Entwurf einer Verordnung über die politische Geschäfts- und Richteramtspraxis und die entsprechenden Prüfungen
o. O., 1853/54 1
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Regest

Der vorliegende Entwurf für eine kaiserliche Verordnung legt die Anforderungen und die Prüfungen fest, die zur Aufnahme in das Richteramt nachgewiesen bzw. absolviert werden müssen.
In der Beilage kommentiert Leo Thun den Gesetzesentwurf. Er ist nicht damit einverstanden, dass die Konzeptsbeamten in der Justizpflege und in der politischen Verwaltung gleich behandelt werden sollen und sie zur Aufnahme in diese Ämter ein Universitätsstudium vorweisen müssen. Der Minister sieht gerade in dieser letzten Bedingung seine Versuche, die wissenschaftliche Qualität der Universitäten zu steigern, desavouiert. Denn wenn jeder, der in den öffentlichen Dienst eintreten wolle, einen Studienabschluss vorweisen müsse, würden auch weiterhin ungeeignete junge Männer in die Universitäten drängen und so einen Qualitätsaufschwung derselben verhindern. Thun schlägt daher vor, dass die Aufnahme in die Bezirksämter nicht an die Absolvierung eines Universitätsstudiums geknüpft werden soll. Nur von höhergestellten Beamten sollte ein Universitätsstudium verlangt werden. Thun glaubt dies auch damit rechtfertigen zu können, dass gerade in den Bezirksämtern viel Kontinuität erforderlich sei, was nicht erreicht werden könne, wenn die Stellen in den Bezirksämtern als Einstieg für alle übrigen Verwaltungsposten dienten.

Anmerkungen zum Dokument

Beilagen:
Votum Thuns zum Ministerkonferenzprotokoll vom 14. Februar 1854. o. O., o. D.
Eh. Notizen Thuns für sein Votum.

Die Beilage ist abgedruckt in: Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867. Das Ministerium Buol-Schauenstein, Bd. 3, Wien 1984, S. 152–155.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000D-F7F2-B

Schlagworte

Edierter Text

Entwurf
Einer kaiserlichen Verordnung für den Umfang des ganzen Reiches, mit Ausnahme der Militärgränze, wodurch neue gesetzliche Bestimmungen über die politische Geschäfts-, und über die Richteramts-Praxis, so wie über die praktischen, politischen und Richteramtsprüfungen angeordnet werden.

Um die Bestimmungen über die zur politischen Geschäftsführung und zur Ausübung des Richteramtes erforderlichen praktischen Prüfungen und über die zur Zulassung zu diesen Prüfungen erforderliche Geschäftpraxis mit der neuen Organisation der politischen und Justizbehörden in Einklang zu setzen, finde Ich nach Einvernehmung Meiner Minister und nach Anhörung Meines Reichsrathes zu verordnen, daß vom 1. ... 185. im ganzen Umfange des Reiches, mit einziger Ausnahme der Militärgränze, nachstehende Vorschriften in Anordnung zu kommen haben.

Allgemeine Bestimmungen.

Bedingungen der Zulassung zur Anstellung als Conceptspraktikant im politischen oder als Auskultant im Justizdienste und zur Aufnahme als Rechtspraktikant.
§ 1
Um als Conceptspraktikant im politischen oder als Auskultant im Justizdienste angestellt oder nach § 11 des Gesetzes vom 3. Mai 1853, Nr. 81 des Reichsgesetzblattes (über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichtsbehörden) 2bei einer Gerichtsbehörde als Rechtspraktikant aufgenommen werden zu können, ist erforderlich, daß der Bewerber die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien vollständig zurückgelegt habe und sich über die Ablegung der vorgeschriebenen theoretischen Staatsprüfungen oder mit den nach dem Gesetze ihre Stelle vertretenden Belegen ausweise.
In Ansehung der übrigen Erfordernisse zur Erlangung einer Anstellung im Staatsdienste überhaupt, so wie hinsichtlich der Behörden, welchen die Ernennung von Concepts-Praktikanten und Auskultanten zusteht, hat es bei den bestehenden Vorschriften zu verbleiben.

Bedingungen zur Erlangung einer höheren Anstellung im Conceptsfache des politischen oder Justizdienstes für die bisher noch nicht im Conceptsdienste angestellten Beamten
§ 2
Wer erst nach Beginn der Wirksamkeit der gegenwärtigen Verordnung im Conceptsfache des politischen oder Justizdienstes angestellt wird, kann zu einer höheren Anstellung in diesem Fache als der eines Conceptspraktikanten oder Auskultanten nur dann gelangen, oder in der Folge befördert werden, wenn er sich
a. über die Zurücklegung der in den §§ 7 und 18 vorgeschriebenen politischen Geschäfts- und Justizpraxis und
b. über die mit Erfolg bestandenen praktischen Prüfungen, sowohl für die politische Geschäftsführung als auch für das Richteramt, ausweiset (§§ 12–17 und 21).
Jeder nach eingetretener Wirksamkeit dieser Verordnung in den Staatsdienst aufgenommene Conceptspraktikant oder Auskultant hat diese beiden Prüfungen längstens binnen drei Jahren vom Tage seines Eintrittes abzulegen, widrigenfalls er aus dem Conceptsdienste zu entlassen wäre.
Nur im lombardisch-venetianischen Königreiche können auch künftig diejenigen, welche die politische Prüfung allein bestanden haben, zu allen höheren Anstellungen im politischen Dienste, so wie diejenigen, welche bloß die Richteramtsprüfung abgelegt haben, zu allen höheren Stellen im Justizdienste befördert werden.
§ 3
Jedem neu angestellten Conceptspraktikanten oder Auskultanten ist innerhalb der ersten zwei Jahre seiner Anstellung auf sein Ansuchen ein Amtsurlaub zu bewilligen, damit er sich auch in dem bei seiner Behörde nicht vorkommenden Geschäftszweige bei einer hierzu geeigneten Behörde der nach dieser Verordnung erforderlichen Praxis unterziehen könne und dadurch in die Lage gesetzt werde, beide Prüfungen längstens während des dritten Jahres seiner Anstellung abzulegen.

