Der Superintendent Georg Binder verfasst im Auftrag von Leo Thun eine Beschreibung der sächsischen evangelischen Geistlichkeit A.B. in Siebenbürgen und ihrer Beziehung zum Volk. Binder betont, dass der typische sächsisch evangelische Geistliche ein Mann des Volkes sei: Er stammt meist aus bürgerlichen Familien und erhält sein Pfarramt zumeist in seinem Heimatkreis durch Wahl der Kirchengemeinde. Da er einen solchen Posten erst in einem fortgeschrittenen Alter erhält und schon zuvor als Religionslehrer und Hilfsprediger Erfahrungen und Kenntnisse sammeln und sich in den Dienst der Gemeinde stellen konnte, ist der Pfarrer der Kirchengemeinde meist bereits seit langen Jahren bekannt. Daher fällt die Wahl nur selten auf ungeeignete Kandidten. Aus Binders Sicht übt der Pfarrer einen umfassenden Einfluss auf seine Gemeinde aus, indem er als allgemeines Vorbild und als verbindendes Element in seiner Gemeinde wirkt. Binder glaubt auch, dass durch diesen positiven Einfluss des Pfarrers sowie durch den fruchtbaren Einfluss der Kirche auf die Schulen, das Volk in Siebenbürgen in politischer Hinsicht als besonders mündig anzusehen sei. Daher hofft er, dass die Stellung der Pfarrer in finanzieller Hinsicht verbessert werde, da seit der Aufhebung des Zehents viele Pfarrer nur ein spärliches Einkommen hätten. Nur durch einen gesicherten Lebensunterhalt kann nämlich der positive Einfluss der Pfarrer auf das Kirchenvolk bewahrt werden.
Einem Hohen k.k. Cultus- und Unterrichtsministerium
Der sächsische evangelische Geistliche A.C. in Siebenbürgen, insonderheit seine Beziehungen zu dem Volke und sein Einfluß auf dasselbe.
Euer Excellenz haben mich mit vertrauensvoller Gewogenheit beauftragt, ein Bild
von dem sächsischen evangelischen Geistlichen A.C. in Siebenbürgen wenigstens nach seinen
hervorstehendsten Umrissen zu entwerfen, woraus das Wesen und Wirken desselben,
und zwar nicht sowohl von seiner kirchlichen, als vielmehr und vornehmlich von
seiner bürgerlichen Seite erkannt werden könne. Ich beehre mich, dem
theilnehmenden Auftrage zu entsprechen, nur verwahre ich mich im Voraus gegen
den Anspruch, in diesen einfachen Umrissen das volle Bild mit seiner ganzen
lebendigen Kraft und Färbung wiedergeben zu wollen.
Der sächsische
evangelische Geistliche in Siebenbürgen ist
nicht nur deswegen ein Mann des Volkes, in dem vollen und dabei doch
unverfänglichsten Sinne des Wortes, weil er von dem Volke oder von seinen
Kirchenkindern und künftigen Pflegebefohlenen durch die Wahl in sein kirchliches
Lehramt berufen wird, sondern schon deswegen, weil er aus dem sächsischen Volke
selbst hervorgegangen und gewöhnlich in dem Kreise geboren und vorläufig
angestellt ist, in welchem er später zum Pfarramte gelangt. Und ein solcher Mann
ist fast noch mehr der akademische als der nichtakademische Geistliche; und weil
jene, die akademischen, bis jetzt nicht nur der Zahl nach die meisten, sondern
auch ihrem Einfluße nach die wirksamsten und so zu sagen die eigentlichen und
einzigen Wächter und Träger kirchlicher und volksthümlicher Wissenschaft und
Bildung sind, so beschränke ich mich gegenwärtig auf sie allein.
