Der evangelische Pfarrer Johann Szeberinyi wendet sich an Kaiser Franz Joseph und unterbreitet ihm einige Vorschläge zur Umsetzung des Patents vom 1. September 1859. Eingangs betont er, dass er mit jenem Patent zufrieden und es auch von den Gläubigen im Allgemeinen mit großer Zustimmung aufgenommen worden sei. Allerdings sei das Patent durch mehrere Adelige im Volk schlechtgemacht worden, daher herrsche nun eine ablehnende Stimmung dem Gesetz gegenüber. In der Folge schlägt er daher vor, wie die angestrebte Synode erfolgreich sein könne.
Abschrift.
Das Dokument war wohl ursprünglich eine Beilage des
Briefes: Johann Szeberinyi an Leo Thun. Schemnitz, 7. Februar
1860.
Abschrift
Euer Majestät!
Mein Allergnädigster Kaiser und König!
Wenn ich einer der geringsten Unterthanen es wage, Eurer k.k. Apostolischen
Majestät mich zu nähern; so wollen Eure Majestät geruhen es dem
unwiderstehlichen Drang meines Herzens nach Bethätigung unverbrüchlicher Treue
und unbedingten Vertrauens in die väterlichen Absichten Eurer Majestät
zuzuschreiben. Die Stimme, die hiermit aus der uralten Bergstadt
Schemnitz zu dem Landesvater hinüber tönt, ist die
Stimme eines dankbaren, ergebenen, um das Wohl und die Würde des Staates und der
Kirche besorgten Herzens. Sie mag, wie es des Augenblickes und des Gegenstandes
Heiligkeit erheischt, frei und fromm erklingen.
Das Allerhöchste Patent vom
1. September und die Ministerialverordnung vom 2. September vorigen Jahres1
befreiend die evangelische Kirche von einer sie verweltlichenden Bevormundung
ist ein so großer Segen, daß die evangelische Geistlichkeit Augsburgischen
Bekenntnisses nur laut aufjauchzen konnte. Das die Segnungen der Kirche
vorzüglich bedürfende Volk hat überall mitgejauchzt, wo ihm politische nationale
Agitatoren nicht eine andere Richtung gaben. Als guter, treuer ja begeisterter
Protestant kann ich Eurer Majestät versichern, daß das Allerhöchste Patent nicht
den geringsten Keim zu kirchlich religiösen Besorgnissen enthält. Wäre dem nicht
so, ich würde es auch Eurer Majestät sagen. Dennoch ist die Intelligenz, Adel
und Bürgerschaft in einem Widerstand begriffen, der nicht zu läugnen ist. Er ist
– die Geschichte wird es bezeugen – weder materiell noch formell berechtigt und
das schlagendste Licht auf das alte Gebahren, auf den unseligen Zustand der
Kirche wirft die seltsame Erscheinung, daß fünf Sage fünf von keiner Corporation
entsendete Privatmänner in die Reichsresidenz
sich begeben und angesichts Europa’s als
Abgesandte der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses aufzutreten
sich erkühnen. Daher diese Kirche Augsburgischen Bekenntnisses, namentlich aber
die Geistlichkeit, von den Karpathen bis an die Grenzen der in ihren Gemeinden
bereits organisirten Woiwodina mit
Bestürzung die Kunde der Tagespresse vernehmen mußte, daß eine aus dem nach
chaotischen Zustand der Kirche zusammengesetzte Synode berufen werden sollte,
die weder dem Staate Garantie noch der Kirche, namentlich der Augsburgisch Evangelischen, Heil und Befriedigung bieten
könnte.
Hieraus geruhen Eure Majestät zu ersehn, daß Eure Majestät und
Hochderoselben hohes
Cultusministerium im vollen Recht stehen, – ferner, daß wenn Eure
Majestät auf die Durchführung des Allerhöchsten Patentes bestehen wollen,
dasselbe in der evangelisch augsburgischen Kirche durchgeführt werden kann, –
endlich, daß ich für meine Person, wie auch der Wille Eurer Majestät hierüber
entscheiden sollte, nicht bloß im Unterthansgefühl, sondern mit ganzem
evangelischen Gewissen und Herzen an der Ausführung des Allerhöchsten Willens
wirken werde, treu und ohne Schranken bis in den Tod.
