Der Historiker Julius Ficker teilt dem Minister mit, dass ihm privatim das Angebot unterbreitet wurde, die vakante Lehrkanzel für Geschichte an der Universität Bonn zu übernehmen. Er bittet daher um Auskunft, wie es um die Zukunft der Innsbrucker Universität bestellt sei, um eine Entscheidung treffen zu können. Ein solches Angebot war ihm bereits im vergangenen Jahr zugekommen und damals hatte er das Angebot ohne zu zögern abgelehnt. Das neuerliche Anerbieten hat nun aber dazu geführt, dass er seine derzeitige Stellung in Innsbruck noch einmal überdachte. Denn fast gleichzeitig mit diesem Angebot hat er das Gerücht vernommen, dass in Salzburg eine katholische Universität gegründet werde. In einem solchen Fall, so glaubt Ficker, würde die Innsbrucker Universität jedoch stark an Attraktivität einbüßen, und letztlich wäre dann auch seine Stellung gefährdet. Außerdem, so ist er überzeugt, würde dann die Hoffnung zerstört, in Innsbruck ein wissenschaftliches Zentrum für den deutschen Süden zu etablieren, ähnlich wie es Bonn oder Göttingen für den Norden Deutschlands seien. Ficker schreibt, dass er stets der Überzeugung war, dass Innsbruck eine Alternative für süddeutsche Studenten sein könnte, die andernfalls eine protestantische Universität besuchen müssten. Allerdings wäre es dann notwendig, die Innsbrucker Universität zu vervollständigen. Sollte diese Hoffnung jedoch getäuscht oder durch die Errichtung einer katholischen Universität in Salzburg vollkommen vereitelt werden, so wäre er geneigt, den Ruf nach Bonn anzunehmen. Daher bittet er den Minister um Aufklärung, ob der Plan, in Salzburg eine Universität zu errichten bzw. die Innsbrucker Universität aufzulassen, tatsächlich bestehe. Schließlich äußert Ficker den Wunsch, die vakante Professur für klassische Philologie an der Innsbrucker Universität dem Gymnasiallehrer Tobias Wildauer zu übertragen. Wildauer wäre hervorragend für die Ausbildung von Lehramtskandidaten geeignet, außerdem harmoniere er selbst sehr gut mit Wildauer, wodurch eine erfolgreiche Zusammenarbeit sichergestellt sei.
Eure Excellenz!
Das gnädige Wohlwollen, dessen ich mich bei früheren Gelegenheiten von Seiten
Eurer Excellenz zu erfreuen hatte, ermuthigt mich, in einer persönlichen
Angelegenheit mich abermals an Hochdieselbe zu wenden.
Durch die Berufung
des Professor Kornelius
[Cornelius] nach München ist die
durch einen Katholiken zu besetzende Professur der Geschichte zu Bonn wiederum erledigt und es kam mir
bereits im Sommer durch dritte Hand eine Anfrage zu, ob ich jetzt etwa geneigt
sein würde, dieselbe unter entsprechenden Bedingungen zu übernehmen. Da ich mich
an meinem hiesigen Wirkungskreise befriedigt fühlte, es mir andererseits nach
den mannichfachen gnädigen Begünstigungen, die mir in Folge des früher an mich
ergangenen Rufes nach Bonn hier zu
Theile wurden, mindestens unpassend erscheinen mußte, auf die Sache etwa nur
insoweit einzugehen, um mein etwaiges Verbleiben hier selbst an weitere
Bedingungen zu knüpfen, so lehnte ich ein Eingehen von vornherein ab und glaubte
auch keinen Anlaß zu finden, Eurer Excellenz irgendwelche Mittheilung darüber
machen zu sollen.
Als ich während der Ferien zu Bonn
und in meiner Heimath war, wurden mir die Andeutungen wiederholt, daß man in
Verlegenheit sei, die Bonner Stelle entsprechend zu besetzen, daß sie wohl noch
einige Zeit frei bleiben werde, und daß man sie mir ohne Zweifel antragen werde,
wenn ich nur Geneigtheit zeige, den Antrag anzunehmen. Ich kann versichern, daß
ich diese Geneigtheit immer rundweg in Abrede gestellt habe, ich würde auch gar
keinen Anlaß genommen haben, von dieser Sache irgend weitern Gebrauch zu machen,
wären mir nicht in der letzten Zeit Bedenken in Betreff meiner hiesigen Stellung
aufgestiegen, die mich wenigstens veranlaßten, jene Andeutungen in Erwägung zu
ziehen und mich nun an Eure Excellenz zu wenden.
