František Čelakovský antwortet auf die an ihn ergangene Anweisung der Prager Statthalterei, wonach er einige Worte in dem von ihm verfassten böhmischen Gymnasiallesebuch ändern solle. Er lehnt insbesondere die Änderung des Wortes „Šváb“ (Schwaben) ab, da es für ihn weder einen stichhaltigen Grund noch Bedenken gegen die Verwendung dieses historischen Ausdrucks gebe. Er macht Leo Thun vielmehr darauf aufmerksam, dass ein Umdrucken der Bücher aus seiner Sicht mehr Schaden anrichte als nütze: Die Hälfte der Auflage sei bereits verkauft und zudem erregte bereits der Verkaufsstop große Aufmerksamkeit. Eine zusätzliche Änderung würde wohl nur zur Folge haben, dass die Presse noch mehr Kritik an dem Buch übe. Čelakovský spricht sich daher dafür aus, entweder den Begriff beizubehalten oder das gesamte Kapitel, in dem der Ausdruck verwendet wird, in der folgenden Auflage stillschweigend zu entfernen.
Das eh. Konzept zu diesem Brief findet sich in: Tschechisches Literaturarchiv [Literární archiv Památníku národního písemnictví], Nachlass Čelakovšký 250/42.
Hochgeborner Herr Graf!
Hochgebietender Herr Staatsminister!
Durch die k.k. Statthalterei ist mir am gestrigen Tage die Weisung zugekommen, in
Bezug auf die vorzunehmenden Correcturen in dem 1. Theile des
Gymnasiallesebuchs.1Mit großem Befremden sehe ich neben den drei mir bereits
bekannt gewordenen Stellen noch eine vierte angemerkt, wo blos die Ausdrücke
Šváb, švábský abzuändern seien. Ich muß es Euer Excellenz offen gestehen, daß
ich mich vergebens nach einem stichhaltigen Grunde zu dieser Änderung umsehe,
auch nicht einsehe, welches Bedenken gegen den Gebrauch des Namens in der
Reiseskizze erhoben werden könnte. An ein Schimpfwort ist doch auch nicht im
Entferntesten zu denken, weil dann der Name überhaupt und allgemein dafür gelten
müßte, was doch nicht der Fall ist. Daß die ersten deutschen Ansiedler nach
Gallizien [Galizien] aus Schwaben kamen, ist ja historisch, weshalb sie sowohl Pohlen [sic!]
als Russen kaum anders als mit ihrem eigenen Namen bezeichnen konnten und es
noch heutiges Tags thun. Zudem ist der Aufsatz von dem ehrenhaften Holowacky geschrieben, im Časopis
Museum2 1842 pag. 43 unter Šafařiks Redaction erschienen
– Männer, denen doch nicht zuzumuthen ist, daß sie an läppisch verunglimpfenden
Ausdrücken Gefallen fänden. Es scheint als habe, wer immer Euer Excellenz
darüber referirte, das Wort übertrieben ängstlich aufgefaßt, und ich würde gegen
das hohe Ministerium selbst verstoßen, wenn ich nicht darauf aufmerksam machen
sollte, das Umdrucken müsse sich eher schädlich als nützlich erweisen. Mehr als
die halbe Auflage des ersten Theils befindet sich bereits in den Händen des
Publikums, und die Aufmerksamkeit ward ohnehin mehr als nöthig rege, als die
Sistirung des Verkaufs anbefohlen wurde. Die Tagespresse, die bereits ihre
hämischen Bemerkungen daran knüpfte, würde nach angestellter Vergleichung der
Exemplare noch mehr Veranlassung dazu finden. Sollte dennoch eine mögliche
Zweideutigkeit in dem Namen Šváb liegen, was ich jedoch hier nicht zugestehen
kann, so wäre meiner Ansicht nach besser, bei der zweiten Auflage, die ohnedies
nicht lange wird auf sich warten lassen, den ganzen Artikel stillschweigend
wegzulassen.
Genehmigen Euer Excellenz den Ausdruck meiner tiefsten
Ehrfurcht entgegenzunehmen, mit der ich verharre
Euer Excellenz
gehorsamster
F. L. Čelakovský
Prag, 11. Oktober 1850