Julius Ficker an Leo Thun
Innsbruck, 19. Januar 1860
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Regest

Der Historiker Julius Ficker berichtet Leo Thun über das Habilitationsverfahren von Alphons Huber an der Universität Innsbruck. Im Zuge dieses Verfahrens war es zu einem Streit zwischen Ficker und seinem Kollegen Heinrich Glax gekommen. Auf Anraten Fickers wollte sich Alphons Huber sowohl für allgemeine als auch für österreichische Geschichte habilitieren. Allerdings weigerte sich Glax, als Ordinarius für österreichische Geschichte, die Habilitation Hubers in österreichischer Geschichte vorzunehmen. Ficker schildert Thun den genauen Sachverhalt und äußert sich schließlich negativ über die scharfe Scheidung der allgemeinen von der österreichischen Geschichte. Eine solche Trennung wirke sich aus der Sicht von Ficker lähmend auf das Geschichtsstudium in Österreich aus und hindere auch Huber in seiner Laufbahn. Daher hatte Ficker zwei Anträge bei der Fakultät eingebracht, um die Habilitation Hubers für das Gesamtgebiet der Geschichte zu erwirken. Diese Anträge wurden an das Ministerium weitergeleitet. Im Anschluss erörtert Ficker kurz die beiden Anträge: Im ersten Antrag erbittet die Fakultät eine Entscheidung des Ministeriums, wie die Leistungen Hubers zu bewerten seien. Im zweiten Antrag wird die Erlaubnis des Ministerium erbeten, Huber über alte und österreichische Geschichte lesen zu lassen. Ficker fände es nämlich bedauerlich, wenn Huber von der österreichischen Geschichte und damit von dem Fach ausgeschlossen wäre, in dem seine besten Leistungen zu erwarten seien. In der Folge äußert sich Ficker auch kritisch zu den Leistungen von Heinrich Glax, weshalb es wünschenswert erscheint, wenn noch ein weiterer Dozent das Fach österreichische Geschichte vertrete. Ficker betont schließlich, dass er die offenen und kritischen Worte gegenüber seinem Kollegen Glax nicht leichtfertig ausgesprochen habe, sondern er sich nur im Sinne der gerechten Sache direkt an den Minister wende. Abschließend weist Ficker noch auf eine Angelegenheit eines anderen jungen Dozenten, Heinrich Tewes, hin. Dieser konvertierte zum katholischen Glauben und wirkt nun als Privatdozent für Römisches Recht. Tewes' Vater missbillige allerdings seine Konversion und versuche ihn zu einer Rückkehr nach Hannover zu bewegen. Ficker würde einen solchen Schritt bedauern, da es nur wenige Experten für das Römische Recht gebe.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Eure Excellenz!

Wenn ich es wage, mich in einer Sache unmittelbar an Eure Excellenz zu wenden, welche meinen Kollegen Professor Glax nicht im günstigsten Lichte erscheinen läßt, so habe ich mich nur sehr ungern und erst auf wiederholtes Zureden anderer Fakultätsmitglieder dazu entschlossen, nachdem ich mich überzeugt habe, daß meine gutgemeinten Versuche, diesen Schritt unnöthig zu machen, nur gegen mich benutzt werden. Eure Excellenz wissen, daß ich Hochderselben gegenüber bisher nie etwas zum Nachtheile jenes Kollegen gesagt habe, obwohl mir die Gelegenheit dazu mehrfach geboten gewesen wäre und meine Stellung ihm gegenüber schon seit Jahren eine überaus peinliche war; als mir vor drei Jahren zum zweiten Male eine Professur zu Bonn angetragen wurde, war diese Stellung, wie solche, mit welchen ich damals Rücksprache nahm, bezeugen könnten, das einzige erhebliche, was mich einige Zeit zweifelhaft machte, ob ich hier bleiben solle; dennoch konnte ich mich auch damals nicht entschließen, durch eine Mittheilung an Eure Excellenz zu versuchen, mich in dieser Richtung etwas sicherer zu stellen. Eine Neigung, das Vertrauen, mit welchem Eure Excellenz mich unverdientermaßen beehrten, zu seinem Schaden zu benutzen, wird demnach bei mir gewiß nicht vorausgesetzt werden können. Unsere gespannte Stellung hat auch mit persönlichen Beziehungen nicht das Geringste zu schaffen; sie beruht wenigstens meinerseits lediglich auf unserer amtlichen Stellung als Mitglieder derselben Fakultät und Prüfungskommission und Vertreter von Theilen ein und desselben Hauptfaches.