Folge der zweimal ohne entsprechenden Erfolg versuchten Ablegung der Prüfung
§ 4
Hat sich ein Candidat der Prüfung, es sei aus dem politischen oder aus dem Justizfache, zweimal ohne entsprechenden Erfolg unterzogen, so kann er nie mehr zur Prüfung aus diesem Fache, und im Fall die zweimalige Reprobirung aus dem Justizfache erfolgt ist, auch zur Advokatur- oder Notariatsprüfung nicht mehr zugelassen werden.
Die erfolgte Ausschließung ist der Behörde, bei welcher er angestellt oder als Rechtspraktikant aufgenommen ist, zur entsprechenden Verfügung anzuzeigen (§ 2).
Doch bleibt einem Candidaten, welcher auf solche Art von der ferneren Ablegung der Prüfung aus einem Fache ausgeschlossen ist, unbenommen, wenn ihm zu besonderen Zwecken daran gelegen ist, sich der Prüfung aus dem anderen Fache zu unterziehen, und in so ferne er die hierzu erforderliche Praxis noch nicht vollendet hat, dieselbe als Rechtspraktikant anzutreten oder fortzusetzen.

Gültigkeit der durch diese Prüfung erlangten Befähigung für das ganze Reich.
§ 5
Die Befähigung, welche durch die nach der gegenwärtigen Verordnung abgelegten praktischen Prüfungen erlangt wird, gilt für den ganzen Umfang des Reiches, die Prüfung möge in was immer für einem Kronlande abgelegt werden.

Aufhören aller übrigen Arten der praktischen Prüfungen für den politischen und Justizconceptsdienst.
§ 6
Von dem Tage der Wirksamkeit dieser Verordnung angefangen sind, außer den in derselben bestimmten, keine praktischen Prüfungen anderer Art für den Conceptsdienst im politischen und dem Justizfache mehr vorzunehmen, und es haben alle bisher bestandenen besonderen Prüfungen aus einzelnen Gesetzen und Geschäftszweigen aufzuhören.
Zugleich sind alle über die politische und Justizgeschäftspraxis und über die Ablegung der Prüfung zur politischen Geschäftsführung und zum Richteramte bisher bestandenen Vorschriften aufgehoben.

Von der Praxis und praktischen Prüfung für die politische Geschäftsführung.

Politische Geschäftspraxis

§ 7
Zur praktischen Prüfung für die politische Geschäftsführung darf nur derjenige zugelassen werden, welcher nachweiset, daß er sich nach Erlangung der im § 1 erwähnten Zeugnisse wenigstens durch Ein Jahr entweder an einer reinen politischen Behörde (rein politisches Bezirksamt, Kreis- oder Comitatsbehörde, Statthalterei, Statthalterei-Abtheilung oder Landesregierung) oder bei einer gemischten, d. i. solchen Behörde, bei welcher die Justizpflege mit der Verwaltung vereinigt ist, der Conceptspraxis mit entsprechendem Fleiße (§ 9) gewidmet habe, im letzteren Falle aber vorzugsweise bei der politischen Geschäftsführung verwandt worden sei.

§ 8
Auskultanten haben ihre Gesuche um Zulassung zur politischen Geschäftspraxis durch ihren unmittelbaren Amtsvorsteher (§ 3), Rechtspraktikanten hingegen unmittelbar an den Oberlandesgerichtspräsidenten zu überreichen, welcher dieselben, in so ferne er selbst dagegen Nichts zu erinnern findet, an den Chef der politischen Landesbehörde (Statthaltereiabtheilung) zur Bewilligung und zur Zuweisung der Bewerber an eine der im § 7 genannten Behörden zu leiten hat.
Bei dieser Zuweisung ist nebst den Verhältnissen des Dienstes nach Thunlichkeit auch auf die persönlichen Verhältnisse des Bittstellers und die von demselben geäußerten Wünsche Rücksicht zu nehmen.
Rechtsauskultanten müssen vor ihrem Eintritte in die politische Geschäftspraxis bei der Behörde, welcher sie zugewiesen sind, einen Verschwiegenheitseid ablegen.

Amtszeugnis über die vollendete Praxis
§ 9
Über die vollendete Praxis (§ 6) ist jedem Candidaten von Seite der Behörde, bei welcher sie genommen wurde, ein Verwendungszeugnis auszufertigen, in welchem seine Verwendung mit der bestimmten Bezeichnung „sehr fleißig“, „fleißig“ oder „minder fleißig“ zu begnügen, zugleich aber auch im Allgemeinen der von demselben an den Tag gelegten Grad seiner Fähigkeit und dessen Betragen in sittlicher und politischer Beziehung anzugeben ist.
Bei minder fleißiger Verwendung ist der Candidat gar nicht zur Prüfung zuzulassen.

