Josef Dittrich an Leo Thun
Budissin, 5. September 1849
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Regest

Josef Dittrich erteilt Leo Thun Auskunft über geeignete Kandidaten für den Posten eines Gymnasialdirektors. Außerdem äußert er einige Besetzungsvorschläge für die österreichischen Universitäten. Im Hinblick auf die Frage der Direktoren betont Dittrich, dass er bevorzugt Kandidaten aus dem Inland empfehle. Er nennt einige Kandidaten, die aus seiner Sicht in Frage kämen. Für die Universitäten empfiehlt er Joseph Aschbach und Johann Chrysostomos Sporschil für einen Lehrstuhl der Geschichte. Kritisch äußert er sich hingegen über George Phillips ultramontane Gesinnung. Franz Poland empfiehlt er als guten katholischen Juristen. Im letzten Teil des Briefes nimmt Dittrich Stellung zu einigen kirchlichen Entwicklungen. Zunächst bedauert er, dass der Papst die Abhaltung einer allgemeinen deutschen Synode als nicht sinnvoll erachte. Schließlich äußert er sich zu den Schriften von Johann Baptist Hirscher und Antonio Rosmini und betont, dass man davon ausgehen müsse, dass die Bücher derselben alsbald auf den Index gesetzt werden. Dittrich bedauert, dass dieser Schritt auch auf gut gesinnte Katholiken einen ähnlich schlechten Eindruck machen werde, wie die angestrebte Dogmatisierung der immaculata conceptio.

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Edierter Text

Hochgeborner Herr Graf,
Hochzuverehrender Herr Staatsminister!

Über Herrn Propst und Prof. Padlesak kann ich zwar keine nähere Auskunft geben, aber Canonicus Prihonšky [Přihonský] tadelt es sehr, daß derselbe die ihm obliegende Pflicht, sonntägige Exhorten für die Akademiker zu halten, durch angebliche Kränklichkeit von sich abgelehnt und die Nothwendigkeit herbeigeführt hat, einen besonderen Exhortator zu wählen und zu besolden. Ob wirkliche Kränklichkeit oder blos Bequemlichkeit die Motive gewesen, kann ich durchaus nicht beurtheilen; aber daß die Supplirung eingetreten, weiß ich daher, weil das erzbischöfliche Consistorium mich ersucht hat, dem gegenwärtigen Präses des wendischen Seminars zu gestatten, die Exhorten für die Akademiker zu halten.
Für Gymnasialdirektoren dürften sich am besten erfahrene Professoren eignen, wie etwa Prof. Zeithammer am Kleinseitner Gymnasio zu Prag oder auch Prof. Dubsky. Das Wilhelmstift, ein höheres Convict in Tübingen, hat stets wackere Philologen gebildet; einige davon müssen in Tübingen, Rotweil [Rottweil] und anderen Lehranstalten in Würtemberg [Württemberg] angestellt seyn.
Indes wäre es unstreitig besser, wenn die erforderlichen Vorstände im Inlande gewonnen werden könnten. Daß geeignete Männer vorhanden sind, dürfte kaum einem Zweifel unterliegen und es würde sich die Wahrheit dieser Annahme bald herausstellen, wenn von den Präfekten der Gymnasien, etwa nach Einvernehmung des betreffenden untergeordneten Lehrkörpers, Gutachten oder Vorschläge eingefordert würden.
Als Professor der Geschichte würde Herr Prof. Aschbach, der bereits durch so viele gediegene historische Leistungen sich hervorgethan hat, seinen Platz vollständig ausfüllen. Dasselbe dürfte aber auch von Herrn Sporschil, Privatgelehrter in Leipzig, der noch mehr als ersterer im historischen Fache geleistet hat und demselben an Talent unstreitig überlegen ist, zu erwarten seyn. Letzterer ist überdies ein geborner Oestreicher und hat es in der That verdient, daß er wieder zu Gnaden aufgenommen werde.
Herr Prof. Philipps [Phillips] ist gewiß ein talentvoller Mann und ein achtungswerther Gelehrter, aber auch ein gewaltiger Ultramontane, der in seinem Kirchenrechte die Infallibilität des Papstes behauptet. Ein sehr geistvoller katholischer Jurist, der sich durch einige Monographien in den Bülauischen Jahrbüchern ausgezeichnet und zugleich eine schwierige Praxis durchgemacht hat, ist der Ihnen vielleicht bekannte Herr Franz Poland. Seine juridische Gelehrsamkeit ist ebenso rühmenswerth wie seine schriftliche und mündliche Darstellungsgabe.
Die allgemeine deutsche Synode, welche in Würzburg beschlossen wurde, kann darum nicht zu Stande kommen, weil der Papst die Abhaltung derselben nicht für zeitgemäß hält. Ebenso wenig hat man es gebilliget, daß die Bischöfe in Würzburg sich verpflichtet haben, nach Vorschrift des Tridentinum alljährlich Diözesansynoden zu halten. Lediglich Besprechungen der Bischöfe mit ihrem betreffenden Metropoliten will man gestatten. Daß Herr Professor Hirscher wegen seines Büchleins „über die gegenwärtigen Zustände der Kirche“1in der Gefahr ist, in den Index librorum prohibitorum eingetragen zu werden, ist mehr als wahrscheinlich. Auch ist zu fürchten, daß diese Maaßregel auf alle besser gesinnten Katholiken ebenso wenig einen guten Eindruck machen werde, als daß jetzt alles in Bewegung gesetzt wird, um die freie Meinung der immaculata conceptione Beatae Mariae Virginis zu einem Lehrsatze oder Dogma der katholischen Kirche zu erheben. Doch glaube ich nicht, daß unter den Bischöfen Deutschlands sich für Hirscher ein Vertreter finden dürfte. Möglich, daß ein hochgestelltes Mitglied der Curia romana (Rosmini) wegen seines sehr freisinnigen Tractates „Delle cinque piaghe della Santa chiesa“ 2dasselbe Schicksal mit Hirscher theilen wird. Die tiefsten Erschütterungen der politischen wie der kirchlichen Gesellschaft bleiben für viele – ohne Nutzanwendung! –
Genehmigen die Versicherung ganz besonderer Verehrung, mit der ich die Ehre habe zu seyn

Euer Excellenz
treu ergebenster Diener und Freund
Jos. Dittrich

Budissin, den 5. September 1849