Daß bei durchaus verschiedenen Ansichten über das Wesen unserer Wissenschaft und die Zwecke des Universitätsunterrichtes ein Zusammenwirken mit dem Spezialkollegen nicht ermöglicht war, war mir unangenehm, ließ sich aber verschmerzen, wenn die eigene Wirksamkeit unbehindert blieb. Das war freilich kaum möglich; von anderm zu schweigen, war es insbesondere für mich hart, wenn alle meine Schüler, auch die fähigsten, auf Grundlage von nach meiner Ansicht unberechtigten Fragen und richtigen Antworten über österreichische Geschichte ungünstiger beurtheilt wurden als mir billig schien. Verpflichtet bei der Prüfung anwesend zu sein, hätte ich mich allerdings für berechtigt gehalten, meine abweichende Meinung geltend zu machen; ich habe es aus Rücksicht auf den Kollegen nie gethan und würde es überhaupt nur dann gethan haben, wenn es sich um Reprobirung gehandelt hätte, auf welcher der Kollege allerdings nie zu bestehen wagte; die mir unbillig scheinende Verschlechterung der Zeugnisse wie die mündlichen Urtheile nahm ich schweigend hin.
Jetzt handelt es sich zunächst um einen meiner frühern Schüler, Dr. Alfons Huber, über dessen ganz ungewöhnliches Talent, Fleiß und Besonnenheit des Charakters hier nur eine Stimme herrscht; seit Jahren lebe ich der Hoffnung, daß die Erfolge, welche ich bei halbweg günstiger Gestaltung der äußern Verhältnisse mit Sicherheit von ihm erwarten kann, mich hinreichend für die bisherigen Mühen meiner hiesigen Wirksamkeit entschädigen werden; hätte ich bisher nie einem meiner Schüler zu rathen gewagt, sich der akademischen Laufbahn zu widmen, so unbedingt glaubte ich das hier thun zu müssen, ihm es zu ermöglichen, sich als Privatdozent zu halten, würde ich auch, da er unvermögend ist, zu den nöthigen materiellen Opfern bereit sein; für das laufende Jahr ist er durch eine auf meinen Antrag erfolgte gnädige ministerielle Unterstützung von 400 fl gesichert, wofür er wie ich uns dem hohen Ministerium so verpflichtet fühlen, daß nur nichts ferner liegen würde, als in seinem Interesse hier weitere Schritte zu thuen, aber der Vorgang seiner Habilitirung hat meine eigene und wohl auch die Stellung der Fakultät gegenüber dem Prof. Glax zu einer so unleidlichen gemacht, daß wir die Sache nicht füglich ruhen lassen konnten.
