Der Naturforscher Ludwig Schmarda berichtet Thun von seiner
Forschungsreise nach Afrika, Asien und Australien. Zunächst zeigt er
sich aber erfreut darüber, dass die Untersuchungen gegen ihn wegen
angeblicher Aufwiegelung im Jahr 1848 eingestellt worden sind. Er nimmt
daher an, dass sein Dienstverhältnis nun wieder aufrecht sei und bittet
sogleich um eine Verlängerung seines Urlaubes.
In der Folge
berichtet Schmarda ausführlich von seinen Forschungen. Zunächst
untersuchte er in Ägypten die Naturgeschichte der wirbellosen Tiere.
Anschließend reiste er nach Ceylon, wo er mit seinem Begleiter und
Financier, Franz von Friedau, umfangreiche Messungen und Untersuchungen
durchführte. Außerdem legte er eine umfangreiche zoologische und
botanische Sammlung an. In der Folge berichtet er von verschiedenen
Expeditionen auf der Insel. Besondere Aufmerksamkeit legte Schmarda auf
die Erforschung der Meeresfauna an der Südküste des Landes. Im Jänner
1854 brachen er und seine Begleiter nach Südafrika auf, nachdem die
Reisegruppe den Plan, in den Himalaya zu sein reisen, verworfen hatte.
In Südafrika verließ ihn sein Begleiter Franz von Friedau. Er lobt
diesen in den höchsten Tönen und wünscht Österreich mehr solcher Männer,
die die Wissenschaft fördern. Im darauffolgenden Juni verließ er
Südafrika und reiste nach Australien und Neuseeland. Dort hat Schmarda
erneut zahlreiche Arten entdeckt und gesammelt. Außerdem hat er
Fossilien gefunden. Die meisten seiner Neuentdeckungen hat er auf Tafeln
bildlich festgehalten. Besonders betont er den großen Wert seiner
mikroskopischen Untersuchungen der kleinsten Meerestiere. Um seine
Untersuchungen auch in anderen Erdteilen fortsetzen zu können, benötigt
er noch ein weiteres Jahr Urlaub. In diesem Jahr möchte er nach Amerika
reisen. Zur Untermauerung seiner Bitte betont Schmarda die hohe Relevanz
seiner Untersuchungen und das Prestige, das er mit seinen Forschungen
für Österreich schon erlangt hat und noch erlangen wird.
Eure Excellenz!
Eure Excellenz geruthen den Herrn
Statthalter von Steiermark zu beauftragen die von mir erbetene
Procedur, in der gegen mich erhobenen Anschuldigung wegen Mißbrauch meiner
Stellung als öffentlicher Lehrer 1848 und 1849, vorzunehmen. Ich war von dem für
mich günstigen Ausgange im Vorhinein überzeugt und habe durch meine Freunde –
allerdings in Folge der weiten Entfernung erst vor wenigen Tagen – die bestimmte
Nachricht erhalten, daß Nichts gegen mich vorliege. Mich demnach im ungeänderten
Dienstverhältnisse betrachtend bitte ich Eure Excellenz unterthänigst um die
gnädige Verlängerung meines Urlaubes ohne daß ich ein Wiederflüssigmachen meines
seit Oktober 1853 gesperrten Gehaltes beanspruche.
Zur Motivirung meiner
Bitte erlaube ich mir Eurer Excellenz eine Skizze meiner Thätigkeit vorzulegen.
Über den Gang und die Ausdehnung meiner Forschungen im Nilthale habe ich Eurer
Excellenz bereits umständliche Anzeigen gemacht; die der Kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften eingeschickten Resultate insofern sie die Naturgeschichte der
wirbellosen Thiere Egyptens [Ägyptens]
betreffen so schon von der Akademie durch den Druck veröffentlicht und wie ich
hoffe ein Separatdruck in den Händen Eurer Excellenz.
Vom Mai 1853
bis Ende Jänner 1854 blieb ich in Ceylon. Der Ritter von Fridau und ich theilten die
Arbeiten in der Weise, daß mein Freund die magnetisch-astronomischen
Bestimmungen, Botanik und Pflanzengeographie, ich Zoologie und Zoogeographie und
nach Maßgabe der Umstände barometrische Nivellirungen und meteorologische
Beobachtungen übernahm. An letzten hatte jedoch von Fridau in der Regel den
größeren Anthail.
