In dem Gesetzesentwurf werden die Einrichtung der Friedensgerichte, deren
Zuständigkeiten sowie der Verfahrensablauf an diesen Gerichten
festgesetzt. In Ungarn, Kroatien und Slawonien, in der Wojwodschaft
Serbien und Temeser Banat sowie in Siebenbürgen sollen die
Friedensgerichte sofort bestellt werden. In den anderen Kronländern
hingegen, mit Ausnahme der Militärgrenze, sollen sie erst nach Absprache
mit den Landesbehörden wirksam werden.
In der beigelegten
Stellungnahme lehnt Leo Thun den Entwurf ab. Er ist der Ansicht, dass
die einzuführenden Gerichte den angestrebten Zweck nicht erfüllen
werden, da die Gerichte nicht durch juridisch geschultes Personal
geleitet werden. Er erkennt zwar die Notwendigkeit, dass es eine
Möglichkeit geben soll, einfache Streitsachen ohne Gerichtsverfahren zu
entscheiden, dennoch ist er der Auffassung, dass dies durch
rechtskundige Juristen erfolgen solle.
Mit eigenhändigen Anmerkungen Leo Thuns.
Beilagen: Vier Formulare zu den Paragrafen 5, 21
und 23.
Eigenhändiger Entwurf für
eine Stellungnahme Leo Thuns zum Gesetzesvorschlag.Die Stellungnahme wurde in der
Ministerkonferenz
vom 28. Februar 1860 vorgetragen.
Die Stellungnahme Thuns ist leicht verändert abgedruckt in: Die Protokolle des Österreichischen Ministerrates 1848–1867. Das Ministerium Rechberg. Bd. 2, bearbeitet von Stefan Malfèr, Wien 2007, S. 6–7.
<Vom Herrn Justizminister zur Conferenzberathung am 28. Februar 1860>3
Entwurf des Einführungspatentes zum Gesetz über die Friedensgerichte
Wir Franz Joseph der Erste von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich, König von
Ungarn und Böhmen, König der Lombardie und Venedigs, von Dalmatien, Kroatien,
Slavonien, Galizien, Lodomerien und Illirien, König von Jerusalem etc.,
Erzherzog von Oesterreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von
Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnthen, Krain und der Bukowina; Großfürst
von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Niederschlesien, von
Modena, Parma, Piacenza und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara;
gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst
von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Niederlausitz und in Istrien; Graf
von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc.; Herr von Triest, von Cattaro
und auf der windischen Mark; Großwojwod der Wojwodschaft Serbien etc. etc.
haben, um bei Rechtsstreitigkeiten von geringerem Belange ein möglichst
einfaches und schleuniges sowie kostenfreies Verfahren einzuführen, nach
Vernehmung Unserer Minister und nach Anhörung unseres Reichsrathes die
Errichtung von Friedensgerichten beschlossen und über ihre Bestellung,
Einrichtung und das bei denselben zu beobachtende Verfahren das nachstehende
Gesetz unter folgenden Bestimmungen erlassen.
Sobald das Friedensgericht für
eine Gemeinde bestellt ist, dürfen Rechtsstreite, zu deren Verhandlung und
Entscheidung dasselbe nach diesem Gesetze zuständig ist, bei denjenigen
Gerichten, vor welchen sie zu dieser Zeit anhörig sind, nur in dem Falle nach
den bisherigen Vorschriften fortgesetzt und zur endgiltigen Entscheidung
gebracht werden, wenn die Verhandlung darüber in erster Instanz bereits
geschlossen war.
In den Königreichen Ungarn,
Kroatien und Slavonien, in der serbischen Wojwodschaft mit dem
Temescher Banate und im Großfürstenthume Siebenbürgen, wo ähnliche Einrichtungen bereits
durch längere Zeit bestanden, zum Theile noch bestehen und sich als zweckmäßig
bewährt haben, sind die Friedensgerichte sogleich zu bestellen; in allen übrigen
Kronländern aber, mit Ausnahme der Militärgränze, sind dieselben nach Vernehmung
der Landesbehörden in Wirksamkeit zu setzen, sobald ihrer Bestellung kein
Hindernis entgegensteht:
Unser Minister der
Justiz ist im Einvernehmen mit Unserem Minister des Innern mit dem Vollzuge
dieses Patentes beauftragt.
