Josef Dittrich erteilt Leo Thun Auskunft über geeignete Kandidaten für den Posten eines Gymnasialdirektors. Außerdem äußert er einige Besetzungsvorschläge für die österreichischen Universitäten. Im Hinblick auf die Frage der Direktoren betont Dittrich, dass er bevorzugt Kandidaten aus dem Inland empfehle. Er nennt einige Kandidaten, die aus seiner Sicht in Frage kämen. Für die Universitäten empfiehlt er Joseph Aschbach und Johann Chrysostomos Sporschil für einen Lehrstuhl der Geschichte. Kritisch äußert er sich hingegen über George Phillips ultramontane Gesinnung. Franz Poland empfiehlt er als guten katholischen Juristen. Im letzten Teil des Briefes nimmt Dittrich Stellung zu einigen kirchlichen Entwicklungen. Zunächst bedauert er, dass der Papst die Abhaltung einer allgemeinen deutschen Synode als nicht sinnvoll erachte. Schließlich äußert er sich zu den Schriften von Johann Baptist Hirscher und Antonio Rosmini und betont, dass man davon ausgehen müsse, dass die Bücher derselben alsbald auf den Index gesetzt werden. Dittrich bedauert, dass dieser Schritt auch auf gut gesinnte Katholiken einen ähnlich schlechten Eindruck machen werde, wie die angestrebte Dogmatisierung der immaculata conceptio.
Hochgeborner Herr Graf,
Hochzuverehrender Herr Staatsminister!
Über Herrn Propst und Prof. Padlesak
kann ich zwar keine nähere Auskunft geben, aber Canonicus Prihonšky [Přihonský] tadelt es sehr, daß derselbe die
ihm obliegende Pflicht, sonntägige Exhorten für die Akademiker zu halten, durch
angebliche Kränklichkeit von sich abgelehnt und die Nothwendigkeit herbeigeführt
hat, einen besonderen Exhortator zu wählen und zu besolden. Ob wirkliche
Kränklichkeit oder blos Bequemlichkeit die Motive gewesen, kann ich durchaus
nicht beurtheilen; aber daß die Supplirung eingetreten, weiß ich daher, weil das
erzbischöfliche Consistorium mich ersucht hat, dem gegenwärtigen Präses des
wendischen Seminars zu gestatten, die Exhorten für die Akademiker zu
halten.
Für Gymnasialdirektoren dürften sich am besten erfahrene Professoren
eignen, wie etwa Prof. Zeithammer
am Kleinseitner Gymnasio zu Prag oder auch Prof.
Dubsky. Das Wilhelmstift, ein
höheres Convict in Tübingen, hat stets wackere Philologen
gebildet; einige davon müssen in Tübingen, Rotweil [Rottweil] und anderen Lehranstalten in
Würtemberg [Württemberg]
angestellt seyn.
Indes wäre es unstreitig besser, wenn die erforderlichen
Vorstände im Inlande gewonnen werden könnten. Daß geeignete Männer vorhanden
sind, dürfte kaum einem Zweifel unterliegen und es würde sich die Wahrheit
dieser Annahme bald herausstellen, wenn von den Präfekten der Gymnasien, etwa
nach Einvernehmung des betreffenden untergeordneten Lehrkörpers, Gutachten oder
Vorschläge eingefordert würden.
Als Professor der Geschichte würde Herr
Prof. Aschbach, der bereits durch so
viele gediegene historische Leistungen sich hervorgethan hat, seinen Platz
vollständig ausfüllen. Dasselbe dürfte aber auch von Herrn Sporschil, Privatgelehrter
in Leipzig, der noch mehr als ersterer im historischen
Fache geleistet hat und demselben an Talent unstreitig überlegen ist, zu
erwarten seyn. Letzterer ist überdies ein geborner Oestreicher und hat es in der
That verdient, daß er wieder zu Gnaden aufgenommen werde.
Herr Prof.
Philipps [Phillips] ist gewiß ein
talentvoller Mann und ein achtungswerther Gelehrter, aber auch ein gewaltiger
Ultramontane, der in seinem Kirchenrechte die Infallibilität des Papstes
behauptet. Ein sehr geistvoller katholischer Jurist, der sich durch einige
Monographien in den Bülauischen Jahrbüchern ausgezeichnet und zugleich eine
schwierige Praxis durchgemacht hat, ist der Ihnen vielleicht bekannte Herr
Franz Poland. Seine juridische
Gelehrsamkeit ist ebenso rühmenswerth wie seine schriftliche und mündliche
Darstellungsgabe.
Die allgemeine deutsche Synode, welche in
Würzburg beschlossen wurde, kann darum nicht zu
Stande kommen, weil der Papst die Abhaltung derselben nicht für zeitgemäß hält.
Ebenso wenig hat man es gebilliget, daß die Bischöfe in
Würzburg sich verpflichtet haben, nach Vorschrift des
Tridentinum alljährlich Diözesansynoden zu halten. Lediglich Besprechungen der
Bischöfe mit ihrem betreffenden Metropoliten will man gestatten. Daß Herr
Professor Hirscher wegen
seines Büchleins „über die gegenwärtigen Zustände der Kirche“1in der Gefahr ist, in den Index librorum
prohibitorum eingetragen zu werden, ist mehr als wahrscheinlich. Auch ist zu
fürchten, daß diese Maaßregel auf alle besser gesinnten Katholiken ebenso wenig
einen guten Eindruck machen werde, als daß jetzt alles in Bewegung gesetzt wird,
um die freie Meinung der immaculata conceptione Beatae Mariae Virginis zu einem
Lehrsatze oder Dogma der katholischen Kirche zu erheben. Doch glaube ich nicht,
daß unter den Bischöfen Deutschlands sich für Hirscher ein Vertreter finden
dürfte. Möglich, daß ein hochgestelltes Mitglied der Curia romana (Rosmini) wegen seines sehr
freisinnigen Tractates „Delle cinque piaghe della Santa chiesa“ 2dasselbe Schicksal mit Hirscher theilen
wird. Die tiefsten Erschütterungen der politischen wie der kirchlichen
Gesellschaft bleiben für viele – ohne Nutzanwendung! –
Genehmigen die
Versicherung ganz besonderer Verehrung, mit der ich die Ehre habe zu seyn
Euer Excellenz
treu ergebenster Diener und Freund
Jos. Dittrich
Budissin, den 5. September 1849