dr. Phillips) keinen Promotionsact mehr vornehmen dürfen, weil sie bei ihrer ersten Promotion beschwören mußten, sich an keiner andern Universität wieder promoviren zu lassen. In solchen Fällen und überhaupt ausnahmsweise, wo es sich um die Berufung anerkannter Celebritäten handelt, müßte der Vorbehalt gelten, daß solche Männer ohne weiters gleichsam per rescriptum principis, am besten durch eine allerhöchste Entschließung selbst, zu Mitgliedern der Facultät, allenfalls gegen Taxenzahlung, creirt werden.5

2.
Der vollen Facultät (in obiger Gestalt) kommen folgende Rechte und Functionen zu:
a. die alljährliche Wahl des Decans (wovon weiter unten) und des ersten Vicedekans, 6 des zweiten Vicedekans oder Procurator (siehe unten bei § 5);
b. die Wahl eigener Beamten für die Geschäfte der Facultät als Corporation (Notar, Archivar, Cassaführer etc.);
c. die Verwaltung ihres eigenthümlichen Vermögens und ihrer Stiftungen, die Vertretung derselben und die Approbirung der Rechnungslegung;
d. die Vergebung der Stiftplätze und Stipendium, und zwar über Vorschlag des Professorenausschusses (wovon weiter unten);
e. die Fassung von Beschlüssen, Erstattung von Vorschlägen etc., wo es sich um die Corporation als solche handelt;
f. die Handhabung der äußern Repräsentanz, namentlich bei feierlichen Anlässen;7
g. die alljährliche Wahl von Examinatoren zu den Rigorosen und Repräsentanten bei den Promotionen (wovon weiter unten);
Hiezu allenfalls noch:
h. die Wahl von Ausschüssen zur Abgabe von Facultätsgutachten.

3.
In allen jenen Functionen, welche unter 2. nicht ausdrücklich benannt sind, insbesondere in allen denjenigen, welche sich auf das Interesse der Wissenschaft und des lehrämtlichen Berufes beziehen, wird die Facultät durch einen engern Ausschuß, bestehend aus dem Collegium ihrer ordentlichen und so vieler außerordentlichen Professoren, daß letztere die Hälfte der ordentlichen nicht übersteigen, unter dem Vorsitze ihres Decans, und zwar cum autoritate pleni vertreten.
Ich erlaube mir diese zwei Abtheilungen im Zusammenhange zu besprechen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Universität und in ihr jede Facultät, insoweit sie eine Lehranstalt ist, die Eigenschaft hat, eine Staatsanstalt zu sein. Das Lehramt ist aber, selbst wenn man strenge nur den stiftbrieflichen Standpunct inne hält, die erste Berufspflicht der Universität. So sehr man auch von mancher Seite her sich bemüht hat, aus einzelnen alten Urkunden einen andern Sinn herauszudeuten, so scheint es doch mir ausgemacht, daß Albrecht III., als er die Universität stiftete, in prima linea eine Lehranstalt stiften wollte. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, daß in jeder Facultät die incorporirten Professoren den Vorrang in der Würde und in den Functionen verdienen. In den ältesten Zeiten war es stets die Aufgabe der Facultäten die Interessen der Doctrine zu vertreten; sie unterschieden sich eben darin von den Nationen. Als seit Maria Theresia die Ausübung dieser Function ausschließlich in die Hände der Regierung über ging, hörte dieser Beruf der Facultäten auf und letztere wurden im Wesentlichen zu Doctorencollegien ohne alle Beziehung zur Lehre. Jetzt, da ein Theil des ursprünglichen Berufes (wenigstens die Executive desselben) den Facultäten zurückgegeben ist, muß sich auch die Stellung der Professoren wieder ändern. Sie müssen eine bevorzugte Thätigkeit erhalten, sie müssen als die gegebenen Träger und Vertreter der Wissenschaft angesehen werden; außerdem würde die Universität aufhören eine Staatsanstalt zu sein.
