Die Bischöfe fordern in § 17 ihrer Anträge zur Umsetzung des Konkordats,
dass die Bischöfe nicht mehr zur Aufsicht über die jüdischen Schulen
verpflichtet seien.
Anton Krombholz unterstützt diese Forderung der
Bischöfe nicht. Gleichzeitig zeigt er sich überrascht über dieselbe,
zumal er bisher nie Bedenken gegen diese Regelung vernommen hatte. Auch,
so Krombholz weiter, gäbe es von Seiten der jüdischen Gemeinden – mit
Ausnahme einzelner Gemeinden in Galizien – keine Klagen gegen diese
Aufsicht. Krombholz spricht sich daher für die Beibehaltung dieser
Regelung aus. Er begründet dies damit, dass weder die Orts- oder
Kreisrabbiner noch die Bezirksämter der Aufgabe gewachsen seien. Er will
außerdem an der Regelung festhalten, weil die katholischen Seelsorger so
einen gewissen Einfluss auf die jüdischen Gemeinden besäßen.
Das Gutachten ist mit weiteren 18 Gutachten unter der Signatur A3 XXI D383 abgelegt.1
Beilage: Abschrift einer leicht abgeänderten Version des Gutachtens.2
XVII.
Es ist der Stellung und Aufgabe des Bischofes nicht entsprechend, daß
er über den Unterricht in den Schulen der Israeliten selbst oder durch seine
Beauftragten Aufsicht führe. Wo dies bisher üblich war, dort möge die Regierung
Seiner Majestät sich bewogen finden, für die Beaufsichtigung jener Schulen in
anderer Weise zu sorgen.
XVII.
Aufsicht über die Schulen der Israeliten.
In Gemäßheit der §§ 468,
477 und 478 sind die jüdischen Volksschulen derselben Aufsicht untergeordnet,
welcher die Volksschulen der Katholiken unterstehen, nur sind hiebei die
Glaubenslehrer und Ceremonien der Juden außer Acht zu lassen. Der unmittelbare
Leiter und Aufseher der jüdischen Schulen bezüglich der Beobachtung der
bestehenden Schulvorschriften so wie des pädagogisch-didaktischen Verfahrens ist
der katholische Ortsseelsorger, die weitere Aufsicht führt der
Schulbezirksaufseher, welcher auch die in seinem Bezirke gelegenen
israelitischen Volksschulen jährlich visitirt und die Visitationsberichte und
andere Schuleingaben wie bei den katholischen Schulen dem Konsistorium vorlegt.
Nach diesen Bestimmungen wurde seit mehr als 50 Jahren in Ländern, in
welchen die politische Schulverfassung Geltung hatte, vorgegangen, ohne daß –
soweit es dem Gefertigten bekannt ist – von einem Ordinariate oder Konsistorium
ein Bedenken erhoben worden wäre. Auch waren alle Judengemeinden mit Ausnahme
einiger in Galizien mit der für ihre Schulen angeordneten
Aufsicht einverstanden. Diese Aufsicht hat sich in mehr als einer Hinsicht sehr
ersprießlich bewiesen. Die Israeliten fühlten sich durch die angeordnete
Aufsicht sehr geehrt und waren daher bemüht, die Schulen nach den bestehenden
Vorschriften einzurichten. Ohne diese Aufsicht wären die jüdischen Schulen zu
keiner regelmäßigen Ordnung gelangt. Die Ortsseelsorger sowie die
Schulbezirksaufseher wurden beim Besuche dieser Schulen jederzeit mit einer
ihrem Stande und Stellung gebührenden Achtung empfangen. Die jährliche
Schulvisitation und Prüfung wurde von den Israelitengemeinden durch eine
besondere Theilnahme ausgezeichnet. Gefertigter war durch 28 Jahre Aufseher und
Leiter, auch Schulbezirksaufseher einer bedeutenden israelitischen Schule. Er
gewann bald das Vertrauen der Gemeinde, welche in Folge seiner Aufforderungen
die Schule aufs Zweckmäßigste einzurichten bemüht war.