Gegeben usw.
Gesetz
über die Bestellung von Friedensgerichten, über ihre Einrichtung und
das bei denselben zu beobachtende Verfahren.
§ 1.
Für jede Gemeinde ist ein Friedensgericht zu bestellen; aneinander
gränzende Gemeinden können nach ihrer freien Wahl ein gemeinschaftliches
Friedensgericht bestellen; in Städten oder Märkten können mit Rücksicht auf die
Ortsverhältnisse mehrere Friedensgerichte aufgestellt werden.
§ 2.
Folgende Streitsachen sind ausschließlich bei den Friedensgerichten zu
verhandeln und zu entscheiden:
a. über Geldsummen ohne Rücksicht auf den
Rechtsgrund, wenn sie in Städten oder Märkten den Betrag von Sechzig Gulden
österreichischer Währung, in anderen Gemeinden aber den Betrag von
fünfundzwanzig Gulden österreichischer Währung nicht übersteigen.4
b. über andere bewegliche Sachen und
über persönliche Leistungen, wenn der Kläger statt derselben eine Geldsumme
anzunehmen sich ausdrücklich erbiethet, welche in Städten oder Märkten den
Betrag von Sechzig Gulden österreichischer Währung, in anderen Gemeinden aber
den Betrag von fünfundzwanzig Gulden österreichischer Währung nicht
übersteigt.
Streitsachen über höhere Geldsummen darf das Friedensgericht nur
dann verhandeln und entscheiden, wenn die Streittheile sich seiner Entscheidung
ausdrücklich unterwerfen.
Streitigkeiten solcher selbstständiger
Gewerbsleute aber, welche einer Genossenschaft angehören, mit ihren Gehilfen aus
dem Dienst- und Lehrverhältnisse, sind, selbst wenn der Streitgegenstand die
unter a. und b. angegebenen Beträge nicht übersteigt, dann bei der Vorstehung
dieser Genossenschaft anzubringen, wenn diese sich am Orte des Friedensgerichtes
befindet und wenn seit dem Aufhören des Dienst- oder Lehrverhältnisses dreissig
Tage noch nicht verstrichen sind.
§ 3.
In Ansehung der im § 1 erwähnten Streitsachen ist Jedermann bei dem
Friedensgerichte für diejenige Gemeinde zu klagen, in deren Bezirke er wohnt;
doch können Reisende und andere Personen, welche sich in dem Bezirke einer
Gemeinde nur vorübergehend aufhalten, wegen derjenigen Verbindlichkeiten der im
§ 1 erwähnten Art, welche hier in dem Bezirke übernommen oder in Folge einer
dasselbst zugefügten Beschädigung zu erfüllen haben, auch bei dem
Friedensgerichte dieser Gemeinde geklagt werden.
Dagegen können vor dem
Friedensgerichte nicht geklagt werden:
a. katholische Geistliche, dann
Seelsorger und Religionslehrer einer gesetzlich anerkannten Kirche oder
Religionsgesellschaft;
b. Personen, welche der Militärgerichtsbarkeit oder
dem Obersthofmarschallamte unterstehen;
c. der Besitzer adeliger Güter, auf
welchen bis zum Jahre 1848 die Gerichtsbarkeit über die Gemeinde durch Abhaltung
eines Herrnstuhles ausgeübt wurde;
d. Vorsteher der vorgesetzten politischen
- und Gerichtsbehörden.
§ 4.
Das Friedensgericht hat aus einem Obmann und mehreren <Beisitzern>
5zu
bestehen.
Diese sind bis zur Wirksamkeit eines neuen Gemeindegesetzes von
der dermaligen Gemeindevertretung frei aus ihr selbst oder aus den übrigen
Gemeindegliedern zu wählen, wobei zugleich zu bestimmen ist, wer im
Verhinderungsfalle den Obmann zu vertreten und nach welcher Reihenfolge er die
Vertrauensmänner zur Ausübung ihres Amtes zu berufen hat.
