Der Gymnasiallehrer und Historiker Josef Eutych Kopp schildert dem ehemaligen Staatsschreiber von Luzern und nunmehrigen Beamten in österreichischen Diensten Bernhard Meyer die schlechte Situation der Zeitschrift "Geschichtsblätter aus der Schweiz". Dieser fehle es vor allem an geeigneten Mitarbeitern und dem nötigen Geld, um sie bezahlen zu können. Kopp möchte jedoch verhindern, dass die Geschichtsblätter eingestellt werden und liefert einige Lösungsvorschläge, um deren Erhalt sicherstellen zu können. Er selbst würde gerne mehr Zeit in die Zeitschrift investieren, dazu müsste er jedoch – bei seiner Kränklichkeit – seine Lehrtätigkeit am Gymnasium in Luzern aufgeben. In diesem Fall würde er jedoch eine zusätzliche Einkommensquelle benötigen. Kopp schildert auch, an welchen Themen er derzeit arbeite. Zuletzt teilt er Meyer mit Stolz mit, dass ihm der Preisträger des Wedekindschen Geschichtspreises das Preisgeld zur Fortsetzung seiner Reichsgeschichte überlassen habe.
Lucern, am 9. Brachmonat 1856
Verehrtester Herr und Freund!
Ihre werthen Zeilen vom 5. dies. sind mir gestern zugekommen und den Einschluß an
Herrn S. habe ich, da er im Holzhof wohnt, sofort unter Umschlag der Post
übergeben; die Grüße werde ich ungesäumt an Mann bringen.
Was Ihre Zuschrift
an mich betrifft, so stehe ich nicht an mit aller Offenheit die verlangten
Aufschlüsse, so weit ich die Sache überblicke, beförderlichst Ihnen zu geben;
ich glaube auch mit Ihnen, daß nicht durch die Art[?], sondern nur auf dem von
Ihnen bezeichneten Wege die Sache gefördert werden könne.
Ich betrachte die
ganze Angelegenheit von folgenden drei Seiten, welchen ich noch vier Worte
vorausschicke:
1. Die Geschichtsblätter sind theils
Zeitschrift, theils selbständige Geschichte; die Geschichte sollte nothwendig
fortgesetzt werden, von der Zeitschrift ist es sehr zu wünschen; die Geschichte
hängt nur von mir ab, dagegen zur Zeitschrift [?] alle Aufsätze selbst zu
liefern, fehlt es mir nachgerade an Zeit und Kraft, die frühern Mitarbeiter des
ersten Bandes sind für den zweiten großentheils weggefallen, schon darum, weil
man ihnen kein Honorar geben kann; ich selbst habe nunmehr bereits im vierten
Jahre nur Auslagen, dagegen noch keinen [?] Kreuzer eingenommen. Man könnte
allerdings die Zeitschrift als solche eingehen lassen, wozu ich jedoch nicht
rathe, wofern Mitarbeiter zu gewinnen sind; man könnte die Geschichte allein
fortsetzen. Dieses bringt mich auf den eigentlichen ersten
Hauptpunct.
2. Ich habe am 25. April 1856 mein vierundsechzigstes
Lebensjahr angetreten und ich fühle mehr und mehr eine gewisse Altersmüdigkeit;
zudem befindet sich meine Brust nicht mehr im normalen Zustande und sollte es
auch noch einige Zeit so fortgehen, so schwant mir doch, ich werde kein Siebenziger. Ich sollte daher, um freiere Zeit für die
Geschichte zu erhalten, etwas von meiner Schullast abgeben können; aber ich kann
das ja nicht, da ich aus der Luft allein nicht zu leben vermag. Und hier komme
ich auf den zweiten, den heikelsten Hauptpunct.
3. Würde
mir eine Quelle eröffnet, die mir etwa auf sieben Jahre (denn
schwerlich dürfte ich, wenn meine Brustbeklemmung nicht aufhört, meine Tage
höher bringen) einen Zufluß von ungefähr 600–800 Gl F SR jährlich brächte; so
würde ich trachten die Hälfte meiner Professur (z. B. das Lateinische)
abzugeben, wofern mich dann die Behörde bei der Hälfte meines gegenwärtigen
Verdienstes beließe – was vielleicht geschehen würde, wofern fast nichts mich in
der öffentlichen Meinung Kompromittirendes (nicht in der Sache, sondern nur dem
Scheine nach) geschehen würde. Damit wäre allerdings wenigstens für mein
tägliches Brod gesorgt, aber für die Erscheinung der Geschichte wäre (eracht'
ich) noch nichts gewonnen. Nun, dritter Punct.
4. Von
meinem Geschichtswerke sind bis dahin erschienen: die Bücher 1 bis 4 (König
Rudolf und seine Zeit); ferner Buch 9 (König und Kaiser Heinrich, J. 1308–1313)
und bis zum 31. December des laufenden Jahres wird fertig Buch 10 (Die
Gegenkönige Friderich und Ludwig, J. 1314–1322).
Kann ich mit dem Neujahr
1857 fortsetzen, so kommt vorerst die Reihe an Buch 11 (Die Gegenkönige
Friderich und Ludwig, J. 1322–1330 bis zu Friderichs Tod). Dieses Buch dürfte,
nach der Handschrift zu schätzen, zwischen 30–40 Bogen enthalten.
