Johann Kleemann, Ministerialrat im MCU, legt ein Gutachten zur Situation der Gymnasiallehrer vor. Dabei konstatiert er, dass durch die Reform der Bedarf an Gymnasiallehrern zwar enorm gestiegen sei, dieser Bedarf aber nicht ausreichend gedeckt werden könne. Außerdem würden sich derzeit fast nur Studenten aus unbemittelten Familien dem Gymnasiallehramt widmen und daher seien die Ausgaben für die Stipendien stark gestiegen. Kleemann sieht zwei Möglichkeiten, diesen Problemen entgegenzuwirken. Einerseits möchte er die Attraktivität des Lehrerberufs für Söhne aus höheren sozialen Schichten steigern. Hierzu müsste das öffentliche Ansehen von Lehrern erhöht werden. Andererseits sollte das Schulgeld wieder erhöht werden, um mit diesen Beiträgen die Studienfonds zu entlasten, so dass auch mehr und attraktivere Stipendien ausbezahlt werden könnten. Um seine Ansichten zu untermauern, zieht er auch Vergleiche zur Situation in Preußen.
Gutachten
I. Der vorliegende Vorschlag geht von der Betrachtung aus, daß nach den
gewonnenen Erfahrungen aus dem letzten Dezennium sich in der Regel nur völlig
unbemittelte Studierende dem Gymnsiallehramte zuwenden, wodurch für die
Regierung die Nothwendigkeit entsteht, für die Ausbildung derselben selbst
Vorsorge zu treffen.
II. So ist es gekommen, daß dermalen die Kosten der
Seminarien und Stipendien die Summe von 43.000 fl. jährlich in Anspruch
nehmen.
III. Dem könne nur dadurch in dauernder Weise vorgebeugt werden,
wenn durch die Erhöhung der Lehrergehalte auch Söhne bemittelter Familien
bewogen werden, sich dem Gymnasiallehramte zu widmen.
IV. Diese Erhöhung
solle, ohne die Staatsmittel in Anspruch zu nehmen, durch Erhöhung des
gegenwärtigen Schulgeldes um 50% und die Zuweisung dieser 50% an die fünf
obersten Lehrer jedes Gymnasiums erzielt werden.
ad I.
Die Thatsache, daß sich nur Unbemittelte dem Gymnasiallehramte
zuwenden, muß zugestanden werden; sie bestand aber auch und in vielleicht
größerem Umfange vor der Reform der Gymnasien. Ursache hiefür ist nicht der
Lehrergehalt; dieselbe liegt in der Wesenheit des Lehramtes für Mittelschulen
und in den eigenthümlichen Grundanschauungen, welche in Österreich über Bildung und Beruf herrschen. Während in Deutschland
als Regel anzunehmen ist, daß nur der Bemittelte "studiere", kann in Betreff Österreichs ohne Übertreibung behauptet werden, daß zwei Drittel der
Gymnasialschüler nicht so viele Mittel von zu Hause besitzen, um damit die mit
dem Gymnasialstudium verbundenen Auslagen bestreiten zu können. (Wien ausgenommen, aber Wien kann hier weder den
Maßstab noch den Ausschlag geben.) Wer kein Vermögen besitzt, läßt eben deshalb
seine Söhne studieren; bemittelte oder gar wohlhabende Familien betrachten eben
weil ihre Söhne Mittel zur selbständigen Existenz zu erwarten haben, das
Studieren an Gymnasien, die nicht eine Bildung gewähren, von welcher sich
unmittelbar ein reichlicher Erwerb gewinnen läßt, als unnütze Sache, und
begnügen sich, ihren Söhnen durch Hauslehrer einen wissenschaftlichen Anstrich
zu geben oder schicken dieselben in technische, landwirtschaftliche und ähnliche
Schulen. Es sind verhältnismäßig sehr seltene Fälle, daß Söhne von Fabrikanten,
Kaufleuten, Gutsbesitzern, [?], Rentiers und dgl. an Gymnasien mit dem Vorsatze
studieren, das Ziel zu erreichen, zu welchem Gymnasien als Mittel bestehen. Man
sehe sich nur an Gymnasien der Landstädte um (Provinzialhauptstädte nicht