Diese Wahl hat der
Gemeindevorsteher zu leiten, er selbst kann sowohl zum Obmann als zum
Vertrauensmann gewählt werden. Die Gewählten sind dem Komitats (Kreis-)
Vorstande anzuzeigen, welcher, wenn er gegen die Tauglichkeit eines der
Gewählten Bedenken hat, eine neue Wahl zu veranlassen hat.
§ 5.
Jeder Gewählte ist zur Ausübung seines Amtes von der politischen Behörde
zu beeiden.
Er hat sein Amt unentgeltlich zu versehen und kann nach Ablauf
eines Jahres wieder dazu gewählt werden.
Treten bei einem der Gewählten
Umstände ein, welche ihn an der Ausübung seines Amtes bleibend verhindern oder
welche ihm das Vertrauen der Gemeinde entziehen, so soll an seiner Stelle ein
Anderer gewählt werden.
§ 6.
Unfähig zum Amte eines Obmannes oder Vertrauensmannes sind:
a.
diejenigen, welche wegen eines Verbrechens oder Vergehens oder einer aus
Gewinnsucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit begangenen Übertretung
schuldig erkannt oder wegen eines Verbrechens blos aus Unzulänglichkeit der
Beweismittel freigesprochen worden sind;
b. diejenigen, gegen welche wegen
einer strafbaren Handlung der unter a. bemerkten Art das strafgerichtliche
Verfahren eingeleitet wurde; während der Dauer desselben;
c. diejenigen,
über deren Vermögen die Konkursverhandlung oder das Ausgleichsverfahren
eingeleitet wurde; insolange das eine oder andere dauert und nach Beendigung
derselben, wenn sie hinsichtlich des Anlasses ihrer Zahlungsunvermögenheit nicht
für schuldlos erkannt worden sind.
§ 7.
Verhandlungen vor dem Friedensgerichte dürfen nur in gleichzeitiger
Anwesenheit des Obmannes oder seines Stellvertreters und zweier Vertrauensmänner
vorgenommen werden.
Jedes Mitglied des Friedensgerichtes ist sowohl auf sein
eigenes, als auch auf Verlangen eines Streittheiles von der Verhandlung solcher
Streitsachen auszuschließen, welche seine Gläubiger oder Schuldner, seine
Ehefrau oder Personen betreffen, die mit ihm oder seiner Ehefrau in auf und
absteigender Linie oder in der Seitenlinie bis einschließlich auf Oheim und
Neffen oder auf Muhme und Nichte verwandt sind.
Statt des Ausgeschlossenen
ist ein Anderer nach der gemäß § 4 bestimmten Reihenfolge zu berufen.
§ 8.
Wenn der Kläger allein sein Begehren bei dem Obmann anmeldet, so hat
Letzterer entweder sogleich oder auf einem der nächstfolgenden Tage das
Friedensgericht zur Verhandlung zu versammeln und im letzteren Falle zu sorgen,
daß die kurze Bezeichnung des Gegners und des Streitgegenstandes in das Amtsbuch
eingetragen werde (§§ 7 und 23 a.)
Wenn beide Streittheile ihre Streitsache
gemeinschaftlich bei dem versammelten Friedensgerichte anmelden, so ist die
Verhandlung sogleich vorzunehmen.
§ 9.
Streittheile haben persönlich zu erscheinen und können nur durch ihre
Hausgenossen, Beamten und Diener oder Verwandte vertreten werden; eine
Vertretung durch Advokaten ist unzulässig. 6
§ 10.
Das Verfahren vor den Friedensgerichten darf nur mündlich stattfinden;
es dürfen weder schriftliche Klagen angenommen noch überhaupt Protokolle verfaßt
werden. 7
Das
Friedensgericht hat sich vor Allem davon zu überzeugen:
a. daß es zur
Entscheidung der Streitsache zuständig ist,
b. daß die Streittheile sich
selbst zu vertreten fähig sind oder
c. daß, wenn sie wegen Minderjährigkeit,
Kuratel, Konkurs oder aus einem anderen Grunde nicht fähig wären, sie durch jene
Personen vertreten sind, welche nach dem Gesetze für sie vor Gericht zu handeln
haben und 8
d. daß die
etwa in Vertretung eines Streittheiles erschienene Person (§ 9) von ihm zur
Verhandlung geschickt wurde.