Der
künftige akademische Religionslehrer oder Pfarrer gehört seiner Geburt nach
keinem Stande ausschließlich oder auch nur vorzugsweise an, sondern der Sohn des
Pfarrers hat nicht mehr Recht und Anspruch auf ein geistliches Amt als der Sohn
des Arztes, des Beamten oder auch des einfachen Handwerkers und Bauers; und noch
zur Stunde findet man unter den Pfarrern auf dem Lande und unter den Candidaten
des Pfarramtes in unsren Städten und Prätorialmärkten Söhne aus allen diesen
bürgerlichen Standes- und Rangclassen. Die Hauptsache ist, der künftige
akademische Religionslehrer oder wie er bei uns kurzweg heißt, der künftige
Theolog, hat sich nur durch den rühmlichen Erfolg seiner sechsjährigen
Gymnasialstudien und durch seine vorschriftmäßige Aufführung zuletzt noch in
einer strengen Maturitätsprüfung vor dem betreffenden Kreisconsistorium als zum
Weiterstudiren an auswärtigen Hochschulen geeignet und befähigt auszuweisen;
dann erhält er die ämtliche Erlaubnis dazu und es steht nun bei ihm, von dieser
Erlaubnis Gebrauch zu machen oder nicht. Ehemals kamen dem siebenbürgischen
Theologen in dem sprach- und glaubensverwandten Deutschland
hier dort[sic!] allerlei Stipendien und Freitische zu statten und erleichterten
auch dem Ärmern seine akademischen Fachstudien; in der neuern Zeit sind diese
Unterstützungen auf einen minderbedeutenden Zuschuß herabgesunken oder ganz und
gar untergegangen, so daß die Ärmern sich zu diesem Zwecke mit Schulden belasten
mußten, welche abzuzahlen sie meistens erst in spätern Jahren als Pfarrer hoffen
durften.
Kehrt der Candidat nach einem zwei- oder dreijährigen Aufenthalt
auf auswärtigen Hochschulen, in der Regel nicht nur mit Kenntnissen aus seinem
spätern theologischen Fache, sondern auch mit Kenntnissen aus andern inzwischen
nothwendigen Schulwissenschaften bereichert, zurück in seinen Kreisort, an
welchem sich gewöhnlich ein Gymnasium mit einem philosophischen Cursus befindet,
so meldet er sich zur vorgeschriebenen Nach- oder Candidatenprüfung und in Folge
und nach dem Austrage derselben bei eingetretenen Erledigungen zur Anstellung an
sein Kreisgymnasium; denn das muß ich ein für alle Mal vorausschicken, daß in
unsern fünf Gymnasial- und dann drei Realschulkreisen kein Candidat bisher
Pfarrer werden konnte, der nicht zuvor mehr, bisweilen zwanzig und sogar dreißig
Jahre an der Schulanstalt und Pfarrkirche seines Kreisortes als Lehrer oder als
Hülfsprediger um einen sehr sparsamen Gehalt gedient und sich um seinen Kreis
und sein Volk mehr oder weniger verdient gemacht hat. Da hat und hatte nun der
junge Candidat vollauf Zeit und Gelegenheit, in dem Kreise der heranblühenden
und heranreifenden Jugend und unter der Aufsicht und Leitung wachsamer Schul-
und Kirchenaufseher (welches überall die Ortspfarrer sind) und Consistorien
nicht nur an Jahren und Erfahrung zuzunehmen, sondern auch seinen Charakter zu
befestigen und zu erproben, sein Wissen zu erweitern und zu berichtigen und im
Verhältnis zu der gewonnenen Welt- und Menschenkenntnis fruchtbar und
gemeinnützig zu machen, und das um so angelegentlicher, je mehr seine Zukunft
und seine Aussichten von dem Vertrauen abhängen, welches er in seinen
wechselnden Wirkungskreisen bei Jung und Alt sich in dieser Zeit zu erwerben im
Stande ist. Denn in die Kreisstadt oder in den Kreisort, wo er seine langen
Probejahre besteht, kommen von Zeit zu Zeit, bald in eigenen Geschäften bald von
Amtswegen auch die Landleute hinein und erfahren dort, gelegentlich oder
absichtlich, wer ein und der andre dasige Schulmann und Hülfslehrer ist oder
hören sie von ihren an dem Gymnasium studirenden Söhnen; und dieser Ruf geht dem
künftigen Pfarramtscandidaten schon Jahre lang voraus, bevor noch von seiner
Beförderung in das Pfarramt die Rede seyn kann.
So steht der künftige
Pfarrer schon seit seinem ersten Eintritt in das selbstständige Leben nicht nur
im vollsten, sondern auch im hellsten Lichte der Öffentlichkeit; und es kann
nicht leicht einen Vorzug oder einen Mangel an demselben geben, welcher nicht
zur allgemeinen Kenntnis käme; denn wiewohl unsre alte Handweste von König
Andreas II. vom Jahre 1224 zunächst
nur von dem künftigen bürgerlichen Beamten des Sachsenvolkes verlangt, ut inter
illos resideat, so ist dieses in dem letzten Jahrhundert doch auch bei den
kirchlichen Beamten Regel geworden, daß nicht leicht einer außer seinem
Consistorialkreise in das Pfarramt befördert und gewählt wird.
