Bericht von Anton Szántófy über das gebrochene Eheverlöbnis eines Offiziers
Pest, 28. Dezember 1857
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Regest

Propst Anton Szántófy schildert seine Version von den Vorgängen um das Eheverlöbnis des Offiziers Julius Iankovics mit Emma Ioczkovics. Er erneuert damit seine Aussage, die er bereits vor dem Esztergomer Bischof abgelegt hat.
Szántófy schreibt, dass die beiden Brautleute unangemeldet bei ihm erschienen seien und ihn darum gebeten hätten, ihr Eheverlöbnis zu bezeugen. Er kam diesem Wunsch nach und segnete ihre Ringe. Er hatte die Sache bereits abgetan, als die Frau zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu ihm kam, nun mit der Bitte, er möge ihren Verlobten an sein Versprechen erinnern. Zugleich gestand sie ihm, dass ihr Verlobter Offizier sei. Als der Verlobte Szántófys zweifachen Bitten nicht nachkam, bat die Verlobte schließlich um Dispensation von dem Versprechen, was er jedoch nicht erfüllen konnte. Dies erzürnte die Verlobte heftig. Szántófy glaubte nun mehr und mehr, dass die Frau eine Intrige spinne und ging daher nicht mehr auf deren Wünsche ein. Zur Untermauerung dieser Ansicht führt er den aus seiner Sicht zweifelhaften Lebenswandel der Frau an, die offenbar nur darauf aus sei, den jungen Mann zu verführen und sich einen materiellen Vorteil zu verschaffen.