§ 11.
Sind beide Streittheile erschienen, so hat das Friedensgericht die
Streitsache durch Vernehmung des Klägers und des Geklagten in das Klare zu
setzen und sich hierauf zu bemühen, zwischen den Streittheilen einen Vergleich
zu Stande zu bringen, welcher dann sogleich in das Amtsbuch einzutragen ist. (§
23 b.)
Kommt ein Vergleich nicht zu Stande, so haben die Richter sich von
der Wahrheit der von jedem Streittheile vorgebrachten Angaben, soweit diese zur
Streitsache gehören und von dem Gegentheile in Abrede gestellt werden, zu
überzeugen und zu diesem Zwecke Zeugen und Sachverständige zu vernehmen,
vorhandene Urkunden einzusehen und dem Gegentheile zur Einsicht vorzulegen oder
auch einen Augenschein vorzunehmen. Eide sind unzulässig. 9
§ 12.
Ist der Geklagte zur bestimmten Zeit vor dem Friedensgerichte nicht
erschienen, so hat dasselbe zu erheben, warum er ausgeblieben ist.
Zeigt
sich hiebei, daß er entweder vor seiner Vorladung keine genaue Kenntnis erhalten
hat oder aus einer gegründeten Ursache nicht erscheinen konnte, so ist ein
anderer Tag zur Verhandlung zu bestimmen.
Ist dieses nicht der Fall, so hat
das Friedensgericht die Verhandlung mit dem erschienenen Kläger allein
vorzunehmen und sich von der Wahrheit der von demselben gemachten Angaben auf
die im § 11 vorgezeichnete Art zu überzeugen und hiernach die Streitsache auch
ohne Vernehmung des ausgebliebenen Geklagten zu entscheiden.
Ist der Kläger
ausgeblieben, so ist mit einer Entscheidung der Streitsache nicht vorzugehen,
doch hat er die durch sein Ausbleiben dem erschienenen Geklagten etwa
verursachten Kosten auf Verlangen zu ersetzen.
§ 13.
Aussagen von Zeugen und Sachverständigen dürfen nur dann bei der
Entscheidung berücksichtiget werden, wenn sie das Friedensgericht selbst
vernommen hat.
Die Streittheile haben dafür zu sorgen, daß die Zeugen
sogleich vernommen werden können.
§ 14.
Zeugen und Sachverständige sind schuldig ihre Aussage nach bestem
Wissen und Gewissen abzugeben.
Den Streittheilen steht frei, bei deren
Vernehmung zugegen zu sein und die Umstände zu bezeichnen, über welche sie
befragt werden sollen. 10
Jeder Zeuge oder Sachverständige hat vor
Ablegung seiner Aussage dem Gerichte durch Handschlag zu bekräftigen, daß er
über alle Umstände, über welche er befragt werden wird, unzweideutig, das ist,
daß er nicht anders rede, als er denkt und nicht anders denke, als er redet,
ohne Gunst, Haß oder Furcht nach seinem besten Wissen und Gewissen die reine und
volle Wahrheit getreulich angeben und nichts davon verschweigen wolle.
Die
Bestimmungen des allgemeinen Strafgesetzes über falsche Zeugnisse bei Gericht
sind auch auf Zeugnisse bei Friedensgerichten anzuwenden.
§ 15.
Die Mitglieder des Friedensgerichtes sind verpflichtet, bei Verhandlung
und Entscheidung der Streitsache nach ihrem besten Wissen und Gewissen 11
vorzugehen. Die Entscheidung ist auf Grund der geschlossenen Verhandlung und
nach der Stimmenmehrheit unverzüglich zu fällen und wenn beide Streittheile
anwesend sind, sogleich zu verkünden. 12
Wurde die Verhandlung in
Abwesenheit des Geklagten erschlossen und ist er sachfällig geworden, so ist ihm
die Entscheidung durch eine schriftliche Ausfertigung unverzüglich bekannt zu
machen.13
Die Entscheidung ist sogleich in das Amtsbuch einzutragen (§
23 c.)