Es ist von großer
Wichtigkeit, daß der katholische Seelsorger in Landstädten und Ortschaften, wo
Israelitengemeinden sich befinden, auf diese einen gesicherten Einfluß ausübe.
Wo Christen und Juden in einem Orte zusammenwohnen, fehlt es nie an
gegenseitigen Neckereien, welche auf Sittlichkeit und Anstand einen oft sehr
nachtheiligen Einfluß ausüben. Ist der katholische Ortsseelsorger Leiter und
Aufseher der jüdischen Schule, so wird es ihm alsbald gelingen, dieselben
abzustellen.
Gefertiger war in der Lage, in dieser Hinsicht gute Erfahrungen
zu machen. Ärgerliche Auftritte zwischen Christen und Juden kamen ehedem in der
Stadt, wo er Seelsorger war, häufig vor; bald war die Schuld auf dieser, bald
auf jener Seite; allein es währte nicht lange, so war durch die Wirksamkeit der
Schulen jeder feindseligen Begegnung ein Ziel gesetzt. Die Israeliten, Kinder
wie Erwachsene, benahmen sich anständig, wenn Prozessionen und
Leichenbegängnisse der Katholiken an ihren Wohnungen vorübergingen oder wenn sie
dem katholischen Priester bei kirchlichen Verrichtungen begegneten.
Der
Gefertigte könnte als Ortsseelsorger nicht wünschen, daß ihm der Einfluß auf die
israelitische Schule, so wie er ihn nach den Vorschriften der politischen
Schulverfassung besaß und ausübte, entzogen würde. Wer für andere nichts thut,
wird von ihnen mit Gleichgiltigkeit angesehen und diese Gleichgiltigkeit ist
nicht weit von Mißachtung entfernt. Außerdem kommt noch ein ganz
besonderer Grund dazu, welcher nicht nur die Staatsverwaltung, sondern
auch das Episkopat dringend auffordert, dem katholischen Seelsorger den auf die
politische Schulverfassung gegründeten Einfluß auf die israelitischen Schulen zu
wahren. In den Israelitengemeinden befinden sich zahlreiche katholische
Dienstboten, insbesondere weiblichen Geschlechtes, die der katholische
Seelsorger nicht außer Acht lassen darf, wenn sie nicht ganz der katholischen
Religionsübung entzogen werden sollen. Durch die Schule gewinnt der katholische
Seelsorger Einfluß auf die israelitischen Familien und sonach mittelbar auf die
katholischen Dienstboten. Wird ihm, wie die Bischöfe beantragen, die
israelitische Schule entzogen, so bleibt er den Israeliten fremd und ist außer
Stand gesetzt, auf die unter ihnen befindlichen katholischen Dienstboten einen
ersprießlichen Einfluß auszuüben.
Durch das Ansehen und Vertrauen, das der
Gefertigte als Ortsseelsorger mittelst der Schule bei den Israeliten erworben
hatte, brachte er es dahin, daß die unter denselben befindlichen katholischen
Dienstboten an Sonn- und Festtagen dem Gottesdienste beiwohnten und wenigstens
während der österlichen Zeit die heiligen Sakramente empfiengen. Kein Gebot und
kein Zwang wird solches erzielen.
Die versammelten Bischöfe geben keine
Ursache an, die sie veranlaßte, auf die Behebung der solang mit ersprießlichem
Erfolge bestehenden Übung anzutragen; sie bemerken bloß, es sei der Stellung und
Aufgabe des Bischofes nicht entsprechend, daß er über den Unterricht in den
Schulen der Israeliten selbst oder durch seine Beauftragten Aufsicht führe.