Eure Excellenz würden den
Zweck meines Schreibens völlig verkennen, wenn Hochdieselben glaubten, ich
bezwecke dadurch irgendwelche Änderung meiner Stellung herbeizuführen. Ganz im
Gegentheile entspringen meine Bedenken nur der Befürchtung, meine hiesige
Stellung auf die Dauer überhaupt nicht oder doch nicht unter wünschenswerthen
Verhältnissen beibehalten zu können; sie gründen sich auf die allerdings sehr
unbestimmten Gerüchte über die Errichtung einer kirchlichen Universität zu
Salzburg und den Folgerungen, die man daraus vielfach
für die Zukunft der Innsbrucker
Universität ziehen zu müssen glaubt.
Eure Excellenz werden es
verzeihen, wenn ich meine ganz unmaßgebliche bisherige Anschauung von der
Stellung der hiesigen
Universität kurz andeute, da sie eng mit der nächsten persönlichen
Frage zusammenhängt. Für den Gesammtstaat hatte dieselbe ohne Zweifel eine nur
untergeordnete Bedeutung, für das Land Tirol dagegen eine sehr
große; da ich Land und Leute schnell schätzen lernte, fähige und lernbegierige
Schüler und jede Unterstützung fand, so fühle ich mich befriedigt, sollte der
Kreis meiner unmittelbaren Lehrthätigkeit auch nicht die Landesgränze
überschreiten. Andererseits will ich auch nicht verhehlen, daß ich immer der
Meinung war, daß Innsbruck, und
von allen österreichischen Universitäten wohl nur Innsbruck, eine ähnliche Bedeutung
für den deutschen Süden erlangen könne, wie sie etwa Bonn und Göttingen für den deutschen Norden
haben, und daß ich zugleich wenigstens die Möglichkeit im Auge behielt, daß es
mit Vervollständigung der Universität diese Bedeutung erlangen werde. Für den
Gesammtstaat würde Innsbruck
allerdings immer eine unbequem gelegene Universität bleiben und die bloße
Rücksicht auf ein einzelnes Kronland dürfte kaum genügen, eine Erweiterung, so
wünschenswerth sie immer sein möchte, als nothwendig erscheinen zu lassen, aber
ich glaubte immer von dem Gedanken ausgehen zu müssen, daß
Oesterreich sowohl, wie dem Katholizismus gleich sehr
daran liegen dürfte, wenn eine Hochschule bestände, die geeignet wäre, den
Einfluß auszugleichen, den Preußen und der Protestantismus
offenbar dadurch gewinnen, daß auch von den katholischen Studirenden des
westlichen Deutschland die meisten ihre Bildung auf protestantischen Hochschulen
suchen, da Freiburg unbedeutend
ist, Würzburg fast nur von
fremden Medizinern gesucht wird, und auch die Verhältnisse Münchens, das noch wohl am meisten von
norddeutschen Katholiken besucht wird, nicht allen Wünschen entsprechen dürften.
Wien und Prag sind gewiß geeignet große
Centralpunkte der Wissenschaft zu bilden, in der Litteratur einen entscheidenden
Einfluß auf das wissenschaftliche Leben Deutschlands zu üben; sie haben für
Oesterreich selbst Aufgaben zu lösen, die wohl kaum an
einer andern österreichischen Hochschule zu lösen wären, aber auf die studirende
Jugend im übrigen Deutschland würden sie wohl eben so wenig
Einfluß üben können als Berlin,
schon aus dem einen Grunde, weil weder die deutschen Studirenden noch deren
Eltern insbesondere für die ersten Studienjahre die Universitäten in großen
Städten lieben. Dagegen dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß wenn zu
Innsbruck eine vollständige und wenigstens in
einzelnen Fächern so wohl besetzte Universität bestände, daß sie in diesen den
Vergleich mit andern Hochschulen bestehen könnte, kein Ort geeigneter wäre,
Studirende aus dem katholischen Schwaben, den Rheinlanden und Westfalen,
insbesondere auch aus der katholischen Schweiz anzuziehen und
so von dieser Seite einen wohlthätigen Einfluß auf das deutsche Leben auszuüben,
während andererseits wieder die Möglichkeit einer Einwirkung auf das
wissenschaftliche Leben Italiens nahe läge. Ich
darf mich nicht berechtigt halten, hier für den Versuch einer näheren Begründung
dieser Ansicht, für die ja auch zunächst keine Veranlassung vorläge, die gnädige
Nachsicht Eurer Excellenz weiter in Anspruch zu nehmen, es galt mir nur
anzudeuten, welche Hoffnungen ich auf die hiesige Universität eventuell glaubte
setzen zu dürfen, die es erklärlich machen, daß ich im Falle ihrer
Verwirklichung eine dauernde Wirksamkeit an der hiesigen Hochschule jeder andern
vorzuziehen geneigt sein dürfte.
