Der Jurist Johann Bayer beklagt sich bei einem nicht näher benannten Ministerialrat über den Versuch der Hermannstädter Stadtverwaltung, die Rechtsakademie gegen ihren Willen in das Militärspital zu verlegen. Bayer bittet den Ministerialrat daher, beim Minister in dieser Sache zu intervenieren bzw. dass der Minister nötigenfalls beim Gouverneur von Siebenbürgen, Karl Schwarzenberg, gegen diesen Plan protestiere. Bayer beschwert sich bitter über das Verhalten der Stadtverwaltung, die die Rechtsakademie bereits mehrfach verlegt und dabei vollkommen ungeeignete Räume zur Verfügung gestellt hatte. Um seine Bitte zu untermauern, betont Bayer den Erfolg der Akademie und den Fleiß der Studenten. Besonders hebt er dabei die romanischen Studenten hervor. Hinter den andauernden Umsiedlungen der Akademie sowie den zahlreichen Unannehmlichkeiten, die der Akademie bereitet werden, glaubt Bayer im Übrigen eine Intrige der Siebenbürger Sachsen erkennen zu können. Diese Bevölkerungsgruppe räche sich aus seiner Sicht nämlich dafür, dass zahlreiche katholische Professoren an die Akademie berufen worden sind und damit der vormals bestandene protestantische Charakter der Akademie verloren gegangen sei. Abschließend verweist Bayer auf den schlechten Zustand der Gymnasien in Siebenbürgen, wobei er insbesondere auf die evangelischen Gymnasien hinweist.
Hochverehrtester Herr Ministerialrath!
Ich muß leider wieder mit einer Klage kommen, aber ich weiß auch, welchen regen
Antheil Euer Hochwohlgeboren an unserer Rechtsakademie nehmen, und deshalb kann ich nicht umhin,
die ihr neuerlich drohende Gefahr zu schildern. Die Hermannstädter Communität befindet sich
nämlich in Quartierverlegenheit und denkt wie immer, wenn sie in Quartiersnoth
ist, an die Dislocirung der Rechtsakademie, obgleich diese Lehranstalt durch den
Miethcontract gedeckt ist. Euer Hochwohlgeboren kennen die bedauernswerthen
Vorgänge in dieser Beziehung, wir haben das jetzige zwar kleine, aber ganz dem
Bedürfnisse der Akademie
entsprechende Lokale dem energischen Wirken des Collegen Schmidt zu danken, der damals die
Redaktion des Siebenbürger Boten führte und mit persönlicher Gefahr seiner
Freiheit die gewaltigen Hindernisse besiegte. Kaum sind wir ein Jahr im ruhigen
Besitze und wir sind wieder auf dem Punkte, vielleicht sogar mitten im
Schuljahre zu wandern und die Vorlesungen zu unterbrechen, weil die hiesige
Polizeidirektion, wie ich höre, die Lokalität beansprucht. In der letzten Woche
der Fastenzeit erschien nämlich eine Commission, bestehend aus dem
Polizeidirektor, dem Bürgermeisterstellvertreter und 10 andern
Communitätsmitgliedern in den Räumen der Rechtsakademie, drang ohne
Rücksicht auf die gerade vortragenden Professoren, wiewohl der Pedell
ausdrücklich sie aufforderte zu warten, bis der Vortrag geschloßen sei, in die
Hörsälle, unterbrach den Vortrag, ohne sich zu entschuldigen, und nahm die
Beaugenscheinigung der Lokalität vor. Der Lehrkörper hat über dieses, jeder
Bildung und der Ehre der Lehranstalt Hohn sprechende Benehmen der Commission
eine Beschwerde an die Oberdirektion gerichtet. Nun entsteht die Frage, wohin
wir wandern müssen? Wie ich vernehme, hat man die Absicht, einen Theil des
Hauses am Hundsrücken, wo seit der Revolution, also durch 5 Jahre, ein
Militärspital war, für uns zu adaptiren. Wir haben wohl diesfalls schon
Großartiges erlebt, wir haben Vorträge in einem Zimmer gehalten, während der
Thürstock und Fußboden dieses Zimmers ausgehoben wurde, wir haben in Zimmern
vorgetragen, während der Mörtel vom Plafond fiel, bis die von uns angesuchte
Baucommission den drohenden Einsturz des Hauses erkannte, wir haben in einem
Quartiere vortragen müssen, dessen Zimmer so klein waren, daß ein Theil des
Auditoriums im benachbarten Zimmerchen durch die Thüre den Vortag anhören mußte,
aber die jetzt gemachte Zumuthung, in Räumen vorzutragen, in welchen seit einer
Reihe von Jahren von typhösen Fiebern und venerischen Krankheiten behaftete
Militärs lebten, wäre denn doch zu stark. Wie ich glaube, wäre dem drohenden
Übel am besten zu begegnen, wenn Seine Excellenz, unser hochverehrter Herr Minister, bei einem etwaigen
Zusammentreffen mit dem Gouverneur Fürsten
Schwarzenberg, welcher sich gegenwärtig in
Wien befindet, diesen Gegenstand zur Sprache bringen
würde. Denn leider ist gerade nun der Fürst nicht anwesend und die Akademie daher ohne Schutz. Zwar
soll der provisorische Generalprocurator von Siebenbürgen, Füger von Rechtborn, zum
Curator derselben schon seit 3 Monaten ernannt sein und selbst das Dekret haben,
