Der Priester Johann Padlesák sendet Leo Thun das Manuskript des Lehrbuches "Allgemeine Unterrichtslehre" und die Verbesserungs- und Korrekturvorschläge zu diesem, die er nach der Prüfung des Werks verfasst hat. Zunächst erklärt er, dass sich die Prüfung lange verzögerte, da es Unklarheiten gegeben habe, ob er das ganz Buch oder nur Teile desselben prüfen solle. Er beauftragte außerdem den Autor, einige Änderungen am Manuskript vorzunehmen, was ebenfalls Zeit in Anspruch genommen hatte. Trotz der vorgenommenen Änderungen ist Padlesák mit dem Manuskript nicht vollkommen zufrieden. Er bezieht sich dabei vor allem auf eine fehlende philosophische Durchdringung des Stoffes und sprachliche Mängel bei der Darstellung.
Hochgeborner Graf!
Euere Excellenz!
Ich habe heute das Manuskript “Allgemeine Unterrichtslehre“ nebst meiner
Rechtfertigung – an das hohe k.k. Ministerium und zu Euerer Excellenz hocheignen Händen
addressirt – dem derzeitigen Universitätsrektor Dr. Reuss zur Einsendung übergeben.
Die besonderen Umstände,
welche diese verzögerten, lagen nicht in meiner Gewalt. Denn nach meiner
Auffassung des hohen Auftrages Euerer Excellenz hatte ich das Werk bezüglich
jener Abschnitte, die in philosophische Disciplinen einschlugen, mit dem
Verfasser einer sorgfältigen Durchsicht zu unterziehen, bey etwa nöthigen
Verbesserungen derselben mit Rath und That zu unterstützen, das Manuskript aber
mit meinem Urtheile, wie weit der Zweck erreicht sey, an Euere Excellenz
einzusenden.
Ich hielt mich demnach nicht nur in ersterer, sondern auch in
letzterer Beziehung zu einer Prüfung des ganzen Werkes verpflichtet. In
ersterer, weil die Pädagogik sammt der Didaktik, die nur ein Zweig jener ist,
zumeist auf rein philosophischen Gebieten sich bewegt und eben deshalb von
vielen, z. B. der ganzen Herbart’schen Schule geradezu als ein integrirender Theil der
praktischen Philosophie behandelt wird.
Sollte ich aber ein Endurtheil über
das Ganze abgeben, so verstand sich die Prüfung von selbst und es schien
zweckmäßiger, die etwa nöthigen Abänderungen sogleich vorzunehmen, als durch
weitere Verhandlungen den Druck des Werkes zu verzögern.
Ich kannte aber
weder den Verfasser noch sein Manuskript, als mir schon von zwey Seiten bedeutet
wurde, ich hätte nur den rein psychologischen Theil zu prüfen – eine Ansicht,
die später auch der Verfasser kund gab. Ein Ausweg aus einer für mich
bedenklichen Situation war mir also von selbst gebothen, die Klugheit rieth, ihn
zu ergreifen, als ich sah, was hier vorliegt. Aber Euere Excellenz zu
hintergehen und was dasselbe, die gute Ruhe aus Feigheit zu verrathen, war gegen
mein Gewissen. Da ich zugleich dem Verfasser meine Ansicht über den Sinn des
hochgeneigten Auftrages nicht aufdringen konnte, entschloß ich mich zu meiner
gehorsamsten Bitte vom 16. November vorigen Jahres um nähere Weisung.
Als
diese nicht erfolgte, ward meine Lage schwieriger, der Verfasser hielt seine
Ansicht für die richtige. Ich befragte wieder nur mein Gewissen und die
Verpflichtung gegen Euere Excellenz und begann einen Auszug aus dem ganzen Werke
zu verfassen und übergab ihn sammt meinen beygefügten Bemerkungen dem Autor mit
dem Ersuchen ihn durchzulesen. Es erfolgten hierauf weitere und mehrfache
Besprechungen und er nahm freywillig mehrere von mir beantragte Abänderungen
auf. Nur als ich darauf hinwies, daß aber auf dem rein psychologischen Gebiete
Einiges vor der Drucklegung ganz beseitigt, Anderes ganz umgearbeitet werden
sollte, bemerkte er, daß er zu einer solchen eingreifenden Änderung den früheren
Beurtheilern, selbst dem hohen Ministerium gegenüber sich nicht mehr ermächtigt halte.
Hiemit schien mir auch meine Aufgabe beendet. Ich schrieb nun eine
Rechtfertigung der immerhin zahlreichen über das Ganze verbreiteten kurzen
Abänderungen, soweit ihre Nothwendigkeit nicht von selbst jedem einleuchtet und
nahm auch die Verantwortung für das, was durch meine Veranlassung geändert
wurde, mit Beruhigung auf mich. Meine weiteren dabey angeführten Wünsche dürften
vielleicht bey einer zweiten Auflage des Werkes einige Rücksicht verdienen.
Manche von mir bezeichneten Stellen könnten unbeschadet des Ganzen wohl auch vor
der ersten Drucklegung wegfallen.
Wenn ich nun auch glaube, daß das Werk
mehrfache Verbesserungen (und unter diesen selbst Berichtigungen von
Widersprüchen) erfahren hat, so kann ich es doch auch jetzt nicht für ganz
gelungen erklären. Der Verfasser ist ein in seinem Berufskreise ausgezeichneter
Schulmann, von Erfahrung und achtungswerthen Kenntnissen. Aber all sein Fleiß
und seine gewiß seltene Ausdauer konnten den Mangel philosophischer Durchbildung
und jener Vertrautheit mit dem Stoffe, wie vorliegendes Werk sie theilweise
fordert, doch nicht überall ersetzen, auch ist seine Sprache oft weniger kernig
und präcis, als ein Lehrbuch sie verlangt. Hier könnte nur durch eine theilweise
gänzliche Umarbeitung abgeholfen werden.
Indem ich hier Rechenschaft über
mein Verfahren in dieser Sache lege, bin ich mir vollkommen bewußt, nichts
versäumt und auch nichts veranlaßt zu haben, was meine persönliche Hochachtung
für Euere Excellenz, die ich unter allen Umständen bewahrte, sowie meine
Dankbarkeit und ganze Berufsstellung nicht zur Pflicht machten – und daß ich
vielleicht nicht klug, aber nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe.
Genehmigen Euere Excellenz, daß ich mich mit der gewohnten aufrichtigen
Anhänglichkeit und Verehrung zeichne
Euerer Excellenz
gehorsamst ergebener
J. Padlesak
k.k. Professor
Prag, am 31. März 1860