Entwurf der Grundzüge für die Organisierung der Zivilverwaltung in Lombardo-Venetien. Die oberste Leitung der Zivilverwaltung der beiden Königreiche wird Graf Radetzky als General- und Militärgouverneur übertragen. Er ist zugleich Befehlshaber der kaiserlichen Armee in Italien. Für die Zivilangelegenheiten wird eine eigene Sektion eingerichtet, deren Leitung Graf Montecuccoli übernehmen wird. Für Polizei, Sicherheit und Regelung des Ausnahmezustands wird beim Generalgouvernement eine Präsidialkanzlei unter der Leitung von Anton Ritter von Piombazzi eingerichtet. Zur Leitung der Provinzen von Lombardo-Venetien werden Statthaltereien errichtet, als Statthalter in Mailand wird Fürst Karl Schwarzenberg, zum Statthalter in Venedig wird Karl von Gorzkowski ernannt. Radetzky hat den Minister des Innern über alle die Sicherheit des Reiches betreffenden Vorfälle in Kenntnis zu setzen. Radetzky ernennt auch die Beamten, die bisher von den Gubernien und dem Ministerium ernannt wurden. Für die bishser vom Kaiser ernannten Beamten hat Radetzky Vorschläge an das Innenministerium zu richten. Die Finanzverwaltung obliegt dem Finanzministerium.
handschriftlicher Entwurf mit eigenhändigen Korrekturen Thuns
Grundzüge für die Organisirung der Civilverwaltung im lombardisch-venezianischen Königreiche
§ 1
Seine Excellenz der Feldmarschall Graf Radetzky wird zum Generalcivil- und Militärgouverneur der
Königreiche Lombardie und
Venedigs mit dem Sitze in Verona
ernannt.
§ 2
Als solcher übernimmt er die oberste Leitung der Civilverwaltung der
beiden Königreiche und ist zugleich der Befehlshaber1 der kaiserlichen
Armee in Italien.
§ 3
Für die Militärangelegenheiten steht dem Feldmarschall eine Militärsektion
unter der Leitung seines 1. Generaladjutanten zur Seite. Über die Organisirung
derselben wird der Generalgouverneur Seiner
Majestät dem Kaiser seinen Vorschlag erstatten.
§ 4
Für die Civilangelegenheiten steht dem Generalgouverneur eine eigene
Section zur Seite, deren erster Chef der bevollmächtigte kaiserliche Kommissär
Graf Montecuccoli
und dessen Stellvertreter unter dem Titel eines zweiten Chefs, Graf Michael Straßoldo
ist.
Die Civilsektion fungirt unabhängig und getrennt von der
Militärsektion.
§ 5
Der unmittelbaren Leitung und Verfügung des Generalgouverneurs bleiben
die Angelegenheiten der höheren Polizei in beiden Königreichen sowie die
Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit und die Handhabung
der Ausnahmsbestimmungen, welche der Kriegszustand herbeiführt, vorbehalten. Zur
Bearbeitung dieser Geschäfte wird dem Generalgouverneur eine eigene
Präsidialkanzlei beigegeben und zum Vorsteher derselben Ant[on] Ritter von Piombazzi mit dem
Charakter eines wirklichen Ministerialraths ernannt. Der Generalgouverneur wird
den Minister des Innern von allen wichtigeren, für die Sicherheit des Reiches
bedeutsamen Vorfallenheiten in Kenntnis erhalten.
§ 6
Die Vorträge und Berichte in allen politischen
Verwaltungsangelegenheiten, worüber die Entscheidung Seiner Majestät oder dem Ministerium
vorbehalten ist, sind von den unteren politischen Organen an den
Generalgouverneur zu leiten, welcher dieselben in der Civilsektion verhandeln
läßt und sohin mit seinen Anträgen an das Ministerium des Innern leitet.
§ 7
Der Generalgouverneur ernennt alle jene Beamten der politischen Sphäre,
deren Ernennung bisher den Gubernien und dem Ministerium zustand.