Zulassung zur praktischen Prüfung für die politische Geschäftsführung
§ 10
Die Gesuche um Zulassung zur praktischen Prüfung für die politische Geschäftsführung sind bei dem Chef der politischen Landesstelle (Statthaltereiabtheilung) einzubringen, welcher darüber, unter Vorbehalt des Rekurses, an das Ministerium des Innern zu entscheiden, die Gesuche nach der Zeitordnung ihres Einlaufens zu erledigen und den Tag zur Vornahme der Prüfung zu bestimmen hat. Es ist dafür zu sorgen, daß kein Candidat länger als zwei Monate vom Tage der Überreichung seines Gesuches ungeprüft bleibe.
Wünscht ein Candidat die Prüfung bei einer anderen Landesbehörde als derjenigen abzulegen, in deren Sprengel er seine Praxis vollendet hat, so hat er doch sein Gesuch um Zulassung zur Prüfung bei der letzteren einzubringen. Von dieser Behörde ist das Gesuch mit der Bemerkung, ob der Bittsteller sich etwa der Prüfung daselbst bereits ohne günstigen Erfolg unterzogen oder um die Zulassung zu derselben bei einer anderen Landesstelle beworben habe (§ 4), zur Entscheidung an den Chef derjenigen Landesbehörde zu übermitteln, bei welcher er die Prüfung ablegen will.

Zusammensetzung der Prüfungscommission
§ 11
Die Prüfungscommission ist von dem Chef der politischen Landesstelle (Statthaltereiabtheilung) zusammen zu setzen und hat, wenn nicht er selbst oder sein Stellvertreter den Vorsitz übernimmt, aus einem Rathe der Landesbehörde als Vorsitzenden und aus noch zwei Räthen derselben oder deren Stellvertreter als Beisitzer zu bestehen.

Art der Prüfung
§ 12
Diese Prüfung ist zuerst schriftlich und dann mündlich vorzunehmen

Vornahme der schriftlichen Prüfung
§ 13
Die schriftliche Prüfung kann mit mehreren Candidaten gleichzeitig vorgenommen werden, ist aber im Amtslokale und unter abwechselnder Aufsicht eines der Prüfungscommissäre oder eines anderen Beamten der Landesbehörde und auf solche Art vorzunehmen, daß dem Candidaten wohl alle einschlägigen Gesetzesbücher, Gesetz- und Normaliensammlungen zur Verfügung gestellt, jede andere Beihilfe aber, so wie jede Unterredung der Candidaten unter einander oder mit anderen Personen unmöglich gemacht werde. Die schriftliche Ausarbeitung hat nach dem Ermessen der Prüfungscommission in der Entwerfung eines Berichtes an eine höhere Behörde, in einer Entscheidung in Parteisachen über eine politische Verhandlung oder in der schriftlichen Lösung einiger in die Feder zu diktierenden Fragen aus verschiedenen Zweigen der politischen Verwaltung zu bestehen. Bei der Auswahl der Gegenstände hat die Prüfungscommission darauf zu achten, daß die Aufgabe bei gewöhnlicher Fähigkeit des Candidaten längstens innerhalb acht Stunden vollständig gelöst werden kann. Die schriftliche Prüfung darf nie länger als einen Tag dauern und die Prüfungsarbeit muß noch an dem nemlichen Tage, bevor der Candidat das Amtslokale verlässt, an den zur Überwachung bestellten Commissär abgegeben und von diesem gegen nachträgliche Abänderungen oder Zusätze durch Paraphirung und Siegelung sichergestellt werden.
Die Ausarbeitung ist noch vor der mündlichen Prüfung einem der Prüfungscommissäre zur Durchsicht zu übergeben.

Mündliche Prüfung
§ 14
Die mündliche Prüfung hat mit jedem Candidaten einzeln ungefähr zwei Stunden zu dauern und sich auf die Erprobung gründlicher Kenntnisse der bestehenden öffentlichen Einrichtungen, der den politischen Beamten in allen Zweigen ihres Dienstes zu wissen nöthigen Gesetze und Verordnungen, daher insbesondere auch der Vorschriften über die direkte Besteuerung, des Organismus, der Manipulations-Vorschriften und des Geschäftsganges der politischen Behörden zu erstrecken. Zugleich ist sich zu überzeugen, ob und in welchem Grade dem Candidaten richtige Auffassung und Beurtheilungsgabe, Scharfsinn, praktische Geschäftsgeübtheit und ein geordneter Vortrag eigen seien.
Insbesondere ist der Candidat auch über die von ihm gelieferte schriftliche Ausarbeitung zu prüfen, um sich durch die Beantwortung geeigneter Bemerkungen über dieselbe von der Gründlichkeit und Richtigkeit seiner Beurtheilung des Gegenstandes zu überzeugen.
§ 15
Jeder der Prüfungscommissäre hat Fragen zu stellen.
Die gestellten Fragen sind in das über die Prüfung zu führende Protokoll aufzunehmen. Nach Beendigung der Prüfung ist bei jeder Frage anzumerken, in wie ferne dieselbe zur Zufriedenheit des Commissärs beantwortet worden ist, welcher sie gestellt hat, und am Schluße des Protokolls das nach Stimmenmehrheit der Commission beschlossene Gutachten über den Erfolg der mündlichen Prüfung im Ganzen beizufügen.