§ 16.
Wurde den Sachfälligen die Zahlung einer Summe Geldes aufgetragen, so
ist ihm dazu eine Frist zu bestimmen, welche aber vierzehn Tage nie
überschreiten darf.
In andern Fällen ist ihm eine den Umständen angemessene
Frist festzusetzen, binnen welcher er seine Verbindlichkeit zu erfüllen oder
diejenige Geldsumme zu zahlen hat, welche statt derselben der Entscheidung gemäß
vom Kläger anzunehmen ist. (§ 2 b.)
Die Frist zur Erfüllung der Entscheidung
beginnt mit dem Tage nach demjenigen, an welchem diese verkündet oder an welchem
sie dem Sachfälligen zugestellt worden ist.
§ 17.
Beschwerden gegen Verfügungen, welche im Laufe des Verfahrens getroffen
wurden, sind unzulässig.
Friedensgerichtliche Entscheidungen können nur aus
folgenden Gründen angefochten werden:
a. weil dem Friedensgerichte die
Gerichtsbarkeit der Streitsache nicht zustand oder
b. weil dasselbe bei der
Verhandlung nicht vorschriftmäßig besetzt war.
Die Beschwerde ist bei dem
Gerichte 1. Instanz anzubringen, in dessen Sprengel die Entscheidung gefällt
wurde und darf nur durch acht Tage nach Kundmachung der Entscheidung angenommen
werden.
Sie hemmt den Lauf der Execution nicht.
Das Gericht 1. Instanz
hat den Gegner des Beschwerdeführers und die Richter, welche bei der
Entscheidung mitgewirkt haben, zu vernehmen und sohin entweder auf Nichtigkeit
der Entscheidung oder auf Zurückweisung der Beschwerde zu erkennen.
Gegen
diese Erkenntnis findet eine weitere Berufung nicht statt.
§ 18.
Wird die durch Vergleich oder Entscheidung bestimmte Verbindlichkeit
binnen der dazu festgesetzten Frist nicht erfüllt, so kann bei dem
Friedensgerichte die Exekution angesucht werden; dieses kann zu ihrer Vornahme
sich der Gemeindeorgane bedienen.
§ 19.
Wenn ein Streittheil dem andern eine Sache zu übergeben schuldig ist,
so ist dieselbe ihm abzunehmen und dem Letzteren einzuhändigen.
Wenn ein
Streittheil dem andern eine Summe Geldes zu zahlen schuldig ist, so ist dem
Schuldner von der bei ihm etwa vorfindigen Barschaft so viel abzunehmen, als zur
Tilgung der Schuld erforderlich ist und seinem Gläubiger zu übergeben.
Wird
eine zulängliche Barschaft bei dem Schuldner nicht vorgefunden, so ist die
executive Feilbietung seines beweglichen Vermögens anzuordnen, dann Ort und Zeit
derselben durch Anschlag am Gemeindehause kundzumachen. In keinem Falle dürfen
unentbehrliche Kleidungsstücke und die nöthigen Werkzeuge, mit welchen er den
persönlichen Unterhalt für sich und seine Familie erwerben kann, in Exekution
gezogen werden.
§ 20.
Zur Feilbiethung ist nur ein Termin anzuordnen und zur Bestimmung des
Ausrufspreises und zum Ausrufen nur ein Sachverständiger zu verwenden.
Dem
Schuldner steht frei, die Reihenfolge anzugeben, in welcher die Gegenstände
feilgeboten werden sollen. Der mit der Feilbietung Beauftragte hat den Erlös
nach Abzug des zur Deckung der Feilbietungskosten nöthigen Betrages, dem
Gläubiger nach Maßgabe seiner Forderung gegen Aushändigung der etwa vorhandenen
Schuldurkunden oder Abschreibung der Theilzahlung auf denselben, den etwaigen
Überschuß aber dem Schuldner zu übergeben; es wäre denn, daß das Friedensgericht
wegen der Ansprüche anderer Gläubiger oder aus andern Gründen den Erlag des
Erlöses bei dem Obmanne verordnet hätte oder daß bei der Kommission selbst
erworbene Pfandrechte anderer Gläubiger ausgewiesen wurden und nicht alle
Betheiligten über die Vertheilung einverstanden wären.