ausgenommen) und man wird finden, daß von den mittleren Gymnasialklassen
angefangen die Schüler durch Privatunterricht, durch Unterstützungen und freie
Mittagstische erhalten werden. Frühzeitig gewöhnt sich der Gymnasialschüler
selbst an das Unterrichten, was bei ihm anfangs Gebot der Noth war, wird ihm oft
zur angenehmen Gewohnheit, und so wählt er den Lehrerberuf. Weil ich selbst ein
solcher "Student" war und als nachmaliger Lehramtskandidat und Lehrer, dann
Schulrath und endlich auf meinen Bereisungen in diesen Lehrerverhältnissen seit
mehr als 30 Jahren in verschiedenen Kronländern Erfahrungen gesammelt hatte,
kann ich die Aufklärung darüber geben, warum nicht bloß jetzt, sondern von jeher
nur mittellose Schüler sich dem Lehramte widmeten. Seit meiner 30jährigen Praxis
ist mir nicht Ein Fall der entgegengesetzten Erscheinung vorgekommen; drei
Lehrer nur sind mir bekannt, die ein mehr als ausreichendes Auskommen besitzen,
die Mittel dazu aber bietet die Mitgift der Gattin.
Eine andere Ursache ist
auch die Wesenheit des Gymnasiallehramtes selbst. Dieses nämlich erfordert eine
gewisse Stufe wissenschaftlicher Bildung. Ist dieselbe
erreicht, so wird sie durch die Mühen des Lehramtes derart im weiteren
Fortschritte gehemmt daß, seltene Ausnahmen besonderer Begabung abgerechnet, der
Lehrer und mit ihm die Regierung zufrieden sein muß, wenn es ihm gelingt, sich
mit den Fortschritten seiner Wissenschaft einiger Maßen vertraut zu machen.
Begreiflicher Weise wenden sich jene, welche sich durch Privatunterricht
erhalten müssen, aber keine Vorliebe für das Lehramt gefaßt haben, und von
wissenschaftlichem Geiste beseelt sind, daher um so mehr jene, welche die Mittel
zur Subsistenz besitzen, einer solchen Laufbahn zu, die es ihnen erlaubt, sich
berufsgemäß ganz ihrer Wissenschaft hinzugeben oder jedes andere als das
philosophische Fakultätsstudium zu ergreifen. Früher wie jetzt findet man auch
bei Jus und Medicin ganz mittellose Studenten; daraus ist auch erklärlich, daß
man in anderen Ständen als jenen des Lehramts so viele Männer findet, die in
literärischen und wissenschaftlichen Kreisen sich einen rühmlichen Namen
erworben haben.
Eine dritte Ursache liegt in der hergebrachten bürgerlichen
und sozialen Stellung der Lehrer. Das Ansehen des Lehrstandes in Österreich war und ist verhältnißmäßig ein geringes. Mag die
moralische Achtung, die derselbe genießt auch noch so ehrenvoll sein, die äußere
Ehre in der bürgerlichen Gesellschaft und neben anderen Beamten reduziert sich
auf das kleinste unerläßliche Maß. Der Gymnasiallehrer bleibt überall da
unbeachtet, wo selbst Anfänger in der politischen Amtssphäre herangezogen
werden. Es ist dies allerdings nicht ein Umstand von absolutem Werthe; aber er
wirkt doch demüthigend und schreckt viele ab von der Wahl eines Standes, der so
wenig äußere Ehre gewährt. (Auch diese Behauptung entnehme ich aus Erfahrungen
und Wahrnehmungen von mehr als 30 Jahren) Ich möchte dafür einstehen, daß, wenn
man einem absolvierten Gymnasiasten, (versteht sich einem unbemittelten, denn
bei einem bemittelten ist es zweifellos) die Wahl zwischen "Jus" und
"Philosophie" mit der sicheren Aussicht frei stellte, daß er nach 10 Jahren
Kreiskomissär mit 1000 fl oder Gymnasialdirektor mit 1400 fl CM werden werde, er
sich für das erstere entschließen würde.
ad II
Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß die Kosten, welche dermalen die
Regierung für die Heranbildung der Kandidaten trägt, sehr beträchtlich seien.