Es war meine wie anderer Mitglieder Ansicht, daß er sich für das Gesammtgebiet der Geschichte mit Einschluß der österreichischen habilitiren solle; eine Trennung schien uns hier weder nöthig noch wünschenswerth, zumal er sich besonders mit österreichischer Geschichte beschäftigt hatte; wir riethen ihm nur zur größern Sicherheit sich den Habilitationsleistungen für allgemeine wie für österreichische Geschichte zu unterziehen, wie auch geschah. Als vor Jahresfrist zuerst die Rede davon war, erklärte Prof. Glax von vornherein, daß von einer Habilitation in seinem Fache nicht die Rede sein könne und hat seitdem die verschiedensten Wege eingeschlagen, dieselbe zu hintertreiben; ein Vorgehen, über welches, wie ich glaube, an der ganzen Universität nur eine Stimme herrscht, zumal immer mit der größtmöglichen Schonung gegen ihn vorgegangen wurde. Als der Kandidat, da er glaubte den Forderungen des Gesetzes genügen zu können, sich von vornherein nicht abschrecken ließ, erklärte Prof. Glax, die beabsichtigte Habilitationsschrift über die älteste Geschichte des Hauses Habsburg nicht gelten lassen zu können, weil sie nicht in die österreichische Geschichte gehöre. Der Kandidat arbeitete geduldig eine zweite über die österreichischen Privilegien aus, welche ich für so gelungen halte, daß ich sie in diesen Tagen der kaiserlichen Akademie einsenden werde und, wenn sie dort etwa nicht angenommen würde, anderweitig zum Druck befördern werde. Über diese gab Prof. Glax ein Gutachten, in dessen wissenschaftlichem Theile er sich meiner Ansicht nach solche Blößen gab, daß aller Grund da war, weiterhin behutsam aufzutreten, während sie im übrigen eine Reihe von Ausfällen gegen den Kandidaten enthielt, deren Grundlosigkeit den Fakultätsmitgliedern klar war, welche nur dazu geeignet seien konnten, in Wien eine ungünstige Meinung zu erwecken; dennoch sah auch er sich zu einem günstigen Endurtheile über die Arbeit genöthigt. Er erklärte nun aber auf die Habilitation nicht eingehen zu können, weil das vorgelegte Programm zwar ganz gut geschrieben sei, aber nur zeige, wie der Kandidat die österreichische Geschichte behandeln wolle, nicht aber, ob er es auch könne; er müsse ein Programm haben, aus welchem er letzteres ersehen könne. Dieser Forderung, welche einem Vorlegen von Kollegienheften gleichkäme, für welche auch der geringste Anhalt im Gesetze fehlt, stimmte natürlich kein Mitglied bei; zwei, von Waltenhofen und Wildauer, gaben ausführliche Gutachten dagegen; alle waren für Zulassung zum Kolloquium. Darauf verweigerte Prof. Glax, daran theilzunehmen und gab im Eifer eine an das Ministerium zu richtende Beschwerdeschrift ein, welche beleidigend für die Fakultät wie für mich insbesondere war. Ich erbat mir von der Fakultät die Erlaubnis, den Akten zu meiner und des Kandidaten Vertheidigung eine kritische Beleuchtung des Gutachtens des Prof. Glax beifügen zu dürfen; um aber keinen schonendern Weg unversucht zu lassen, setzte ich, damals kaum genesen, ihm schriftlich genau auseinander, welche Blößen er sich gegeben habe, daß ich die Aufdeckung derselben gern vermeiden möchte und ich gern darauf verzichten würde, wenn er das dadurch möglich mache, daß er seinen offenbar ungerechtfertigten Widerstand gegen die Habilitirung aufgebe. Darauf schien er denn ganz einzugehen, zog seine Beschwerdeschrift zurück, strich mit Erlaubnis der Fakultät aus seinem Gutachten die beleidigenden Stellen, was wir ihm nicht verweigern mochten, nahm an Kolloquium und Probevorlesung theil und stimmte am lautesten in das Lob über den guten Ausfall ein. Es überraschte uns wohl, daß er bei der Schlußabstimmung doch dagegen stimmte, da er aber seine abweichende Meinung lediglich auf jenen unmöglich maßgebenden Programmpunkt richtete, seine übrigen Urtheile durchaus günstig waren, so war nicht mehr abzusehen, daß dem Kandidaten ein Hindernis erwachsen könne.