Wird nun in
dem betreffenden Consistorialkreis, deren es auf dem Königsboden eilf gibt, eine
Pfarre erledigt, so melden die evangelischen Ortsvorgesetzten die Erledigung bei
dem ersten evangelischen Beamten des Kreises oder Stuhles und zugleich bei dem
Dechanten (Senior) des nicht immer mit dem politischen Kreise zusammenfallenden
Capitels oder Seniorates und bitten um Anordnung einer neuen Wahl innerhalb der
vorgeschriebenen Frist. Hierauf tritt das Kreisconsistorium, bestehend aus den
drei ersten, durch keinen Nepotismus ausgeschlossenen weltlichen wie geistlichen
Beamten des Kreises und des Capitels, zusammen und gibt in beiderseitigem
Einvernehmen und unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit sechs für die
Stelle geeignete Männer aus den Hülfspredigern und Schullehrern des Ortes oder
auch von den minder einträglichen Pfarrerstellen in die Wahl, zugleich bestellt
es zwei Wahlcommissäre, und zwar wieder einen aus dem weltlichen und einen aus
dem geistlichen Stande. Bei der in kürzester Frist und auf amtliche Vorwarnung
und Vorbereitung in der Kirche feierlich vorgenommene Wahl gibt nun jedes
verheurathete, ansäßige und eingepfarrte, männliche Mitglied der Kirchengemeinde
ohne weitern Wahlcensus seine Stimme einem der laut bekannt gegebenen sechs
Candidaten an die Wahlcommission ab; und es trifft sich nicht selten, daß einer
derselben von allen seinen künftigen Pfarrkindern einstimmig gewählt wird,
wenigstens kann niemand an einem Orte Pfarrer werden, den nicht die bezügliche
Mehrheit der Gemeindeglieder mit ihrem Zutrauen dazu berufen hätte. In den
Städten und in den volkreichern Ortschaften des Kronstädter Capitels werden auch die Pfarrerswahlen herkömmlich
bloß von den evangelischen Mitgliedern der die ganze Gemeinde vertretenden
Ortscommunitäten vollzogen. Die im Laufe eines Jahres statt gefundenen Wahlen
und Veränderungen im Pfarramt wurden, als noch die Confirmationstaxen bestanden,
erst lange nach der förmlichen Einführung der Neuerwählten in ihr Amt in
Jahrestabellen zur Allerhöchsten Kenntnis gebracht und damit zugleich zur
landesfürstlichen Bestätigung oder Confirmation empfohlen.
Tritt der also
gewählte und berufene Pfarrer gewöhnlich in schon gesetztem Lebensalter, nahe an
40 oder gar an 50 Jahren, nach mehren erhebenden kirchlichen Feierlichkeiten
endlich sein schönes ländliches Pfarramt an, so hängt es nur von seinem
verständigen und humanen Betragen ab, das ihm entgegengekommene Vertrauen seiner
Anhänger im Orte von Tag zu Tag mehr zu befestigen und dazu auch noch das
Vertrauen derer zu gewinnen, welche vielleicht mit seiner Erwählung nicht
einverstanden, darum aber, weil sie ihr Stimmen einem andren gaben, noch gar
nicht seine Feinde waren, wie man überhaupt, wie namentlich der schlichte
Landmann darum, weil er einen vorzieht, nicht nothwendig gegen alle übrigen
feindlich gesinnt ist. Beträgt sich der neue Pfarrer, wie zu erwarten,
unbefangen, gutmüthig und würdig und neben der möglichgrößten Rechtschaffenheit
auch in der erforderlichen Weise klug, so erwirbt er bald nicht nur das ihm
zustehende größte bürgerliche Ansehen im Orte, sondern auch den größten
geistigen und gemüthlichen Einfluß in seiner und auf seine Gemeinde, besonders
wenn zu der ernsten Thätigkeit des Mannes sich auch noch die milde
Freundlichkeit seiner Ehegattin, der Pfarrerin, hülfreich und ergänzend
hinzugesellt. Denn der Pfarrer, wiewohl Mann des Volkes und von dem Volke
gewählt, steht doch an geselliger und wissenschaftlicher Bildung so hoch über