§ 21.
Wenn bei dem Schuldner bewegliches Vermögen, welches in die Execution
gezogen werden darf, nicht vorgefunden wird oder wenn der Gläubiger durch den
Erlös der verkauften Sachen nicht gänzlich befriedigt wurde, so kann die
Exekution auf das sonstige Vermögen des Schuldners bei dem ordentlichen Gerichte
angesucht werden.
Zu diesem Ende hat das Friedensgericht dem Gläubiger eine
Abschrift des Vergleiches oder der Entscheidung mit der Bestätigung
auszufertigen, daß derselbe im Wege der Exekution auf seine Forderung noch keine
oder nur theilweise Bezahlung und im letzteren Falle mit welchen Betrage
erhalten hat.
§ 22.
Jedes Friedensgericht ist von der politischen Behörde mit einem
paginirten Amtsbuche zu versehen, welches auf der letzten Blattseite die Angabe
der Zahl der Blätter sowie das Siegel und die Unterfertigung der politischen
Behörde zu enthalten hat.
Der Obmann hat dafür zu sorgen, daß das Amtsbuch
genau, vollständig und deutlich geführt und gut aufbewahrt werde.
§ 23.
In das Amtsbuch ist einzutragen:
a. der Tag, an welchem der Kläger
sich wegen Anordnung der Friedensgerichtlichen Verhandlung gemeldet hat, unter
Bezeichnung seines Gegners und des Streitgegenstandes;
b. der wörtliche
Inhalt der geschlossenen Vergleiche; jeder Vergleich ist von beiden
Streittheilen und von den Gerichtspersonen, vor welchen er geschlossen wurde, zu
unterzeichnen.
c. der wörtliche Inhalt der gefällten Entscheidungen unter
deutlicher Bezeichnung der Streittheile und des Streitgegenstandes; jede
Entscheidung ist von den Gerichtspersonen, welche sie gefällt haben, zu
unterzeichnen.
Haben die Streittheile sich der Entscheidung des
Friedensgerichtes in einer Streitsache über mehr als sechzig und rücksichtlich
fünfundzwanzig Gulden freiwillig unterworfen, so ist dies bei der Entscheidung
anzumerken;
d. der Erfolg der vorgenommenen Execution;
e. die etwa
erfolgte Aufhebung einer Entscheidung.
Jedem Streittheile sind auf
Verlangen einfache oder von dem Obmanne des Friedensgerichtes beglaubigte
Abschriften der ihre Streitsache betreffenden Stellen des Amtsbuches
auszufertigen.
§ 24.
Die politischen Behörden haben darüber zu wachen, daß für jede Gemeinde
das Friedensgericht stets gehörig bestellt sei und daß die ihm zugewiesenen
Geschäfte unaufgehalten und ordnungsmäßig geführt werden.
§ 25.
Das ganze Verfahren vor den Friedensgerichten ist stempel- und
gebührenfrei.
Zeugen und Sachverständige können eine Entlohnung nicht
ansprechen; auch darf außer dem im § 12 bestimmten Falle keinem Streittheile die
Vergütung der etwa von dem Gegner gemachten Auslagen auferlegt werden. 14
ad Z. 349/J.M.
Formularien zu dem Entwurfe einer Verordnung über die Bestellung von Friedensgerichten und das Verfahren von denselben gehörig
Anmerkung: Das in den Formularien Unterstrichene ist für die praktische Anwendung vorzudrucken.
I. Formular zu § 5.
Eidesformel für die Mitglieder eines Friedensgerichtes
Sie werden einen Eid zu Gott dem Allmächtigen schwören, Seiner k.k.
apostolischen Majestät, Franz Josef dem Ersten, von Gottes Gnaden Kaiser von
Oesterreich und dessen Erben treu und gehorsam zu sein und die Ihnen als
Mitglied des Friedensgerichtes obliegenden Pflichten mit Gewissenhaftigkeit
und nach ihrer besten Überzeugung zu erfüllen.