Nach allem Vorhergegangenen glaubte ich sicher sein zu dürfen, daß Prof. Glax einen Widerstand, welchen er offen aufgegeben hatte, nicht etwa auf andern Wegen, wo der Fakultät die Mittel zur Vertheidigung fehlten, fortsetzen würde; ich hielt mich auch ihm gegenüber dazu verpflichtet, nicht etwa durch eine Mittheilung des Sachverhaltes an Eure Excellenz einem ungünstigen Ausgange vorzubauen; ich glaubte mich auch dann noch nicht dazu entschließen zu dürfen, als bei dem langen Ausbleiben der Erledigung hier allgemein behauptet wurde, daß er bemüht sei, seinen Ansichten mit Umgehung der Fakultät Geltung zu verschaffen. Über die endliche Entscheidung wurde hier allgemein geurtheilt, daß sie sich schwerlich allein auf die Akten stützen könne, daß sie, wenn nicht unter Einwirkung, wenigstens im Interesse des Prof. Glax ergangen sein müsse.
Es wurde die Habilitation für allgemeine Geschichte gewährt, nicht aber für österreichische. Der Hauptgrund, daß beide Fächer ein zu großes Feld sein, berührte allerdings die Fakultätsverhandlungen gar nicht; denn niemand, auch nicht Prof. Glax, hatte darauf früher hingewiesen. Der Fakultät kann es auch natürlich nicht zustehen, gegen diesen Hauptgrund irgendwelche Einwendungen zu erheben. Ich persönlich habe allerdings die feste Ansicht gewonnen, daß das scharfe Auseinanderhalten der allgemeinen und österreichischen Geschichte überaus lähmend auf das Geschichtsstudium in Oesterreich einwirkt, insbesondere aber bei Ertheilung der venia legendi dem angehenden Historiker in Entwicklung seiner Kräfte einen Zwang auferlegt, welcher ihn den Dozenten an andern deutschen Universitäten gegenüber, wo eine solche Scheidung unbekannt ist, empfindlich trifft. Eingehendere Gründe dafür habe ich in den Notizen zu meinem Antrage berührt, welche jetzt hohen Orts vorgelegt werden; ich gehe hier nicht darauf ein, da ich nach einmal erfolgter Entscheidung doch nicht mehr hoffen darf, daß mein Wunsch, es möge die venia legendi für das Gesammtgebiet ertheilt werden, berücksichtigt werden könne.
Die hohe Entscheidung fußte aber nicht allein auf jenem Grunde, sondern enthielt zugleich wenigstens mittelbar eine Billigung der Ansicht des Prof. Glax. Denn einmal war es nicht etwa der Fakultät freigestellt oder dem Kandidaten, sich für das eine oder das andere Fach zu entscheiden, sondern es wurde von vornherein gegen die österreichische Geschichte entschieden. Es wurde weiter bezüglich dieser auf eine abweisende Meinung der Fachprofessoren verwiesen; eine solche bestand aber nach den Akten gar nicht, da über die Fachleistungen von beiden Fachprofessoren günstig geurtheilt war, es bestand nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen Prof. Glax einerseits und der gesammten Fakultät andererseits, und zwar wegen jenes Programmpunktes, bezüglich dessen Buchstabe wie Sinn des Gesetzes unbedingt auf Seiten der Fakultät waren. Prof. Glax würde demnach durchaus in der Lage sein, geltend zu machen, daß hohen Orts sein Einwand als berechtigt anerkannt sei und die Fakultät würde bei jeder Habilitation, sei es aus was immer für einem Fache, nicht mehr wissen, wie sie sich dem Gesetze gegenüber zu verhalten habe.