Ihre Erklärung finden sie aber nicht bloß und zunächst in der Mittellosigkeit
der Kandidaten, sondern darin, daß in dem letzten Dezennium ein ungleich
größerer Bedarf von Lehrkräften eintrat, welcher durch die zur Verfügung
stehenden auch seinem kleinsten Theile nach nicht gedeckt werden konnte und
kann, wie folgender statistischer Ausweis zeigt: Seit der Gymnasial-Reform
wurden:
a: Neu errichtet i.e. mit weltlichen Lehrern besetzt 15 sogenannte
Staatsobergymnasien à 11 Lehrer (mit Ausschluß der Katecheten), in Summa = 165 Lehrer
b. Eben so 8 (weltliche) Untergymnasien à 5 Lehrer (mit Ausschluß des
Religionslehrers), in Summa = 40 Lehrer
c. Vermehrt mit der 7. und 8. Klasse 26 (weltliche) Gymnasien à 4 Lehrer
(ohne den Religionslehrer) in Summa = 94 Lehrer
d. Zwölf Gymnasial-Inspektoren, die aus dem weltlichen
Gymnasiallehrstande berufen wurden, macht die Totalsumme 311
Lehrer, um welche gegenwärtig sich der Bedarf bloß an den mit
weltlichen Lehrer besetzten, von der Regierung unmittelbar abhängigen Gymnasien
gesteigert hat. Hiebei sind, wie gesagt, die Ordensgymnasien, die
protestantischen Gymnasien in Ungarn, die zum Theile
mit weltlichen Lehrern besetzten katholischen Gymnasien in Siebenbürgen, die Gymnasien der Militärgränze und des venetianischen Königreichs, dann jene Volksschulräthe nicht gerechnet,
welche, wie Lankossky [Lautkotzky], Linzlaner[?], Bojdoch[?]) dem Gymnasiallehrstande
entnommen wurden.
In Anbetracht dieser Ziffer muß man die gedachten Kosten
als eine Nothwendigkeit, aber zugleich als eine solche erkennen, die
vorübergehend ist, so gut als es im Jahr 1819 eine Nothwendigkeit war, die
Gehaltsdrittel einzuführen, um für die vielen neu errichteten, und überdieß mit
der sogenannten Parva vermehrten Gymnasien Lehrer zu gewinnen. Damals dauerte
der Mehrbedarf, der im Vergleich zu den gegenwärtigen als ein unbedeutender
erscheint, bis zum Jahre 1830, also 11 Jahre, wonach die Gehaltsdrittel
aufgehoben und durch einfache Zulagen von 100 fl überdies mit der Beschränkung,
daß diese bei Vorrückung oder Beförderung pro rata eingezogen werden, ersetzt
wurden. Und dennoch zeigte sich seitdem, eben weil der absolute Bedarf einem
relativen Platz machte, daß man nicht nur keine Mangel sondern einen Überschuß
an Lehramtskandidaten hatte, indem jeder 10–15 Konkurse mitmachen und 10–12
Jahre warten mußte, bis ihn die Reihe in der Anstellung traf.
Schon dermalen
sind mehr geprüfte Historiker, Physiker und Mathematiker als zur Anstellung
gelangen können. Durch Rücksichten hierauf muß sich die Auslage verringern. Ein
Bedarf bleibt nur bei Philologen und die Ursache dieser Erscheinung ist wohl
anderwärts zu suchen. (Größere, umfangreichere und mehr Zeit in Anspruch
nehmende Vorbildung. – der bei weitem größere Philologenbedarf, als für die
anderen Lehrgruppen. – Sterbefälle und Pensionierung der alten Lehrer und
Direktoren, die sämmtlich der philologischen Lehrgruppe angehören, während
Mathematiker, Physiker und Historiker der neuen Schule angehören. – Zug der
Zeit, welcher sich mehr den materiellen Wissenschaften zuwendet, aus welcher ein
leichterer Übertritt in andere Berufs-Sphären stattfindet und dgl.
mehr.)
