Der Episkopat fordert in Paragraf 4 seiner Anträge, dass die
bischöflichen Inspektoren an den Konferenzen der Lehrer teilnehmen
dürfen. Damit könne sichergestellt werden, dass keine dem Glauben und
der Sittlichkeit widersprechenden Bücher verwendet würden.
Johann
Kleemann stellt zunächst klar, dass es nicht die Aufgabe des Lehrkörpers
sei, neue Lehrbücher einzuführen. Die Lehrer würden lediglich aus den
vom Ministerium approbierten Schulbüchern die für sie passenden
auswählen. Die Lehrer hätten aber durchaus die Pflicht, auf Fehler in
Schulbüchern oder deren zweifelhafte Eignung hinzuweisen. Aus diesem
Grund sieht er die Forderung der Bischöfe als gerechtfertigt an. Der
bischöfliche Kommissär sollte auch zu Besprechungen, in denen das
sittlich-religiöse Verhalten von Schülern besprochen wird, zugezogen
werden. Darüber hinaus sollte es dem bischöflichen Kommissär gestattet
sein, den Direktor zur Einberufung von Lehrerkonferenzen zu veranlassen,
um über seine Wahrnehmungen hinsichtlich des sittlich-religiösen
Zustandes des Gymnasiums zu berichten.
Das Gutachten ist mit weiteren 18 Gutachten unter der Signatur A3 XXI D383 abgelegt.1
IV.
Der Religionsunterricht ist ein Saame, welcher zwischen das Unkraut
fällt, wenn bei dem Vortrage der übrigen Lehrfächer ein der katholischen Kirche
oder sogar dem Christenthume entfremdeter Geist mittelbar oder unmittelbar
hervortritt. Die Gymnasien und anderen mittleren Schulen werden für Kirche und
Staat das, was sie sein sollen, dann erst vollkommen sein, wenn an denselben
nach Vorschrift des Konkordates der ganze Unterricht nach Maßgabe des
Gegenstandes geeignet ist, das Gesetz des christlichen Lebens dem Herzen
einzuprägen. Damit dies Ziel erreicht werde, bedarf es vor allem einer
entsprechenden Zahl von Lehrern, welche mit den erforderlichen Kenntnissen die
rechte Gesinnung verbinden. Immerhin ist aber schon vieles geschehen, wenn die
Lehrbücher der Aufgabe, welche ihnen durch die erwähnte Bestimmung des
Konkordates gestellt ist, vollkommen entsprechen. Um so mehr muß es unmöglich
gemacht werden, daß ganz wider die Absicht der obersten Leitung des Unterrichtes
ein Schulbuch gebraucht werde, welches irgend etwas dem Glauben oder der
Sittlichkeit Widerstreitendes enthalte. Damit die Bischöfe hierüber und über
alles, was die sittliche und religiöse Erziehung betrifft, eine wirksame
Aufsicht führen können, möge den Männern, welche sie in den Gymnasien und
anderen mittleren Schulen als Inspektoren bestellen, das Recht eingeräumt
werden, den Konferenzen der Professoren und Lehrer beizuwohnen, so oft sie es
für nothwendig erachten; dem Direktor aber werde aufgetragen, wenn in einer
Sitzung über die Anwendung neuer Lehr- oder Hilfsbücher, die Schulzucht oder
andere Religion und Sittlichkeit berührende Gegenstände verhandelt werden soll,
dem bischöflichen Inspektor hievon rechtzeitig Nachricht zu geben.
c. ad IV. die Wirksamkeit der bischöflichen Commissäre an den
Gymnasien:
"Über die Erledigung des vorliegenden Wunsches ist sich gutächtlich zu
äußern".
Votum:
Der Wunsch der Bischöfe in Betreff der Lehrer, daß diese mit den erforderlichen Kenntnissen auch die
rechte Gesinnung verbinden, findet seine Beleuchtung unter d. ad § V.
Was
die Schulbücher anbelangt, so läßt sich über den Antrag, daß
dem bischöflichen Commissär das Recht eingeräumt werde, an den
Lehrerkonferenzen, wenn in denselben über die Anwendung neuer Lehrbücher, die
Schulzucht oder andere die Religion und Sittlichkeit berührende Gegenstände
verhandelt werden soll, theil zu nehmen, folgendes bemerken:
Der Antrag
scheint auf der Voraussetzung zu beruhen, als käme es den Lehrkörpern zu, neue
Lehrbücher einzuführen. Diese Voraussetzung bedarf folgende Berichtigung:
1. Die Lehrkörper haben zunächst nur über die Wahl der vom Ministerium
approbierten Schulbücher sich zu entscheiden. Diese
Approbation beruht auf der zweifachen Anerkennung der wissenschaftlichen
Richtigkeit und der pädagogischen Zweckmäßigkeit des Buches, welch' letztere
auch die sittlich-religiöse Haltung des Buches in sich schließt.
