Memorandum von Johann Mikulas zur Neuordnung der Verwaltung der evangelischen Kirchen in Ungarn
o. D. [1860]
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Regest

Sektionsrat Johann Mikulas schildert die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Patents vom 1. September 1859 und schlägt einige Maßnahmen vor, wie das Patent trotzdem umgesetzt werden kann. Zunächst betont er, dass das Patent in einer krisenhaften Zeit mit dem Ziel erlassen worden ist, die Situation in Ungarn zu beruhigen und gleichzeitig die evangelischen Kirchen stärker an die Krone zu binden. Die radikalen magyarischen Kräfte in Ungarn hatten das Patent daher abgelehnt und durch falsche Aussagen diskreditiert. Das Ministerium für Kultus und Unterricht war stets darum bemüht, die Kirchen einzubeziehen, um den Eindruck zu verhindern, das Gesetz sei oktroyiert worden. Aus diesem Grund war auch die Abhaltung von Distriktualkonventen erlaubt worden. Im Nachhinein hatte sich diese Erlaubnis jedoch als Fehler herausgestellt, da die oppositionellen Kräfte die Konvente zur Agitation gegen das Patent benutzten. Mikulas nennt einige der führenden Gegner des Patents. Schließlich verweist Mikulas auf die Erfolge des Ministeriums. Hierzu zählt er, dass es dem Ministerium gelungen ist, eine Gruppe von Anhängern für das Patent zu gewinnen. Außerdem konnten in zahlreichen Komitaten die Gemeinden neu organisiert werden. Abschließend äußert Mikulas seine Überzeugung, dass der Widerstand gegen das Patent letztlich nachlassen wird. Daher empfiehlt er, die Umsetzung des Patents konsequent fortzusetzen und keine Kompromisse einzugehen. Er plädiert außerdem dafür, die widerständigen Superintendenten und Senioren abzusetzen und im Gegenzug die loyalen Kräfte zu fördern. Ein wichtiger Schritt wäre aus seiner Sicht außerdem, das Referat für evangelische Schulfragen einem protestantischen Referenten zu übertragen.

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Schlagworte

Edierter Text

<Promemoria von Mikulas>1

Das allerhöchste Patent, welches in der evangelischen Kirchenverwaltung Ungarns eine mit strenger Ordnung gepaarte Freiheit zu begründen und die evangelische Kirche enger an den Staat anzuschließen beabsichtigt, ist nach einer großen Katastrophe, nach einer gewaltigen Bewegung der Geister in Ungarn, zu einer Zeit erschienen, wo die gefährlichsten Elemente noch in Gährung sich befanden, wo die kühnsten Erwartungen eines Umschwunges noch keine handgreifliche Täuschung erfahren haben und wo selbst die besseren Elemente an das Programm vom August 1859 sanguinische Hoffnungen knüpften, die nicht zur Erfüllung gelangt sind, und wohl auch nicht in Erfüllung gehen können. Nothwendigerweise mußte das kaiserliche Patent vom 1. September zu einer solchen Zeit von der ganzen großen Parthei, die auf ein selbstständiges, von der Centralgewalt möglichst unabhängiges, völlig magyarisiertes Ungarn speculiert, mit Schreck und Widerstreben entgegengenommen werden, denn es lag am Tage, daß durch diese kaiserliche Gabe, ein großer und höchst einflußreicher Theil der Bevölkerung Ungarns befriedigt und für die Centralregierung gewonnen werden konnte. Je liberaler z. Th. der Inhalt dieses Patentes und der Verordnung vom 2. September vorigen Jahres ist, und je sichtbarer das Wohlwollen an vielen Orten im In- und Ausland zu Tage trat, mit dem jene kaiserliche That begrüßt wurde, desto eifriger that sich die von der ersten Betäubung sich erholende "nationale Partei" in Ungarn - ohne Unterschied der Konfession – zusammen und bot, selbst von verbrecherischen Handlungen