Müßten nun
die Geschichtsblätter als Zeitschrift eingehen aus Mangel an Zeit oder an
Mitarbeitern, könnte dagegen die Geschichte fortgesetzt werden, so dächte ich
das Buch 11, weil es ziemlich hart würde, in zwei ungefähr gleichen Hälften
erscheinen zu lassen, damit der Leser oder Abnehmer nicht zu lange hingehalten
würde. Nach dem Abschluße von Buch 11 kehrte ich zur ursprünglichen Ordnung
zurück und so käme die Reihe an Buch 5 (Rudolphs Schluß), Buch 6 (König Adolf,
J. 1292–1298) und Buch 7 und 8 (König Albrecht, J. 1298–1308).
Es wäre nun
meines Bedenkens sehr zu wünschen, daß, um dem hiesigen Verleger Muth zur
Fortsetzung zu machen, vom A. M. nachträglich noch eine Anzahl von Buch 9
(Kaiser Heinrich) abgenommen würde; dasselbe dächte ich müßte geschehen, sobald
mit Neujahr Buch 10 (Die Gegenkönige bis 1322) fertig sein wird.
Für das
Folgende wäre hingegen zu wünschen, daß, um den Druck voraus zu sichern, eine
bestimmte Verpflichtung eingegangen würde, zum Beispiel etwa so: "auch Buch 11
wird, dessen Erscheinen vorausgesetzt, mit (etwa 50) Exemplaren subscribirt";
sei es, daß die Zusage dem Verleger selbst gemacht oder ich sie abzugeben
ermächtigt würde. Auf ähnliche Weise könnte verfahren werden bei jedem der
andern Bücher, ohne Verbindlichkeit in Bausch und Bogen, sondern um bei jedem
Buche freie Hand zu behalten.
Die Berechnung der Kosten ist ein Leichtes,
wenn namentlich das vierte auf 1. Mai 1856 erschienene Heft
der Geschichtsblätter Bnd. II zur Hand genommen wird.
Gern würde ich Ihnen
auch dieses Heft zugesendet haben, wenn Sie nicht, da der kaiserlichen Akademie
jedesmal zwei Exemplare zugeschickt werden, von da es am leichtesten erhalten
könnten. Ich wünsche aber sehr, daß Sie meine Aufsätze im vierten
Hefte eines Blickes würdigen; theils meinetwegen, theils wegen Sardiniens. So seltsam (um nicht mehr zu sagen)
die politische Rolle ist, die es gegenwärtig spielt, immerhin lobenswerth ist
es, was es für
Wurstemberger
thut.
Ich glaube nun alles gesagt zu
haben, was zur Aufhellung der Sache dienlich sein mag und wiederhole nur die
Hauptpuncte:
Soll und kann eine Berücksichtigung dessen eintreten, was Sie
meine "Verdienste" nennen, so müßte dieses, wofern davon Gebrauch zu machen
wäre, in irgend einer Weise und wenigstens auf eine bestimmte Zeit fest und
stehend sein;
wäre auf diesem Wege für die Zeit und also für Möglichkeit der
Arbeit gesorgt, so dürfte dagegen die (wenn ich so sagen darf) Subscription oder
Verpflichtung zur Abnahme nur eventuell[?] sein, d. h. für das jedesmalige
Erscheinen eines Buches.
Mehr und Besseres, ich mag den Gegenstand wenden
wie ich will, bringe ich nicht heraus; finden Sie etwas Brauchbares daran, nun
so lege ich es getrost und mit voller Beruhigung in Ihre Hände; und damit mag
die Angelegenheit wenigstens aus meinen [?] fallen.
Nur eines noch. Sie
kennen den Wedekind'schen Geschichtspreis in Göttingen und wem derselbe im März dieses Jahres wegen seiner "Forschungen"
zuerkannt wurde; nun, der edle
Empfänger schrieb mir am 26. April:
"Wenn es nun dort, wo es
am nächsten läge, Leistungen zu stützen und zu ehren, in denen die Anfänge
Habsburgischer Größe von späteren Vertuschungen[?] gereinigt werden und für die
Erkenntnis und Würdigung der Periode, in der Rudolf
I. und Albrecht I. noch
einmal die Wiederherstellung der deutschen [?] versuchten, Bahn gebrochen wird,
an der entsprechenden Aufmerksamkeit zu fehlen scheint"; was (denken Sie) war
der Nachsatz? Im Vertrauen sei es Ihnen gesagt: der edle Empfänger des Preises, um
wenigstens von seiner Seite die Fortsetzung meiner Reichsgeschichte möglich zu
machen, trat den vollen Preis, so wie er ihn erhalten,
ungeschmälert mir ab.
"Ehre, dem Ehre gebührt!" schloß
ich mein letztes viertes Heft, ohne zu ahnen, daß das, was mir von Sardinien und Wurstemberger vorschwebte, mit nicht minderem Recht auf einen
Anderen, einen [?], anzuwenden sei.
Und nun Gott zum Gruß!
Ganz der Ihrige
J. E. Kopp, Professor