2. Ein
Vorwurf in dieser Hinsicht war gegründet in den ersten Jahren der Durchführung
des Organisationsentwurfes, als die Noth zwang, einstweilen auch theilweise
anstößige Schulbücher als Lückenbüßer zu gebrauchen. Gegenwärtig aber, und zwar
in Folge der vorgenommenen Revision und Sichtung der Schulbücher (Akt 4063 54)
ist zu einer solchen Besorgnis kein Grund vorhanden.
3. Allerdings mag es
sich treffen, daß die Beurtheiler der Schulbücher manches übersehen oder
ungerügt lassen, das ein Buch nicht tadelfrei erscheinen läßt. Die Regierung
kann aber hierin nicht mehr thun, als was sie bereits gethan hat (Akt 127 55),
nämlich den Inspektoren, Direktoren, Lehrern die Pflicht auferlegen, daß sie
sich eine sorgfältige Durchsicht der eingeführten Bücher angelegen sein lassen,
alle jene Stellen, welche etwa in sittlich-religiöser
Beziehung als anstößig erscheinen oder in wissenschaftlicher Beziehung richtiger
zu stellen wären, zum Gegenstande der Besprechung machen, damit die Schulbücher
sowohl dem Inhalte als der Form nach eine immer größere Vollendung erhalten.
Diese Forderung nun macht es nicht nur statthaft,
sondern auch wünschenswerth, daß der bischöfliche Commissär solchen Konferenzen,
in denen es sich um die bezeichnete Frage handelt, beigezogen werde. Weiter wäre
zu wünschen, daß Bischöfe und die bischöflichen Commissäre sich der Mühe nicht
entziehen, die an einem Gymnasium gebrauchten Schulbücher, insbesondere die dem
gesammten Sprach-, dann dem geschichtlichen Unterrichte zugewiesenen,
durchzusehen und ihre Bemerkungen am gehörigen Orte vorbringen, damit in dieser
Beziehung sie selbst so wie das Ministerium volle Beruhigung über die absolute
Correktheit der Bücher gewinnen.
4. Die Lehrerkonferenzen haben endlich das
Recht, auch nicht approbierte Schulbücher zu dem Ende einer Besprechung zu
unterziehen, um die Prüfung eines solchen Buches von Seite des Ministeriums zu
veranlassen und allenfalls die Approbation desselben zu erwirken. Auch in diesem
Falle kann kein Anstand obwalten, den bischöflichen Commissär der Besprechung
beizuziehen.
5. Die gutächtliche Mitwirkung des Commissärs bei Conferenzen
mag auch da als berechtigt angenommen werden, wo es sich um die Behandlung eines
Schülers, der ein sittlich-religiöses Vergehen begangen hat oder um die
Überzeugung von der Unbedenklichkeit der einzelnen Kost- und Quartiergeber
handelt.
6. Endlich kann es dem Zwecke entsprechend befunden werden, wenn
der bischöfliche Commissär zuweilen den Direktor zur Zusammenberufung der Lehrer
veranlaßt, um über die bei seiner Hospitierung gemachten Wahrnehmungen
hinsichtlich des sittlich-religiösen Zustandes der Schule zu konferieren und
sich darüber und über die damit zu verbindenden Maßnahmen zu verständigen.
(Betreffen aber diese Wahrnehmungen die Persönlichkeit einzelner Lehrer, so darf
dem Commissär so viel Takt zugetraut werden, daß er in diesem Falle nicht das
Mittel der Plenarsitzung, sondern der vertraulichen Rücksprache mit dem Direktor
oder mit den betreffenden Lehrern wählen wird.)
Dies wären nach Ansicht des
Gefertigten die Grenzen, innerhalb welcher der bischöfliche Commissär als unterstützendes, berathendes Mitglied der Konferenzen zur
Förderung des sittlich-religiösen Gedeihens eines Gymnasiums mitzuwirken hätte.
Eine andere Beziehung fällt mir nicht ein, in welcher sich noch die Einflußnahme
eines Commissärs als ersprießlich oder überhaupt von praktischer Wirkung
erweisen könnte.
Kleemann