Beschlussfassung über das Ergebnis beider Prüfungsakte
§ 16
Über den Erfolg der schriftlichen Prüfung und das von der Prüfungscommission über die mündliche Prüfung abgegebene Gutachten ist in der Rathsversammlung von einem Mitgliede derselben Vortrag zu erstatten und von der Versammlung nach der Stimmenmehrheit Beschluß zu fassen, ob der Candidat die Prüfung nach dem Gesammtergebnisse der schriftlichen und mündlichen Vornahme derselben mit „ausgezeichnetem“ – „sehr gutem“ – oder mindestens „gutem Erfolge“ bestanden habe oder ob er wegen Unzulänglichkeit des Erfolges zur Wiederholung der Prüfung nach Ablauf eines zu bestimmenden Termines oder nach Umständen auch zur Fortsetzung der Praxis durch eine gewisse Zeit anzuweisen sei.

Prüfungszeugnis
§ 17
Über die bestandene Prüfung ist dem Candidaten ein Amtszeugnis auszufertigen und darin auch der Erfolg derselben ersichtlich zu machen.

Von der Praxis und praktischen Prüfung für das Richteramt

Richteramtspraxis
§ 18
Um zur praktischen Richteramtsprüfung zugelassen werden zu können, hat der Bewerber nachzuweisen, daß er sich nach Erlangung der im § 1 erwähnten Zeugnisse wenigstens durch ein Jahr der Gerichtspraxis gewidmet habe. Diese Praxis muß in der Regel bei einem Gerichtshofe erster Instanz (Landes-, Kreis- oder Comitatsgerichte) zurückgelegt werden. Es steht jedoch nicht entgegen, einen Theil derselben, jedoch höchstens sechs Monate, auch bei der Staatsanwaltschaft eines Gerichtshofes erster Instanz oder in Bezirksgerichtlichen Geschäften zu nehmen. Denjenigen Rechtspraktikanten, welche die zur Ablegung der Prüfung erforderliche Praxis bereits vollendet haben, kann auf ihr Ansuchen von dem Oberlandesgerichtspräsidenten gestattet werden, sich auch über die gesetzlich vorgeschriebene Zeit hinaus zu ihrer weiteren Ausbildung der Justizpraxis zu widmen oder nach der zurückgelegten Praxis in politischen Geschäften wieder in dieselbe zurückzukehren. Doch darf diese Verwendung eines Rechtspraktikanten, welcher die gesetzmäßige Zeit seiner Praxis vollendet hat, in keinem Falle zwei Jahre übersteigen.
§ 19
Conceptspraktikanten einer politischen Behörde haben ihre Gesuche um Zulassung zur Gerichtspraxis durch ihren unmittelbaren Amtsvorstand an den Chef der politischen Landesbehörde (Statthaltereiabtheilung) zu überreichen (§ 3), welcher die Gesuche, in so ferne er selbst nichts dagegen zu erinnern findet, an den Oberlandesgerichtspräsidenten zu leiten hat. Dieser hat die Bewilligung zu ertheilen und den Bewerber mit Beobachtung der im § 8 erwähnten Rücksichten einem geeigneten Gerichte zuzuweisen. Diejenigen, welche als Rechtspraktikanten aufgenommen zu werden wünschen, haben ihre Gesuche unmittelbar bei dem Oberlandesgerichtspräsidenten einzubringen.
Jeder Rechtspraktikant hat vor seinem Eintritte in die Rechtspraxis bei dem Gerichte welchem er zugewiesen wird, einen Verschwiegenheits-Eid abzulegen.
§ 20
Über die zurückgelegte Praxis ist dem Candidaten das Zeugnis nach den Bestimmungen des § 9 auszufertigen.

