Der Schulrat Carl Jesz bittet Leo Thun um Unterstützung beim Kaiser für sein Gesuch um Verleihung eines Stallum canonicale im Domkapitel von Fünfkirchen. Er wendet sich dabei direkt an Thun, weil er befürchtet, ansonsten keine Chancen auf das Amt zu haben: Einerseits werde der zuständige Bischof ihn nicht dafür vorschlagen. Andererseits herrsche in den Ordinariaten die Auffassung vor, dass geistliche Schulräte als Staatsbeamte keinen Anspruch auf ein kirchliches Benefizium besäßen. Jesz widerspricht dieser Ansicht und glaubt, dass er als geistlicher Schulrat der Kirche sogar einen höheren Dienst erweise als ein gewöhnlicher Priester. Als letzten Grund für seine Bitte führt er schließlich an, dass er seine betagte Mutter und mehrere Geschwister zu versorgen habe.
Euere Excellenz!
Unterm 29. Juli 1857 Präs. Z. 6652 hat das k.k. Statthaltereipräsidium für
Siebenbürgen ein von mir verfaßtes
allerunterthänigstes Majestätsgesuch um Verleihung eines Stallum canonicale am
Großwardeiner Domkapitel Euerer
Excellenz zur hochgeneigten Befürwortung bei Allerhöchst Seiner k.k. Apostolischen Majestät unterbreitet und
dasselbe zu diesem Zwecke bestens zu empfehlen befunden.
Konnte auch dieses
Gesuch zufolge Allerhöchster Entschließung vom 31. October 1857 nicht
berücksichtigt werden, so geruhten Euere Excellenz mir doch die Hoffnung und
Aussicht auf ein günstigeres Resultat eines weiteren ähnlichen Einschreitens
gnädigst im mündlichem Wege eröffnen zu lassen.
Vertrauend auf die gnädige
Gewogenheit Euerer Excellenz und im Bewußtsein, die im vorerwähnten
Statthaltereiberichte enthaltene belobende Anordnung meiner bisherigen
Verwendung durch Nichts verwirkt zu haben, erlaube ich mir das anliegende
allerunterthänigste Majestätsgesuch um Verleihung des am Domkapitel der
Fünfkirchner Diözese 1,
welcher ich noch immer angehöre, erledigten Stallum canonicale Euerer Excellenz
mit der unterthänigsten Bitte vorzulegen, dasselbe der Allerhöchsten Gnade Seiner k.k. Apostolischen
Majestät gnädigst befürwortend empfehlen zu wollen.
Der
Grund, aus welchem ich dieses Gnadengesuch unmittelbar und nicht im Wege meines
Ordinariates an Euere Excellenz zu leiten mich bemüßigt sehe, liegt in der
völligen Hoffnungslosigkeit, von meinem
Bischofe über mein Einschreiten zur Erreichung dieses Zweckes in
Vorschlag gebracht zu werden, da bei den hochwürdigen Ordinariaten die
Anschauung vorherrschend ist, daß diejenigen Geistlichen, welche im
unmittelbaren Dienste der hohen Regierung zu stehen die Ehre haben, keiner
Diözese mehr dienen, daher auch keinen Anspruch auf ein kirchliches Beneficium
mehr haben können. Nachdem ich jedoch in meiner Stellung als k.k. Schulrath auch
der katholischen Kirche wesentliche Dienste, Dienste von weit größerer Tragweite
als die eines Pfarrers sind, zu leisten Gelegenheit habe, so glaube ich die
Bitte um einige Brodsamen vom reichen Tische der katholischen Kirche um so mehr
gerechtfertigt, als ich eben in dieser Stellung tausendfältige Gelegenheit
finde, von der kirchlichen Präbende, welche ein patrimonium pauperum sind, den
wichtigsten Gebrauch zu machen.
Ich nehme mir demnach die Freiheit, mich
direkt an Euere Excellenz zu wenden und um hochgeneigte Berücksichtigung meines
Gnadengesuches zu bitten. Die mißliche Lage, in der ich mich befinde, nöthigt
mich Euere Excellenz mit dieser Bitte wiederholt zu behelligen. Ich habe eine
betagte Mutter und unversorgte Geschwister zu unterstützen; zudem die große
Theuerung der Lebensmittel in Siebenbürgen
und noch mehr die vielfältigen Ansprüche auf meinen Visitationsreisen, die man
überhaupt an einen höher gestellten Geistlichen zu stellen gewohnt ist, machen
oft Verlegenheiten unvermeidlich, welche auf die ungetheilte Entfaltung der hier
in meiner Berufssphäre so nöthigen allseitigen Thätigkeit hemmend zurückwirken.
Daher die Dringlichkeit meiner inständigen Bitte, deren huldvolle Gewährung mich
in den Stand setzen wird, das ganz zu sein, wozu das hohe Vertrauen Euerer
Excellenz mich berufen hat.
Genehmigen Euere Excellenz den Ausdruck meiner
tiefsten Verehrung und Hochachtung, womit ich mich zu zeichnen die Ehre habe
Euerer Excellenz
ergebenster Diener
Dr. Carl Jesz
k.k. Schulrath
Hermannstadt, am 16. Juni 1859