Die Specialitäten unserer Arbeiten hatten häufige
Trennungen zur Folge. So brachte ich die Monate Juli und August allein an der
Ostküste zu, um die zoologischen Sammlungen zu completiren, während mein Freund
den Mahawelleganga beschiffte und sein Stromgebiet in naturhistorischer
Beziehung untersuchte; das erste Unternehmen dieser Art in welchem mein Freund
einen seltenen Muth und Ausdauer bewies und allen Entbehrungen in einer
unbewohnten und wegen ihrer Fieberluft gemiedenen Wildnis trotzte. Im September
stieß von Fridau in Trincomalli zu mir. Von dort gingen wir nach
Batticaloa und dann landein durch unbewohnte Gegenden
unsere Provisionen mit uns führend, nach dem centralen Bergland. Auf dem Plateau
von Newera Ellia machten wir einen dreiwöchentlichen
Aufenthalt und gingen Ende November nach Point
Galle.
Von dort brachen wir Anfangs Dezember nach den südlichen
elefantenreichen Berggegenden auf und erreichten zu Weihnachten den Adamspick. Von
Fridau ging von dort in südöstlicher Richtung nach Hanbantotti und ich durch das Thal des Kaluganga.
Ich eilte von dort nach Belligam an der Südküste, wo ich
bis Mitte Jänner mit der Untersuchung der Meeresfauna beschäftigt war. Außer
einem reichen Material an höheren Thieren, dessen Aufarbeitung erst in Europa
erfolgen wird, sammelte ich eine sehr große Anzahl von Beobachtungen über
niedere Thierformen, Infusorien, Rhizopoden, Bryozoen, Strudelwürmer und
Ringelwürmer, mikroskopische Crustozeen und dergleichen. Die neuen Formen und
deren Organisation füllen 80 Blätter colorirter Zeichnungen. In die Zeit unseres
Aufenthaltes in Belligam fällt die Änderung und
respective das Aufgeben unseres ursprünglichen Reiseplanes nach dem Festlande
von Indien. Zeichen von Unruhen im westlichen
Himalaya machten die Reise dahin unrathsam und
Geschäftsverhältnisse erlaubten meinem Freunde nicht jenes Ausmaß von Zeit,
welche zur Erforschung des östlichen Himalajalandes nothwendig ist.
Ende
Jänner verließen wir Ceylon und gingen nach einem kurzen
Aufenthalte in Mauritius ans Vorgebirge der guten Hoffnung. Dort trennte ich
mich im April von meinem Freunde, der nach Europa zurückkehrte. Es ist sehr zu
bedauern, daß ein Mann, der durch die Allseitigkeit seines Wissens, durch
Enthusiasmus für jedes wissenschaftliche Unternehmen und durch Ausdauer in
seinen Arbeiten einen ehrenvollen Platz verdient, genöthigt war seine Pläne
aufzugeben, um so mehr da es so selten der Fall ist, daß Private der
Wissenschaft so bedeutende Opfer bringen als es Fridau that, der die besten und kostbarsten Instrumente für die
Reise anschaffte und alle Ausgaben aus seinem Vermögen allein bestritt und mich
in die Lage versetzte meine speciellen Forschungen fortzusetzen, nachdem unser
gemeinschaftliches Project in Folge der dringenden Umstände aufgegeben worden
war.
Ich blieb durch 4 Monate am Cap. Den größten Theil dieser Zeit brachte
ich an der See zu. Die Sammlungen aus den höheren Thierklassen sind zwar nur
klein dagegen die aus den Abtheilungen der Nudibranchien, [?] und Crustaceen
reich und sehr werthvoll. Die neuen Formen nehmen 75 Tafelabbildungen ein, von
denen ungefähr 30 mikroskopische Organismen sind.
Am 23. Juni dieses Jahres
verließ ich das Vorgebirge der guten Hoffnung, erreichte am 11. August
Melbourne im südlichen und am 26. August
Sydney im östlichen Australien.