Die politische Schulverfassung hat mit keinem Worte dem Bischofe
zugemuthet, daß er selbst über den Unterricht in den Schulen der Israeliten
Aufsicht führe, es war dem freien Entschluße des Bischofes anheimgestellt, ob
und in welcher Weise er sich an der Beaufsichtigung dieser Schulen betheiligen
wolle. So geschah es denn, daß einzelne Bischöfe gelegenheitlich der kanonischen
Visitationen auf besonderes Ansuchen der Israeliten auch die israelitischen
Schulen in Augenschein nahmen und sich von dem, was in denselben geleistet
wurde, überzeugten (welche Herablassung die Israeliten immer als eine besondere
Gnadenbezeigung dankbar anerkannten), andere dagegen die Beaufsichtigung und
Visitation den Ortsseelsorgern und Schulbezirksaufsehern ausschließlich
überließen.
Da die versammelten Bischöfe nicht dagegen zu sein scheinen, daß
die israelitischen Kinder beiderlei Geschlechts die katholischen Volksschulen
besuchen, wo ihnen die Aufsicht der kirchlichen Behörden in ihrem ganzen Umfange
zu Statten kommt, so sieht man nicht ein, warum diese Aufsicht jenen
israelitischen Kindern, die in eigenen Schulen unterrichtet werden, selbst dann
nicht zu Theil werden soll, wenn sie in einem geringeren Maße beansprucht wird.
Der Ort kann doch den großen Unterschied nicht machen. Die Aufsicht kommt immer
nur zunächst den Kindern zu Nutzen und wird ihretwillen geführt. Gefertigter
hält dafür, daß es eine größere Wohlthat für die Israeliten ist, wenn sie ihre
Kinder in die katholischen Schulen schicken und unter die volle Aufsicht der
kirchlichen Behörden stellen können, als wenn ihren eigenen Schulen eine weniger
ausgiebige Aufsicht von diesen Behörden zugewendet wird.
Man kann daher
durchaus nicht einsehen, wienach es der Stellung und Aufgabe des Bischofes nicht
entsprechend sei, daß er über den Unterricht in den Schulen der Israeliten durch
seine Beauftragten, d. i. durch die Ortsseelsorger und Schulbezirksaufseher,
Aufsicht führe. Hierbei tritt noch der Umstand ein, daß – wie bereits bemerkt
wurde – bisher kein Bischof in den Kronländern, in welchen die politische
Schulverfassung in Geltung stand, an der in Rede stehenden Aufsicht, wie sie
vorgezeichnet war und geübt würde, Anstoß nahm und daß auch die Bischöfe in
Ungarn mit Ausnahme des Bischofs von
Waitzen, als an sie das Anlangen wegen
Beaufsichtigung der israelitischen Schulen durch die Ortsseelsorger und
Schulbezirksaufseher gestellt wurde, sich hiezu bereitwillig erklärten.
Es
darf nicht unbemerkt bleiben, daß die politische Schulverfassung durch die
Mitwirkung der Geistlichkeit und einzelner kirchlicher Behörden entstanden ist.
Die im Jahre 1805 neu eingeführte Leitung und Beaufsichtigung der deutschen
Volksschulen, folglich auch der jüdischen Volksschulen, wurde mit ausdrücklicher
Zustimmung des Fürst-Erzbischofs in Wien zu Stande
gebracht. (siehe dessen Schreiben vom 10. Juni 1805)
Wem möchte auch die
Beaufsichtigung der israelitschen Schulen übertragen werden können, wenn sie den
katholischen Ortsseelsorgern und Schulbezirksaufsehern abgenommen werden sollte.
Den Orts- und Kreisrabbinern kann sie nicht anvertraut werden; diese sind dazu
nicht geeignet und würden die Israelitengemeinden sich fast allgemein dagegen
erklären. Den k.k. Bezirksämtern ist das Schulfach in pädagogisch-didaktischer
Beziehung eine fremde Sache; auch sind sie ohnehin mit Geschäften überhäuft. Die
israelitischen Schulen würden der so nothwendigen Ortsinspektion fast allgemein
entbehren müssen, wenn diese nicht von dem katholischen Seelsorgern geführt
werden sollte.
Es kann daher nur auf die Beibehaltung der bisher bestehenden
Aufsicht angetragen werden.
Wien, den 23. Aug. 1856
Kr[ombholz]