Laurenz Hannibal Fischer, ehemals Regierungspräsident des zum Großherzogtum Oldenburg gehörenden Fürstentums Birkenfeld, bittet um Aufnahme in den österreichischen Staatsdienst und schildert dazu seine Lebensstationen und besonderen Leistungen: Dabei geht er unter anderem auf seine Tätigkeit bei der Aufhebung der deutschen Flotte nach 1848 ein, wobei er besonders auf seine damals bewiesene Charakterfestigkeit hinweist. Er – als Protestant – trat auch zur Verteidigung des Jesuitenordens auf, weil dieser von protestantischer Seite zur Diffamierung Österreichs und der katholischen Kirche benutzt worden war. Anschließend war er Minister des Fürsten von Lippe, dieser hatte ihn jedoch bald entlassen und ihm Gehalt und Pension entzogen. Er beschreibt sich als Mann von großer Charakterstärke und strikt konservativer Haltung. Diese Gesinnung lässt ihn auch hoffen, im Kaiserstaat ein neues Betätigungsfeld zu finden. Durch seine Kenntnisse und bisherigen Tätigkeiten würde er sich besonders für das Kultusministerium eignen. Gerade seine vermittelnde Haltung zwischen den Konfessionen, die er mehrfach unter Beweis gestellt habe, wäre dabei von Vorteil. Bei Bedarf könne man sich auch bei Fürst Metternich oder anderen konservativen Männern über ihn informieren.
Am Beginn des Briefes fehlen eine oder mehrere Seiten.
[...] streng conservativen Princip des historischen Rechts möglichste Geltung zu
erringen. Eine ausführliche Schrift über den deutschen Adel, meine
Consulentendienste bei den Reclamationen der süddeutschen Standesherrn, sind
dessen Zeuge. Als der Bundestag in seiner restaurirten Kräftigkeit es unternahm,
ein Schoßkind der Revolution, die deutsche Flotte zu beseitigen, und zum Vollzug
eines solchen Auftrags, welcher vorzugsweise einen charakterfesten der
öffentlichen Meinung trotzgebietenden Mann in Anspruch nahm, kaum ein Concurrent
vorhanden war, übernahm ich dieses Geschäft mit unverzagtem Eifer und ertrug die
damit verbundenen zahllosen Ergüsse des Volkshasses im Bewußtsein gerechter
Sache mit stoischem Gleichmuth.
Bekanntlich gehörte es zu den Anstrebungen
der auf dem politischen Felde niedergedrückten Demokratie, ihre feindseligen
Tendenzen auf das Gebiet religiöser Aufreizungen zu richten und Oestreich als eine Macht zu verdächtigen, deren
Streben nur auf Verdrängung des Protestantismus gerichtet sei, um einer anderen
rivalisirenden Macht die ausschließliche Sympathie des protestantischen
Deutschland zuzuwenden.
Da die Verhältnisse des Jesuitenordens zu diesen
Verdächtigungen schlau benützt wurden, so nahm ich keinen Anstand auch diesen
böswilligen Tendenzen der Ruhestörer durch eine gewissenhafte und unpartheiische
Beleuchtung der gegen den Jesuitenorden gerichteten unbegründeten Angriffe
entgegen zu treten. Durfte ich mich doch der gerechten Erwartung hingeben, daß
mein Urtheil, als Ausspruch eines Protestanten jedenfalls des Verdachtes der
Partheilichkeit für die katholische Kirche enthoben sein müsse.
Mein
anerkannter Eifer für die Sache der Monarchie bestimmte den Fürsten zur Lippe mich zu seinem Minister
zu erheben. Auch dort hatte ich neben dem Kampfe mit der Demokratie noch den mit
der religiösen Unduldsamkeit zu bestehen. Durchdrungen von der Überzeugung, daß
ächte Religiosität, in welcher Form sie auch auftrete, die festeste Grundsäule
des Staatsverbandes bilde, begann meine ministerielle Thätigkeit mit der
Beordnung der kirchlichen Verhältnisse in der Einsetzung sowohl der lutherischen
als katholischen Kirche in vollständigste Rechtsgleichheit mit der herrschenden
reformirten. Mit nicht minder kräftigen Erfolg gelangen mir die nothwendigen
Reformen in allen Theilen der Landesverwaltung und die Erwerbung der
unzweideutigsten Zufriedenheit des Fürsten wie des Landes.
Da betrafen mich
ohne irgend eine gerechte Veranlassung mehrere Unfälle.
Die Behörden des
Herzogs von Sachsen
Coburg unterwarfen mich einer unerhörten schmerzlichen
Behandlung. Der Großherzog von
Oldenburg entzog mir uneingedenk meiner von seinem Vater anerkannten ausgezeichneten
Diensttreue, Gehalt und Pension. Der Fürst zur
Lippe nahm mir ohne Angabe eines Grundes Amt und Gehalt.
Alle
diese Umstände erläutert die anliegende Druckschrift, um deren hochgeneigte
Einsichtnahme ich unterthänig bitte. Meinen Schmerz muß noch der Umstand
erhöhen, daß diese Unbilden gerade von denen ausgegangen sind, für deren Rechte
ich in Treue und unermüdeter Ausdauer gekämpft und geduldet habe. Hoffnungslos
überblicke ich die ganze Reihe der deutschen Fürsten zweiten und dritten Ranges
und erblicke nur mit wenigen Ausnahmen willenlose unter der Maske des
Constitutionalismus, von den Schlingen der Demokratie gefesselte
Persönlichkeiten, die sich nicht zu dem Muth erheben können, selbst bei der
augenscheinlichsten Überzeugung ihres Bedürfnisses einen Mann erprobter
conservativer Gesinnung in Dienst zu nehmen.