Ob für eine solche Verwirklichung überhaupt
noch irgendwelche Aussichten bestehen, kann ich natürlich nicht ermessen und
könnte auch für mich in der vorliegenden Frage in so weit nicht entscheidend
sein, als ich mich bei einem Verbleiben in der bisherigen Stellung diese einer
Anstellung zu Bonn vorziehen dürfte.
Ob nun aber ein solches Verbleiben überhaupt auf die Dauer statthaft sein
dürfte, ist mir in Folge der Gerüchte über die Errichtung einer
kirchlichen Universität zu Salzburg zweifelhaft geworden.
Eine solche würde wohl die Vervollständigung Innsbrucks durch eine theologische
Facultät so vielleicht für immer ausschließen und damit überhaupt die
Möglichkeit der Herstellung einer österreichischen Hochschule, die eine ähnliche
Stellung einnähme und einen ähnlichen Einfluß auf das übrige
Deutschland übte, wie etwa Bonn oder Göttingen; denn so sehr mir auch
alle Anhaltspunkte zur Beurtheilung fehlen, kann ich mir doch kaum denken, daß
die angeblich in Salzburg zu errichtende Hochschule eine derartige Stellung
einzunehmen geeignet sein könnte. So sehr mir diese Fragen auch immer im Sinn
gelegen, so kann es mir doch nicht ziemen, hier dabei zu verweilen, dafür mich
persönlich nur die Erwägung in Betracht kommt, welchen Einfluß die Errichtung
einer solchen Hochschule für Innsbruck haben könnte. Es ist nämlich mehrfach die Befürchtung
ausgesprochen, es möchte in diesem Falle in den Intentionen eines hohen
Ministeriums liegen, die Innsbrucker
Universität eingehen zu lassen oder doch in eine bloße
Rechtsacademie zu verwandeln.
Eure Excellenz werden es erklärlich finden,
wenn diese mir hier zu Ohren gekommenen Befürchtungen, deren Grund oder Ungrund
ich nicht zu beurtheilen vermag, mir doch das Bedenken erweckten, ob ich wohl
daran thue, die Aussichten, die sich mir in Bonn bieten, schlechtweg von der Hand zu weisen; denn dürfte ich
auch vielleicht hoffen, daß im Falle der Auflösung der hiesigen Universität oder
philosophischen Facultät Eure Excellenz mir einen anderweitigen Wirkungskreis in
Oesterreich eröffnen würden, so könnte es doch immer leicht der Fall sein, daß
derselbe meinen Neigungen und Kräften vielleicht weniger entspräche als der
hiesige, und als der, auf den ich mir etwa in Bonn Rechnung machen dürfte. Eure Excellenz werden es zugleich
verzeihlich finden, wenn ich bei der Erwägung einer Frage, die meine ganze
Zukunft so stark berührt, mir den möglichsten Grad von Gewißheit zu verschaffen
suche, und es würde mir sehr leid sein, sollten Hochdieselbe in meiner
unterthänigen Anfrage einen indiscreten Versuch eines Eindringens in die
Intentionen des hohen Ministerium sehen. Diese meine unterthänigste Anfrage denke ich
mit Rücksicht auf den nächsten Zweck etwa dahin richten zu dürfen: – „ob etwa
schon jetzt von Seiten des hohen Ministerium
Veränderungen an der Universität
Innsbruck in Aussicht genommen seien, die für die Zukunft ein
Verbleiben in meiner bisherigen Stellung als unstatthaft erscheinen lassen
würden.“ – Fühlen Eure Excellenz sich nicht bewogen, mir darüber eine Andeutung
zu geben, so werde ich mich gewiß gern bescheiden und bitte dann nur um
Entschuldigung wegen meiner vielleicht indiscreten Anfrage; es kann sich auch
natürlich nicht darum handeln, meine jetzige Stellung etwa gegen spätere
Eventualitäten, auf welche jeder gefaßt sein muß, zu sichern; es gilt mir nur,
die möglichste Wahrscheinlichkeit zu erhalten, daß nicht etwa, während ich auf
die Bewerbung um eine Stelle in der Heimath meiner jetzigen zu Liebe verzichte,
diese selbst mir bereits nicht mehr gewiß ist, und ich hoffe, daß Eure Excellenz
von diesem Beweggrunde aus es verzeihen, wenn ich auf vielleicht völlig
unbegründete Gerüchte hin eine solche Anfrage zu stellen wagte. Sollten diese
meine Bedenken unbegründet sein, so liegt mir gewiß nichts ferner, als der
Gedanke an Bewerbung um eine auswärtige Professur und es würde nach wie vor das
höchste Ziel meines Strebens sein, dem mir von Eurer Excellenz gnädigst
geschenkten Vertrauen, so weit es meine Kräfte gestatten, zu entsprechen.
