Der Bischof von Györ, János Simor, informiert Leo Thun über einige Kandidaten für die Nachfolge des verstorbenen Bischofs von Csanád, Alexander Csajaghy. Allgemein werde der dortige Domherr Alexander Bonnaz favorisiert und auch vom Erzbischof von Kalocsa protegiert. Simor spricht indes seinen Zweifel an der Eignung und der aufrechten Gesinnung dieses Kandidaten aus, da er von unterschiedlicher Seite negative Urteile über dessen Befähigung zu dem hohen Amt erhalten habe. Daher schlägt er Leo Thun zwei andere Kandidaten vor, die aus seiner Sicht besser geeignet wären.
Euere Excellenz!
Bei dem Umstande, als mein bester oder richtiger gesagt, mein einziger Arbeiter
in den Diöcesanangelegenheiten erkrankt ist und daher die ganze Wucht der
Geschäfte auf meinen Schultern beruht, kann ich mein Vorhaben, die Antwort auf
das hochverehrte letzte Schreiben Euerer Excellenz persönlich zu überbringen,
nicht ausführen, indem ich die Diöcese nicht verlassen darf.
Der Bischof von Siebenbürgen vermuthet mit Grund,
daß Csajághy mir über den Domherrn
Bonnaz Mittheilungen machte. Der
Bischof klagte über seinen Domherrn und zwar zu wiederholten
Malen. Die Klage bezog sich auf folgende Punkte: 1. Daß Bonnaz im Jahre 1848 nichts weniger als
ganz correcter Gesinnung gewesen sei. Dies gehe aus den damaligen Diöcesanakten
hervor. Erst nachdem das Glück und der Sieg den kaiserlichen Waffen sich
zugewendet hat, habe er sich geändert. 2. Bonnaz gehe als Statthaltereirath ganz rücksichtslos vor und
lasse seinen mächtigen Einfluß auf den Gouverneur den Bischofe fühlen. 3. Der Bischof habe Grund den echt kirchlichen Geist des Domherrn in Zweifel zu ziehen. In wie fern
aber diese Klagen und Vermuthungen des Bischofs begründet sind, kann ich nicht wissen, da ich darnach
nie nachforschte und nur in Erfahrung brachte, daß der Diöcesanclerus dem
Domherrn nicht gewogen sei. Ich
selbst habe einmal dem Bonnaz sein
Betragen gegen seinen Bischof
mündlich vorgehalten, er war hierüber ganz betroffen und stellte in Abrede, daß
er die dem Bischofe schuldige
Achtung je verletzte. Ob der Bischof später eine bessere Ansicht über Bonnaz gewonnen hat, ist mir unbekannt.
Ich stand mit dem Bischofe in
stetem Briefwechsel, doch ist über Bonnaz zwischen uns nie die Rede gewesen, seit ich
Wien verließ. Der Erzbischof von Kalocsa schrieb mir bald nach dem Tode meines
unvergeßlichen Freundes, daß
dessen Nachfolger im Amte der Domherr Bonnaz werden dürfte, da er durch die Behörden gewünscht werde.
Ich will nicht bezweifeln, daß der Erzbischof seinem besten Wissen und Gewissen folgte, als er sich
so entschieden für Bonnaz erklärte.
Hat sich übrigens der gedachte Domherr im Jahre 1848 Extravaganzen erlaubt, sei es in
kirchlicher, sei es in politischer Hinsicht, dann würde ich ihm den Rath
ertheilen, [sich] der bischöflichen Bürde nirgends, am allerwenigsten aber in
Csanád zu unterziehen, denn er wird einen äußerst
schwierigen Stand haben und doch nichts wirken können. Exempla docent. Hoványi wäre der rechte Mann für
Csanád, fromm, gelehrt, wohlthätig, mackellos in
jeder Hinsicht, ein solcher soll überall, vorzüglich aber in
Csanád Bischof werden. Nachdem er aber zur Annahme
eines Bisthums durchaus nicht zu bewegen ist, so gehört unter den von den
betreffenden Bischöfen benannten Kandidaten der Vorzug unstreitig dem Professor
Samuel Markfy, welchen ich schon
für Neutra in der tiefsten Überzeugung meiner Seele zu
benennen mir erlaubte. Ich schreibe diese Zeilen vor dem Bilde meines
gekreuzigten Heilands, für den ich jeden Augenblick zu sterben bereit bin und
ich könnte, würde mir die Wahl überlassen, wieder nur diesen und keinen andern
wählen. Die Angelegenheit, um die es sich handelt, ist wichtig, denn es hängt
davon das Seelenheil von Hunderttausenden ab, darum habe ich es für meine
heiligste Pflicht erachtet, von den mir durch den Bischof Csajaghy gemachten Mittheilungen, vor
Euerer Excellenz nichts zu verheimlichen.
Genehmigen Euere Excellenz die
Versicherung der unbegränztesten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu
verbleiben
Raab, den 16. April 1860
Euerer Excellenz
ergebenster Diener
J. Simor