Aus diesen Gründen, deren Geltung kein Unbefangener verkennen kann, muß den Professoren in der Facultät und gleichsam im Namen derselben ein Feld bevorzugter Thätigkeit geschaffen werden. Dies geschieht durch den von mir beantragten Ausschuß. Ich bin so glücklich mich diesfalls auf ein geschichtliches Analogum berufen zu können, welches in vollkommen zutreffender Weise diesen meinen Vorschlag zu gleicher Zeit begründet und erklärt. In den ältesten Zeiten der Universität ruhte die Repräsentanz und Vollgewalt derselben in der „Congregation“, das ist in der Versammlung aller Doctoren aller Facultäten. Diese Versammlung hatte alle wichtigen Geschäfte abzuthun, namentlich alle jene, welche die gesammte Corporation als solche betrafen. Gleichzeitig neben ihr bestand noch eine kleinere Ausschußversammlung, das „Consistorium“, bestehend aus dem Rector, den Decanen, Procuratoren und später auch aus den Senioren. Unter den letzteren verstand man bis Maria Theresia die Primarprofessoren jeder Facultät; die Procuratoren waren in den ersten Zeiten in der Regel Professoren, die Decane mußten es sogar sein. Dieses Collegium berieth und entschied über die currenten Geschäfte, insbesondere über Sachen der Disciplin und der Doctrin. Sehr bald entschied es auch über wichtigere Angelegenheiten mit delegirter Gewalt als perennirender Ausschuß der Totalcongregation, und als im Jahr 1481 statuirt worden war, daß jeder Beschluß des Consistoriums als ein Beschluß der gesammten Universität anzusehen sei, kam die Congregation sehr bald ganz in Verschollenheit. Dieser engere delegirte in seinem Kreise aber cum autoritate pleni wirkende Ausschuß der Facultät sei nun das Professorencollegium. Dadurch erhalten die Professoren in der Facultät ein übergeordnetes Ansehen und eine ihrem Berufe entsprechende Thätigkeit; sie gelangen dadurch von selbst zum Vorrange vor den Doctoren, wie es schon das Decret Maria Theresias vom 29. November 1760 befahl, und für alle gewöhnlichen Vorkommnisse und Geschäfte zur Repräsentanz der Facultät, wie es bereits das Decret Leopolds II. vom 3. April 1790 wollte. Diese Bevorzugung der Professoren für die currenten Geschäfte und für die eigentlichen lehrämtlichen Dinge liegt so sehr in der Natur der Sache und ist überdies historisch so richtig, daß sich die Doctoren unmöglich darüber beschweren können. Die Möglichkeit fernerer Conflicte wird dadurch abgeschnitten, daß die Functionen und Attribute der gesammten Facultät genau und taxative bestimmt werden, sodaß was nicht ausdrücklich als darunter begriffen erscheint, als dem Ressort des engern Ausschusses der Professoren zugehörig anzusehen ist. Bisher hat man den entgegengesetzten Weg eingeschlagen; man hat die Functionen der Professorencollegien angegeben, alles Übrige aber, in dessen Wesen, Inhalt und Tragweite man sich nicht einließ, hat man den Doctorencollegien, denen man sogar den Titel „Facultät“ zu führen gestattete, reservirt. Daraus sind dann eben die Conflicte entstanden, die man ganz wohl vermeiden kann, wenn die Fälle, in denen die ganze Facultätsversammlung zusammenzutreten und zu wirken hat, genau und einzeln vorgesehen und gesetzlich bestimmt werden.
Es versteht sich von selbst, daß die von mir oben unter 2 a–h specificirten Rechte und Functionen der gesammten Facultät nur beispielweise angeführt sind, daß sie vielleicht noch durch etwelche vermehrt, theilweise auch durch die Controlle des Staates restringirt werden könnten. Nur über den sub g. erwähnten Satz, die Wahl von Examinatoren für die Rigorosen und von Repräsentanten für die Promotionen betreffend, muß ich noch einiges beifügen.
