Ludwig Lange und Georg Bippart an Leo Thun
Prag, 22. April 1856
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Regest

Die Professoren Ludwig Lange und Georg Bippart bedanken sich beim Minister für den Ankauf der Bibliothek des Göttinger Professors Karl Friedrich Hermann. Die Bibliothek ist inzwischen in Prag eingetroffen. Schon ein erster Blick beweist, dass die enthaltenen Bücher großen Wert besitzen und sachkundig ausgewählt worden sind. Die Professoren versichern, dass das philologische Seminar einen großen Nutzen aus der Bibliothek ziehen wird. Ihrem Dank fügen die beiden Professoren zwei Bitten an: Erstens beantragen sie, dass nicht alle Dubletten, die durch den Ankauf der Hermannschen Bibliothek nunmehr in der Universitätsbibliothek vorhanden sind, verkauft werden. Denn viele ärmere Studenten könnten sich nur wenige Bücher anschaffen und sind daher auf die Benützung der Bücher in der Bibliothek angewiesen. Dies betrifft insbesondere Lexika, Handbücher und die Ausgaben der antiken Klassiker. Zweitens bitten sie den Minister, dass auch für die Zukunft die Ausstattung des Seminars mit den neuesten Büchern sichergestellt werde. Dazu wäre entweder die Festsetzung eines eigenen Postens im Budget der Universitätsbibliothek notwendig, oder aber eine allgemeine Erhöhung des Budgets der Universitätsbibliothek erforderlich. Zudem wünschen sich die Professoren, dass sie mehr Mitspracherecht beim Ankauf von Spezialliteratur aus ihrem Fach erhalten. Damit möchten sie jedoch keinesfalls die Autorität des Direktors der Bibliothek angreifen, sondern diesem lediglich unterstützend zur Seite stehen.