Ist für die philologischen Stellen einmal vorgesorgt, so wird dann
nur für die Besetzung solcher Stellen vorzusehen sein, welche durch
Pensionierungen und Todesfälle frei werden, und wird daher selbst in dem Falle,
als für die Heranbildung von Philologen die Regierung Unterstützungen gewähren
müßten, die Auslage sich sehr verringern.
Wenn übrigens die in der
vorliegenden Denkschrift ausgesprochene Besorgnis, die durch das ausschließliche
Aspirieren Unbemittelter auf das Gymnasial-Lehramt wach gerufen wird, nur in den
Unterstützungen des Staates begründet werden sollte, so vermindert sich dieselbe
durch die voranstehende Betrachtung. Meines Wissens ist bei Verleihung von
Stipendien bisher immer auf den Calkül des Maturitätszeugnisses Rücksicht
genommen worden; man gewährte nur da, wo der Calkül für Latein und Griechisch
sehr günstig lautete. Und auch davon abgesehen ist bei der gehörigen Strenge um
Sorgfalt in dem Seminar-Unterrichte, welche Eigenschaften gerade dem Verfasser
der Denkschrift in auszeichnendem Grade nachgerühmt werden, und wobei unfähige
Köpfe sobald als möglich von dem weiteren Besuche ausgeschlossen werden, nicht
zu fürchten, daß Mittellosigkeit auch mit dem Mängel mittelmäßiger Befähigung
gebrandmarkt, in das Gymnasiallehramt eingeführt werde.
ad III.
a) Was die pekuniäre Stellung der Lehrer anbelangt, so kann dieselbe,
so wenig glänzend sie auch ist, und deren Verbesserung überhaupt gewünscht
werden muß, doch jeden Vergleich mit den übrigen Staatsbeamten derselben oder
der nächsthöheren Diätenklasse aushalten;
b) Sie steht ferner kaum hinter
jener zurück, welche Professoren an kleineren Universitäten einnehmen, an welche
doch, was Talent und Vorbildung anbelangt, bei weitem höhere Anforderungen
gestellt werden;
c) sie ist endlich bedeutend günstiger, als sie vor dem
Jahre 1848 gewesen.
Es dürfte genügen, bloß ad c) dasjenige anzuführen, was
seit dem Bestande des Unterrichts-Ministeriums für die gedachte Stellung erwirkt worden ist,
woraus sich die Begründung der Behauptungen ad a) und b) von selbst
ergibt.
1. die Gehalte an allen Gymnasien sind um 200 fl CM erhöht worden.
Daß dieser Betrag nicht überall als ein Äquivalent für die entgangenen
Korrepetitionsgelder angesehen werden kann, läßt sich nicht in Abrede stellen,
da an manchem Gymnasium diese Gelder wenigsten das doppelte betrugen. Allein
dieß war nur an den übermäßig besuchten Gymnasien zu Prag, Brünn, Lemberg und Laibach der Fall. Dagegen muß nicht übersehen werden, daß nunmehr auch
die Pension um 200 fl. CM erhöht ist.
2. bei Beförderung und Vorrückung in
einen höheren Gehalt bleiben die bereits erworbenen Dezennalzulagen unverkürzt. Nach diesem zeigt sich die Behauptung, daß früher
die Lehrer an Gymnasien I. Klasse ihren Gehalt von 700 oder 800 fl nach 30
Dienstjahren verdoppelten, i.e. auf 1400 oder 1600 fl brachten, was gegenwärtig
der Fall nicht sei, als ein Irrthum. Denn nach dem damaligen Prinzip der
Anciennität gelang es einem Lehrer an einem Gymnasium III. Klasse selten früher
als nach 20jähriger Dienstleistung an ein Gymnasium I. Klasse befördert zu
werden, deren es übrigens sehr wenige gab. Um so viel nun als die Gehalts-Erhöhung betrug, wurde die Dezennalzulage eingezogen.