Die Prüfung für den Doctorgrad und die Promotion selbst sind Acte, welche unläugbar eine doppelte Beziehung haben, eine rein scientifische und eine corporative, insoferne es sich um die Einverleibung des Promovirten handelt und voraussichtlich in den meisten Fällen handeln wird. Daher wurde in den ältern Zeiten ein Rigorosant von allen vortragenden und nicht vortragenden Doctoren der Facultät, welche eben hiebei gegenwärtig sein mochten, geprüft; und ebenfalls war es die gesammte Facultät, welche sich über die Approbation des Geprüften aussprach und darüber erkannte. Karl VI. hat sodann diese Einrichtung am 7. October 1727 genauer dahin regulirt, daß jeder Candidat von 4 Professoren und von 4 durch die Facultät zu wählende Doctoren8 geprüft werden müsse. Da nun einmal vorausgesetzt wird, daß die Doctrine in ihrem corporativen Bestande und ihrer Verbindung mit der Universität fortbestehen sollen, so schiene mir die Wiedereinführung der obenerwähnten Anordnung Karls VI. ebenso gerecht als billig.9 Die bisherige Beiziehung eines einzigen Repräsentanten der Doctoren, nämlich des Doctorendecans, ist etwas rein Illusorisches. Dies würde überdies – analog dem Beizuge von Nichtprofessoren bei den Staatsprüfungen – den Vortheil haben, daß die Candidaten des Doctorgrades sich nicht bloß auf das Einlernen der Vorträge des Professorsexaminators zu beschränken, sondern mit einer gründlichen Solidität des Wissens auszurüsten haben, um sicher bestehen zu können.
Es versteht sich endlich auch von selbst, daß zum voraus genaue Bestimmungen getroffen werden müssen, welche die Bedingungen festsetzen, unter denen eine Versammlung der Facultät als vollzählig und beschlußfähig anzusehen wäre.10

4.
Die gesammte Facultät sowohl als der eigene Ausschuß der Professoren steht unter dem Decane.

5.
Der Decan wird von der gesammten Facultät aus der Mitte ihrer incorporirten Professoren auf die Dauer eines Jahres gewählt. Seine Wahl unterliegt der Bestätigung der Regierung.
Da der Vorsteher der Facultät zugleich Vorsteher des engern Ausschusses ist, der es vorzüglich mit lehrämtlichen Dingen zu thun hat, so kann diese Würde nur ein solcher Rector bekleiden, der auch Professor ist; nach den ältesten Statuten wurde aus gleichen Gründen stets ein Doctor regens für die gesammte Facultät zum Decane gewählt. Da ferner jede Facultät, insoferne sie Lehranstalt ist, als eine Staatsanstalt betrachtet werden muß, so liegt es gleichfalls auf der Hand, daß der Regierung das Recht zukommen muß, die Wahl des Decans zu bestätigen.
Wohl aber muß ich gestehen, daß mir noch ein anderer Modus der Decanswahl sehr zusagend schiene. Dieser bestände darin, daß die gesammte Facultät aus den Doctoren einen Decan und aus den Professoren einen Vicedecan wählte. Letzterer hätte dem engern Auschusse, ersterer der Totalversammlung zu präsidiren. Der Vortheil dieser Einrichtung bestände darin, daß dem aus den Professoren gewählten Vicedecane eine Menge von Facultätsgeschäften erspart würden,11 um derentwillen er sonst viel Zeit verlöre und die er vielleicht nicht einmal versteht. Auch würde dieses wieder um einen Grad mehr das Ansehen der Facultät als Corporation heben; wenigstens könnte die Regierung mit Recht darauf sich berufen, daß sie ihrerseits das Äußerste für diesen Zweck gethan habe. Für diese Einrichtung gäbe es gleichfalls wieder ein historisches Analogum. Als im Jahr 1623 die Gesellschaft Jesu in die philosophische Facultät eingeführt wurde, erhielt sie das ausschließliche Leitungsrecht der Ratio studii. Demnach wurde auch festgesetzt, daß in jenen Fällen, wo die Wahl des Decans nicht auf einen Jesuiten fiel, von der Gesellschaft Jesu ein Vicedecan auszustellen sei, welcher das Recht habe, in allen Angelegenheiten, welche die Ratio studii beträfen, die Facultät zu versammeln und ihr zu präsidiren. Grund und Beschaffenheit dieser Einrichtung sind ganz dem kurz vorhin entwickelten Vorschlage analog.

