Die Professoren Ludwig Lange und Georg Bippart bedanken sich beim Minister für den Ankauf der Bibliothek des Göttinger Professors Karl Friedrich Hermann. Die Bibliothek ist inzwischen in Prag eingetroffen. Schon ein erster Blick beweist, dass die enthaltenen Bücher großen Wert besitzen und sachkundig ausgewählt worden sind. Die Professoren versichern, dass das philologische Seminar einen großen Nutzen aus der Bibliothek ziehen wird. Ihrem Dank fügen die beiden Professoren zwei Bitten an: Erstens beantragen sie, dass nicht alle Dubletten, die durch den Ankauf der Hermannschen Bibliothek nunmehr in der Universitätsbibliothek vorhanden sind, verkauft werden. Denn viele ärmere Studenten könnten sich nur wenige Bücher anschaffen und sind daher auf die Benützung der Bücher in der Bibliothek angewiesen. Dies betrifft insbesondere Lexika, Handbücher und die Ausgaben der antiken Klassiker. Zweitens bitten sie den Minister, dass auch für die Zukunft die Ausstattung des Seminars mit den neuesten Büchern sichergestellt werde. Dazu wäre entweder die Festsetzung eines eigenen Postens im Budget der Universitätsbibliothek notwendig, oder aber eine allgemeine Erhöhung des Budgets der Universitätsbibliothek erforderlich. Zudem wünschen sich die Professoren, dass sie mehr Mitspracherecht beim Ankauf von Spezialliteratur aus ihrem Fach erhalten. Damit möchten sie jedoch keinesfalls die Autorität des Direktors der Bibliothek angreifen, sondern diesem lediglich unterstützend zur Seite stehen.
Euer Excellenz
Als die gehorsamst unterzeichneten Direktoren des philologischen Seminars zu Prag
in der Erledigung ihres Seminarberichtes über das Studienjahr 1854/55 die
Zusicherung erhielten, daß Anträge auf Anschaffung des zum erfolgreichen
Betriebe des philologischen Studiums nothwendigen literarischen Apparats für die
hiesige Universitätsbibliothek einer hochgeneigten Berücksichtigung gewürdigt
werden würde, waren dieselben darüber sehr erfreut und begannen sofort, ihre im
nächsten Seminarberichte zu stellenden Anträge vorzubereiten. Inzwischen sind
diese überflüssig geworden, da es sich gefügt hat, daß die philologische
Bibliothek des in Göttingen verstorbenen Professors
Karl Friedrich Hermann zum
Verkauf kam, und Euer Excellenz, aufmerksam geworden auf die vortreffliche,
nicht so leicht wiederkehrende Gelegenheit, die Leiden der Prager Bibliothek im
philologischen Fache mit Einem Schlage auszufüllen, den hochherzigen Entschluß
gefaßt haben, diese Bibliothek für Prag anzukaufen. Es drängt uns, Euer Excellenz persönlich unseren
aufrichtigen und tiefempfundenen Dank auszusprechen für diese großartige
Unterstützung, welche gerade denjenigen Studien zu Theil geworden ist, welche
wir an hiesiger Universität zu
vertreten die Ehre haben. Jetzt, wo die angekaufte Bibliothek bereits angekommen
ist und ausgepackt wird, wo die ungewöhnliche Reichhaltigkeit und gewählte
Vollständigkeit derselben offen vorliegt, glauben wir die Überzeugung
aussprechen zu dürfen, daß die Möglichkeit der Benützung eines solchen Apparats,
die bisher gefehlt hat, für das Gedeihen der philologischen Studien an hiesiger
Universität von unberechenbaren Nutzen sein wird. Wir werden unsererseits uns
bemühen, Euer Excellenz unsere Dankbarkeit durch die That zu bezeigen, indem wir
es an Eifer nicht fehlen lassen werden, den Schatz für die studierende Jugend
nutzbar zu machen. Möchten die Hoffnungen, welche Euer Excellenz an den Erwerb
der Hermannschen Bibliothek knüpfen, in vollem Maße erfüllt werden!
Im
Vertrauen darauf, daß Euer Excellenz einigen Betrachtungen, die sich uns im
Interesse der Sache aufgedrängt haben, Ihre hochgeneigte Aufmerksamkeit schenken
werden, erlauben wir uns noch zweierlei hinzuzufügen.