nicht zurückschreckend, alles mögliche auf, um die durch das Patent angebahnte Versöhnung zu vereiteln und das Mißtrauen, den Argwohn und die Unzufriedenheit des Volkes noch zu steigern. War unter solchen Constellationen die rasche und energische Durchführung des neuen, großentheils und provisorischen Gesetzes, im Oktober 1859 wohl möglich? Diese Frage mag bejahend oder verneind beantwortet werden, doch ist sie nunmehr eine müßige geworden, und es wird sich ebendarum damit kein praktischer Staatsmann befassen wollen. Sehr begreiflich war jedoch das Bestreben des Ministeriums, die Ausführung des allerhöchsten Patentes im weitesten Umfange der freien Thätigkeit oder Mitwirkung der evangelischen Kirchenkonvente selbst anheim zu stellen, weil ja die Besorgnis nicht ferne lag, man werde sonst im In- und Auslande das Septembergesetz als ein octroyiertes, die Autonomie der evangelischen Kirche vernichtendes verschreien. Denn in der That, nur die Unmöglichkeit, ohne Herstellung eines provisorisch geordneten Zustandes die Synode mit Aussicht auf irgend einen Erfolg zusammentreten zu lassen, läßt die Verordnung vom 2. September im Großen und Ganzen als gerechtfertigt erscheinen. Noch bedenklicher wurde die Aktion der Regierung dadurch, daß die in subtilen Rechtsbegriffen nicht gewandte und die Noth der Umstände nicht übersehende evangelische Bevölkerung die Redlichkeit der Absicht leicht mißkennen konnte, weil die Regierung aus der seit 68 Jahren bewiesenen Passivität in den evangelischen Sachen heraustrat und zu einer dem Volke ganz neuen, überraschenden, unerhörten und für unmöglich gehaltenen Aktivität überging. Diese Rücksichten haben wohl die Regierung bewogen, die Distriktualkonvente auf der Basis eines durch das allerhöchste Patent behobenen Zustandes unbeschränkt und ohne vorherige Vorkehrungen – die doch nothwendig gewesen wären – zusammentreten und berathen zu lassen. Die Folgen sind bekannt. Die Opposition fand in diesen Konventen den Archimedespunkt, aus welchem das Volk bearbeitet, die Agitation organisiert, der Terrorismus in Thätigkeit gesetzt werden konnte. In diesen Konventen, die im Namen aller ohne Ausnahme gegen die Septembererlasse protestierten, fand man das wirksamste Mittel, die öffentliche Meinung und die Presse irrezuleiten, zu demoralisieren und gegen die Regierung zu kehren. Über den Erfolg erfreut wurden nun allenthalben und um jeden Preis Konvente gehalten, um "einen solchen öffentlichen Skandal hervorzubringen, der in ganz Europa ruchbar werde" und wer sich dem Willen der tobenden Fraktion nicht fügte, wurde moralisch gemißhandelt, besudelt und wie Báthori in Nagy Körös verfolgt.
So standen die Sachen im December, als das sich zu jener Abhilfe entschloß, die in der Verordnung vom 10. Jänner2 laufenden Jahres ihren Ausdruck gefunden hat. Diese Verordnung sammt Instruktion verfolgte sichtbar die folgenden Zwecke:
1. muß ein entschiedener Beweis dafür gegeben werden, daß die Regierung nicht schwanke, die Septembergesetze nicht aufgebe, sondern dieselben energisch durchzuführen entschlossen sei;
2. muß die Zusicherung ertheilt werden, daß die Verordnung vom 2. September nur Übergang, nur Brücke zu normalen Zuständen sei, die durch die Synoden abgebrochen wird, – mit anderen Worten, das Octroy muß desavouiert werden;
3. muß mit Nachdruck erwiesen werden, daß man es mit der Verheißung eines guten, naturgemäßen, evangelischen Kirchenregimentes ehrlich meine; daß die "Concessionen" nicht bloße Spiegelfechterei seien, daß man nicht täuschen und hinterher verführen, sondern redlich Wort halten werde.