Den Monat September verwendete ich zu Untersuchungen in Port
Jackson und zu einer Reise am Flusse Hunter. An der
Huntermündung machte ich in den kohlenführenden Gebirgsschichten eine große
Sammlung von Pflanzenabdrücken, die ich unserem großen Botaniker Unger zugedacht habe. Die Monate Oktober und
November brachte ich in Neuseeland zu, wo es mir gelang
einige Knochen der ausgestorbenen Riesenvögel zu acquiren. Ich bin gegenwärtig
im Besitze einer fast vollständigen Tibia eines dieser Vögel, der nach den
Dimensionen dieses Knochens zu urtheilen 18–20 Fuß hoch gewesen sein muß. Die
Reste gehören dem Geschlechte Notornis an. Die Sammlungen der Seethiere
enthalten mehre seltene Thier und selbst neue Formen. Die Zahl der abgebildeten
Formen ist bei 200 auf 27 Tafeln. Zurückgekehrt nach Neu-Süd-Wales bereiste ich die blauen Berge,
die Goldländer von Bathurst und die Berge von Illawara, letzte durch ihre Palmen
und Baumfarnen eine fast tropische Vegetation darstellend. Die Novitäten füllen
35 Tafeln. Da es unmöglich ist hier Sammler zu bekommen und die extravaganten
Forderungen der Bootleute und Fischer meine Excursionen mit dem Schleppe und
Grundnetz sehr kostspielig machen (ich bezahle 2 Pfund Sterling für ein Boot mit
1 Mann für 8 bis 10 Stunden) so habe ich beschlossen Neu-Süd-Wales bald zu verlassen. In wenigen
Tagen ist es 2 Jahre seit ich das Vaterland verließ; während dieser Zeit habe
ich in 3 Welttheilen ungeheure Strecken zu Wasser und zu Lande zurückgelegt, 24
Kisten Naturalien gesammelt, eine Menge neuer Thierformen entdeckt und deren
Organisation ermittelt und über 230 Tafeln zoologischer und zootomischer
Abbildungen angefertigt. Zum ersten Male sind in entfernten Welttheilen und
Meeren die mikroskopischen Organismen untersucht worden und damit ein großer
Schritt zur Kenntnis des wundervollen Thierlebens in der Richtung des kleinsten
Raumes geschehen.
Ich betrachte diesen Theil der Arbeit als den
werthvollsten, denn nur wenige der lebenden Naturforscher sind dieser Aufgabe
gewachsen. Nur dem Umstande, daß ich seit meinem 19. Jahre mit dem Gebrauch des
Mikroskopes vertraut bin und durch jahrelange mühsame Untersuchung mir die
Kenntnis der europäischen Formen verschaffte, habe ich es zu danken, daß meine
rastlose Thätigkeit mit einem Erfolge gekrönt wurde, auf den unser Vaterland
stolz sein kann. Außer dem Material und den neuen Daten in Specialrichtungen
bringe ich eine Fülle von Anschauungen aus dem Naturleben, die für jeden
Naturforscher unschätzbar sind für mich aber besonders werthvoll, da sie meinem
Unterrichte die größte Wahrheit und Lebendigkeit geben werden.
Alles dieses
macht es wünschenswerth meine Forschungen über einige Theile von Amerika, das noch im Kreise meiner Arbeiten fehlt,
auszudehnen um die nöthigen Anhaltspunkte für die Geschichte und Verbreitung der
Thiere besonders der niedern Organismen aus allen Theilen der Erde zu gewinnen.
Ich habe folgende Punkte zur Basis meiner Untersuchungen gewählt: Einen in
Südamerika außerhalb und einen innerhalb der Tropen, einen
in den Hochländern der Anden innerhalb der Wendekreise und eine der
westindischen Inseln. Eventuell – wenn Eure Excellenz mir einen Urlaub über die
Dauer des Schuljahres 1855 gewähren – Guiana und
Brasilien und eines der Polarländer von Amerika.
Ich
gehe morgen mit einem Schiffe peruanischer Flagge von hier nach
Valparaiso, dann nach Callao,
Guajaquil und dem Hochlande von
Quito und über Panama nach
Jamaika, wo ich die Entscheidung Eurer Excellenz erwarten
will, indem ich es Ihrem hohen Ermessen anheimstelle auf welchen Zeitraum Eure
Excellenz die Urlaubsverlängerung auszudehnen geruhen.
Hochachtungsvoll
Euer Excellenz
unterthänigster Diener
Dr. Ludwig v.
Schmarda
Prof. der Zoologie an der k.k. Universität zu Prag
Sydney in Neu-Süd-Wales, den 15. Dezember 1854