Eine
Ausnahme bildete nur das Görzer Gymnasium, aus dem Grunde, weil dieses im Jahr
1820 (?) neu errichtet, mit jungen Lehrern nach der III. Gehaltsklasse besetzt
um schon nach wenigen Jahren zu einem Gymnasium der I. Gehaltsklasse erhoben
wurde, weshalb hier die Beförderung der Lehrer noch vor Erlangung einer
Dezennalzulage stattfand.
3. Früher bestanden in der ganzen Monarchie (mit
Ausnahme des italienischen Antheils) 9 Gymnasien erster Klasse; gegenwärtig gibt
es deren 22 also 143 Lehrerstellen mehr zur Beförderung und
Verbesserung des Gehaltes um 200 fl CM.
4. Gegenwärtig gibt es 15
Gymnasialdirektorsstellen mehr als vor dem Jahr 1848
Gymnasialpräfekten bestanden; dazu 18 katholische Gymnasial-Inspektorate.
5.
der Präfekt bezog früher 100 fl mehr als der Humanitätslehrer; der
Gymnasialdirektor bezieht gegenwärtig 300 fl CM mehr als der älteste
Gymnasial-Lehrer.
6. Früher standen in der höheren Gehaltsstufe an jedem
Gymnasium 2 (Humanitäts-)Lehrer und der Präfekt; gegenwärtig 5 Lehrer und der
Direktor.
Die Fälle der Beförderung und Gehaltsverbesserung sind daher
bedeutend vervielfältigt worden.
Unter gleichen Bedingungen bezieht
gegenwärtig ein Lehrer im Vergleich zu einem vor dem Jahr 1848 (der nicht schon
vor dem Jahr 1831 angestellt wurde und Anspruch auf Gehaltsdrittel hatte)
wenigstens 300 fl, ein Direktor im Vergleich zum Präfekt wenigstens 400 fl CM
mehr Gehalt nach vollstreckter 30jähriger Dienstzeit. Dazu kommt die erste
Anstellung mit wenigstens 700 fl CM, was in keiner anderen Sphäre des
Staatsdienstes der Fall ist. Der geringst besoldete Lehrer bezieht nach 30
Dienstjahren an Pension 1100 fl CM (wie kein Landesgerichts- oder Landesrath)
der höchst besoldete Lehrer 1300 fl CM (wie wenige Statthaltereiräthe), der
Gymnasialdirektor I. Klasse 1600 fl CM wie kein Sektionsrath.
Auch verdient
erwähnt zu werden, daß die Direktoren in die VIII. Diätenklasse eingereiht
wurden, während die Präfekte in der IX. standen.
Alles dies soll jedoch
keineswegs gegen eine mögliche Verbesserung der Lage der Gymnasiallehrer
sprechen, und es läßt sich nicht leugnen, daß eine solche jedenfalls auf den
ganzen Stand wohlthätig und ermunternd zurückwirken, daher auch zur Förderung
der Interessen des Gymnasialunterrichtes viel beitragen würde. Mit Liebe und
vollem Eifer bleibe ich einer solchen Aufgabe zugethan, aber um dieses Zweckes
allein, nicht um derjenigen Nebenzwecke willen, welche die vorliegende
Denkschrift mit in den Bereich dieser Frage und ihrer Motivierung einbezieht,
weil ich nach dem bisher Gesagten überzeugt bin, daß sich diesen Nebenzwecken in
ihrer Verbindung mit der Verbesserung des Einkommens der Lehrer kein sicherer
Halt abgewinnen läßt und eine Aussicht auf deren Realisierung nicht vorhanden
ist.