Was mir so eben
vorgehalten worden und ich wohl und deutlich verstanden habe, dem soll und
will ich getreu nachkommen.
So wahr mir Gott helfe!
II. Formular zu § 21.
Es wird hiemit bestätiget, daß Franz N. Schneider,
wohnhaft Nr. 3, in A. auf seine ihm entweder: durch
Entscheidung dieses Friedensgerichtes vom ... 18.. zuerkannte
oder: vermöge des bei diesem Friedensgerichte am ... 18..
abgeschlossenen Vergleiches zustehende Forderung im Betrage von ... fl
... kr wider den Georg N. Inwohner, wohnhaft Nr. 5, in A. wegen Unzulänglichkeit der von dem Friedensgerichte versuchten
Execution entweder: noch keine Bezahlung oder: die Bezahlung nur in dem
Betrage von ... fl ... kr erhalten hat.
Von dem Friedensgerichte für die Gemeinde A.
den 4. Juli 1859
N. N.
Obmann
III. Formular zu § 23.
Kronland N.
Bezirk N.
Amtsbuch über die Amtshandlungen, welche von dem Friedensgerichte der Gemeinde N. kraft der demselben von Seiner k.k. apostolischen Majestät verliehenen Amtsgewalt vorgenommen wurden.
IV. Formular zu § 23.
Das Friedensgericht zu N. hat laut seinem
Amtsbuche Seite 2, Zahl 8, kraft der ihm von Seiner k.k. apostolischen
Majestät verliehenen Amtsgewalt am 24. Jänner 1860 zu
Recht erkannt:
Johann N., Bauer in C. Nr. 11, ist schuldig, dem
Anton N. Bauer in C. Nr. 12, binnen 3 Tagen entweder 8 Metzen Saatweizen
zurückzustellen oder 40 fl zu bezahlen.
N., den 26. Jänner 1860
N.
mp.
Obmann
Die Vorlage ist ihrem Inhalte nach ein Gesetz über Bagatellprozesse, warum
soll es den Namen von Friedensgerichten tragen? Mit dem
Frieden hat es nicht mehr zu schaffen als jedes Gericht.
Es scheint mir
sehr wünschenswerth den Namen "Friedensrichter" für eine ganz andere
Institution vorzubehalten.
Die Vorlage hat theilweise Analogien mit dem
ungarischen Gesetzartikel XX von 1836 de verbalicem processuum judiciis und
mit der in Ausführung einer Justizministerialverordnung vom 10. Mai 1852 für
Siebenbürgen von den
Ministerialgerichtseinteilungscommissionen erlassenen Instruktion vom 7.
Sept. 1852 (LGBl 184).
Allein die letztere – abgesehen davon, daß sie
sich nur auf Forderungen bis 12 fl erstreckt – gestattet dem Kläger
sogleich, sich an den Bezirksrichter zu wenden oder im Verfahren von
demselben abzusehen gegen Bezahlung der Prozeßkosten und die Sache beim
Bezirksrichter anhängig zu machen und beide Theile, nach dem Spruch binnen 8
Tagen, an das Bezirksgericht zu appeliren, in welchem Falle der Spruch des
Gemeindevorstandes wirkungslos ist; und immer kann die Exekution nur bei dem
Bezirksgericht angesucht werden.
Das ungarische Gesetz kennt nur bis 12
fl in Orten, die eines ordentlichen Magistrates entbehren, eine
Gerichtsbarkeit des Ortsrichters, dann aber doch eine Appelazion an den
Herrenstuhl.
In allen andern Fällen ist die Gerichtsbarkeit
rechtskundigen Richtern anvertraut; und immer – wenn auch nur extra dominium
Appelazion an die Komitatssedia gewährt. Es verlangt übrigens, daß dem
Geklagten bei der Zustellung von einem Jurat der Gegenstand erklärt, daß der
ganze Prozeß zu Protokoll genommen und auf Verlangen der Parthei in
Abschrift mitgetheilt werde.