Praktische Richteramtsprüfung
§ 21
Die Bestimmungen der §§ 10–17 haben auch auf die praktische Richteramtsprüfung, jedoch mit folgenden Abweichungen Anwendung zu finden:
a. Die Gesuche um Zulassung zur praktischen Richteramtsprüfung (§ 10) sind bei dem Oberlandesgerichte einzubringen, welches über dieselben unter Vorbehalt des Rekurses an das Justizministerium zu entscheiden hat.
b. Die Prüfung ist in der Regel bei dem Oberlandesgerichte abzulegen.
Befindet sich jedoch in dem Kronlande selbst, wo sich der Candidat derselben unterziehen will, kein Oberlandesgericht, so kann von dem Justizminister aus besonders rücksichtswürdigen Gründen auch das Landesgericht der Hauptstadt jenes Kronlandes zur Vornahme der Prüfung delegirt werden. In diesem Falle ist aber die schriftliche Ausarbeitung des Candidaten sammt dem Gutachten der Prüfungscommission über die mündliche Prüfung zur Beschlussfassung an das Oberlandesgericht einzuschicken.
c. die Prüfungscommission ist von dem Präsidenten des Obergerichtes oder im Falle der Delegation des Landesgerichtes (lit. b) von dem Präsidenten des letzteren zusammenzusetzen, welcher hierzu, wenn er nicht selbst den Vorsitz übernimmt, den Vizepräsidenten oder einen Rath als Vorsitzenden und zwei andere Raths-Mitglieder als Beisitzer zu bestimmen hat.
In denjenigen Kronländern, in welchen die allgemeine bürgerliche und Strafgesetzgebung erst eingeführt worden ist, muß wenigstens einer der Prüfungscommissäre mit dem Befähigungsdekrete zum Richteramte nach österreichischen Gesetzen versehen sein.
d. Mit Candidaten, welche nebst der deutschen auch einer der in dem Obergerichtsbezirke üblichen Landessprachen kundig sind, ist die Prüfung auf ihr Verlangen zum Theile auch in dieser vorzunehmen und denselben in dem Befähigungsdekrete zu bezeugen, in welchen Sprachen sie zur Geschäftsführung geeignet befunden worden sind.
Im lombardisch-venetianischen Königreiche und in Dalmatien ist es vorläufig zwar noch gestattet die Prüfung in italienischer Sprache allein abzulegen. Vom Jahre 1859 angefangen ist dieselbe jedoch auch in diesen Kronländern zugleich auch in der deutschen Sprache als der Geschäftssprache der Centralregierung des Reiches vorzunehmen.
e. Zur schriftlichen Richteramtsprüfung (§ 13) sind dem Candidaten an von einander verschiedenen Tagen zwei Aufgaben, die eine civilrechtlichen und die andere strafrechtlichen Inhaltes zu stellen.
Die civilrechtliche Ausarbeitung hat in der Entwerfung eines Aktenauszuges und Urtheiles sammt Entscheidungsgründen über vorgelegte Akten eines Civilprozesses; die strafrechtliche Aufgabe aber in der Ausarbeitung eines Aktenauszuges und entweder des von der Staatsanwaltschaft nach § 192 der Strafprozessordnung vom 29. Juli 1853 zu stellenden Antrages über eine vorgelegte strafgerichtliche Untersuchung oder eines strafgerichtlichen Erkenntnisses über eine Schlußverhandlung sammt Entscheidungsgründen (§§ 283–290 und 292–294) der gedachten Staatsprozessordnung) zu bestehen.
Bei der Wahl der Aufgaben sind Gegenstände von zu großem Umfange zu vermeiden.
Vermag der Candidat die Ausarbeitung an dem nemlichen Tage nicht zu beendigten, so ist ihm gestattet, dieselbe an den nächsten Tagen fortzusetzen. Dieses ist jedoch jedes Mal mit Angabe der Zeit, welche der Candidat darauf verwendet hat, in dem Protokolle ersichtlich zu machen.
f. Die mündliche Prüfung ist auf die im § 14 angeführte Weise auf allen Zweigen der Civil- und Strafgesetzgebung zugleich vorzunehmen und hat nicht nur alle dem Civil- und Strafrichter zu wissen nöthigen Gesetze und Verordnungen, sondern auch die Einrichtung, die Geschäftsordnung und den Geschäftsgang der Justizbehörden zum Gegenstande.

Vorübergehende Anordnungen

Fortdauernde Wirksamkeit der bereits erworbenen Befähigungen.
§ 22
In so weit Jemand durch eine bereits vor dem Eintritte der Wirksamkeit dieser Verordnung abgelegten praktischen Prüfung nach den in den Kronländern, worin die allgemeine bürgerliche und Strafgesetzgebung bereits früher bestanden hat, gültigen Vorschriften die Befähigung zur Erlangung neuer politischer oder Justizanstellung schon erworben hat, ist er von der nochmaligen Ablegung der Prüfung für denjenigen Dienstzweig, wofür er bereits geprüft ist, enthoben.
§ 23
Alle diejenigen, welche bei Beginn der Wirksamkeit gegenwärtiger Verordnungen bereits als Conceptspraktikanten, Auskultanten oder in einer höheren Eigenschaft im Conceptsfache angestellt sind, können, wenn sie auch nur die Prüfung aus dem politischen oder Justizfache allein bestanden haben oder ablegen, in dem Dienstzweige, wofür sie befähigt sind, zu höheren Bedienstungen befördert werden, ohne sich der Prüfung aus dem noch abgängigen Fache zu unterziehen.
So ferne sich jedoch bereits angestellte Beamte zum Dienste in beiden Fächern geeignet machen wollen, ist denselben, wenn sie sich anders über die zurückgelegten rechts- und staatswissenschaftlichen Studien auszuweisen vermögen (§ 1), auf ihr Ansuchen zu gestatten, die ihnen mangelnde Geschäftspraxis aus dem Geschäftszweige, woraus sie noch nicht geprüft sind, auf die im § 3 bezeichnete Weise nachzutragen und auch hierüber die praktische Prüfung abzulegen.
§ 24
Diejenigen Candidaten endlich, welche in dem erwähnten Zeitpunkte bloß für das Civilrichteramt oder nur für das Criminalrichteramt geprüft sind, haben, wenn sie zu dieser Zeit nicht schon als Bezirksrichter, Räthe oder in einer noch höheren Eigenschaft angestellt sind, die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Richteramtsprüfung nur aus dem ihnen fehlenden Richteramtszweige nachzutragen, um die Befähigung zu den im § 2 bezeichneten Justizanstellungen zu erlangen.

Besondere Bestimmungen in Ansehung der bereits angestellten Justizconceptsbeamten in Ungarn, Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen, der serbischen Wojwodschaft und dem Temeser Banate.
§ 25
Diejenigen Justizconceptsbeamten in den Königreichen Ungarn, Kroatien und Slawonien, dem Großfürstenthume Siebenbürgen, der serbischen Wojwodschaft und dem Temeser Banate, welche zur Zeit des Eintrittes der Wirksamkeit dieser Verordnung noch nicht als Bezirksrichter, Räthe oder in einer noch höheren Eigenschaft angestellt und nicht mit den Wahlfähigkeitsdekreten für das Civil- und Strafrichteramt nach den dafür bisher in den übrigen Kronländern bestandenen Vorschriften versehen sind, haben sich innerhalb eines Jahres nach Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes der durch diese Verordnung vorgeschriebenen praktischen Richteramtsprüfung zu unterziehen, widrigenfalls sie aus dem Justizconceptsdienste zu entlassen wären.