4. muß die organisierte Opposition, die kompakte Fraktion, die sich durch die Konvente ausgebildet hatte, desorganisiert, zersetzt, zerbröckelt werden, ohne das Kirchenregiment unmöglich zu machen und ohne die Heranbildung von Centralpunkten, um die sich die besseren Elemente, die erst zu sammeln, ja erst zu schaffen waren, schaaren sollten, aus dem Auge zu verlieren;
5. muß die Koordinierung von unten nach aufwärts stufenweise betrieben werden, so daß die Phasen, welche die Organisierung durchmachen soll, vom Ministerium bestimmt, und nach Umständen abgekürzt oder in die Länge hinausgeschoben werden können; endlich
6. müssen die Unterbehörde angehalten werden, von dem Flunkern abzulassen, und mit Verständnis der Verhältnisse unter wirklicher Leitung der Regierung zu wirken.
Wenn diese Hauptzwecke in der Verordnung vom 10/1 nicht klar genug hervortreten, so ist nicht außer Acht zu lassen, daß diese Vorschrift das Endergebnis eines Kompromisses ist. Doch ist der Geist, in dem seither die evangelische Frage behandelt wird, jenen Zwecken stets dienstbar gewesen.
Es ließ sich vorhersehen und ist auch in der That eingetroffen, daß die Fraktion jedes Mittel in Anwendung bringen werde, um die Wirksamkeit jener Verordnung zu lähmen. List und Gewalt wurden in Bewegung gesetzt. Zu allererst wurde in allen Kreisen das Gerücht, als positive Thatsache verbreitet, daß die Regierung sich gegenüber Seiner Kaiserlichen Majestät in großer Verlegenheit befinde, weil am Allerhöchsten Orte die Ansicht vorwalte, daß man sich mit den Führern der Opposition um jeden Preis verständigen müsse. Die Zeitungen brachten daher die Notiz, daß man der Widerrufung des Allerhöchsten Patentes stündlich entgegensehen dürfe. Hiedurch erschreckt verzagten unzählige Anhänger des Gesetzes und weigerten sich an das Werk der Koordinierung Hand anzulegen. Andere waren durch vorher gefaßte Konventsbeschlüsse umso mehr eingeschüchtert, als sich immer weiter die Kunde verbreitete, daß gerade diejenigen Männer, die in den Konventen (zu Miskolz und Pest) verbrecherischen Widerstand gegen das Gesetz zum Beschluß erhoben hatten, in der Deputation, ja sogar an der Spitze der Deputation sich befinden, welche in Wien um Widerrufung des Gesetzes petitionierte und angeblich an hohen und höchsten Stellen äußerst huldreich und leutselig empfangen wurde. Am höchsten steigerte sich die Noth, als es offenkundig wurde, daß die Führer der Deputation zum zweitenmale nach Wien sich begaben, angeblich um eine Verständigung bezüglich des Patentes, nicht auf Grundlage desselben, herbeizuführen.