Nach der Vorlage muß der
Kläger in Sachen bis zu 25 fl beziehungsweise in Städten bis zu 60 fl bei
dem Landesgerichte anbringen. In jeder Gemeinde (§ 4) muß ein solches
aufgestellt werden, die Glieder desselben sind von der Gemeindevertretung (§
4) zu wählen, vielleicht nicht einmal des Lesens kundig. Gegen den Ausspruch
ist gar keine Rechtshilfe zulässig (§ 1), nicht einmal, wenn völlig
ordnungswidrig verfahren wurde. Es darf über den Prozeß gar nichts
schriftlich aufgesetzt werden (§ 10) und nur die politische Behörde soll
darüber wachen (es ist kaum begreiflich wie), daß ordnungsmäßig verfahren
werde (§ 24) und "das Friedensgericht" führt auch die Exekution (§§ 18–20).
Nur wenn dies aus dem beweglichen Vermögen nicht erzielt werden kann, soll
das ordentliche Gericht über bloße Abschrift der Entscheidung des
"Friedensgerichtes" die weitere Exekution ertheilen (§ 21).
Solche
Vorschriften begründen meines Erachtens keine Rechtspflege, sondern würden
eine unerhörte Justizverweigerung begründen.
Ich halte die Annahme
dieser Vorlage für absolut unmöglich.
Wer ein Gericht leiten soll, muß
doch vor allem befähiget sein, das Gesetz, das seine Gerichtsbarkeit
begründet und nach dem er vorgehen soll, sich vollkommen eigen zu machen.
Und wer den Richter ernennen soll, muß über diese Befähigung desselben ein
Urtheil haben. Hier liegt weder für das eine noch für das andere die
mindeste Bürgschaft, ja für die meisten Fälle auch nicht einmal irgendeine
Wahrscheinlichkeit vor.
Unter diesen Umständen kann ich nicht umhin
gegen diesen Entwurf die entschiedenste Verwahrung einzulegen und deshalb
verzichte ich auf Einzelheiten einzugehen, z. B. auf die Frage, warum die
Parthei sich soll von einem Diener oder Verwandten, aber nicht von einem
Advokaten vertreten lassen dürfen (§ 9), während in der siebenbürgischen
Verordnung die Vertretung durch Advokaten ausdrücklich gestattet und nur
angeordnet ist, daß gleichwohl die Parthei auch persönlich zu erscheinen
verhalten werden kann oder auf den Mangel, daß von Tragung der Prozeßkosten
keine Erwähnung geschieht.
Thun
Der Cultusminister kann sich durch die vorgenommene Änderung des § 17 nicht bestimmt finden, von seinen Bedenken gegen die Vorlage abzustehen. Eine Verfügung zu dem Ende, daß geringfügige, einfache Rechtsstreitigkeiten in möglichst einfacher schneller Weise geschlichtet werden, sei gewiß ein Bedürfnis. Aber die Gesetzgebung kann sich nicht der Sorge entschlagen, auch die Entscheidung solcher Angelegenheit so viel als möglich – wie es in dem ungarischen Gesetze von 1836 geschehen ist – in die Hände rechtskundiger Richter zu legen. Wo es nicht möglich ist, möge man zu dem Nothbehelfe greifen, die Gerichtsbarkeit anderen Personen anzuvertrauen, insoferne der Kläger vor ihnen sein Recht suchen will; ihn dazu zu zwingen, auch wenn er voraus zu sehen glaubt, daß er genöthigt sein werde, an den ordentlichen Richter zu appelliren, begründet nur eine nutzlose Verzögerung. <Daß ein solcher Zwang nicht nothwendig ist, um den ordentlichen Richter einer großen Menge von Prozessen zu entledigen, beweist die in Siebenbürgen gemachte Erfahrung. Wenn durch eine [?] Justizpflege dafür gesorgt ist, daß nicht jeder Prozeß, so schwer auch das endliche Ergebnis sein mag, [?] [?] werden kann, so werde in einfachen Angelegenheiten die Parthei ganz freiwillig auf die Entscheidung eines rechtskundigen Obmannes sich [?].>15