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Schlagworte

Edierter Text

Euer Excellenz

Als die gehorsamst unterzeichneten Direktoren des philologischen Seminars zu Prag in der Erledigung ihres Seminarberichtes über das Studienjahr 1854/55 die Zusicherung erhielten, daß Anträge auf Anschaffung des zum erfolgreichen Betriebe des philologischen Studiums nothwendigen literarischen Apparats für die hiesige Universitätsbibliothek einer hochgeneigten Berücksichtigung gewürdigt werden würde, waren dieselben darüber sehr erfreut und begannen sofort, ihre im nächsten Seminarberichte zu stellenden Anträge vorzubereiten. Inzwischen sind diese überflüssig geworden, da es sich gefügt hat, daß die philologische Bibliothek des in Göttingen verstorbenen Professors Karl Friedrich Hermann zum Verkauf kam, und Euer Excellenz, aufmerksam geworden auf die vortreffliche, nicht so leicht wiederkehrende Gelegenheit, die Leiden der Prager Bibliothek im philologischen Fache mit Einem Schlage auszufüllen, den hochherzigen Entschluß gefaßt haben, diese Bibliothek für Prag anzukaufen. Es drängt uns, Euer Excellenz persönlich unseren aufrichtigen und tiefempfundenen Dank auszusprechen für diese großartige Unterstützung, welche gerade denjenigen Studien zu Theil geworden ist, welche wir an hiesiger Universität zu vertreten die Ehre haben. Jetzt, wo die angekaufte Bibliothek bereits angekommen ist und ausgepackt wird, wo die ungewöhnliche Reichhaltigkeit und gewählte Vollständigkeit derselben offen vorliegt, glauben wir die Überzeugung aussprechen zu dürfen, daß die Möglichkeit der Benützung eines solchen Apparats, die bisher gefehlt hat, für das Gedeihen der philologischen Studien an hiesiger Universität von unberechenbaren Nutzen sein wird. Wir werden unsererseits uns bemühen, Euer Excellenz unsere Dankbarkeit durch die That zu bezeigen, indem wir es an Eifer nicht fehlen lassen werden, den Schatz für die studierende Jugend nutzbar zu machen. Möchten die Hoffnungen, welche Euer Excellenz an den Erwerb der Hermannschen Bibliothek knüpfen, in vollem Maße erfüllt werden!
Im Vertrauen darauf, daß Euer Excellenz einigen Betrachtungen, die sich uns im Interesse der Sache aufgedrängt haben, Ihre hochgeneigte Aufmerksamkeit schenken werden, erlauben wir uns noch zweierlei hinzuzufügen.
Erstens wird es Euer Excellenz nicht entgangen sein, daß in Folge des Ankaufs der Hermannschen Bibliothek sich von einigen Werken nunmehr Doubletten auf hiesiger Bibliothek befinden. So sind namentlich Lexika, Grammatiken, Handbücher und einige von den gebräuchlicheren Ausgaben der Schriftsteller jetzt doppelt vorhanden. Es würde nahe liegen diese Doubletten zur Verbesserung anderer Bibliotheken sei es von Universitäten oder von Gymnasien zu benutzen. Mit Doubletten solcher Werke, von denen nicht zu erwarten ist, daß sie gleichzeitig von mehreren zur Benutzung verlangt werden, wird dieses auch ohne Zweifel das Zweckmäßigste sein. Bei der Armuth der hiesigen Studierenden aber, die oft nicht im Stande sind, sich ein ordentliches Lexikon oder eine ausführliche Grammatik anzuschaffen, ist die Nachfrage nach Lexicis, Grammatiken usw. so groß, daß sie nicht befriedigt werden kann, wenn nur je ein Exemplar solcher Werke vorhanden ist. Es erscheint uns daher im Interesse der hiesigen Studierenden wünschenswerth, wenn Doubletten der bezeichneten Art der Prager Universitätsbibliothek erhalten blieben. Auch der Herr Bibliothekar Safarik ist dieser Ansicht, und wir richten an Euer Excellenz daher die ehrfurchtsvolle Bitte, dem Antrage darauf, welchen derselbe später amtlich stellen wird, Ihre Genehmigung zu ertheilen.
Zweitens wird es nothwendig sein, wenn anders die philologische Abtheilung der hiesigen Universitätsbibliothek in der Vollständigkeit mit dem alljährlichen Anwachsen der Literatur erhalten werden soll, die sie jetzt für die Literatur bis zum Schlusse des Jahres 1855 besitzt, daß jährlich eine etwas größere Summe auf die Anschaffung neuer philologischer Bücher verwendet wird, als bisher bei dem geringen Fond der Bibliothek, der für eine gleichmäßige Berücksichtigung der Literatur aller Fächer in dem wünschenswerthen Umfange durchaus nicht zureicht, möglich war. Um den Nutzen aber, den der Erwerb der Hermannschen Bibliothek für die Gegenwart stiftet, zu einem dauernden zu machen, ist es in der That nothwendig, daß die philologische Abtheilung der Bibliothek in demselben Maßstabe fortlaufend ergänzt werde, in welchem sie jetzt auf das Prädikat einer gewählten Vollständigkeit gerechten Anspruch hat. Wir halten uns daher im Interesse der Sache verpflichtet, Euer Excellenz unsere Überzeugung auszusprechen, daß entweder der Gesammtfond der Bibliothek in einer Weise erhöht werden muß, der es, ohne die Ansprüche anderer Wissenschaften zu verletzen, gestattet, jährlich durchschnittlich die Summe von 400-600 fl.C.M. auf die Anschaffung neuer philologischer Bücher zu verwenden, oder aber, daß ein vom Gesammtfond getrennter Separatfond von etwa 500 fl.C.M. jährlich eingerichtet werde, der lediglich dazu bestimmt wird, die philologische Abtheilung der Bibliothek in ihrer gegenwärtigen Vollständigkeit zu erhalten. Welchen von beiden Modalitäten Euer Excellenz nun auch den Vorzug geben möchten, auf jeden Fall würde es wünschenswerth sein, wenn Euer Excellenz die jeweiligen Professoren der klassischen Philologie an hiesiger Universität dergestalt in eine amtliche Beziehung zur Direktion der Bibliothek setzen wollten, daß es ihnen möglich wäre, nicht bloß in einzelnen Fällen rücksichtlich der anzuschaffenden Bücher Wünsche zu äußern, sondern einen durchgreifenden Einfluß auf die Anschaffungen im Ganzen auszuüben. Wir sprechen diesen Wunsch nicht deshalb aus, um etwa Mißtrauen gegen die Direktion der Bibliothek anzudeuten – deren Bereitwilligkeit auf unsererseits geäußerte billige Wünsche im Interesse unseres Faches einzugehen wir nur rühmen können -; denn es liegt in der Natur der Sache, daß der Bibliothekar nicht die Specialkenntnis in der Literatur eines besonderen Faches haben kann, welche von den Professoren des Faches mit Recht verlangt wird und deshalb sind auch auf außerösterreichischen Universitätsbibliotheken, ohne der Stellung des Bibliothekars zu nahe zu treten, demselben Commissionen mit gutachtlicher Wirksamkeit beigeordnet.
Indem wir es der Weisheit Euer Excellenz getrost überlassen, welchen Gebrauch Sie von diesen Betrachtungen zu machen finden, bitten wir um Entschuldigung, daß wir an unseren Dank sofort neue Wünsche geknüpft haben. Die That, welche unseren Dank hervorrief, gab uns den Muth dazu.

Wir verharren mit schuldiger Ehrerbietung,
Euer Excellenz unterthänigste
Dr. Ludwig Lange, k.k. Prof.
Dr. Georg Bippart, a.o. Prof.

Prag, den 22. April 1856