Wirkung der bisherigen Geschäftspraxis
§ 26
Diejenigen Candidaten, welche an dem Tage, wo diese Verordnung in Wirksamkeit tritt, die zur praktischen politischen oder Richteramtsprüfung nach den in den Kronländern, worin die allgemeine bürgerliche und Strafgesetzgebung schon früher in Wirksamkeit stand, gültigen Vorschriften erforderliche Praxis bereits vollendet haben, sind zu der entsprechen Prüfung ungehindert zuzulassen. Die Prüfung selbst ist aber nach der gegenwärtigen Vorschrift vorzunehmen.
Denjenigen aber, welche diese Praxis zwar schon begonnen, aber noch nicht vollendet haben, ist der davon zurückgelegte Theil in die nach dem neuen Gesetze erforderliche Zeit der Praxis einzurechnen. Hat ein solcher Candidat bisher die Justizpraxis nur für das Straf- oder bloß für das Civilrichteramt genommen, so hat er vor Zulassung zur Richteramtsprüfung die Praxis durch die entsprechende Zeit bei einer dazu geeigneten Behörde (§ 18) fortzusetzen, wobei er aber vorzugsweise in denjenigen Geschäften zu verwenden ist, deren Kenntnis ihm nach der Beschaffenheit seiner bisherigen Praxis fehlt.

In wie ferne Dispensationen von diesem Gesetze stattfinden können.
§ 27
Meine Minister des Innern und der Justiz sind, jeder in seinem Wirkungskreise, ermächtigt, innerhalb der ersten fünf Jahre der Wirksamkeit dieser Verordnung, aus besonders rücksichtswürdigen Gründen, in einzelnen Fällen von den Bestimmungen dieser Verordnung in Beziehung auf die Zulassung zur Praxis und hinsichtlich der Ablegung der praktischen Prüfungen oder der Zulassung zu denselben, Nachsichten zu bewilligen.
Dispensen, welche hiernach von einem dieser Minister für seinen Dienstzweig ertheilt wurden, sind jedoch nur für diesen Dienstzweig wirksam.

Wien im3

Votum des Ministers für Kultus und Unterricht
(Zum Ministerkonferenzprotokoll vom 14. Februar 1854)