Bei dieser Sachlage fühlte ich mich veranlaßt, bei der Fakultät zwei Anträge in Vorschlag zu bringen, welche von derselben angenommen und in diesen Tagen an das hohe Ministerium gesandt wurden. Ich glaube, daß beide in den Akten genügend begründet sind. Ein doppelter Umstand schien es aber unausweichlich zu machen, die Aufmerksamkeit Eurer Excellenz auf diesem Privatwege darauf hinzulenken, wenn wir nicht auf den Erfolg verzichten wollen. Einmal stehen dem Prof. Glax bei seiner ausgedehnten Bekanntschaft zu Wien so viel Privatwege zu Gebote, seine Ansichten geltend zu machen, ohne daß die Fakultät ihren Standpunkt dagegen vertheidigen kann, daß es beim besten Willen den Beamten des hohen Ministeriums, in deren Bereich die Sache zunächst fällt, nicht auffallen könnte, wenn dieselben einer ungünstigeren Entscheidung für die Fakultät geneigt sein sollten, als sie sich aus bloßer Einsicht der Akten ergeben dürfte. Weiter aber sind wir auch jetzt noch bemüht gewesen, wenigstens aus den Akten alles fern zu halten, was einer Anklage gegen den Kollegen gleich sähe, mußten wir deshalb freilich auf die Hauptgründe für die gestellten Anträge verzichten, so schien es doch mir und den Kollegen, mit welchen ich darüber sprach, schonender, dieselben nur auf diesem Privatwege Eurer Excellenz zu eröffnen, in der Hoffnung, daß sie so auch, ohne in weitern Kreisen bekannt zu werden, dennoch auf eine der Fakultät günstige Entscheidung würden einwirken können.
Der erste Antrag geht auf eine Anfrage der Fakultät an das hohe Ministerium: ob, da eine andere abweisende Ansicht über die Leistungen des Dr. Huber für österreichische Geschichte sich aus den Akten nicht ergebe, der das Programm betreffende § des Gesetzes von der Fakultät richtig verstanden sei, was nach der hohen Entscheidung zweifelhaft sein könne. Die Berechtigung dieses Antrags an und für sich, welchem auch Prof. Glax zustimmte, dürfte in den Akten genügend motivirt erscheinen. Das Gewicht einer der Fakultät günstigen Entscheidung liegt aber in einem Umstande, welcher dort überhaupt nicht berührt werden konnte und über welchen ich glaube offen sprechen zu müssen. Prof. Glax tritt der Fakultät, wie sich selbst aus den Akten erweisen ließe, häufig mit einer Selbstüberhebung und Rücksichtslosigkeit gegenüber, welche man überhaupt ungern hinnimmt und noch weniger, wenn man sich nicht veranlaßt fühlt, dem betreffenden Mitgliede überlegene Urtheilskraft andern gegenüber zuzugestehen; die subjektivsten Ansichten, welche weder im Gesetze noch in der Natur der Sache eine Stütze zu finden scheinen, hält er mit einer Zähigkeit fest, welchen gegenüber jeder Versuch, sie zu vermitteln, scheitern muß. Ist das unerfreulich, so ist es doch ohne Gewicht, insofern solche Ansichten Majoritätsbeschlüsse nicht hindern. Es kommt aber ein anderes hinzu. Prof. Glax liebt es, sich als den besondern Vertrauensmann des Ministeriums hinzustellen, seine besondere Kenntnis der hohen Intentionen hervorzuheben, von ihm gewordenen ministeriellen Andeutungen zu sprechen und insbesondere, wenn er überstimmt wird, Separatvoten und Spezialberichte an das hohe Ministerium in Aussicht zu stellen. Wir sind das schon ziemlich gewöhnt und wissen, daß dem Worte nicht gerade immer die That folgt. Andererseits können wir uns nicht verhehlen, daß nach Maßgabe früherer Entscheidungen, an welchen Prof. Glax näheres Interesse hatte, derselbe allerdings Grund zu haben scheint, auf besondere Berücksichtigung seiner Ansichten hohen Orts rechnen zu dürfen, was natürlich die Fakultät ihm gegenüber in eine peinliche Stellung bringt. Jetzt liegt nun ein Fall vor, in welchem Prof. Glax der ganzen Fakultät, selbst einzelnen ihm sonst näherstehenden Mitgliedern gegenübersteht, wo sein Vorgehen ein sehr rücksichtsloses war, seine Ansicht den klaren Gesetzesbestimmungen aufs bestimmteste widerspricht; müßte auch in diesem Falle die Fakultät auf eine ausdrückliche Billigung ihrer Ansicht verzichten, so müßte ihre Stellung einem Einzelmitgliede gegenüber geradezu eine unerträgliche werden. Was mich betrifft, den dieses bei der Verwandtschaft des Faches am meisten trifft, so werden Eure Excellenz gewiß überzeugt sein, daß ich einen so unangenehmen, so lange vermiedenen Schritt gewiß nicht kleinlicher Reibereien wegen, wie sie überall vorkommen mögen, gewagt haben würde, ihn nur gethan habe, weil mir nichts anders übrig blieb, wenn ich mich nicht gefaßt machen wollte, daß diese Verhältnisse so unleidlich werden könnten, daß mir schließlich nichts übrig bliebe, als mich ihnen durch Räumung des Feldes zu entziehen. Und so etwas thut man doch ungern, ohne die Mittel zur Vertheidigung erschöpft zu haben.
