Der Historiker Constantin Höfler teilt dem Minister mit, dass er, wie vom Minister gewünscht, zwischen Pavel Šafařik und Vinzenz Kosteletzky vermittelt habe und eine Einigung zwischen den beiden erzielt werden konnte. Streitpunkt war die Einrichtung einer Botanischen Bibliothek. Anschließend geht er auf verschiedene Angelegenheiten ein, die ihn als Dekan und Direktor der Prüfungskommission betreffen. Er berichtet, dass nach wie vor zahlreiche Studenten der philosophischen Fakultät anstreben, in das Doktorenkollegium aufgenommen zu werden. Obschon zwischen dem Professorenkollegium und dem Doktorenkollegium der Philosophischen Fakultät weniger Reibungen bestünden als etwa bei den Juristen, glaubt Höfler, dass eine Änderung der Rigorosenordnung sinnvoll wäre. Er bittet Thun hierzu um seine Ansichten. Er nennt schließlich einige talentierte Studenten und berichtet über die Ergebnisse der Lehramtsprüfungen. Höfler erwähnt auch, dass sich in der Raumfrage für die Prüfungskommission für Lehramtskandidaten eine Verständigung mit der Kommission für die Juristen abzeichne. Höfler hatte in dieser Sache bereits an Ministerialrat Feil geschrieben. Ein weiterer Punkt, den Höfler anspricht, ist der Wunsch des Kollegiums, die Professoren Johann Heinrich Löwe und Georg Bippart zu ordentlichen Professoren zu befördern. Zuletzt berichtet er, dass der designierte Professor für deutsche Sprache, Johann Kelle, vor kurzem eingetroffen sei.
Euer Excellenz!
Hochgeborner Herr Graf!
Hochgebietender Herr
Minister!
Ich glaube Euer Excellenz die angenehme Nachricht mittheilen zu müssen, daß es
mir gelungen ist, eine Verständigung zwischen Herrn Šafařik und Herrn Kosteletzky in Betreff einer
botanischen Gartenbibliothek zu Wege zu bringen. Die Berichte an das hohe
Ministerium und die k.k. Statthalterei sind bereits fertig und die mir von Eurer
Excellenz unter dem 27. Jänner ertheilte, mir am 23. März zugekommene Mission
hat somit jenes Ziel erreicht, welches bei so verschiedenen Interessen,
Persönlichkeiten und Anschauungen möglich war. Ich habe bereits zu verzweifeln
begonnen, als es zuletzt doch gelang, beide Ehrenmänner in einem wesentlichen
Punkte zu vereinigen, welcher dann die übrigen als natürliche Folgerungen von
selbst ergab. Ich bitte nur Euer Excellenz, da mein Auftrag und meine Vollmacht
erloschen sind, die Sache so rasch als möglich zu Ende zu führen, damit nicht
neue Schwierigkeiten sich erheben, die herbeizuführen auf einer Seite Personen
genug vorhanden sind. Ich wäre sehr gerne diese Ostern nach
Wien gegangen lediglich, um Eurer Excellenz
aufzuwarten und Hochdieselben mit einigen Verhältnissen, sowohl als Decan wie
als Prüfungsdirector bekannt zu machen. Da ich aber das Eisen schmieden mußte,
so lange es warm war, und ich erst heute morgens die Vereinbarung abschloß,
komme ich leider wieder nicht nach Wien. Euer Excellenz
erlauben mir daher wohl mich etwas ausführlicher zu ergehen. Zuerst wünschte ich
Euer Excellenz zu melden, daß sich bei der philosophischen Facultät eine Anzahl
junger Männer für Rigorosen und Promotion meldete, welche zu sehr schönen
Hoffnungen berechtigen. Noch wird das Doctorat bei uns als Ehre gesucht und die
Meinung derjenigen, welche die ihnen anvertrauten Studirenden, aus welchen
Gründen immer, vom Doctorate abzuhalten suchen, steht daher nicht blos mit dem
Gefühle der Studirenden im Widerspruche, sondern hat auch in der That mehr
Gründe des Eigenwillens als der Wissenschaft für sich. Wohl läge mir aber
unendlich daran die Meinung Eurer Excellenz über diesen Gegenstand kennen zu
lernen. Da nicht ohne bedeutende Geldopfer eine Anzahl von Professoren dem
philosophischen Doctorencollegium beitrat, so sind bei uns ganz andere
Verhältnisse vorhanden als bei den Juristen, wo zwischen Doctoren und
Professoren fast immer Spaltungen und Reibungen statt finden. Leicht ließe sich
eine für nothwendig erachtete Änderung der Rigorosen, sobald sie angedeutet
würde, durch das Collegium selbst, welches vom besten Geiste erfüllt ist,
herbeiführen. Ich füge noch hinzu, daß Carl Holzinger, Verfasser der Beiträge zur Erklärung des
Demosthenes1, gegenwärtig die Rigorosen macht und noch in diesem
Sommer unmittelbar nach der Promotion sich um die Habilitation als Privatdocent
der Philologie bewerben wird. Gerne würde Nowotný, welcher jüngst die Prüfung aus Philologie mit Vorzug
bestanden hat und den Prof. Schleicher noch vor Guicala [sic, richtig Kvíčala] setzte, gleichfalls promoviren,
würden nicht auf ihn Einflüsse geltend gemacht, welche ich in keiner Beziehung
billigen kann. Vergebens predige ich beständig, daß man, was an bestehenden
Einrichtungen lebensfähig ist, hegen, aber nicht zerstören müsse. Das Gemüth der
Niedersachsen ist jedoch, wie schon die alten Cechen meinten, härter als der
Felsen (saxis durior). Hier würde es höchst ersprießlich sein, wollten Euer
Excellenz geruhen sich für das Doctorat auszusprechen. Geschähe dieses so lange
ich Decan bin, so kann ich ohne bedeutende Schwierigkeiten meine Collegen zu
jenen Modificationen bringen, welche die Sache erfordert und mit den Intentionen
Eurer Excellenz übereinstimmen würden.