Der Ministerialerlass vom 5. Februar konnte den Kern dieses Factums nicht in Abrede stellen, und durfte nur die Beruhigung gewähren, daß es sich (vorderhand) nur um Modifikationen der Durchführung handle. Es mußte sonach Anlaß gesucht oder – genommen werden, um die beunruhigten Gemüthes wirksamer zu beschwichtigen. Dies geschah zu allererst mittelst privater Beantwortung der von vielen Seiten hieher gelangenden Anfragen. Hiedurch aufgeklärt und ermuthigt fassten nicht wenige evangelische Senioren sich das Herz, und trugen bei Seiner Apostolischen Majestät ihre allerunterthänigsten Bitten um Aufrechterhaltung des kaiserlichen Patents und der Verordnung vom 2. September schriftlich vor. Andere erschienen persönlich in Wien, um sich tröstliche Information zu holen und dann zu Hause in guter Richtung Propaganda zu machen. Die allerunterthänigsten Majestätsgesuche legten dem hinwieder[?] die Verpflichtung auf, den wahren Sachverhalt nochmals im Circularerlasse zu beleuchten. Inzwischen sind auch die Pauschalien durch die Gnade Seiner Majestät flüssig gestellt worden, welche Thatsache ebenfalls in der Ansicht bestärken mußte, daß die Regierung – ungeachtet der gegentheiligen Versicherungen der Agitatoren und besonders des Protestans egyházi és iskolai lap – doch entschlossen sei, die Verheißungen zu verwirklichen. Als nun die Opposition einsah, daß ihre Zänke den erhofften Erfolg nicht haben, so ergriff sie das Mittel der offenen Aneiferung zum Widerstand, der Bedrohung und der Verfolgung. Es wurden demnach von Pest aus Sendschreiben, "Orientierungsschreiben" nach allen Gegenden verbreitet – enthaltend die Weisung, daß der Widerstand potenciert werden müsse, daß man die Verordnung der Regierung nicht annehmen, nicht verlautbaren, nicht befolgen dürfe. Wer es demnach thäte, wurde und wird, mit Hinweisung auf Konventsbeschlüsse, als Eidbrüchiger und Verräther seines kirchlichen Amtes verlustig erklärt. Daß dies nicht leere Drohung ist, beweist das Schicksal des reformierten Coadjutors, Curators, Ladislaus von Szentpaly, des reformierten Pfarrers in Börvely und des lutherischen Pfarrers [?] in Nyíregyháza u.a. Das Ministerium hat für alle diese Umtriebe und Gewaltthätigkeiten unwiderlegliche Beweise hergestellt, und hat rastlos dahin gestrebt, daß einer solchen Agitation, zumal wenn sie – wie im Stuhlbezirk Margita, in Békés und an andern Orten durch Emissare betrieben wird, kräftigst entgegengetreten werde. Jedoch ist der Erfolg ein den gerechten Erwartungen nicht entsprechender. Denn wiewohl das Justizministerium, die Staatsantwaltschaft und die Gerichtsbehörden, mit äußerst wenigen Ausnahmen. (Prozeß gegen Ráday etc. in Pest) die verbrecherischen Handlungen mit rastlosem Eifer und mit der rühmlichsten Berufstreue der Ahndung zuführen, so liegt es gleichwohl in der vorgeschriebenen Procedur, daß die Angeklagten und Verurtheilten die Vollstreckung des Straferkenntnisses sehr weit hinausschieben können, so daß bis auf den heutigen Tage noch kein einziges Straferkenntnis zum Vollzug gelangt ist. Ein Umstand der die Agitation außerordentlich ermuthigt. Die Gerichtsbehörden klagen jedoch auch über die Langsamkeit und Lauheit der politischen Organe und es kann nicht verschwiegen werden, daß diese Organe an vielen Orten nicht nur der guten Sache sich nicht annehmen, sondern sogar gegen die Regierung agitieren, wie der Stuhlrichter Szártko in B. Csaba, der Bürgermeister Tregjas und Stuhlrichter Tatás in Nyíregyháza, ja selbst der dortige Komitatsvorstand Göeröri [?], oder wie die Montanbeamten in