Der vorliegende Entwurf beruht auf dem Grundsatze, daß alle Konzeptsbeamten in den Dienstzweigen der Justizpflege und der politischen Verwaltung einer Kathegorie angehören und ihre Vorbildung durch das Studium an Universitäten erhalten sollen.
Ich kann mich mit diesem Grundsatze nicht einverstanden erklären und glaube dem vorliegenden Entwurfe den Antrag entgegenstellen zu sollen, daß alle Stellen bei den Bezirksämtern und Stellen minderen Ranges bei den Statthaltereien oder Landesregierungen und bei den Oberlandes- und Kollegialgerichten auch Individuen zugänglich gemacht werden, die nicht an Universitäten studiert haben.
Zur Begründung dieses Antrages erlaube ich mir folgendes zu bemerken:
1. In der Ausarbeitung, welche der Berathung über die Einrichtung der Universitätsstudien zu Grunde lag, habe ich bereits Gelegenheit gehabt (S. 69–71), auf den Zusammenhang dieser Angelegenheit mit der obigen Frage hinzuweisen. Die Nothwendigkeit, die juridisch-politischen Studien an unseren Universitäten auf einen wissenschaftlicheren Standpunkt zu heben, ist von der Ministerkonferenz anerkannt worden. Dazu ist aber erforderlich, daß die Lehrer sich gegenüber Schüler von Talent und wissenschaftlicher Strebsamkeit haben. Nach dem Maßstabe, was von solchen erwartet und gefordert werden kann, müssen die theoretischen Staatsprüfungen eingerichtet und dadurch Schüler von geringem Talente und ohne Sinn für wissenschaftliches Studium von der Universität zurückgewiesen werden. Unter dieser Voraussetzung können aber die theoretischen Staatsprüfungen nicht eine so große Anzahl von Kandidaten liefern, daß damit alle Stellen des Justiz- und des politischen administrativen Dienstes besetzt werden könnten.
Wird das gleichwohl verlangt, so wird man nothwendig dazu gedrängt, die theoretischen Staatsprüfungen so einzurichten, daß sie ebenso leicht, wie ehedem die Semestral- und Jahresprüfungen, bestanden werden können. Damit wird aber wieder das gesammte Studium auf das Maß der Mittelmäßigkeit herabgedrückt, zum größten Nachtheile des geistigen Aufschwunges im Allgemeinen und der Heranbildung der Jugend für die Erfordernisse des höheren Staatsdienstes insbesondere.
2. Der exekutive Dienst bei den untersten Instanzen ist von dem Dienste bei höheren Behörden seiner Aufgabe und seiner Natur nach so wesentlich verschieden, daß es mir durchaus nicht zweckmäßig scheint, für beide Kathegorien denselben Bildungsgang vorauszusetzen und dieselben Ansprüche auf Weiterbeförderung daran zu knüpfen. Jener fordert viel weniger wissenschaftliche Bildung, dagegen vielmehr Erfahrung und praktisches Geschick als dieser. Für höhere Behörden ist ein öfterer Wechsel ihrer Glieder ohne Nachtheil und ist erwünscht, daß die dazu Berufenen durch Dienstleistung an verschiedenen Orten, ja in verschiedenen Theilen der Monarchie ihren Gesichtskreis erweitern. Für den Dienst in der untersten Instanz ist es dagegen wünschenswerth, daß ein Wechsel der Beamten so selten als möglich eintrete. Der Einfluß des Bezirksbeamten wächst mit jedem Jahre seiner Anwesenheit; er soll mit seinem Bezirk gleichsam verwachsen, der Bezirk soll an ihm und er an dem Bezirk hängen, er soll womöglich gar nicht wünschen fortzukommen. Das wird aber nur erreichbar sein, wenn solche Einrichtungen getroffen werden, daß derjenige, der sich dem Dienste bei dem Bezirksamte widmet, in der Regel in der Stelle des Bezirksvorstehers das höchste Ziel seiner Wünsche erblickt, wenn er also einer ganz anderen Kathegorie von Beamten angehört als diejenige der Beamten höherer Behörden ist.
3. Wird nicht durch besondere Vorkehrungen zwangsweise bewirkt, daß die Stellen bei den Bezirksämtern nur Durchgangsposten seien, die man durchlaufen muß, um in andere Behörden aufgenommen zu werden – eine Einrichtung, die dem Interesse des Dienstes gewiß nicht entsprechen würde – so wird niemals verhindert werden können, daß die durch Vermögen, soziale Stellung und wissenschaftliche Strebsamkeit hervorragenderen Beamten ihren Weg zu den höheren Behörden finden, und bei den Bezirksämtern diejenigen Beamten zurückbleiben, welche den Anderen in den erwähnten Beziehungen nachstehen. So hat es sich auch thatsächlich herausgestellt, in den Kronländern, in welchen schon früher die ersten Instanzen auf dem Lande ähnlich den jetzigen Bezirksämtern eingerichtet waren, z. B. hinsichtlich der Landrichter in Tirol. Haben sie aber gleichwohl denselben Bildungsgang wie jene durchgemacht und dadurch dieselben gesetzlichen Ansprüche erlangt, so werden sie durch ihr Zurückbleiben in der Regel missvergnügt sein. Viel besser, man scheide von vornherein solche Kandidaten des Staatsdienstes von den anderen und führe sie einen Weg, auf dem sie für ihre Bestimmung ganz tüchtig und zugleich zufrieden werden können.
4. Die Tüchtigkeit für den exekutiven Dienst in erster Instanz ist ohne Universitätsstudien sehr wohl erreichbar. Das hat die Erfahrung unbestreitbar erwiesen, namentlich durch eine Reihe von Beispielen von ehemaligen Patrimonialbeamten in Böhmen und Mähren, die bei der Organisation des Jahres 1849 als Bezirkshauptmänner angestellt wurden.
Was die Justizverwaltung anbelangt, so war zwar die Stelle eines Justiziärs nur absolvierten Juristen erreichbar. Allein ein großer, und zwar der im Allgemeinen bei weitem wichtigste Theil der Civiljustiz (die Administrativjustiz, oder das so genannte adelige Richteramt) wurde in jenen Ländern von dem Wirtschaftsamte, nicht von dem Justiziär besorgt.
„Jus absolviren“ war überdies nicht gleichbedeutend mit „an der Universität studieren“ und noch verschiedener von dem, was das Universitätsstudium werden soll. Man konnte auch durch Privatstudium „das Jus absolviren“.
Dieses Privatstudium in der früheren Form, das ist: als identisch mit dem Universitätsstudium wieder einzuführen, ist nun zwar mit einem Aufschwunge dieses letzteren unvereinbar: denn soll ein Professor aus dem, was er vorgetragen hat, Personen, die seine Vorlesungen nie besucht haben, eben so prüfen wie seine wirklichen Schüler, so muß er sich eben darauf beschränken, Jahraus Jahrein ein voraus bestimmtes und allgemein bekanntes Quantum positiver Kenntnisse einzulehren; und von einem Einführen in [ein] wissenschaftliches Studium des Gegenstandes kann nicht mehr ernstlich die Rede sein.
Nichts desto weniger bleibt es wahr, daß Universitätsvorlesungen nicht das einzige Mittel sind, durch welches man sich wissenschaftliche Bildung oder gar jenen Umfang von Kenntnissen erwerben kann, welcher zur Befähigung für den praktischen Staatsdienst erforderlich ist oder welcher ehemals durch das Privatstudium erlangt wurde. Ja, in dem Maße, als das Rechtsstudium an unseren Universitäten sich heben wird, wird es auch auf unsere juridische Literatur befruchtend zurückwirken und dadurch ein gründlicheres Privatstudium ermöglichen und fördern.
Demnach scheint durchaus kein Grund vorhanden zu sein, von dem Grundsatze, daß die Befähigung zu dem Justizdienste auch durch Privatstudium erlangt werden kann, für die Zukunft abzugehen. Es würde sich nur darum handeln, für die Erprobung der so erlangten Befähigung neue Bestimmungen zu treffen, und ich glaube, daß man ohne alle Gefahr sich dafür auf die Richteramtsprüfung verlassen könnte, zumal die dabei in Anwendung kommende Methode des Prüfens von einem allgemeinen wissenschaftlichen Aufschwunge der Rechtsstudien in Oesterreich auch nicht unberührt bleiben kann. Meines Erachtens hätten demnach folgende von dem vorliegenden Verordnungsentwurfe abweichende Bestimmungen zu gelten:
1. Alle Dienststellen bei den Bezirksämtern sind auch Personen zugänglich, die keine Universität besucht haben.
2. Sie werden auf Grundlage des Zeugnisses über die mit genügendem Erfolge bestandene Maturitätsprüfung zunächst in den Kanzleidienst oder in den Steueramtsdienst aufgenommen, können aber auch zur Führung des Protokolles bei Einvernehmungen und Verhören und zu minder wichtigen Konzeptsarbeiten eben so verwendet werden, wie dazu das Konzeptspersonale bei Kreisämtern, Magistraten, Landgerichten etc. stets verwendet wurde.
3. Nach einer mindestens sechsjährigen Dienstleistung können sie sich einer Prüfung aus dem adeligen Richteramte und dem Grundbuchswesen bei einem Kollegialgerichte und aus den politisch-administrativen Geschäftszweigen bei einem Kreisamte unterziehen und, wenn sie diese Prüfungen gut bestanden haben, können sie als Aktuare bei einem Bezirksamte angestellt werden.
4. Ausgezeichnete Aktuare solcher Art können zu minderen Stellen bei höheren Gerichtsbehörden oder bei der politischen Landesstelle befördert werden.
5. Es steht ihnen überdies frei, sich der Richteramtsprüfung bei dem Oberlandesgerichte und der Prüfung aus dem administrativen Dienste der politischen Landesstelle zu unterziehen und sich dadurch für das Amt eines Bezirksadjunkten oder Bezirksrichters zu qualifizieren.
6. Wer auf diesem Wege zum Bezirksaktuar oder weiter avanciert ist, der kann auch zu den theoretischen Staatsprüfung zugelassen werden und sich dadurch die Befähigung für jede Anstellung erwerben.