dem Volke, daß dieses ihm allenthalben im Voraus mit Achtung und Ehrerbietung
begegnet und diese seine Anerkennung nicht nur in dem altherkömmlichen
patriarchalischen Titel: „Herr Vater!“, mit welchem es denselben in
vertraulicher Weise anredet, sondern auch sonst in seinem ganzen zuvorkommenden
Betragen gegen ihn bereitwillig an den Tag legt. Auch war und ist mancher
exemplarische Landpfarrer bis zur Stunde noch im geistigen und gemütlichen Sinne
des Wortes der Vater seiner Gemeinde, indem aus seinem Hause die milden Strahlen
werkthätiger Menschenliebe sich nach allen Seiten hin ergießen und, wie die
Natur es mit sich bringt, dann auch wieder alle Strahlen der Gegenliebe der
ganzen Gemeinde in seinem Hause wie in ihrem Mittelpunkte dankbar
zusammenlaufen. Bisher konnten auch viele unserer Landpfarrer wirklich selbst in
dem mehr stofflichen Sinne des Wortes Väter ihrer Gemeinden seyn, weil der
Zehentbezug ihnen die Mittel bot, womit sie im Stande waren, manchem Kranken und
Armen eine Labung zu reichen oder in seiner Nothdurft Hülfe zu gewähren und so
das göttliche Christenthum nicht nur mit Wort und Lehre, sondern auch mit That
und Beispiel zu predigen und zu beurkunden.
Was ich aber vorzüglich
hervorheben zu müssen glaube, das ist der bildende Einfluß, welchen zumal der
sächsische Landpfarrer nicht nur als öffentlicher Religionslehrer und amtlicher
Schulaufseher durch seinen eigentlichen Unterricht bei Jung und Alt, sondern den
er auch als Vorstand des Ortsconsistoriums, als Amtmann, als Familienvater, als
Ehegatte, überhaupt in allen seinen außeramtlichen, geselligen und bürgerlichen
Berührungen und Lebensverhältnissen auf die Geister und Herzen seiner Gemeinde
ausübt, ein Einfluß, welchen der protestantische Geistliche um so höher
anschlagen und um so ernstlicher wünschen und anstreben muß, weil sein Wirken
und seine Würde ohnehin auf dem Geiste beruht und von dem äußerlichen
Ceremoniell so gut wie keinen Gebrauch machen, wenigstens keinen Vortheil ziehen
kann. Selbst durch eine längere Reihe von Jahren in seiner Bildung gereift und
erstarkt, muß er schon durch sein Beispiel dieselbe empfehlen und ihr Vorschub
leisten bei allen, welche sich nahe und fern mit ihm berühren, ein Umstand,
welchen vorzugsweise ich es zuschreibe, daß unser Volk im Ganzen auf einer Stufe
geistiger, sogar politischer Entwicklung und Aufklärung steht, wie kaum ein
zweites in Oesterreich. Denn mögen auch wirklich einzelne
Landschaften des Gesammtstaates in manchem Stücke, namentlich in solchen, welche
äußerlich ersehn und gemessen werden, uns übertreffen, im Ganzen besonders in
den Stücken, wo die geistige Entwicklung und Aufklärung sich mit dem Leben und
dem Bürgerthum berührt, thut es gewiß keine. Daher ist es gekommen, daß auch die
mächtigen Schlagwörter der neuesten Zeit: Freiheit und Gleichheit, unter unserm
Volke keinen Widerhall, nicht einmal einen Anklang gefunden haben, theils schon
deswegen, weil unser Volk seinem größten Theile nach auch vorher und bisher
gleich und bereits an die Freiheit gewohnt war, theils und vornehmlich deswegen,
weil es in seiner Schule und Kirche die bürgerliche und die sittliche Freiheit
in der Regel von einander unterscheiden gelernt hatte und recht wohl wußte, daß
auch die vielversprechendste bürgerliche Gesetzgebung niemanden von dem
sittlichen Zwang seiner Pflichten lossprechen kann, sondern daß vielmehr dieser
eben in dem Verhältnis wächst, in welchem jene für einzelne Personen wie für
ganze Classen der Gesellschaft loser und freier wird.
