Entwurf der Grundzüge über die Organisierung der Zivilverwaltung in Lombardo-Venetien
Wien, 7. Oktober 1849
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Regest

Entwurf der Grundzüge für die Organisierung der Zivilverwaltung in Lombardo-Venetien. Die oberste Leitung der Zivilverwaltung der beiden Königreiche wird Graf Radetzky als General- und Militärgouverneur übertragen. Er ist zugleich Befehlshaber der kaiserlichen Armee in Italien. Für die Zivilangelegenheiten wird eine eigene Sektion eingerichtet, deren Leitung Graf Montecuccoli übernehmen wird. Für Polizei, Sicherheit und Regelung des Ausnahmezustands wird beim Generalgouvernement eine Präsidialkanzlei unter der Leitung von Anton Ritter von Piombazzi eingerichtet. Zur Leitung der Provinzen von Lombardo-Venetien werden Statthaltereien errichtet, als Statthalter in Mailand wird Fürst Karl Schwarzenberg, zum Statthalter in Venedig wird Karl von Gorzkowski ernannt. Radetzky hat den Minister des Innern über alle die Sicherheit des Reiches betreffenden Vorfälle in Kenntnis zu setzen. Radetzky ernennt auch die Beamten, die bisher von den Gubernien und dem Ministerium ernannt wurden. Für die bishser vom Kaiser ernannten Beamten hat Radetzky Vorschläge an das Innenministerium zu richten. Die Finanzverwaltung obliegt dem Finanzministerium.

Anmerkungen zum Dokument

handschriftlicher Entwurf mit eigenhändigen Korrekturen Thuns

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DBF6-9

Schlagworte

Edierter Text

Grundzüge für die Organisirung der Civilverwaltung im lombardisch-venezianischen Königreiche

§ 1
Seine Excellenz der Feldmarschall Graf Radetzky wird zum Generalcivil- und Militärgouverneur der Königreiche Lombardie und Venedigs mit dem Sitze in Verona ernannt.

§ 2
Als solcher übernimmt er die oberste Leitung der Civilverwaltung der beiden Königreiche und ist zugleich der Befehlshaber1 der kaiserlichen Armee in Italien.

§ 3
Für die Militärangelegenheiten steht dem Feldmarschall eine Militärsektion unter der Leitung seines 1. Generaladjutanten zur Seite. Über die Organisirung derselben wird der Generalgouverneur Seiner Majestät dem Kaiser seinen Vorschlag erstatten.

§ 4
Für die Civilangelegenheiten steht dem Generalgouverneur eine eigene Section zur Seite, deren erster Chef der bevollmächtigte kaiserliche Kommissär Graf Montecuccoli und dessen Stellvertreter unter dem Titel eines zweiten Chefs, Graf Michael Straßoldo ist.
Die Civilsektion fungirt unabhängig und getrennt von der Militärsektion.

§ 5
Der unmittelbaren Leitung und Verfügung des Generalgouverneurs bleiben die Angelegenheiten der höheren Polizei in beiden Königreichen sowie die Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit und die Handhabung der Ausnahmsbestimmungen, welche der Kriegszustand herbeiführt, vorbehalten. Zur Bearbeitung dieser Geschäfte wird dem Generalgouverneur eine eigene Präsidialkanzlei beigegeben und zum Vorsteher derselben Ant[on] Ritter von Piombazzi mit dem Charakter eines wirklichen Ministerialraths ernannt. Der Generalgouverneur wird den Minister des Innern von allen wichtigeren, für die Sicherheit des Reiches bedeutsamen Vorfallenheiten in Kenntnis erhalten.

§ 6
Die Vorträge und Berichte in allen politischen Verwaltungsangelegenheiten, worüber die Entscheidung Seiner Majestät oder dem Ministerium vorbehalten ist, sind von den unteren politischen Organen an den Generalgouverneur zu leiten, welcher dieselben in der Civilsektion verhandeln läßt und sohin mit seinen Anträgen an das Ministerium des Innern leitet.