Hervorgehoben der Widerspruch.
Unberufene vom Studium fern zu halten und doch Staatsdienst nur Studierten zugänglich zu machen.
Letzteres führt nothwendig dazu die Studien nach dem Maßstabe der Mittelmäßigkeit einzurichten, worunter auch das Bedürfnis der Bildung für den höheren Staatsdienst leidet.
Mein Bestreben den Universitätsstudien mehr wissenschaftliches Leben zu geben, von der Conferenz gebilligt; – dann aber nothwendig solche Einrichtung, welche die Mittelmäßigkeit ausschließt.
Schon aus diesen Gründen also gegen den Antrag.
Aber auch im Interesse des Dienstes gegen die Anschauung, als seien alle Dienstposten im Staatsdienst wesentlich so gleich, daß derselbe Bildungsgang dazu vorausgesetzt und dieselben Ansprüche auf Weiterbeförderung daran geknüpft werden.
Der exekutive Dienst der untersten Behörde fordert viel weniger wissenschaftliche Bildung, dagegen vielmehr praktische Erfahrung als der Dienst bei höheren Behörden.
Es ist wünschenswerth, daß die Glieder dieser öfter wechseln und daß die dazu Berufenen an verschiedenen Orten dienen, um ihre Anschauungen zu erweitern. Für die unterste Instanz ist es vielmehr wünschenswerth, daß der Beamte lange an dem Orte bleibe; es liegt im Interesse konservativer Ideen, daß er mit dem Bezirk gleichsam verwachse, der Bezirk ihn und er den Bezirk lieb gewinne und gar nicht wünsche fort zu kommen.
Das ist erreichbar, wenn von den Bezirksbeamten kein Universitätsstudium gefordert werde. Sie sollen aus Gymnasien eintreten und ohne Universitätsstudien bis zum Bezirksamtsmann aufsteigen können.
Rückschritt gegen früher! – Nein.
Denn das früher gestattete Privatstudium war ja auch kein Universitätsstudium. Man würde also vielmehr jetzt mit Universitätsstudien vielmehr verlangen als früher.
Was in der Wahrheit früher verlangt wurde kann auch jetzt verlangt werden; ja Besseres.
Inhalt der früheren Prüfungen: 1. Rechtsphilosophie und sogenannte Theorie der Politik und 2. der oberflächlichste Begriff vom römischen Recht und 3. die österreichischen positiven Gesetze.

Wenn das juridische Studium künftig an den Universitäten in wissenschaftlicher Weise behandelt wird, so müssen wir eine Literatur der österreichischen Gesetze bekommen, welche das, was vom 1. und 2. brauchbar war, mit der Behandlung vom 3. verbindet. Ebenso muß dann nach und nach eine von der bisherigen verschiedenen Methode des Prüfens aus 3 sich geltend machen.
Dann werden die praktischen Richteramtsprüfungen vollkommen die bisherigen Studienzeugnisse der Privatisten aus juridischen Fächern ersetzen können und die praktischen ordentlichen Prüfungen als Beweis hinreichenden Wissens für den administrativen Dienst ausreichen.

Also Eintritt in den Dienst bei Bezirksämtern nach Gymnasium.
Beibehaltung minder praktischer Prüfungen bei Kreisamte und Landesgerichten für Avancement zu Aktuaren nach mindestens 6 Jahren Praxis.
Ausgezeichnete Aktuare sollen auch zu Konzipisten bei Landesstellen und Protokollisten bei Gericht ernannt werden können.
Prüfung bei Landesstellen und für Referent als Bedingung des Avancements zu Adjunkten und Bezirksamtmann.
Wer auf diesem Wege zum Bezirksaktuar oder weiter avanzirt ist, kann auch zur theoretischen Staatsprüfung zugelassen werden und dann ist ihm jede Carriere offen.