Es scheint mir ausgemacht, daß diese wenigen von 1-5 angeführten und begründeten Puncte diejenigen sind, die vor allem ins Reine gebracht werden müssen. Alles Übrige ist vergleichsweise von untergeordneter Natur und im Grunde nur Sache größerer oder geringerer Zweckmäßigkeit. Die Geschäftsordnungen der vollen und der engern Facultätsversammlung hätten sich daran zu reihen; die jetzt bestehenden Bestimmungen über das Studienwesen mit Ausnahme der Rigorosen würden dadurch fast gar nicht alterirt werden; über die Rigorosen aber muß ja ohnedies eine neue definitive Anordnung erst erfolgen.
Lenkt man aber den Blick über den Kreis der Facultäten hinaus auf die ganze Universität, so ist es das Consistorium, von dem zuerst die Rede sein muß. Es frägt sich, welche Bedeutung hat das Consistorium?
In den alten Zeiten war das Consistorium das richterliche Tribunal, es repräsentirte und vertrat ferner die gesammte Corporation und alle ihre Rechte, es verfaßte Statuten und approbirte jene der Facultäten, es führte die disciplinäre Oberleitung. Von allen diesen Attributen sind gegenwärtig die meisten verschwunden, insbesondere da die Universität als solche keine eigenen Fonde und keine eigene Jurisdiction mehr besitzt. Im Wesentlichen ist das Constistorium jetzt die zweite Instanz in Angelegenheiten der Lehre und der Disciplin; die übrigen Functionen der Facultäten sind fast durchgängig nicht von der Art, um im Berufungswege von einer zweiten Instanz behandelt zu werden; die Repräsentation der Universität endlich ist heutzutage hauptsächlich nur etwas Äußerliches. Aus allem dem folgt, daß das Consistorium vorwiegend, wo nicht ausschließlich, aus solchen Männern bestehen muß, welche dem Lehramte angehören.
Eine andere Frage wäre die, ob man nicht die alte „Congregation“ für solche Angelegenheiten, bei welchen es sich um rein corporative Interessen handelt, wieder einführen könnte? Die Sache wäre viel formloser, als man sich vielleicht vorstellt. Die Congregatio bestand einfach darin, daß der Rector den versammelten 4 Facultäten die Gegenstände der Berathung vorlegte; hierauf zog sich jede Facultät abgesondert zurück, berieth und entschied und die Majorität der 4 Curiatstimmen gab den Ausschlag. Von einer Abstimmung nach Köpfen, von tumultuarischen Szenen etc. war dabei gar nie die Rede.
Doch wenn man davon absieht und wieder auf die Zusammensetzung des Consistoriums übergeht, so ist eine der nächstliegenden Fragen die: Soll man die ehemaligen Nationen wieder einführen und ihren Vertretern, den Procuratoren, den Platz im Consistorium und das Recht zur Rectorswahl zurückgeben oder nicht?