Dennoch huldreichster
Kaiser und Herr! Dürfte die Erwägung dessen, daß die Intelligenz die Welt
regiert, – daß vielfache Zufälligkeiten eine Ungunst der Zeit für unsern Staat
heraufbeschworen haben, die wahrscheinlich durch äußere Einflüsse noch genährt
wird, – daß das beste Recht der blinden Leidenschaft zuweilen auszuweichen
pflegt, wie man etwa dem Wahnsinnigen aus dem Wege geht, – und endlich, daß die
hohe k.k. Regierung den Grad von Ernst und Energie bereits an den Tag gelegt
hat, der in einem Conflicte der Staatsmacht mit einem Theil der Kirche
entwickelt werden muß, um diesen letztern in einem gewissen Zustand der
Abspannung und Einschüchterung zu versetzen, was durch die höchst zeitgemäße
Verordnung des hohen
Cultusministeriums vom 10. Januar 2 erzielt worden ist.
Sollten nun Eure Majestät in
Erwägung all dieser Umstände die Fülle des Majestätsrechtes in Anwendung bringen
und vorzüglich für diesen Augenblick die aufgeregten
Leidenschaften gleichsam bannen wollen; so bitte ich mit kindlicher Demuth und
Offenherzigkeit folgende Gesichtspunkte fest und mit jener Machtvollkommenheit
halten zu wollen, die durch das Bewußtsein des Rechtes und göttlichen
Wohlgefallens selbst die irdische Kraft des Kaisers zur himmlischen
umwandelt.
Eure k.k. Majestät wollten also die Abhaltung einer noch nicht
vollkommen geregelten Synode huldvollst genehmigen unter folgenden das Äußerste
der möglichen Conceßion umfassenden Bedingungen:
1. Die Seniorate müssen
zuvor in ihren einzelnen Gemeinden organisirt sein, wobei zugleich als eine
höchst populäre Conceßion und Gnade auszusprechen geruhen wollen, daß das
Doppelpraesidium in den zu organisirenden Gemeinden verbleiben dürfe.
2.
Jedes organisirte Seniorat schickt einen geistlichen und weltlichen durch die
Stimmenmehrheit der Gemeinden gewählten Abgesandten zur Synode.
3. Die
Erklärung der bereits organisirten Seniorate über die neu vorzunehmende oder
gewünschte Abgrenzung der Superintendenzen mit Festhaltung der im Allerhöchsten
Patente ausgesprochenen Zahl der Superintendenzen müßte den ersten Gegenstand
der Synode ausmachen und die diesfällige unterthänige Vorlage alsogleich Eurer
Majestät unterbreitet werden.
4. Unter dem Vorsitz des von Eurer Majestät zu
entsendenden landesfürstlichen Commißairs hat die Synode einen geistlichen und
weltlichen Präses und Vicepräses zu wählen, – sodann aber fortwährend seinen
Ehrensitz neben dem Präsidium einnehmend, schon um des moralischen Schutzes
wegen, den die loyale Geistlichkeit kaum entbehren könnte, denselben die Krone
vertreten zu lassen.
Durch diese allergnädigste k.k. Resolution, die auch
das hohe
Cultusministerium, zu dem die evangelische Geistlichkeit unbedingtes und unwandelbares Vertrauen
hat, nicht beunruhigen könnte, wäre einerseits das Allerhöchste zum Heil der
Kirche erlassene Patent gewahrt, andererseits die Petitionirenden, die selbst
das Heil der Kirche nur mit ihrer eignen Zustimmung wünschen, beruhigt und
beschwichtigt.
Eure Majestät! Mein Allergnädigster Herr und Kaiser!
Dies
Alles zu sagen fühlte sich mein Eurer Majestät im Leben und Sterben treues in
Gott verbundenes Herz gedrungen.
Eurer k.k. Apostolischen Majestät
Aller ergebenster Unterthan
Johann Szeberinyi
Ev. Pfarrer der slavischen
Kirchengemeinde Schemnitz
Schemnitz, am 8. Februar 1860