Schemnitz. Weiters ist nicht mit Stillschweigen zu übergehen, daß die Administratoren der lutherischen Superindentenzen eine vollständige Apathie an den Tag legten, ja zum Theil gegen das allerhöchste Patent wirkten, und daß die reformierten Superintendenten insgesammt im Zustande der vollsten Auflehnung gegen die Autorität des Staates sich befinden. Auch darf nicht vergessen werden, daß die politischen Zeitungen, die meistens von Wühlerei leben, insgesammt gegen die Regierung Chores machten. Doch alle diese Journale wurden an Bosheit, Lüge und Forschheit vom Protestans egyházi és iskolai lap überboten, an dessen Spitze der getaufte und magyarisierte Jude Moritz Bloch (Ballagi) in Gesellschaft eines Szekács und eines Török steht. Wenn man sich von der brandstifterischen Thätigkeit dieses Blattes einen Begriff machen will, so sehe man z.B. die Nr. 8 1860 durch, – man lese den Leitartikel von Meinhard Lónyay, dann die Notiz aus Debrezin über die dem Senior Peter Balogh dargebrachten Ovationen, die Notiz aus Oedenburg über den dortigen Gustav Adolf Verein, die Nachrichten aus Pest über die Beschlüsse der Kirchengemeinde, die Empfehlung der "Geschichte Ungarns" von dem flüchtigen Bischof Dr. Michael Horváth. Oder man nehme die neueste Nr. 13 zur Hand, in der man eine schwungvolle Darstellung der bei Baron Gabriel Prónay in Pest stattgefundenen, gegen das Patent gerichteten Demonstration, und eine prahlerische Darstellung der Wichtigkeit und des Glanzes finden wird, welche die Redaktion dem unter Vorsitz des Lónyay Menyhért am 29. März in Békés abzuhaltenden, auf das nachdrücklichste verbotenen, reformierten Senioratskonvents beimißt. Solche Artikel, Notizen, und Frechheiten erscheinen in der periodischen Presse, in der Stadt Pest, ungeahndet, unbeanstandet!!
Dies ist nur eine cursorische Darstellung der enormen Schwierigkeiten, die das Cultusministerium zu überwinden hat.
Und welche Kräfte standen ihm zu Gebote? Es hatte und hat mit keiner einzigen Zeitung zu disponieren, hat keinen einzigen evangelischen Referenten zur Verfügung, so daß die evangelischen Schulangelegenheiten bis heute im katholischen Departement belassen werden mußten, es hat keinen Gulden um die Aufklärung des irregeleiteten, mit tollen Gerüchten vergifteten Volkes zu fördern, oder um denjenigen, die lediglich im Interesse der Regierung enorme pekuniäre Verlußte erleiden (wie Hornyánszky) eine Entschädigung zu gewähren, oder ihnen, wenn Sie im Interesse der Regierung reisen (wie Hornyánszky, Hurban und eventuell Kuzmány) die Kosten zu vergüten.
Was hat das Ministerium demnach seit December vorigen Jahres ungeachtet dessen geleistet, daß – wie ein jeder der die Augen hoffen hält, sehen muß –, Ungarn im moralischen Sinne, ja sogar mehr als in diesem Sinne, durch und durch verwühlt[?], verhetzt und systematisch revolutioniert ist?
Das Ministerium hat sich zunächst die Unterstützung der einflußreichsten evangelischen Männer und Organe Deutschlands, eines Schenkl, Stephani, Zimmermann, Lechler, Hofmann etc. der Darmstädter allgemeinen Kirchenzeitung, der neuen evangelischen Kirchenzeitung, der neuen evangelischen Kirchenzeitung in Berlin (Organ des Bundes), des badischen Kirchenblattes usw. derart zu sichern gewußt, daß obwohl durch ganz Deutschland das tiefste Mißtrauen gegen Österreich verbreitet ist, die evangelische Presse Deutschlands dennoch bis heute für die Absichten des Ministeriums thätig ist.
Das Ministerium hat ferner bewirkt, daß das Evangelische Wochenblatt in Pest fest und unverrückt für das Patent einsteht.