In dieser ungünstigen Lage
bleibt mir die einzige Hoffnung, im Dienste des hohen Kaiserhauses, eine, meinen
Grundsätzen und Eigenschaften angemessene Verwendung zu finden.
Mich
unbedingt zu jeder staatsdienstlichen Beschäftigung zur Disposition stellend
wage ich es, Euer Excellenz vorzugsweise eine Verwendung im Ministerium des
Cultus zur gnädigen Berücksichtigung zu bezeichnen.
In meinem vielseitigen
Dienstleben habe ich mich nicht ohne einige Vorliebe mit dem Kirchen- und
öffentlichen Unterrichtswesen beschäftigt und würde ich in einer angemessenen
Stellung im protestantischen Kirchenwesen dem östreichischen Staate nützliche
Dienste zu leisten, der bescheidenen Hoffnung mich hingeben dürfen. Meine nähere
praktische Kenntnisnahme der kirchlichen und kirchenrechtlichen Verhältnisse
beider protestantischer Confessionen, wie solche die anliegende Schrift
andeutet, dürften bei der Qualifikationsfrage nicht ungünstig für mich sprechen.
Es ist aber noch ein Punkt, den ich Euer Excellenz zur besonderen hohen Erwägung
stelle.
In einem Staate, wo die katholische Confession im Vergleich mit der
protestantischen in einem so überwiegenden Verhältnisse steht, wie im
östreichischen Kaiserstaate, muß der Regierung gewiß viel daran liegen, daß die
Leitung des protestantischen Kirchenwesens nicht schroff oppositionellen Händen
anvertraut werde, welche im Kampfe mit der vorherrschenden Kirche ihre
Hauptaufgabe darin suchen, mehr auf dem Wege hochgesteigerter Prätensionen, als
evangelischer Milde und Nachgiebigkeit aufzutreten. Es dürfte diese Bemerkung
nicht ganz unberücksichtigungswerth sein, zu einer Zeit, wo die protestantische
Presse schon im eifrigsten Zuge ist, den östreichischen Protestanten das soeben
abgeschlossene päpstliche Concordat als ein beängstigendes Schreckbild
auszumalen. Ich bin ein überzeugungstreuer Anhänger der Kirche, in welcher ich
geboren und erzogen bin. Dieses hat mich jedoch nicht davon abhalten können, der
römisch katholischen Mutterkirche in allen Beziehungen die gebührende Achtung zu
beweisen und diese bei vielen mir zu Gebote stehenden Gelegenheiten aufrichtig
zu bethätigen. Schon vor dreißig Jahren verdankten die Katholiken in der
sächsischen Residenzstadt Hildburghausen meiner
Wirksamkeit in dem dasigen Consistorium nicht nur die Bildung einer förmlichen
Gemeinde, sondern auch die Überweisung einer eigenen Kirche unter einen
katholischen Obern, dem Bischof zu Würzburg. In dem Fürstenthum
Birkenfeld habe ich die Aufrechtshaltung der unbeschränkten
Religionsgleichheit zur strengsten Obliegenheit genommen und selbst im Conflict
mit den protestantischen Behörden dem Deutschkatholicismus den Eingang versagt.
Im Fürstenthum Lippe war, wie ich oben berührt habe, die
Rechtseinsetzung der katholischen Kirche einer der ersten Acte meiner
Thätigkeit.
Die Bischöfe von Würzburg,
Trier und Paderborn haben mir
auch von jeher eine besondere Anerkennung meiner Gerechtigkeit und freundlichen
Handlungsweise gegen die katholische Kirche bewiesen. Ich glaube gleichwohl
nicht besorgen zu dürfen, daß meine Confessionsverwandten in diesem meinem
Benehmen irgend ein Zeichen gleichgültigen Indifferentismus oder Verleugnung des
protestantischen Standpunktes beargwohnen durften.
Indem ich übrigens
hinsichtlich meiner persönlichen Arbeitskräftigkeit und sonstigen Verhältnisse
auf die anliegende Schrift weise, dürfte ich mich auch wohl in Bezug auf meinen
persönlichen Charakter auf das Urtheil mehrerer hochgestellten Gönner namentlich
der Fürsten
Metternich und Windischgrätz und der Herrn Grafen von Thun-Hohenstein und von Rechberg beziehen.
Mögte Euer Excellenz gnädiges Wohlwollen geruhen durch Unterstützung meines
Wunsches, einen dem Schmerzgefühl fast erliegenden Mann wieder zu der verlorenen
Lebensfreudigkeit zu erheben. Mein unwandelbarer innigster Dank würde mit den
Gesinnungen der tiefsten Verehrung sich vereinigen, in welcher ich verharre
Euer Excellenz unterthäniger Diener
Dr. L. H. Fischer
Fürstlich
Lippischer wirklicher Geheimrath und Cabinetts-Minister a. D.
Frankfurt, den 30. November 1855