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Schlagworte

Edierter Text

Im Monate May 1854, als ich noch Pfarrer in der Leopoldstadt war, überraschten mich eines Abends nach 8 Uhr beim Nachtessen zwei Brautleute, die ich nie früher gesehen, und von welchen ich auch nie etwas gehört habe in Begleitung zweier Herren deren einer der damalige Irsaer katholische Pfarrer Herr Joseph Fektor, der andere ein gewißer Voseley[?] privat Erzieher war, ersterer rief mich aus dem Speisezimmer heraus und trug mir das Anliegen der Brautleute vor, sagend: daß nachdem die Braut in gesegneten Umständen ist, der Bräutigam sich aber auf eine längere Reise entfernen muß, es zur nicht geringen Beruhigung der Braut dienen würde, wenn beide das Eheverlöbnis in meiner Gegenwart machen könnten, behufs dessen zeigten sie mir auch eine Schrift in welcher sie sich bis zur erfolgenden Trauung Liebe, Treue und Anhänglichkeit feierlichst zugesichert haben. Ich trug kein Bedenken diesen Humanitätsdienst zu erweisen und dies um so weniger da die Braut der griechischen Kirche angehörend auch den Übertritt zur katholischen Religion versprach. Ich las Ihnen also den Eheverlöbnisvertrag vor, der dann sowohl von den Brautleuten als auch durch die besagten zwei Zeugen unterfertigt wurde; hierauf bathen sie mich ihre Brautringe zu weihen, was ich auch ein gewöhnliches deutsches Gebetbuch in die Hand nehmend und die Ringe darauf legend vor meinem Bethschemel ohne aller sonstigen Ceremonie that, es geschah dieses also auf keinem Hausaltar wie behauptet wird, und dass Kerzen brannten, war die Dunkelheit welche die Abendzeit (8 Uhr) mit sich brachte die Ursache.
Nach einigen Tagen kam die Braut Emma Ioczkovics zu mir und fragte mich in wie fern ihr Bräutigam Julius Iankovics durch das gemachte Versprechen gebunden sei? Ich erwiderte, daß er ohne hinlänglichen Grund nicht zurücktreten und mit einer Anderen eine Ehe eingehen könne, bei dieser Gelegenheit gestand sie mir auch, daß der in Zivilkleidern bei mir gewesene Julius Iankovics ein kaiserlicher Officier sei, für den sie aber sehr bald die Quittierung mit Character erwirken werde, behufs dessen auch Herr Pfarrer Fektor den bei mir zurückgelassenen Eheverlöbnisvertrag zu sich nahm um selben einem Rechtsanwalt zu übergeben; ich wußte also davon daß Iankovics ein kaiserlicher Officier sei, früher nichts. Von dieser Zeit an sah ich die Brautleute wie auch die Zeugen nicht mehr und hörte überhaupt von der ganzen Sache nichts die ich nur als einen Act der Humanität als für eine Amtshandlung betrachtete.
Gegen Ende des Jahres 1856 kaum mehr eingedenk dessen was 1854 geschah, erschien bei mir Emma Ioczkovics mit der Bitte, daß nachdem Julius Iankovics nun dem Civil-Stand angehört ich selben zur Erfüllung seines Versprechens anhalten möge, allein Iankovics erschien auf mein zweimaliges Vorladen nicht, was ich der Obbenannten mit Bedauern eröffnete, hierauf bath sie mich unterdessen wenigstens um Dispensation von der dermaligen Verkündigung einzuschreiten, was ich verweigerte in solange zu thun bis nicht Julius Iankovics persönlich erscheinen und sein derartiges Ansuchen stellen wird, ich that dies um so mehr weil ich in dem ganzen Fürgehen dieser Frauensperson eine Machination witterte. Nach einigen Tagen erschien sie wieder und drang in mich die Trauung noch vor Ende Dezember 1856 zu vollziehen, da mit Anfang des Jahres 1857 für ihren noch minorennen Bräutigam auch die väterliche Einwilligung nothwendig sein wird, die sie aber nicht zu erwirken hoffet; als ich ihr dies zu thun verweigerte, und von der ganzen Sache die mir zu mißfallen anfing nichts mehr wissen zu wollen erklärte und sie etwas strenger von mir wies, entfernte sie sich tobend mit den Worten: "Sie werde sich schon zu rächen wissen." Ich muß hier noch beifügen, daß mir in der ganzen Angelegenheit weder von der Braut noch dem Bräutigam aber auch von den Zeugen und überhaupt von keiner Seite irgend ein Honorar angebothen wurde, und ich mit gutem Gewissen sagen kann keinen Heller hiefür erhalten zu haben.
Diese meine Aussage habe ich vor dem Graner [Esztergomer] heiligen Stuhl mit körperlichen Eide bestättiget, dasselbe thaten auch die zwei oberwähnten Zeugen vor dem Waitzner [Vác] heiligen Stuhle mit dem Zusatze, daß die besagte Emma Ioczkovics beide Zeugen unter Versprechung größerer Geldsummen solliciert habe zur Ausstellung eines falschen Zeugnisses darüber, daß Sie im Jahre 1854 mit Julius Iankovics in meinem Zimmer nach dem üblichen christkatholischen Ritus getraut worden sei; dasselbe habe ich und die benannten zwei Zeugen auch vor dem Zivilgerichte ausgesagt, ja noch ein dritter Zeuge und Mitwisser dieser Sache Grundbesitzer von Tassy[?], wie auch der erwähnte Rechtsanwalt, der den Eheverlöbnisvertrag verfaßt hat und das Protokoll in dem dieser Vertrag von Wort zu Wort enthalten ist, dem Gerichte nebst der Aussage übergab, die so viel Aufsehen erregenden 1.000 fl CM habe ihm Emma Ioczkovics durch Herrn Pfarrer Fektor zur baldigsten Erwirkung entweder einer Ehelizenz oder Quittierungsurkude mit Character zugesichert.
Möge hieraus jeder unbefangene ersehen, daß nicht mehr geschehen ist, als wozu ich als Mensch und Priester berechtiget war, da ich auch für den Fall wenn Julius Iankovics bei mir in Militairkleidern erschienen wäre, keine Bedenken getragen haben würde als einfacher Zeuge seinen Eheverlöbnis Vertrag zu unterschreiben, und Ringe zu weihen bin ich als Priester berechtigt ob diejenigen die mich darum ersuchen, meine Iurisdictionirten sind oder nicht, überhaupt wenn man ersucht wird einen Gegenstand zu weihen sei es ein Ring oder ein Krantz pflegt der Priester nie zu fragen, ob man im Bereiche seiner Pfarre wohne oder nicht. Was immer also Emma Ioczkovics außer dem Gesagten anführt, ist eine strafwürdige Verläumdung mit der sie ihre Sache an den zu kühlen suchet, der ihr in der Kapperung eines reichen Jünglings die helfende Hand nicht biethen wollte.
Wie wenig Glauben die ofterwähnte schlimme Dame verdient, ist aus ihrem unsittlichen Lebenswandel zu ersehen. Sie scheute sich nicht noch im Jahre 1853 dem 18 jährigen Jüngling Julius Iankovics zur Nachtzeit Besuche zu machen, und ihn zur Unzucht zu verführen; sie schämte sich nicht gegen den ausgesprochenen Willen seines Vaters Fiakers zu besteigen und darin Excursionen zu machen, wo auf gleiche Weise fürgegangen wurde. In diesem Jahre gab sie an von diesem jungen Manne in die Hoffnung gekommen zu sein, und bald darauf gestand sie es ihm die Leibesfrucht in der Stadt Essek [Eszék/Osijek] abgetrieben – ihrer Mutter aber vorgespiegelt zu haben, daß sie abortirt hätte. Im Jahre 1854 setzte die um 10 Jahre ältere Person mit dem unerfahrenen Jünglinge ihr Unwesen fort und bewog ihn unter Vorspiegelung dessen sie sei wieder in gesegneten Umständen mit ihr das Eheverlöbnis einzugehen, welches im Monate May in meiner Gegenwart geschlossen wurde, und scheute sich nicht diesem jungen Leutnant in das Lager nach Siebenbürgen zu folgen, sich dort der Welt als seine angetraute Gattin vorzustellen, und mehrere Wochen in einem Badeort mit denselben zu verleben.

Pesth am 28/12 1857

Anton Szántófy
Probst Stadtpfarrer