Über das hiezu vorgeschlagene Auskunftsmittel
ad IV.
muß bemerkt werden, daß dasselbe nur dann vorgeschlagen werden
könnte
a) wenn von den leitenden Grundsätzen der allerhöchst sanktionierten
Schulgeldgesetze gänzlich abgegangen,
b) wenn es nicht als Mittel angewendet
würde, um hiedurch Söhne bemittelter Eltern zum Gymnasial-Lehramte
herbeizuführen.
a.
bei Bestimmung des Ausmaßes des Schulgeldes, wie es
dermalen eingeführt ist, leitete der Gedanke, dasselbe so nieder zu stellen, daß
alle Schüler mit wenigen Ausnahmen zur Entrichtung desselben verhalten werden
könnten, daß daher der umgekehrte Fall von früher Platz griffe, nämlich die
Zahlung zur Regel, die Befreiung zur Ausnahme zu machen. Die vorgesehene Wirkung
trat auch ein, daß nämlich das von 18 und 12 fl auf 12 und 8 fl herabgesetzte
Schulgeld das doppelte und dreifache und noch mehr von dem früheren Ertrage
lieferte, obwohl den statistischen Ausweisen zufolge in der Regel die Zahl der
Zahlenden jene der befreiten nicht bedeutend überwiegt, was wohl hauptsächlich
auf Rechnung der Mittellosigkeit kommt. Eine Erhöhung desselben um 50% also
wieder auf 182 und 12 fl ohne Unterschied der Klassenstufe
müßte
1. entweder, wenn die ganze Strenge beibehalten wird, mit welcher nach
den bestehenden Vorschriften bei Ertheilung der Befreiung vorgegangen werden
soll, eine drückende Last für alle jene werden, welche eben noch zur Entrichtung
des Schulgeldes verhalten werden konnten, oder
2. es müßte von der
bisherigen Strenge bei Befreiungen abgegangen werden.
Im ersten Falle
unterläge die Durchführung der Maßnahme, auch abgesehen von der Gehäßigkeit
welche jede größere Besteuerung an sich hat, denjenigen Bedenken, welche aus der
Thatsache der weit überwiegenden Anzahl armer dürftiger und wenig bemittelter
Schüler sich ergeben. Es ist hier nicht am Platze des weiteren auszuführen, wie
an Gymnasien in der Mehrzahl die Schüler wohnen, sich nähren, sich kleiden. Es
genüge der für mich erfreulichen Thatsache zu erwähnen, daß die von mir als
ehemaligem Schulrathe und als inspizierendem Ministerial-Comissär veranlaßten
Vereine zur Unterstützung armer, braver und fleißiger Gymnasialschüler in vielen
Städten (Cilli [Celje],
Marburg [Maribor], Gratz [Graz], Agram, Salzburg,
Troppau [Opava],
Olmütz [Olomouc] u.a.)
sehr viel Anklang gefunden und gedeihen, indem nicht bloß der Unterstützungsfond
jährlich vermehrt, sondern unter Obsorge und Leitung der Lehrkörper,
insbesondere der Religionslehrer, wobei dieselben zugleich mehr Einfluß auf die
häusliche sittliche Erziehung und Disziplin gewinnen, solche Schüler mit
Kleidung, Kost, Arzneien, anständiger Wohnung und mit Schulbüchern, (über deren
unerschwingliche Preise in den Provinzen sehr geklagt wird) mit letzteren in der
Weise versorgt werden, daß aus dem Unterstützungsfond eine Anzahl Exemplare für
die Bibliothek angeschafft, und den Schülern für die Dauer des Gebrauches
geliehen werden. Die verausgabte Unterstützungssumme beläuft sich an jedem der
gedachten Gymnasien von 600–1200 fl jährlich. So lange solche Schüler nicht
Anspruch erworben haben auf Befreiung vom Schulgeld (das ist der Fall in der I.
Klasse) wird für sie auch das Schulgeld gezahlt.