aber (unglaublich, aber doch wahr) das Gouvernement publicirt die Ernennung
nicht, weil es zur Expedition dieses Stückes noch eines Voraktes benöthigt und
Hauptmann Kleinmayer, der Adjutant des
Fürsten, angeblich alle
Präsidialvorakten vor seiner Abreise mit dem Fürsten eingesperrt hat!!! Und so kann selbst Füger, welcher mit dem
besten Willen auch die Macht vereinigen würde, uns leider nicht helfen. Es ist
traurig, daß die Lehrer dieser Anstalt so oftmals ein förmliches Dementi der von
ihnen vorgetragenen Rechtsgrundsätze erfahren müssen, weil, wenn ein Chef eines
untergeordneten Amtes sein lüsternes Auge auf die Lokalität der Akademie geworfen hat, alle
heiligen Grundsätze des Privatrechtes, die Contracte, das Eigenthumsrecht,
diesen sogenannten politischen Rücksichten weichen müssen! Und gewiß, die
Hermannstädter
Rechtsakademie verdient keine solche Zurücksetzung und unwürdige
Behandlung von Seite einzelner Beamten, indem dieselbe im beständigen
Fortschritte sich befindet und vielleicht jetzt schon den ersten Rang bezüglich
der Frequenz der Zuhörer unter den Rechtsakademien einnimmt. Als ich im
Schuljahre 1851 hierher kam, studirten beiläufig 36, in diesem Semester 1853
sind 86 Zuhörer immatriculirt. Jedes unserer Collegien ist von 30 bis 40
Studenten und mehreren Beamten besucht, und es bedarf keiner Divinationsgabe, um
vorauszusagen, daß sich die Anzahl der Zuhörer in 2 Jahren wieder verdoppelt.
Was die Leistungen unserer Schüler betrifft, so findet man, wie überall, mehr
und minder begabte, aber rühmen muß ich den guten Willen und den regen Eifer bei
allen. Sie bilden keine Burschenschaften, besuchen keine Kaffeh- und
Wirthshäuser, nie wurde gegen einen derselben in politischer oder polizeilicher
Beziehung ein Anstand erhoben, sie sind zwar, wenn sie in die Akademie gelangen, mitunter sehr
roh, wir Professoren müssen sie noch manche Regeln des Anstandes lehren, aber
wir finden immer ein williges Gemüth und pünktlichen Gehorsam. Besonders eifrig
sind die Romanen, sie legen, wenn sie auf die Rechtsschule kommen, ihre
wallachische Kleidung ab, tragen den deutschen Rock und Hut und germanisiren
sich vollständig. Viele derselben sind so arm, daß sie ihr Leben während der
Studienzeit durch Stiefelputzen und andere knechtische Dienste bei Beamten
fristen, die vom hohen
Unterrichtsministerium diesfalls bewilligten Stipendien sind eine
große Wohlthat und werden reiche Früchte tragen. Zum ferneren Gedeihen der
Lehranstalt ist es
wesentlich nöthig, daß das Ansehen derselben auch nach außen gewahrt werde. Die
Anfeindung gegen dieses Institut geht nämlich von den hiesigen Sachsen aus, weil
einerseits durch die Anstellung so vieler katholischer Professoren die
Lehranstalt aufhört, protestantisch zu sein und weil dieselben gewohnt sind, in
den Professoren ihre willfährigen Werkzeuge und Diener zu erkennen. Die
hierarchische Stufenleiter bei den Evangelischen ist hier: Nach absolvirten
Studien Professor am Gymnasium, dann Prediger, dann Pfarrer. Die letzteren
Würden, mit denen reiche Pfründen verbunden sind, werden durch freie Wahl der
Bürger besetzt, der absolvirte Theologe, welcher als Professor am Gymnasium kaum
200 fl jährlich hat, muß nach dem Beifall der Schüler und der Ältern [sic!]
derselben ringen, um das Ziel seines Lebens, die Vocation zu einem Pfarramte, zu
erreichen. Bei dieser Abhängigkeit von allen muß das Ansehen der Professoren
leiden. Überhaupt sind hierzulande die Gymnasien auf einer sehr niedrigen Stufe.
Euer Hochwohlgeboren wissen, daß ich bei meiner langjährigen Verwendung in
denselben ein competentes Urtheil umso mehr fällen kann, als ich noch vor meiner
Berufung hierher am Josephstädter Obergymnasium Vorträge hielt und mit der neuen
Organisation vollkommen vertraut bin. Ich habe die viel gepriesenen
evangelischen Gymnasien zu Kronstadt, Schäßburg, Mediasch und
Hermannstadt kennengelernt, und zwar in loco, habe
aber leider die Erfahrung gemacht, daß manche der wichtigsten Wissenschaften, z.
B. Mathematik und Physik, sehr wenig betrieben werden, daß ferner die
Consistorialprüfung, welche die Stelle der Maturitätsprüfung vertritt, bei
weitem nicht den Umfang und die Wichtigkeit der letzteren hat. Das hiesige
katholische Untergymnasium ist gut. Wenn mir die Zeit erübrigt, so werde ich in
einem umfassenden Berichte die bei den hierländigen Gymnasien herrschenden
Gebrechen zur Kenntnis des hohen Ministeriums bringen.
Mit tiefster Hochachtung
Euer Hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
J. Bayer
Hermannstadt, am 28. März 1853