Weswegen ich, so oft
meine Landgemeinden sich wegen Besetzung erledigter Pfarren auch an mich wenden,
zu ihn[en] spreche: daß ich es nur loben könne, wenn sie auf das Pfarramt und
auf die würdige Besetzung desselben eine großes Gewicht legen, weil der Einfluß
dieses Amtes zwar ein unmerklicher, darum aber doch ein unersetzlicher sey, ganz
dem Einfluße ähnlich, welchen in dem lehrreichen Bienenstaate der Weisel ausübe,
ein Einfluß, der sich weniger in seiner augenfälligen Thätigkeit als vielmehr
nach seiner unheilvollen Abwesenheit nachweisen und ermessen lasse, so daß
bekanntlich der Bienenstock unrettbar verloren sey und untergehe, welchen kein
Weisel mehr mit seiner stillen Wirksamkeit regiere und erhalte.
Euer
Excellenz werden mir daher gewogenst erlauben, daß ich zuletzt noch an die
Bedingungen erinnere, auf welchen neben der innern Kraft der Charaktere dieser
segensreiche Einfluß des sächsischen Geistlichen in Siebenbürgen bis jetzt beruhte und zum Theil noch immer beruht. Es
waren diese keine andern als das innige Ineinandergreifen unserer Kirche und
Schule, indem die künftigen Kirchen- und Religionslehrer ohne Ausnahme vorher
oft längere Zeit in der Schule als Präceptoren und Professoren Muße und
Gelegenheit hatten, ihre mannichfaltigen Kenntnisse zu läutern und zu vermehren
und dazu noch für ihr Volk wie für sich selbst anwendbar und fruchtbar zu
machen. Dann war es auch die Aussicht auf ein wenigstens theilweise reichliches
Ein- und Auskommen als Pfarrer im Alter durch die ehemaligen seit [1]848 aber
aufgehobenen Zehenten. „Theilweise reichliches Auskommen“ wiederhole ich; denn
es gab auch bisher sehr viele sächsische Pfarren, welche ihren Inhaber nur
mäßig, ja viele, welche denselben nur sparsam nährten. Aber jene wenigen bessern
und einträglichern waren fortwährend die Zielpunkte der Wünsche und Bestrebungen
aller, welche sich dem geistlichen Stande und der schweiß- und staubbedeckten
Laufbahn bis zu jenem ungewissen Ziele widmeten und wenn auch, wie zu erwarten,
immer nur die Wenigsten endlich zu einer jener sorgenlosen Stellen gelangten, so
waren doch alle durch die Aussicht darauf auf die Bahn gelockt und in ihrem
mühevollen Wetteifer ermuntert worden. Indessen, wenn nur ich als dermaliger
Vorstand dieser noch vor kurzem eben wegen ihrer Zehenten so viel beneideten und
bedrohten evangelischen Geistlichkeit in Siebenbürgen auch fernerhin auf die freisinnige und freigebige
Stellung und Ausstattung derselben dränge, so könnte man mein Ansuchen leicht
nur für die Eingebung der Selbstliebe und des Eigennutzes halten; aber mit mir
verlangt eine solche Stellung und Ausstattung unserer Geistlichen auch noch die
allseitige deutsche und humane Fortbildung jenes fernen Gränzlandes. Denn sinkt
unsere Geistlichkeit unter der Wucht der Nothdurft und der Nahrungssorgen herab,
entschließt kein talentvoller Jüngling sich mehr für das undankbare Studium der
Theologie, wird es demselben und überhaupt allen künftigen Bewerbern um ein
geistliches Amt nicht mehr möglich oder auch nur räthlich auf ihre höhere und
längere wissenschaftliche Ausbildung an der Wiege unsres Kirchen- und Volksthums
fort und fort größere Ausgaben und Unkosten zu wagen, verlieren dann die
Candidaten des Pfarramtes ganz folgerecht ihren bisherigen für alle so
segensreichen Zusammenhang mit der Schule und treten sie nicht mehr gleichsam
durch die Propyläen der freien Wissenschaft in den Tempel evangelischer
Frömmigkeit und Gottesfurcht, dann gehabe dich wohl, aufblühende und
aufstrebende Bildung des theuern tieferschütterten Vaterlandes, ja gehabe dich
wohl siebenhundertjähriges Deutschthum im Osten des auferstandenen Oesterreichs, weil wie die Geschichte lehrt,
alle wahre höhere und innere Bildung und Gesittung nur in der milden Sommerwärme
eines mäßigen äußern Wohlstandes sich erhalten oder gar wachsen und gedeihen
kann.
Georg Binder
Ev. Suptdt. A.C. in Siebenbürgen