In dem diktierten Konzept beschreibt Leo Thun die in Prag herrschenden politischen Zustände bei seinem Antritt als Gubernialpräsident im Mai 1848. Er schildert seine Bemühungen, die Parteien - die Großdeutschen und den böhmischen Nationalausschuss - im Landtag unter Kontrolle zu bringen. Dies hatte dazu geführt, dass er sich letztlich die Feindschaft beider Parteien zuzog. Besonders beim böhmischen Nationalausschuss unter Vorsitz von Graf Franz Stadion stieß Thuns Politik auf Widerstand. Der Ausschuss versuchte damals eine provisorische Regierung zu bilden. Diesen Plan konnte Thun jedoch vereiteln, indem er sich von den Forderungen der Aufständischen in Wien distanzierte und selbst einen provisorischen Regierungsrat bildete. Dadurch konnte er den Forderungen der Parteien den Wind aus den Segeln nehmen, weshalb er auch bald festgenommen werden sollte. Für die Ereignisse im Juni 1848 verweist Thun auf einen offenen Brief, den er an Johann Slawik geschrieben hat.
<Handschrift des Gubernialconcipisten Altmann (nachher im Ministerium für Cultus und Unterricht) ohne Zweifel von Thun ihm in die Feder diktirt.>1
In der Darstellung ist die Periode von der Petizionserledigung, 8.2Aprill3bis zu meinem Antritte des Gubernialpräsidiums
(1. May) übersprungen. Und doch war sie die
entscheidende.
Graf Stadion,
der von einer bewaffneten Rotte, die das Gubernialgebäude besetzt hatte,
gezwungen worden war zu unterschreiben, jene Petizion enthalte die Wünsche des
Landes, gab von dem Augenblicke an alles preis. Mit eilfertiger Überstürzung
wurde den Studenten Lehr- und Lernfreiheit und die Bewilligung Studentenvereine
zu bilden, ertheilt, von denen einige später die Herde der revoluzionären
Bestrebungen wurden. In der Nazionalgarde, die sich ohne allen Einfluß der
Behörden bildete, entstanden abgesonderte Corps, darunter die Swornost.
Zur
Berathung von Vorlagen für den Landtag waren anfangs zweckmäßig zusammengesetzte
Comité‘s gebildet worden; Graf Stadion
ließ sich herbei sie mit dem Wenzlscomité zu dem „Nazionalausschuße“ zu
verschmelzen, einer sich durch eigene Wahl vermehrenden, öffentlich
verhandelnden, durch gar keine Bestimmung geregelten Versammlung, der Graf Stadion vorsaß, ohne irgend einen
Einfluß auf ihren Gang zu nehmen.
Durch ihn hatte die Parthei des
Wenzlscomité der Regierung auch die Initiative in der Landesgesetzgebung
entzogen, während sie weit davon entfernt die Vorbereitung gründlicher Vorlagen
für den Landtag zu betreiben, ihn nur dazu benützte, anscheinend in legaler Form
ihr Unwesen zu treiben und die Leidenschaften immer mehr aufzuregen.
All
diese Schritte wurden von dem Ministerium genehmigt, Deputazionen des
Nationalausschußes angenommen, ihm die Bearbeitung des Wahlgesetzes für den
Landtag überlassen, etc. Die Organe der Regierung im ganzen Lande hatten allen
Muth verloren, in Prag fanden immer häufigere Kravalle
statt.
Als ich am 1. May in
Prag ankam, mußte ich mein Amt mit Androhung des
Standrechtes für Prag beginnen. Ich fand das Land schon
in zwei Lager getheilt; das böhmische wurde von der Parthei des Wenzlsbades mit
Benützung des Nazionalausschußes bearbeitet, während in den deutschen Gegenden
Verbrüderungsfeste mit den Sachsen gefeiert wurden.
Die Frankfurter Wahlen
bothen bald den Partheien den erwünschtesten Anlaß die Aufregung zu vermehren.
Beide waren übrigens dem Radikalismus jener Zeit gleich ergeben und suchten die
Zeitereignisse für ihn auszubeuten, nur die einen im Frankfurter, die andern im
cechisch-provinziellen Sinne. Der steigenden Verwirrung gegenüber erübrigte mir
nichts, als im Landtage einen legalen Boden zu suchen und ihn daher umso mehr zu
betreiben, je mehr die Zentralregierung in Wien dahinschwand. Dadurch wurde mir
aber die deutsche Bevölkerung immer mißtrauischer, während der Widerstand, den
ich den Bemühungen des Nazionalausschußes, die Exekutivgewalt an sich zu ziehen,
entgegenstellte, mir immer mehr die Feindschaft der Parthei des Wenzlscomité‘s
zuzog. Die strebte ernstlich darnach, mir durch den Natzionalausschuß einen von
ihr gewählten Rath an die Seite, das ist, ihn an meine Stelle zu setzen. Die
Ereignisse des 26. März waren diesem abgekarteten Plane sehr günstig. Ich konnte
ihn nur vereiteln, indem ich selbst der Bewegung in Wien
mit Entschiedenheit entgegentrat. Es galt zu zeigen, daß die Provinzen sich
nicht durch die Wiener Aula regieren lassen, und zugleich die Regierung
demjenigen Ministerium zu wahren, das, wie ich vermuthen mußte, in Inspruk [Innsbruck] inzwischen gebildet werde.
Es galt den Schritt aber in einer Weise zu thun, der nicht durch den
Nazionalausschuß widersprochen werde, und zugleich seine Bestrebungen, eine
provisorische Regierung zu bilden, zu durchkreuzen. Dazu diente die Einsetzung
jenes Rathes, den ich zusammensetzte, und dessen
Thätigkeit ich in solcher Weise auf eventuelle Fälle beschränkte, und von der
vorläufigen a. h. Genehmigung seiner Einsetzung abhängig machte, daß er mich in
meinem Wirkungskreise nicht beirren konnte, und auch wirklich ganz thatenlos
geblieben ist.
Ich hatte damit über die Partheiführer, deren einer sich an
den Kaiser nach Inspruk absenden ließ, um die a. h. Genehmigung
zu erbitten, gesiegt. Allmählich gelangten sie zu der Einsicht, darum war es
beim Ausbruche der Empörung auf meine Gefangennehmung abgesehen. Über den
Verlauf der Junyereignisse geben meine Beweise an Herrn Slawik vollen Aufschluß.
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Windischgrätz bezwang die Stadt trotz der von der Hofkommission
verkündigten Konzessionen, weil sie nur verkündigt, aber nicht gemacht waren,
Mensdorff einsah, daß
er das Commando der Truppen nicht übernehmen könne, – und als sofort zum
Bombardement geschritten wurde, die Empörer erkannten, daß jetzt keine
Nachgiebigkeit mehr zu hoffen sei.