Daß Männer wie Kolbenheyer, Bauhofer, Válka [?], die früher zur äußersten Linken gehörten, nunmehr offen für die Regierung sich aussprechen; daß Hornyanszky, Johann Szeberinyi und besonders Pfarrer Josef von Podhradsky in Pest Abhandlungen schrieben, die zur Durchführung des Patentes unberechenbares beitragen, und schon in mehr als 12.000 Exemplaren verbreitet sind; daß durch direkte Einwirkung des Ministeriums eine slawische evangelische Kirchenzeitung in Pest gegründet ist, (ein Unternehmen, das sonst immer fehlschlug) die zahlreichen Abnehmer findet, und bisher in jeder Nummer Dank, Segen und Unterthanentreue für den so gütigen und so edlen Kaiser athmet. Das Ministerium hat unter den Evangelischen der Regierung eine geschlossene und disziplinierte Partei geschaffen, die unter Verfolgungen und den Dornen eines wahren Martyriums standhaft zu ihm steht, und gegen die Revolution und den Magyarismus beharrlich Fronte macht.
Frage: ist es wohl der Regierung seit 1848 in irgend einer Sache gelungen, sich eine Partei zu bilden, und wenn diese auch nur aus 50 Männern hätte bestehen sollen?
Das hat eine energische Leitung der lutherischen Superintendenzen Verbasz [Vrbas], Pressburg, Eperies [Prešov], Pest hergestellt und hat Vorkehrungen getroffen, in dieser Richtung ohne Säumnis weiter vorzugehen.
Das hat das Vertrauen auf die Festigkeit und das Wohlwollen der Regierung gehoben und dadurch bewirkt, daß unter den allerschwierigsten Umständen das Werk der Koordinierung sehr bedeutende Fortschritte machte.
Welche?
In der Neu Verbászer Superintendenz sind bis 17. März, mit Ausnahme von 2, alle übrigen Gemeinden koordiniert gewesen. Die Organisierung der Seniorate und der Superintendenz steht in 2–3 Wochen bevor.
Die Pressburger Superintendenz zählt 11 Seniorate.
Das Arver ist mit allen 12 Gemeinden bereits vollständig koordiniert, das Liptauer [Liptov] zählt 13 Gemeinden wovon nach amtlichen Berichten – 6 schon längst koordiniert waren.
Das Preßburger Stadtseniorat zählt 3 Gemeinden, hiervon ist 1 koordiniert.
Das Neutraer hat 21 Gemeinden, wovon 19 und bereits auch das Seniorat koordiniert ist.
Das Bacser hat 5 Gemeinden, hiervorn sind 2 koordiniert, und demnächst wird Leverz nachfolgen.
Das Trencsiner zählt 14 Gemeinden, von diesen sind 9 längst koordiniert
das Thuróczer 12, wovon 6, nach anderen Nachrichten 7 koordiniert.
Das Honther 30, wovon nach amtlichen Berichten 17, nach anderen Nachrichten 25 koordiniert sind.
Das Pressburger Comitatsseniorat zählt 15 Gemeinden, von denen 13 koordiniert.
Das Neográder 41, von denen laut Registern nur 4, laut Mittheilungen aber 21 koordiniert sind.
Das Sohler zählt 20 Gemeinden, von denen – nach Angaben des Seniorats – bisher 14 vollständig koordiniert sind.
Sieht man aber von den Privatmittheilungen gänzlich ab, und zieht man nicht in Betracht, daß die Anzeigen sich immer um 3 Wochen verspäten, so ist doch vollkommen sichergestellt, daß die Regierung in den Senioraten Arvas, Neutra, Trerczin, Hont, Comitat Pressburg, Sohl, die überwiegende Majorität hat, daß Thurócz, Liptau und selbst Bacs sich neutralisieren. Folglich ist die Regierungsmajorität im schlechtesten Falle wie 6 zu 2. In der Eperieser Superintendenz sind 7 Seniorate:
Im Klein-Honthes sind von 15 – 7. Nach anderer Mittheilung 8 koordiniert.
Im Siebenbergstädter mit 1 Ausnahme alle,
Im Gömöres von 40 Gemeinden bisher 17.