Es ist bekannt, daß mehrere Stimmen laut wurden, welche für die Wiederherstellung der akademischen Nationen sich aussprachen. Ich muß jedoch unverholen bekennen, daß ich diese Restitutio für erfolglos hielte, sie würde etwas Überflüssiges und folglich etwas Verfehltes schaffen. Die Nationen haben ihre primitive Bedeutung schon sehr frühzeitig eingebüßt; zu namhaftem Vermögen haben sie sich gleichfalls nicht erschwungen. Wie und warum dieses geschah, habe ich umständlich in der Universitätsgeschichte12 dargelegt. Wollte man sie jetzt wieder einführen, so wäre dies ein reines Copiren todter Formen und dazu soll man die Geschichte nie mißbrauchen. Daß man nicht die rheinische, sächsische etc. Nation, wie sie ehemals bestand, sondern die im Jahr 1838 eingeführten 4 Nationen (österreichische, slawische, ungarische, italienisch-illyrische) im Falle einer solchen Restitutio meinen kann, versteht sich wohl von selbst. Es ist aber nicht abzusehen, was letzere nützen soll, wenn man diese Nationen wie früher ohne Einfluß und ohne Bedeutung läßt; und es bleibt sehr dahingestellt, ob es bei den nationellen Verhältnissen in Österreich nicht manchen Bedenken unterläge, wenn man ihnen Einfluß und Bedeutung gäbe. Es würde sehr schwer sein das Doppelfeuer dieser Alternative zu umgehen.
Eine andere die Universität als Gesammtheit betreffende Frage ist die der Katholicität. Daß die Universität eine Stiftung von specifisch katholischem Charakter war, unterliegt keinem Zweifel; seit Josef II. sind allerdings viele Verfügungen getroffen worden, welche ein Ignoriren dieses Standpunctes implicite zu erkennen gaben, aber ausdrücklich beseitiget worden ist er nie, und es frägt sich nun, in welcher Weise man ihm Geltung verschaffen kann.
Ich will hier zuerst dasjenige anführen, was man zur Erreichung dieses Zweckes nicht thun soll.
Nicht wieder einführen soll man die professio immaculatae Conceptionis. Zuvörderst scheint es mir von jeher ein Mißgriff, ich möchte fast sagen, eine Unschicklichkeit gewesen zu sein, durch weltliche Autorität das ausdrückliche Dafürhalten und Vertheidigen eines Satzes anzuordnen, rücksichtlich dessen die Kirche in bestimmtester Weise das Gegentheil zu glauben allen Gläubigen offen läßt. Überdies stammt die Einführung dieses Juramentes erst aus dem Jahr 1649; er hatte zunächst gar nicht den Zweck, Häretiker von der Universität ferne zu halten, denn dafür war bereits die seit 1581 mit Strenge beobachtete Bestimmung über die Ablegung des römisch-katholischen Glaubensbekenntnisses da. Die professio immaculatae Conceptionis war vielmehr, wie ich subjectiv wenigstens überzeugt bin, eine von den Jesuiten erwirkte Einrichtung, um sich das Übergewicht über die Dominicaner zu verschaffen.