Dieses ist der eine Punkt, welcher
mir schwer am Herzen liegt und von dessen Lösung ich viel Günstiges für den
geistigen Aufschwung erwarte; würde er anders aufgefaßt, dürfte mannigfaltige
Entmuthigung und Störung der bisher glücklich erhaltenen Eintracht
hervorgehen.
Der zweite Punkt betrifft die Prüfungen der Lehramtscandidaten.
Diese sind im Ganzen recht günstig ausgefallen und zwar befinden sich zur
Beschämung jener Prälaten, welche ihre Ordensgeistlichen von uns nicht
examiniren lassen wollen, unter den ausgezeichneten P. Wach und Tegl[?] (Pilsener Gymnasium). Ein vortreffliches
Talent ist Andreas Bauer, Mathematiker,
auf welchen ich Euer Excellenz besonders aufmerksam zu machen mir erlaube.
Merkwürdig war die Geläufigkeit und Sicherheit des Ausdruckes bei
Naturhistorikern und Mathematikern, offenbar in höherem Grade als bei den
Philologen. Unangenehm ist mir, daß Physik nur an der Tafel und nicht im
Laboratorium geprüft wurde. Ich wollte dieses Mal nichts bemerken, weil ich mir
dachte, daß es das letzte Mal sein dürfte, daß Prof.
Wersin prüfe, der übrigens sehr strenge und genau prüft.
Die
Angelegenheit des Lokales ist ins Reine gebracht. Euer Excellenz werden sich
gnädigst erinnern, daß ich in meinem Schreiben an Herrn Ministerialsecretär
Feil aufmerksam machte, welche
schwierige Stellung ich als einfacher Professor haben würde und mir im Interesse
der Sache, nicht meiner Person, ein bleibender Titel wünschenswerth sei. Zumal
da es sich hiebei zuletzt nur um Anerkennung desjenigen handeln würde, welchen
mir als Archivsvorstand die bairischen Behörden gegeben hatten. An der Spitze
der juristischen Prüfungscommissionen stehen Gubernial- oder
Oberlandesgerichtsräthe; kein Wunder, wenn solange als möglich der Aufnahme der
Prüfungscommission für Lehramtscandidaten in die Localitäten der juristischen
Prüfungscommission Schwierigkeiten entgegengestellt wurden, deren endliche
Überwindung ich zum Theile dem guten alten Herrn Schnabel, zum großen Theile dem
Umstand verdanke, daß ich mich bereit erklärte persönlich mit der bisherigen
Rumpelkammer der juristischen Commission Vorlieb zu nehmen.
Ein vierter
Punkt ist die von dem ganzen Collegium gewünschte Beförderung der Professoren
Löwe und Bippart zu Ordinariis. Es thut mir namentlich
in dieser Beziehung sehr leid, daß ich nicht das Glück haben kann, Eurer
Excellenz persönlich aufzuwarten.
Prof. Kelle ist seit neun Tagen hier, jedoch unwohl, so daß er bis
heute das Bett hüten muß. Ich werde kaum nöthig haben Eurer Excellenz zu
versichern, daß ich, obwohl von so vielen Seiten angegangen, meine Collegien
über deutsche Literaturgeschichte fortzusetzen, dieses aus demselben Grunde
nicht thue, weshalb ich auch nicht über österreichische Geschichte lese, meiner
Collegen wegen. Ich werde stets soweit mir nur immer möglich Frieden halten und
Frieden fördern. Herr Šafařik hat
mir heute gesagt, daß er bereits Eurer Excellenz ein Exemplar der glagolitischen
Fragmente vorzulegen sich die Freiheit nahm. Er ist mir somit zuvorgekommen, wie
ja auch ihm der Werth der Arbeit und ihr Verdienst zukommen. Die Sache hat
übrigens ihre eigene nicht uninteressante Geschichte, da die Auffindung durch
einen „Ausländer“ bei Vielen böses Blut erzeugte.
Geruhen Euer Excellenz mir
gnädigst vergeben zu wollen, daß ich Ihre Geduld und Nachsicht so sehr
mißbrauche. Ich habe die Ehre zu geharren in tiefster Ehrerbietung
Euer Excellenz unterthänigster Diener
Dr. C. Höfler
Prag, Ostersonntag 12. April 1857