Im Sáros-Zempliner von 19 Gemeinden 4.
Im 13 Städter von 15 – 2.
Im Seniorate der 6 Freistädte und in Subkarpatischen bisher keine.
Man kann jedoch darauf mit Sicherheit rechnen, daß wo einmal der Anfang gemacht ist, der Fortschritt immer zunehmen wird. Denn die einzelnen Pfarrer und Gemeinden erwägen sehr genau die Umstände und die Stimmung bevor sie an die Koordinierung Hand anlegen. Es steht daher zu erwarten, daß vier Seniorate, d.h. die Majorität der Superintendenz auf der Seite der Regierung stehen werden. Dies in einer Superintendenz, welche im Käsmarker Konvente so einhellig und einstimmig gegen das Patent protestiert hat!!
In den übrigen 3 lutherischen Superintendenzen dagegen sind die Fortschritte zwar nicht so erfreulich, aber es sind doch immerhin Fortschritte. So sind in der Oedenburger bisher koordiniert.
Die Freistadt Rust.
Im Veszprimer [Veszprém] Seniorate 4 Gemeinden, – auch Oberschützen, Pinkafeld und Alhau.
Im Ober-Eisenburger [?], im Mitteleisenburger Hodos, im Ober-Oedenburger alle.
Im Sämeghes Ligrád [?].
In der Pester Superintendenz die slawische Gemeinde in Pest, dann Egyháza und Tordas.
In der Szarvaser Superintendenz bisher 6 Gemeinden.
Es muß jedoch ausdrücklich bemerkt werden, daß jeder Tag diese Berechnung zu Gunsten der Regierung verändert.
Unter den Reformierten machte die Koordinierung bisher geringe Fortschritte. Außer den Gemeinden in der Militärgrenze und im Neu-Satzer [Novi Sad] Kreise sind nur wenige, wie [?], Medina sporadisch konstituiert.
Das aber ist nicht zu verkennen, daß die Reformierten sich bereits auf die Defensive beschränkt sehen.
Was hat nun nothwendig und dringend zu geschehen, um den Sieg zu sichern?
1. Man lasse sich ja nicht dazu bewegen, die Fristen der Verordnung vom 10/1 zu verlängern, denn dadurch würde der schwer hergestellte Glaube an die Festigkeit der Regierung gänzlich erschüttert werden.
2. Man lasse alle Folgen jener Verordnungen unbedingt eintreten.
3. Man verhindere allenthalben und um jeden Preis die fernere Abhaltung von Superintendential-Konventen nach der alten Eintheilung und Zusammensetzung.
4. Man löse in sofern es praktisch möglich ist, auch die Senioralkonvente, die verboten sind, auf.
5. Man untersage nicht absolut und im allgemeinen die Lokalkonvente, sondern warte noch ab, wie sich die Agitation gestalten werde.
6. Man schiebe die notorischen Aufwiegler von ihrem Tummelplatz ab, und weise den agitierenden Advokaten einen anderen Sprengel an.
7. Man dulde nicht, daß die Rebellion, die sich hinter dem Altar versteckt, unbestraft ihr Geschäft treibe, im Gegentheil man bestrafe unverzüglich diejenigen Senioren und Superintendenten, die sich gegen die Staatsgewalt offen auflehnen. Im Falle sie dabei beharren, enthebe man sie ihres Amtes.
8. Man setze diejenigen kaiserlichen Beamten ab, die mit den Agitatoren gemeinsame Sache machen.
9. Man setze den Wühlereien der Zeitungen, besonders des egyházi és iskolai lap ein Ziel, und begründe je eher ein magyarisches Kirchenblatt mit loyaler Tendenz in Pest-Ofen.