Aber auch die Ablegung des Eides auf das römisch-katholische Glaubensbekenntnis sollte man in ausnahmsloser Geltung wenigstens nicht wieder einführen. Wären unsere Zeiten in einer Weise beschaffen, daß sich strenggläubige Katholiken und strenggläubige Protestanten gegenüber ständen, so ließe sich von der Wirksamkeit einer solchen Eidesablegung noch reden. Dem ist nun aber nicht so. Vielmehr kommt der größte Ausfall, den alle Confessionen erlitten haben, auf Rechnung des Indifferentismus, der, wenn es anders mit einem äußern point d’honneur verträglich ist, sich bereit finden läßt, diesfalls beliebige Eidesformeln zu beschwören. In vielen Fällen wäre ein solcher Eid, ich will nicht sagen ein Meineid, aber doch eine Eitelnennung, ein Formenspiel, aus dem kein eigentlicher Gewinn für die Sache, sondern nur eine formale Rubricirung für die Personen sich ergäbe. Es wäre denn, daß man den Eid negativ einrichtete und in denselben die Angelobung aufnähme, nichts gegen die katholische Kirche und ihre Dogmen lehren zu wollen. Einen solchen Eid könnten in gewissen Fächern auch Protestanten ablegen, sodaß man zu der Fernhaltung letzterer von allen Lehrcanzeln durchaus nicht zu schreiten brauchte.13 Das Wesen der Sache liegt aber nach meiner Ansicht in Folgendem:
a. Daß man der Universität, indem man sie ihrer Stiftung gemäß als katholische Anstalt erklärt, als Aufgabe zuweise, den katholischen Standpunct und die Interessen der Kirche theils in positiver Weise zu fördern, theils die dagegen vorkommenden Angriffe abzuwehren. Die erstere dieser beiden Aufgaben gehört specifisch der theologischen Facultät an, deren Beruf dann freilich etwas höher zu fassen wäre, als es bisher der Fall gewesen ist. Die zweite aber geht die ganze Universität an, und zwar theils durch entschiedenes Auftreten gegen feindselige Richtungen (dahin namentlich Philosophie, Geschichte), theils durch strenges Enthalten von derlei Angriffen. Denn wenn es im Allgemeinen auch nicht richtig ist, die Wissenschaft kirchlich als neutrales Gebiet anzusehen, so ist es doch gewiß, daß manche Fächer in der That neutral sind oder neutral bleiben können. Dahin gehören die meisten medicinischen, manche juridischen, die mathematischen, die physicalischen Fächer. Es wäre ein leidiges Hängen an Formeln und Äußerlichkeiten, wahrhaft tüchtige und bewährte Männer protestantischer Confession von solchen Fächern ausschließen zu wollen, wenn man gleich tüchtige Katholiken hiefür nicht haben kann. Die Einhaltung dieser eben entwickelten Gradation scheint mir das Wesentliche an der Sache; dem kann man dann noch beifügen, daß eine in negativer Weise gehaltene Eidesformel durch alle zu beschwören ist.
b. Daß man den Canzler nicht als bloßen Figuranten im Consistorium, sondern als echten Vertreter und Wächter der Kirche aufstelle und ihn mit dem Berufe ausstatte, gegen kirchenfeindliche Richtungen, die sich allenfalls geltend machen könnten, Einsprache zu erheben.
c. Daß man das Doctorat des Kirchenrechtes, wie es unter Schrötter und bis 1810 bestanden hatte, und sohin auch das Doctorat utriusque juris wiederherstelle. Diese Doctoren (sowohl juris canonici als utriusque juris) könnte man allerdings, wie auch die Doctoren der Theologie, zur Ablegung des positiven, römisch-katholischen Glaubensbekenntnisses verhalten, falls man darauf einen großen Werth legt. Ich meines Theils, wie gesagt, würde darauf keine übergroße Betonung legen.
d. Eine der wichtigsten, durch bestimmte Formeln freilich nicht darstellbaren Maßregeln liegt in der Wahl der Männer für die Lehrämter; sie macht im Grunde den ganzen Kern der Sache aus, alles Übrige sind Dinge auf dem Papier und nicht viel mehr.
Die Universität ist vor Zeiten allerdings nicht bloß eine katholische, sondern sogar eine geistliche Corporation gewesen. Sie hat in dieser Eigenschaft geistliche Jurisdiction, das Recht zur Excommunication, das Recht, Häretiker vor ihren Richterstuhl zu laden und zu bestrafen, ausgeübt. Alles das läßt sich nicht wiederherstellen, ohne mit der Geschichte der letzten Jahrhunderte tabula rasa zu machen. Daß selbst Kaiser Ferdinand II. diesen Beruf der Universität nicht wieder herstellte, ist der beste Beweis für die Unthunlichkeit seiner Wiederherstellung überhaupt.