Erstens wird es Euer
Excellenz nicht entgangen sein, daß in Folge des Ankaufs der Hermannschen
Bibliothek sich von einigen Werken nunmehr Doubletten auf hiesiger Bibliothek
befinden. So sind namentlich Lexika, Grammatiken, Handbücher und einige von den
gebräuchlicheren Ausgaben der Schriftsteller jetzt doppelt vorhanden. Es würde
nahe liegen diese Doubletten zur Verbesserung anderer Bibliotheken sei es von
Universitäten oder von Gymnasien zu benutzen. Mit Doubletten solcher Werke, von
denen nicht zu erwarten ist, daß sie gleichzeitig von mehreren zur Benutzung
verlangt werden, wird dieses auch ohne Zweifel das Zweckmäßigste sein. Bei der
Armuth der hiesigen Studierenden aber, die oft nicht im Stande sind, sich ein
ordentliches Lexikon oder eine ausführliche Grammatik anzuschaffen, ist die
Nachfrage nach Lexicis, Grammatiken usw. so groß, daß sie nicht befriedigt
werden kann, wenn nur je ein Exemplar solcher Werke vorhanden ist. Es erscheint
uns daher im Interesse der hiesigen Studierenden wünschenswerth, wenn Doubletten
der bezeichneten Art der Prager Universitätsbibliothek erhalten blieben. Auch
der Herr Bibliothekar Safarik ist
dieser Ansicht, und wir richten an Euer Excellenz daher die ehrfurchtsvolle
Bitte, dem Antrage darauf, welchen derselbe später amtlich stellen wird, Ihre
Genehmigung zu ertheilen.
Zweitens wird es nothwendig sein, wenn anders die
philologische Abtheilung der hiesigen Universitätsbibliothek in der
Vollständigkeit mit dem alljährlichen Anwachsen der Literatur erhalten werden
soll, die sie jetzt für die Literatur bis zum Schlusse des Jahres 1855 besitzt,
daß jährlich eine etwas größere Summe auf die Anschaffung neuer philologischer
Bücher verwendet wird, als bisher bei dem geringen Fond der Bibliothek, der für
eine gleichmäßige Berücksichtigung der Literatur aller Fächer in dem
wünschenswerthen Umfange durchaus nicht zureicht, möglich war. Um den Nutzen
aber, den der Erwerb der Hermannschen Bibliothek für die Gegenwart stiftet, zu
einem dauernden zu machen, ist es in der That nothwendig, daß die philologische
Abtheilung der Bibliothek in demselben Maßstabe fortlaufend ergänzt werde, in
welchem sie jetzt auf das Prädikat einer gewählten Vollständigkeit gerechten
Anspruch hat. Wir halten uns daher im Interesse der Sache verpflichtet, Euer
Excellenz unsere Überzeugung auszusprechen, daß entweder der Gesammtfond der
Bibliothek in einer Weise erhöht werden muß, der es, ohne die Ansprüche anderer
Wissenschaften zu verletzen, gestattet, jährlich durchschnittlich die Summe von
400-600 fl.C.M. auf die Anschaffung neuer philologischer Bücher zu verwenden,
oder aber, daß ein vom Gesammtfond getrennter Separatfond von etwa 500 fl.C.M.
jährlich eingerichtet werde, der lediglich dazu bestimmt wird, die philologische
Abtheilung der Bibliothek in ihrer gegenwärtigen Vollständigkeit zu erhalten.
Welchen von beiden Modalitäten Euer Excellenz nun auch den Vorzug geben möchten,
auf jeden Fall würde es wünschenswerth sein, wenn Euer Excellenz die jeweiligen
Professoren der klassischen Philologie an hiesiger Universität dergestalt in
eine amtliche Beziehung zur Direktion der Bibliothek setzen wollten, daß es
ihnen möglich wäre, nicht bloß in einzelnen Fällen rücksichtlich der
anzuschaffenden Bücher Wünsche zu äußern, sondern einen durchgreifenden Einfluß
auf die Anschaffungen im Ganzen auszuüben. Wir sprechen diesen Wunsch nicht
deshalb aus, um etwa Mißtrauen gegen die Direktion der Bibliothek anzudeuten –
deren Bereitwilligkeit auf unsererseits geäußerte billige Wünsche im Interesse
unseres Faches einzugehen wir nur rühmen können -; denn es liegt in der Natur
der Sache, daß der Bibliothekar nicht die Specialkenntnis in der Literatur eines
besonderen Faches haben kann, welche von den Professoren des Faches mit Recht
verlangt wird und deshalb sind auch auf außerösterreichischen
Universitätsbibliotheken, ohne der Stellung des Bibliothekars zu nahe zu treten,
demselben Commissionen mit gutachtlicher Wirksamkeit beigeordnet.
Indem wir
es der Weisheit Euer Excellenz getrost überlassen, welchen Gebrauch Sie von
diesen Betrachtungen zu machen finden, bitten wir um Entschuldigung, daß wir an
unseren Dank sofort neue Wünsche geknüpft haben. Die That, welche unseren Dank
hervorrief, gab uns den Muth dazu.
Wir verharren mit schuldiger Ehrerbietung,
Euer Excellenz
unterthänigste
Dr. Ludwig Lange, k.k. Prof.
Dr. Georg Bippart, a.o.
Prof.
Prag, den 22. April 1856