§ 7
Der Generalgouverneur ernennt alle jene Beamten der politischen Sphäre, deren Ernennung bisher den Gubernien und dem Ministerium zustand.
In Betreff jener Beamten, deren Ernennung bisher Seiner Majestät dem Kaiser vorbehalten war, wie der Delegaten, Statthalterei und Gubernialräthe etc. werden seine Vorschläge an das Ministerium des Innern geleitet.

§ 8
Der Generalgouverneur übt die Disziplinargewalt über alle ihm untergeordneten Beamten der politischen Sphäre. In Betreff jener, die er ernennt, steht ihm das Recht der Suspension und Entlassung zu; in Fällen der Suspension oder Entlassung von Beamten deren Ernennung Seiner Majestät vorbehalten ist, ist die höhere Entscheidung einzuholen.

§ 9
Die Korrespondenz in allen Angelegenheiten der Civilsektion mit allen Behörden wird im Namen des Generalgouverneurs geführt und alle Ausfertigungen, welche in Civilangelegenheiten ergehen, sind vom Generalgouverneur und in dessen Verhinderung von dem ersten Chef der Civilsektion oder dessen Stellvertreter zu unterzeichnen.

§ 10
Die Leitung der kurrenten Geschäfte der Civil2section sowie die Vertheilung der Arbeiten bei derselben steht dem ersten Chef der politischen Section zu und er ist für die gehörige Geschäftsführung sowie überhaupt für alle seine Amtsakte dem Generalgouverneur und dem Ministerium verantwortlich.
Er wählt mit Genehmigung des Generalgouverneurs die Beamten, welche in der politischen Section verwendet werden.

§ 11
Die Verwaltung der Finanzangelegenheiten im lombardisch-venezianischen Königreiche wird unabhängig von dem Generalgouverneur unmittelbar durch das Finanzministerium geleitet und der Finanzminister wird hierüber sowie über die Organisirung und Leitung der Landescameralbehörden das Einvernehmen mit dem Generalgouverneur pflegen.

§ 12
In den zum Wirkungskreise der übrigen Ministerien gehörigen Fächern bleibt die Feststellung der Beziehungen zu dem Generalgouverneur der Vereinbarung mit den betreffenden Ministerien vorbehalten.

§ 13
Zur Leitung der Provinzen des lombardisch-venezianischen Königreichs werden zwei Statthaltereien, die eine in Mailand für die lombardischen; die andere in Venedig für die venezianischen Provinzen in der Unterordnung unter den Generalgouverneur errichtet. An die Spitze der ersteren wird FML Fürst Karl Schwarzenberg als Civil- und Militärgouverneur der lombardischen, an die Spitze der letzteren FZM Karl von Gorzkowski als Civil- und Miltärgouverneur der venezianischen Statthalterschaft gestellt werden.
Zur Leitung der Civilangelegenheiten wird dem Civil- und Militärgouverneur für die lombardischen Provinzen Karl Freiherr von Pascotini und jenem für die venezianischen Provinzen Joh[ann] Graf Marzani als erster Statthaltereirath mit dem Charakter eines wirklichen Ministerialraths beigeben und beide treten zu den Civil- und Militärgouverneuren in dasselbe dienstliche Verhältnis wie die Chefs der Centralcivilsekzion zum Generalgouverneur.
Die näheren Bestimmungen hierüber bleiben der Organisirung der Statthaltereien vorbehalten. Über diese Organisirung der Statthaltereien sowie über deren Wirkungskreis und Stellung zu dem Generalgouvernement wird der Generalgouverneur die Anträge erstatten.

§ 14
Bis zum Zeitpunkte, wo diese Statthaltereien in Wirksamkeit treten, werden die Geschäfte provisorisch in der Art fortgeführt, daß die Delegationen sowie die Gouverneure von Mailand und Venedig, welche bis dahin auf das Gebiet dieser Städte beschränkt werden, in allen Angelegenheiten der Verwaltung unmittelbar dem Generalgouverneur unterstellt bleiben.

Wien, den 7. Oktober 1849