Der zweite Antrag geht dahin, das hohe Ministerium möge geruhen, dem Dr. Huber zu erlauben, statt über die ganze allgemeine Geschichte, über alte und österreichische Geschichte lesen zu dürfen. Dem Gesichtspunkte der hohen Entscheidung, daß das Feld zu verengen sei, dürfte dadurch eben so vollständig Rechnung getragen sein; motivirt ist der Antrag dadurch, daß häufigere und eingehendere Vorträge über alte Geschichte Bedürfnis seien; was die österreichische Geschichte betrifft, es wünschenswerth scheine, daß der Dozent nicht von dem Fache ausgeschlossen sei, in welchem die tüchtigste Leistung von ihm zu erwarten sei. Seinen Widerstand gegen diesen Antrag motivirt Prof. Glax dadurch, daß kein Bedürfnis nach weitern Vorträgen über österreichische Geschichte vorhanden sei. Die Fakultät mochte allerdings in ihrer Eingabe auf den Punkt nicht eingehen, in wie weit die Vorlesungen des Prof. Glax jedem Bedürfnisse genügen. Zwangskollegien, wie es die österreichische Geschichte für Juristen ist, haben so lange sie nur durch Einen gelesen werden nur zu häufig die Folge, daß der Professor auf die Güte seiner Vorlesung wenig achtet, da die Studirenden doch kommen müssen; ein Umstand, welcher unzweifelhaft das wissenschaftliche Streben an kleinen Universitäten, wo die Obligatfächer nicht durchweg doppelt besetzt sind, sehr beeinträchtigt. Ist es nun auch sehr begreiflich, daß der bisher allein berechtigte Professor es ungern sieht, wenn ein fähiger und strebsamer Dozent dasselbe Fach liest, so scheint das andererseits doch nur im Interesse des Staats zu liegen, zumal, wenn die Vorlesungen des Fachprofessors zu wünschen übrig lassen. Was den wissenschaftlichen Werth der Vorlesungen des Prof. Glax betrifft, so konnte ich mir mit der Zeit ein Urtheil bilden aus den übereinstimmenden Urtheilen tüchtiger Schüler; über seine wissenschaftliche Bildung überhaupt zu urtheilen gaben mir von anderm abgesehen, insbesondere die Prüfungen genügende Gelegenheit; und es dürfte hier, an der Universität, wie sonst in urtheilsfähigen Kreisen die Ansicht ziemlich allgemein sein, daß es nur wünschenswerth sei, wenn über österreichische Geschichte noch von einem andern gelesen werde. Ein Eingehen auf den Wunsch der Fakultät dürfte nur im Interesse der Universität liegen.
