Der Slawist František Ladislaus Čelakovský bezieht Stellung zur Kritik Leo Thuns an der Auswahl der Lesestücke in der von ihm bearbeiteten Fibel. Er bedauert seine Unachtsamkeit und will die beanstandeten Stücke durch andere ersetzen und die jeweils betroffenen Bögen neu drucken lassen. Sollte Thun mit dem bereits Gedruckten des zweiten Bandes ebenfalls nicht einverstanden sein, so will er das Manuskript nochmals neu ordnen. Čelakovský könnte es jedoch auch verstehen, wenn ihm Thun den Auftrag für die Gestaltung des Schulbuches entziehe. Čelakovský war sehr wohl bewusst, dass die erste Fassung noch nicht allen Anforderungen entsprechen konnte. Der Grund dafür lag vor allem in dem Mangel an Zeit. Bei mehr Zeit und Muße wäre eine sorgsamere Durchsicht möglich gewesen, um das Lesebuch seinem Zweck entsprechend gestalten zu können.
Mit wahrer Betrübnis habe ich aus dem geneigtesten Schreiben Eurer Exzellenz ersehen müssen, wie es mir
denn trotz der angewandten Mühe doch nicht gelungen ist, dem von Eurer Exzellenz
in mich gesetzten Vertrauen nach allen Seiten hin zu entsprechen. Ich habe die
im ersten Bande2
gerügten drei Nummern alsogleich zur Durchsicht genommen und muß nun nach
strengerer Prüfung derselben den mir von Eurer Exzellenz gemachten Ausstellungen
leider ohne Bedenken beipflichten. Fällt es mir nun gleich schwer mich in diesem
Falle zu rechtfertigen, so glaube ich doch Eure Exzellenz werden meiner
Entschuldigung ein geneigtes Gehör nicht versagen. Bei der Auswahl der einzelnen
vorzüglich poetischen Stücke fand ich mich keineswegs in der glücklichen Lage,
in der sich die Verfasser von derlei Lesebüchern, aus einer reichhaltigen
Litteratur schöpfend befinden, da sie leicht alle zweifelhaften Piecen bei Seite
legen und durch andere zu ersetzen im Stande sind. Unsere poetische Litteratur
leidet zwar keinen Mangel an erotischen Gedichten, patriotischen Ergießungen u.
dgl., aber fürwahr die Hände sind einem Sammler sehr gebunden in der Auswahl
anderer der Jugend zusagenden Dichtungsarten, die in Form, Gehalt und Diktion
jener gleich stünden. Daß es in meiner Absicht lag, so viel nur immer möglich,
alle erotischen Gedichte von der Sammlung fern zu halten, dürfte, wie ich
glaube, kaum zu verkennen sein.
Obwohl das Mailied3 an und für
nichts Verfängliches enthält, so sehe ich gleich wohl ein, dasselbe passe der
einen von mir übersehenen Strophe wegen nicht in das Lesebuch. Bei dem anderen
Gedichte ließ ich mich durch die Authorität Jungmanns irre führen, der es in ein ähnliches Lesebuch, nämlich
seine Slovesnost 4, aufnahm. Und so wurde auch der Artikel von
Čaplowič ([?]75) in seiner Beziehung
für Ungarn nicht gehörig erwogen wegen der Hast,
mit welcher ich den Stoff zusammensuchen mußte, als gegen das Ende des Druckes
das Manuskript für die angesetzte Bogenzahl nicht ausreichte und die Zeit zum
Erscheinen schon zu sehr drängte.
Sollte nun in dem 1 Theile keine weitere
Unzukömmlichkeit vorkommen, so bin ich bereit die drei angeregten Stücke
alsogleich durch andere zu ersetzen und den Bogen umdrucken zu lassen. Ich
erlaube mir auch die bereits gedruckten Bogen des zweiten Bandes Eurer Exzellenz
zur Ansicht vorzulegen. Sollten Hochdieselben auch hier mit der Tendenz oder mit
der Aufnahme einzelner Stücke nicht einverstanden sein, dann bliebe mir nichts
übrig, als das noch ausstehende Manuskript zu ordnen und es früher Eurer
Exzellenz einzusenden oder aber mir die Fähigkeit zur Abfassung derlei Schriften
ganz abzusprechen und von der weiteren Ausgabe abzustehen. Einstweilen habe ich
den weiteren Satz und Druck einstellen lassen. Denn was auch bewog mich dieser
Arbeit zu unterziehen, war nichts anders als einen Beweis meiner Willfährigkeit
und unbegränzter Verehrung gegenüber Eurer Exzellenz zu geben und unserer
vaterländischen Jugend einen kleinen Dienst zu leisten. Daß das Werk gleich nach
dem ersten Wurfe und in der verhältnismäßig zu kurzen Zeit kaum allen
Anforderungen würde genügen können und bei dem Umfang von 80 Druckbogen auch
nicht manchen Mängeln unterliegen muß, sah ich gleich anfangs sehr wohl ein,
machte auch kein Hehl daraus und erbat mir daher die erste Auflage in einer
kleineren Anzahl von Exemplaren zu veranstalten, da ich bei mehr Muße eine noch
reichlichere Nachlese und umständlichere Durchsicht der gesammten Litteratur zur
Beseitigung des wie immer noch unvollkommenen Materials zu halten Willens war
und jeden Wink, jede Belehrung beachten wollte, um das Lesebuch in der Folge
möglichst seinem Zwecke entsprechend herzustellen.
In der Hoffnung, daß Eure
Exzellenz diese meine Entschuldgründe zu würdigen und mein unabsichtliches
Versehen auf das gehörige Maaß zu führen wissen werden, habe ich die Ehre mit
tiefer Ehrfurcht mich zu zeichnen.
24. November
unterthänigst ergeben