Gutachten von Johann Kleemann zu § 6 der Anträge der Erzbischöfe und Bischöfe des Kaiserreichs zur Umsetzung des Konkordats
o. O. [Wien], o. D. [1856]
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Regest

Der Episkopat fordert, dass die Errichtung von gemischtkonfessionellen Schulen verboten werde. Außerdem drängen die Bischöfe darauf, bereits bestehende gemischtkonfessionelle Schulen aufzulösen. Zudem verlangen sie ein Gesetz, das Katholiken den Besuch von nicht-katholischen Schulen untersagt.
Johann Kleemann äußert sich zu dieser Frage besonders im Hinblick auf das Königreich Ungarn. Dort gebe es katholische und nicht katholische Schulen; der Besuch evangelischer Gymnasien durch katholische Schüler sei in Orten mit katholischen Gymnasien bereits jetzt verboten. Unter gewissen Bedingungen seien aber Ausnahmen möglich. Kleemann betont jedoch, dass in Siebenbürgen diese Anordnungen keine Geltung hätten. Dort konnte bisher keine Einigung in dieser Frage erzielt werden, weil viele katholische Gymnasien einen schlechten Ruf besäßen und daher gemieden würden. Daher müsse zunächst die Qualität der katholischen Gymnasien verbessert werden, bevor man ein solches Verbot exekutieren könne. Das Ministerium habe bereits Maßnahmen hierzu ergriffen.

Anmerkungen zum Dokument

Das Gutachten ist mit weiteren 18 Gutachten unter der Signatur A3 XXI D383 abgelegt.1

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DBEB-6

Schlagworte

Edierter Text

VI.
Mittlere Schulen, welche für die katholische und nicht katholische Jugend in gleicher Weise bestimmt sind und wo deshalb Katholiken und Nichtkatholiken sich in das Lehramt theilen, sind ganz gemacht, der Gleichgiltigkeit und Glaubensarmuth, an welcher die Welt krankt, als Pflegerinnen zu dienen. Ohne Zweifel können in Zukunft gemischte Schulen auch dann nicht errichtet werden, wenn eine gemischte Gemeinde sich zur Gründung derselben vereinigen sollte. Doch ist es sehr zu wünschen, daß überdies Mittel gefunden werden, um die wenigen Schulen dieser Art, welche im Kaiserthume bestehen, ohne langen Verzug in katholische und nicht katholische Lehranstalten zu scheiden.
Daß die katholische Jugend eine nicht katholische Schule an solchen Orten besuche, wo eine katholische Unterrichtsanstalt derselben Art besteht, möge auch von Seite der Staatsgewalt untersagt werden.

e. ad § VI. Confessionell gemischte Schulen betreffend:
"Ist unter Darstellung des Sachverhaltes in Ungarn die gutächtliche Äußerung zu erstatten, was in Erledigung des letzten Absatzes bezüglich der Aufnahme katholischer Schüler in protestantische Gymnasien in Siebenbürgen zu verfügen wäre."

Votum:
In Ungarn giebt es, sowohl was Lehrer als Schüler anbelangt, konfessionell geschiedene, d. h. nur katholische und nicht katholische Gymnasien; der Besuch protestantischer Gymnasien durch katholische Schüler ist unbedingt untersagt in Orten, wo eine katholische Unterrichtsanstalt derselben Art und desselben Umfanges besteht; wo ein katholisches Gymnasium nicht besteht, ist ein solcher Besuch unter den Bedingungen statthaft, a. daß nachweislich die Eltern außer Stande sind, ihre Söhne an entfernten Gymnasien studieren zu lassen, und b. daß das bischöfliche Ordinariat sich erkläre, den Besuch zu dulden und für den katholischen Religionsunterricht und die gottesdienstlichen Übungen der katholischen Schüler die gehörige Vorsorge treffen zu wollen. Die Entscheidung hierüber ist dem Ministerium vorbehalten, dagegen hat die Schulbehörde in allen Fällen, wo sich der Bischof dagegen erklärt, die Bittsteller sogleich abweislich zu bescheiden. Akt Z. 1782 53 und 10516 53.
Daß diese Anordnungen auch auf die Gymnasien in Siebenbürgen ausgedehnt werden, war Gegenstand einer wiederholten Vorstellung des Landesbischofes. Das Nähere ist enthalten in den Geschäftsstücken: Z. 1611, 1968, 1983 vom Jahr 1854 und in den denselben angeschlossenen Vorakten älterer und neuerer Zeit. Diese Geschäftsstücke befinden sich noch bei der hohen Revision.
Über den Sachverhalt bemerkt der Gefertigte, so weit er sich dessen zu erinnern vermag, folgendes:
Schon vor Dezennien war diese Frage Gegenstand von Berichten und Verhandlungen der siebenbürgischen Hofkanzlei, selbst von Reklamationen katholischer Väter (vom Adel) gegen die kirchliche Behörde und deren Versuch die Väter zu nöthigen, daß sie ihre Söhne nicht an dem protestantischen, sondern an dem katholischen Gymnasium desselben Ortes studieren lassen. Entscheidungen der Hofstelle und selbst allerhöchste Entschließungen lehnten es ab, Anordnungen zu treffen, wodurch die freie Wahl der Eltern studierender Söhne in dieser Angelegenheit beschränkt würde. Ob die Anerkennung der Unstatthaftigkeit einer solchen Beschränkung aus einem staatsrechtlichen Verhältnisse oder einer ungehinderten thatsächlichen, durch altes Herkommen sanktionierten Übung abgeleitet wurde, vermag ich jetzt nicht anzugeben. Dessen aber erinnere ich mich, daß frühere Entscheidungen eine indirekte Beseitigung des Übelstandes versuchten, indem darauf gedrungen wurde, daß an den katholischen Gymnasien die Bedingungen hergestellt werden, die zu dem vermißten Gedeihen der Schulen erforderlich sind und wodurch sie in den Stand gesetzt werden, rücksichtlich ihrer Wirksamkeit und der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit mit den protestantischen Gymnasien zu wetteifern, weil die Erbärmlichkeit der ersteren in Privateingaben und in den ämtlichen Berichten als die Ursache angegeben wurde, weshalb katholische Eltern, denen daran läge, daß ihre Söhne einen ersprießlichen wissenschaftlichen Unterricht erhalten, dieselben an die protestantischen Gymnasien sendeten. Dieselben Erwägungen liegen auch den motivirten Anträgen zu Grunde, welche die Statthalterei in ihren Berichten (unter den oben bezeichneten Ministerialgeschäftszahlen) erstattet hat.
Von diesem Ministerium ist übrigens auch schon der Auftrag erfolgt, Berichte und Anträge (im Einvernehmen des Landesbischofes, der auch vom Gefertigten mündlich darauf aufmerksam gemacht wurde) zu erstatten, was erforderlich und zu thun sei, um den Aufschwung der katholischen Gymnasien zu ermöglichen. (Akt 1469 und 18236 vom Jahr 1856)

Kleemann