Je höher nun das Schulgeld
gesetzt wird, um so zahlreicher werden dann die Fälle der Zahlungs-Unfähigkeit
sich nachweisen lassen. Ein hoher Schulgeld-Ansatz und eine indirekte
Ausschließung fähiger Schüler vom Gymnasialstudium bloß deshalb weil sie
mittellos sind, widerstreitet aber sehr den festgewurzelten hergebrachten
Anschauungen der Provinz- und selbst Städtebevölkerungen in Österreich. Eine solche Maßregel dürfte für Oberrealschulen für
gerechtfertigter und gerathener gehalten werden. Trotzdem möchte ich, soweit
meine Kenntnis Österreichs Verhältnisse
reicht, zweifeln, daß die betreffenden politischen Behörden darauf einrathen
würden.
Eine Parallele mit dem Auslande ist hier nicht zutreffend, da dort
eben die hier berührten Bedingungen sämmtlich ganz anders, d.h. in Betreff der
Mittel zur wissenschaftlichen Schulbildung viel günstiger sind. Dort findet es
auch keinen Anstoß, 20, 30 Thaler und darüber Schulgeld zu zahlen, zumal eine
große Anzahl Gymnasien Communalanstalten sind, zu deren Erhaltung eben das
Schulgeld das Meiste beitragen muß. Dort giebt es aber auch Gymnasien, an
welchen die erste Anstellung nur mit 100 oder 200 Thalern Einkommen verbunden
ist. Da that es z.B. vor 1 1/2 Jahren in Hannover allerdings noth,
auf Verbesserung der Gehalte bedacht zu nehmen und dieß, um den Staatsschatz zu
schonen, nicht ohne lange Debatten durch Erhöhung des Schulgeldes
durchzusetzen.
2. Würde aber bei erhöhtem Schulgeld von der bisherigen
Strenge bei Befreiungen abgegangen werden, so würde trotz der größeren
Einzelzahlungen, im Ganzen der Ertrag des Schulgeldes dem bisherigen ziemlich
gleich bleiben, jedenfalls aber bei der Repartition für den Studienfond eine
geringere Summe als die bisherige und für die Lehrer ein unbeträchtlicher
Beitrag sich herausstellen, der Zweck daher, – die Erhöhung der Lehrergehalte –
illusorisch werden, das in jedem Falle Gehäßige der Maßregel aber
bleiben.
b. Angenommen auch, daß sich diese Erhöhung ohne Bedenken
durchführen ließe, was nicht der Fall ist, so würde bestimmt der Zweck, welcher
ihr zu Grunde liegen soll, nämlich die Söhne bemittelter Stände hiedurch für das
Gymnasiallehramt zu gewinnen und dem Staate die Kosten zur Heranbildung zu
ersetzen, nicht erreicht werden. Die Gründe dafür sind oben erörtert worden, ad
I, hauptsächlich jene, daß die Stellung des Lehrers an einer Mittelschule für
bemittelte Kandidaten gar keinen Reiz, für wissenschaftliche
Geister keinen hohen Reiz bietet und von allen, die auf
anderen Wegen ihren Drang nach der Stellung eines Staatsbeamten oder nach der
Wissenschaft befriedigen können, gewiß gemieden wird. Eine Parallele mit dem
Auslande kann auch hier nicht Platz greifen, da die Wurzeln eines allgemein
regen wissenschaftlichen Strebens bei uns erst eingesenkt sind und noch für
lange Zeit kein solcher Überfluß wissenschaftlicher Begabung zur Verfügung
stehen wird, wie anderwärts.
Sollte die voranstehende Ausführung ihrem Standpunkte und ihrer Begründung nach nicht stichhaltig, und die Durchführung der vorgeschlagenen Erhöhung des Schulgeldes unbedenklich erscheinen, so könnte gegen den Modus der Vertheilung des Schulgeldes unter die Lehrer nach der mit anerkennenswerther Mühe und Sorgfalt entworfenen Tabelle kaum etwas eingewendet werden; nur würde ich jenem Ansatze den Vorzug geben, welcher die Vertheilung in der Reihenfolge von 15, 15, 20, 25, 25 % enthält.
Kleemann