In Betreff
jener Beamten, deren Ernennung bisher Seiner Majestät dem Kaiser vorbehalten
war, wie der Delegaten, Statthalterei und Gubernialräthe etc. werden seine
Vorschläge an das Ministerium des
Innern geleitet.
§ 8
Der Generalgouverneur übt die Disziplinargewalt über alle ihm
untergeordneten Beamten der politischen Sphäre. In Betreff jener, die er
ernennt, steht ihm das Recht der Suspension und Entlassung zu; in Fällen der
Suspension oder Entlassung von Beamten deren Ernennung Seiner Majestät
vorbehalten ist, ist die höhere Entscheidung einzuholen.
§ 9
Die Korrespondenz in allen Angelegenheiten der Civilsektion mit allen
Behörden wird im Namen des Generalgouverneurs geführt und alle Ausfertigungen,
welche in Civilangelegenheiten ergehen, sind vom Generalgouverneur und in dessen
Verhinderung von dem ersten Chef der Civilsektion oder dessen Stellvertreter zu
unterzeichnen.
§ 10
Die Leitung der kurrenten Geschäfte der Civil2section sowie die
Vertheilung der Arbeiten bei derselben steht dem ersten Chef der politischen
Section zu und er ist für die gehörige Geschäftsführung sowie überhaupt für alle
seine Amtsakte dem Generalgouverneur und dem Ministerium verantwortlich.
Er
wählt mit Genehmigung des Generalgouverneurs die Beamten, welche in der
politischen Section verwendet werden.
§ 11
Die Verwaltung der Finanzangelegenheiten im lombardisch-venezianischen Königreiche
wird unabhängig von dem Generalgouverneur unmittelbar durch das Finanzministerium geleitet und der
Finanzminister wird hierüber sowie über die Organisirung und Leitung der
Landescameralbehörden das Einvernehmen mit dem Generalgouverneur pflegen.
§ 12
In den zum Wirkungskreise der übrigen Ministerien gehörigen Fächern
bleibt die Feststellung der Beziehungen zu dem Generalgouverneur der
Vereinbarung mit den betreffenden Ministerien vorbehalten.
§ 13
Zur Leitung der Provinzen des lombardisch-venezianischen
Königreichs werden zwei Statthaltereien, die eine in
Mailand für die lombardischen; die andere in Venedig für
die venezianischen Provinzen in der Unterordnung
unter den Generalgouverneur errichtet. An die Spitze der ersteren wird FML
Fürst Karl Schwarzenberg als
Civil- und Militärgouverneur der lombardischen, an die Spitze der letzteren FZM
Karl von Gorzkowski
als Civil- und Miltärgouverneur der venezianischen Statthalterschaft gestellt
werden.
Zur Leitung der Civilangelegenheiten wird dem Civil- und
Militärgouverneur für die lombardischen
Provinzen
Karl Freiherr von
Pascotini und jenem für die venezianischen
Provinzen
Joh[ann] Graf Marzani als erster
Statthaltereirath mit dem Charakter eines wirklichen Ministerialraths beigeben
und beide treten zu den Civil- und Militärgouverneuren in dasselbe dienstliche
Verhältnis wie die Chefs der Centralcivilsekzion zum Generalgouverneur.
Die
näheren Bestimmungen hierüber bleiben der Organisirung der Statthaltereien
vorbehalten. Über diese Organisirung der Statthaltereien sowie über deren
Wirkungskreis und Stellung zu dem Generalgouvernement wird der Generalgouverneur
die Anträge erstatten.
§ 14
Bis zum Zeitpunkte, wo diese Statthaltereien in Wirksamkeit treten,
werden die Geschäfte provisorisch in der Art fortgeführt, daß die Delegationen
sowie die Gouverneure von Mailand und
Venedig, welche bis dahin auf das Gebiet dieser
Städte beschränkt werden, in allen Angelegenheiten der Verwaltung unmittelbar
dem Generalgouverneur unterstellt bleiben.
Wien, den 7. Oktober 1849