Wenn ich diese Gelegenheit ergreife, um zugleich auf eine andere
Angelegenheit hinzudeuten, deren Erledigung für unsere Facultät von
entscheidender Wichtigkeit zu sein scheint, so würde ich mir das kaum erlauben,
wenn die Sache nicht ohnehin bereits durch Herrn Professor Schenach bei Eurer Excellenz in Anregung gebracht
wäre. Bei Gelegenheit der Versetzung des Herrn Professor Maleckỳ an die Universität Lemberg ist hier vielfach der Wunsch laut geworden,
daß die dadurch erledigte Professur an hiesiger Facultät dem Professor am
hiesigen Gymnasium, Dr. Wildauer,
übertragen werden möchte. Der warmen Empfehlung des Herrn Professor Schenach die meinige hinzuzufügen,
würde ich an und für sich für überflüssig halten, wenn hier nicht die rege
Verbindung, in welche nach dem ganzen Lehrplane die philologischen und die
historischen Studien zu treten haben, meinerseits ein persönliches Interesse
bedingen dürfte. Die Forderungen, welche an die Lehramtskandidaten der
Philologie in Betreff der alten Geschichte, an die der Geschichte in Betreff der
Philologie zu stellen sind, dürften gerade für die Lehrer dieser Fächer ein
Vorgehen nach gemeinsamen Plane oder wechselseitiger Verständigung vielfach als
ersprießlich erscheinen lassen. So sehr ich auch überzeugt sein kann, daß, wem
auch immer das hohe Ministerium die erledigte Stelle übertragen wird, die
Interessen der Universität bestens gewahrt sein werden, so glaube ich doch für
den Fall, daß genannten hohen Orts die Kandidatur des Herrn Dr. Wildauer in Erwägung gezogen
werden sollte, darauf hindeuten zu dürfen, wie ich durch längern Umgang und
mehrfache den Gegenstand berührende Besprechungen die Überzeugung gewonnen zu
haben glaube, daß es bei einem Zusammenwirken mit ihm leicht gelingen dürfte,
eine solche gewiß ersprießliche Verständigung über ein entsprechendes und
ergänzendes Vorgehen bei Leitung der Studien der Lehramtskandidaten der
Geschichte und der Philologie zu erzielen, ein Versuch, dessen Gelingen gewiß
überall durch die persönlichen Beziehungen der zusammenwirkenden Lehrer und
durch die Übereinstimmung in ihren sonstigen Ansichten vorzugsweise bedingt sein
wird. Andererseits glaube ich darauf hindeuten zu dürfen, daß der Herr Dr. Wildauer neben seiner
wissenschaftlichen Tüchtigkeit die Rührigkeit und die äußern Gaben in reichem
Maße besitzt, die es ihm möglich machen würden, den Lehramtskandidaten die
Anregung und Leitung bei ihren Studien angedeihen zu lassen, die gerade bei
diesem Fache hier als ein Bedürfnis erscheinen möchte.
Mit größter Hochachtung und Ergebenheit
Eurer Excellenz ganz
gehorsamster
Dr. Ficker
Innsbruck 1856 September 19.