Prof. Glax bezieht sich in seiner neusten Äußerung darauf, daß Dr. Huber, welcher nur hier studirte, genügende Kenntnis für österreichische Geschichte gar nicht haben könne. Die Fakultät kann darauf natürlich nicht sehen, da er die vorgeschriebenen Habilitationsleistungen erfüllt hat und Prof. Glax, hier gewiß kein zu milder Richter, den wissenschaftlichen Werth derselben nicht in Frage zu stellen wagte. Was den Einwand an und für sich betrifft, so kann ich nicht beurtheilen, welchen Werth Prof. Glax seiner eigenen hiesigen Wirksamkeit beilegt. Ich habe mich jetzt ins fünfte Jahr bemüht, den Dr. Huber bei seinen Studien, insbesondere auch über österreichische Geschichte zu unterstützen; und ich glaube durchaus dafür einstehen zu dürfen, daß er über dieselbe sehr tüchtige Vorlesungen halten kann und Arbeiten über dieselbe veröffentlichen wird, welche seine Befähigung für dieses Fach außer Zweifel stellen werden; und ich glaube im Ganzen zu empfindlich für meinen wissenschaftlichen Ruf zu sein, um mich der Gefahr aussetzen zu mögen, denselben durch ein voreiliges oder befangenes Urtheil in dieser Richtung zu kompromittiren. Es handelt sich ja auch gar nicht um eine Anstellung, sondern um eine einfache Erlaubnis, seine Kräfte zu versuchen; dazu scheint mir doch nur eine Garantie nöthig, daß seine Vorlesungen die Fakultät nicht kompromittiren; und diese dürfte übergenügend vorhanden sein, da ihm abgesehen von seinen Kenntnissen und seiner Charaktertüchtigkeit auch äußere Begabung für den Vortrag reichlich zu Gebote steht. Ihn für allgemeine Geschichte zu approbiren trug auch Prof. Glax nicht das geringste Bedenken, obwohl seine Einwände dieses Gebiet eben so gut getroffen hätten.
Eure Excellenz werden die Unbescheidenheit verzeihen, mit der ich Hochdieselbe, welche jetzt von so vielen wichtigen Dingen in Anspruch genommen sein dürfte, mit einer verhältnismäßig geringfügigen Sache zu belästigen wagte; ich würde es nicht gewagt haben, hätte ich irgend einen andern Weg einzuschlagen gewußt. Einziger Zweck meiner Bitte war, auf eine der Fakultät günstige Erledigung jener Anträge hinzuwirken; erfolgt eine solche, so dürften die Mißstände, welche ich berührte, ihr Gewicht verlieren. Ich bedauere, daß ich ungünstige Äußerungen über einen Kollegen nicht vermeiden konnte, hoffe aber zuversichtlich, daß der hier eingeschlagene Weg einer Privatmittheilung ihm weniger nachtheilig sein dürfte als irgend eine Form öffentlichen Auftretens, welche ich, wollte ich mich zu jener nicht entschließen, auf die Dauer schon meines wissenschaftlichen Rufes wegen kaum würde vermeiden können.
Schließlich erlaube ich mir beiläufig zu erwähnen, daß der Dr. Tewes aus Hannover, welcher hier konvertirte und sich dann als Privatdozent für römisches Recht habilitirte, mir kürzlich mittheilte, sein mit jenen Schritten, welche die Mutter billigte, nicht einverstandener Vater denke Schritte beim hohen Ministerium zu thuen, damit ihm die Erlaubnis hier zu lesen entzogen und er zur Rückkehr in den hannover’schen Staatsdienst genöthigt werde. Ich kann mir nun freilich nicht wohl denken, wie solche Schritte irgend einen Erfolg haben können; möchte aber doch die Gelegenheit benutzen, um zu erwähnen, daß, insoweit an geeigneten Romanisten kein Überfluß zu sein scheint, das Verbleiben des Dr. Tewes dem Staate wohl nur erwünscht sein dürfte; nach den Urtheilen sachverständiger Kollegen wie seiner Schüler besitzt er eine sehr gründliche wissenschaftliche Bildung und eine sehr bedeutende Lehrgabe; er dürfte insbesondere im gegenwärtigen Semester bei der Abwesenheit des Prof. Maassen durch seine stark besuchten Vorlesungen hier sehr genützt haben.
Mit größter Hochachtung und Ehrerbietung

Eurer Excellenz

ganz gehorsamster
Dr. Ficker

Innsbruck, 1860 Januar 19.