10. Man schütze, entschädige und belohne diejenigen, die für die Regierung leiden, Opfer bringen und sich abmühen.
11. Man kräftige das Nationalgefühl der Slawen und Deutschen in Ungarn, weil sie gegen die Revolution wirken.
12. Man stelle jährlich mindestens 10.000 Gulden dem C & M zur Verfügung, um jene Zwecke zu fördern, Reisekosten zu bestreiten usw.
Spart man in diesem Momente oder betreibt man die Dinge lau, so wird man den 300.j[ährigen] Prozess gegen Ungarn verlieren, und man würde einmal wenn es zu spät sein wird, 100 Millionen gern opfern um das Geschehene ungeschehen zu machen.
13. Man bringe die Kirchenfrage im Consistorialsprengel und bei den Evangelischen A.C. in Siebenbürgen binnen 4 Wochen zur Lösung.
14. Man übergebe die evangelischen Cultus und Schulangelegenheiten überall und ausnahmslos evangelischen Referenten.
Warum?
Erstens darum, weil man ein Referat verstehen muß, wenn man es nicht zum öffentlichen Skandal führen will, wie die Erfahrung beweiset. Es fällt niemandem ein, sich durch den Schuster einen Frack nähen zu lassen, und doch würde diese Probe weit besser ausfallen, als das Referat in Evangelicis, das sich in unkundigen Händen befindet. Wer dies niederschreibt, darf die Beweise, wenn sie gefordert würden, nicht schuldig bleiben. Ein höchst wichtiger Faktor der Koordinierung ist das Schulwesen, aber man muß den Hebel bewegen können. Man glaubt, daß man verläßlichere, loyalere Referenten hat, wenn man nicht Protestanten dazu anstellt. Man irrt sich aber groß, und man ernthet durch diese Saat nur Compromission.
Zweitens aber und hauptsächlich darum, weil Seine Majestät der Kaiser feierlich die Zusage gemacht haben, das evangelische Referat in evangelische Hände allergnädigst niederlegen zu wollen. Nur auf diese Zusage vertrauend ist das evangelische Deutschland, und jene Partei, zu der auch der Verfasser dieses flüchtigen Memorandum's gehört, für die Septembergesetze in die Schranken getreten. Geht sie nicht in Erfüllung so bleibt dort und hier nichts übrig als offen zu erklären, daß man bona fide geglaubt habe, aber getäuscht worden sei. Denn man weiß es hüben wie drüben, daß die Septembererlasse 1859 für die Protestanten decidierte Nachtheile bringen, wenn jenes Versprechen nicht in Erfüllung geht. Es hätte dieses Wort schon im Herbste eingelöst werden sollen, dann stünde es mit der Koordinierung anders, und die Anfänge des Gesetzes befänden sich nicht in der bittersten Verlegenheit. Man wartete aber und wartet noch dum defluat amnis und setzt sich der Gefahr tagtäglich aus, vom evangelischen Deutschland in der öffentlichen Meinung vernichtet zu werden. Man schickt diejenigen, die für die Nichtbefolgung des Patentes sprechen, ins Gefängnis, dispensiert sich aber selbst von der Respektierung des selbst gebrachten Gesetzes. Man rechtfertigt den Prof. L. der zu H. sagte: "Beweisen sie mir, daß die Regierung ein einziges mal Wort gehalten hat, und ich verpflichte mich Ihnen alles zu glauben." Wer kann aber die Regierung zwingen, ihren eigenen Vortheil zu wahren? Niemand. Sie kann ihr Versprechen unerfüllt lassen, sie kann sogar über den Häuptern derjenigen, die ihre ganze Reputation für sie in die Schanze geschlagen haben, der Opposition die Hand zum Frieden reichen und ihre Anhänger und Diener zu "Sündenböcken" stempeln. Das würde unstreitig eine Beruhigung von heute auf morgen gewähren. Allein nicht der schärfsten Fernsicht wird es dann gelingen, in der Zukunft einen Zeitpunkt zu entdecken, wo man geneigt sein würde, nochmal Glauben zu schenken.