Hat nun die Kirche in dem Canzler ihren besondern Vertreter und Repräsentanten, so bedarf der Staat gleichfalls einen solchen.14In den ersten Zeiten hatte der Staat keinen Repräsentanten, sondern nur einen Beschützer der Universität, Conservator, aufgestellt. Als aber nach dem durch die Kirchenspaltung herbeigeführten Verfalle der Universität der Staat daran ging, sie für seine Zwecke und auf seine Kosten wiederherzustellen, erschien alsbald der Superintendent als Vertreter der landesfürstlichen Interessen im Consistorium. Maria Theresia sodann spaltete diese seine Function nach den Facultäten in 4 Directorate. Daß sodann die 4 Directoren nicht bloß beaufsichtigten und relationirten, sondern auch die gesammte scientifische Leitung führten und ihre Maßregeln in beengendster Weise vorschrieben, war ohne Zweifel die große Schattenseite dieser Einrichtung. Diese würde aber erst noch weit weniger hervorgetreten sein, wenn nicht auf die vorhergehende, sehr große Ungebundenheit der Bewegung so rasch die gänzliche Einschnürung erfolgt wäre, mit andern Worten, wenn die Zeiten sich nicht in extremen Gegensätzen bewegt hätten. Daß die Regierung an den Universitäten jemanden bedarf, dem sie in gewisser übergeordneter Weise vertrauen kann, scheint mir sehr schwer zu bestreiten. Überdies hat es seine Übelstände, daß in der Universität durchgängig nur solche Functionen vorkommen, welche alle Jahre wechseln. In den alten Zeiten – wo nebstdem die Analogie der klösterlichen Convente sehr nahe lag – hatte dies deshalb nicht so viel zu bedeuten, weil der Wirkungskreis der Universität ganz in ihr abgeschlossen war. Dies hat sich aber nunmehr gänzlich geändert; und die Wandelbarkeit aller akademischen Functionen hat zur Folge, daß sich keiner der Functionäre über gewisse Rücksichten hinaus um jene Zwecke annehmen wird, welche die Regierung mit ihren Lehranstalten verbunden wissen will. Sie werden sämmtlich zuvörderst dafür sorgen, sich einander nicht wehe zu thun.
Aus all dem Gesagten ergibt sich, daß die Regierung einen ständigen Vertreter und Wächter ihrer Aufträge bei der Universität bedarf. Dies kann geschehen durch Aufstellung eines Superintendenten, Conservators, Curators oder wie man ihn nennen will – oder indem man den Rector auf eine längere Zeitdauer fungiren läßt und in ihm den Mann des Vertrauens der Regierung sucht. Soll er dies letztere sein, so muß er ernannt und mit großem Ansehen ausgestattet werden. Zu diesem Behufe sollte die Ernennung durch den Kaiser geschehen und zwar von 4 zu 4 Jahren nach dem Turnus aus den Doctoren der 4 Facultäten.15
Es hat eben in den alten Zeiten zweierlei Universitäten gegeben, solche, an deren Spitze ein wechselnder Rector, und solche, an deren Spitze ein lebenslänglicher Canzler stand. Zu den letztern gehörten die englischen Universitäten; und ich glaube, diese haben den bessern Theil gewählt. Wenigstens haben sie sich stabiler und aushältiger erwiesen als die andern. So viel über die Frage, ob nicht die Würde des obersten akademischen Functionärs auf längere Zeit zu erstrecken wäre als bisher.
Man wird sich nun aber vielfältig an der Ernennung des Rectors stoßen. Darauf kann man nur erwidern: die Verhältnisse sind nicht mehr so, wie sie im Jahr 1384 waren. Damals haben gar viele Gemeinden ihr selbständiges Regiment geführt und ihre Vorsteher sich selbst gewählt, die sich jetzt gerne bescheiden, ihre Vorstände, mag man sie nun Bürgermeister, Anwälte, Rectoren etc. nennen, aus der Hand der Regierung zu empfangen.

R. Kink

Am 1. December 1853