Der Bankier Ignaz Deutsch unterbreitet dem Finanzministerium einen Vorschlag zur Aufnahme einer Nationalanleihe im Wert von 100 Millionen Gulden Conventionsmünze unter der Garantie und Vermittlung der österreichischen Nationalbank. Dieser Schritt würde die Finanznöte der Monarchie lindern und gleichzeitig auch im Falle eines Krieges für die notwendige Liquidität sorgen. Die Monarchie würde damit auch dem Beispiel anderer Länder folgen. Deutsch erklärt in der Folge die genauen Modalitäten seines Vorschlages sowie die Vorteile einer solchen Nationalanleihe.
An ein Hohes k.k. Finanzministerium!
Ignaz Deutsch, k.k. Hofwechsler
unterbreitet ehrerbiethigst einen Vorschlag rücksichtlich der Aufnahme einer Anleihe im Betrage von 100 Millionen in Barvaluta unter der Garantie und Vermittlung der k.k. privilegierten Österreichischen Nationalbank, welche laut inangeführten Zahlen und Daten die Verzinsung und Capitalsanlage sowohl als den vollen Werthbetrag derselben in klingender Münze unter allen Verhältnissen und selbst während dem Ausbruche eines Krieges vollkommen sicher stellen würde.
Hohes Finanzministerium!
In dem Augenblicke, wo sich fast alle europäischen Regierungen damit ernstlich
beschäftigen, um durch die Aufnahme von Staatsanlehen für alle Wechselfälle
möglichst vorbereitet zu sein, muß es allerdings auffallen, wenn ein Laie der
hohen österreichischen Finanzverwaltung, welche die Creditsverhältnisse und die
Lage aller Börsen und Geldmärkte genau kennt, bezüglich einer Finanzoperation
Vorschläge unterbreiten wollte.
Wenn dies der gehorsamst Gefertigte dennoch
versuchen möchte, so geschieht es, weil sich derselbe mit ähnlichen Vorschlägen
in früheren Jahren bei der hohen Finanzverwaltung sehr oft beschäftiget hat und
der gehorsamst Gefertigte muß es offen gestehen, daß er nach Maßgabe seiner
schwachen Ansicht nachstehende Finanzmaßnahme als die einzige bezeichnen möchte,
welche unter den gegebenen Verhältnissen und selbst während dem Ausbruche eines
Krieges, schnell und sicher zu realisiren, geeignet zu sein scheint.
Der
gehorsamst Gefertigte wird sich so kurz als möglich auf die Darstellung der
Grundidee beschränken und erlaubt sich deshalb die Aufmerksamkeit Eines hohen Finanzministeriums
ehrerbiethigst zu erbitten.
Es ist eine anerkannte Thatsache, daß der Werth
irgend einer Staatsschuldverschreibung überhaupt nicht nach der Verzinsung
derselben bemessen wird, sondern lediglich, je nachdem dieselbe mehr oder minder
gesichert zu sein scheint. In Handels- und Finanzkreisen, namentlich in
Kriegszeiten, treten solche Zweifel deutlicher hervor und in Staaten, wo sich
einmal das Papiergeld von der Münze losgerissen hat, erheben sich für
Obligationen, die nicht in klingender Münze verzinst werden, die besonders
nachtheiligen Bedenken, indem sich allerwärts Stimmen vernehmen lassen: "Was
wird das Papiergeld, mit welchem solche Obligationen verzinst werden, bei einem
länger dauernden Kriege gegenüber der baaren Münze für einen Werth haben?" Daß
solche Zweifel und Bedenken seit einem Decennium gegen österreichische Fonds
niemals gänzlich geschwunden sind, beweist, daß dieselben (worin auf allen
europäischen Börsen ein starker Verkehr herrscht und die überall von allen
Classen der Bevölkerung zur Capitalsanlage seit 30 und 40 Jahren verwendet
werden) innerhalb 10 Jahren fortwährend um 20 a 30 % niedriger als Obligationen
derselben Verzinsung von anderen Staaten auf den Markt gebracht wurden.
Ist
nun diese Voraussetzung begründet, so kann es sich in diesem Augenblicke bei der
Negozirung einer großen Anleihe in Oesterreich einzig und
allein darum handeln, ein Object zu finden, welches geeignet wäre, die eben
erwähnten Bedenken gründlich zu beseitigen, um sowohl den Rentier als den
Speculanten über die Verzinsung und die Capitalsanlage für alle Eventualitäten
sicher zu stellen.
Dieser Zweck scheint durch die Dazwischenkunft der k.k.
privilegierten Oesterreichischen Nationalbank vollkommen erreichbar und deshalb
sei es gestattet, eine Bemerkung über die Beziehungen der hohen Finanzverwaltung
zur Nationalbank vorausschicken zu dürfen.
Alle Welt kennt die Opfer und die
äußersten Anstrengungen der hohen Finanzverwaltung in den letzten Jahren, um es
der Nationalbank möglich zu machen, ihre Baarzahlungen wieder aufnehmen zu
können. Diese Aufgabe war bereits vollständig gelöst, als eine gewaltsam
herbeigeführte schwere Situation der Nationalbank die Verpflichtung auferlegte,
eine schnelle Verminderung ihres Baarfondes zu verhüthen. Wenn nun dieser
Schritt durch die Pflicht der Selbsterhaltung unabweislich gebothen war, so hat
doch die Nationalbank die moralische Verpflichtung, eine progressive
Verschlechterung ihrer Noten möglichst zu verhindern, niemals außer Acht
gelassen.
Diese volle Überzeugung, (verbunden mit der unzweideutigen
Thatsache, daß die Interessen der hohen Finanzverwaltung mit denen der
Nationalbank stets so eng verknüpft sind und so tief in einander greifen, daß
die Vor- und Nachtheile der einen wie der andern von beiden Seiten gleichzeitig
empfunden werden), berechtiget zu der Erwartung, daß die Oesterreichische
Nationalbank in diesem critischen Moment gewiß bereit sein dürfte, der hohen
Finanzverwaltung bezüglich der Aufnahme einer vortheilhaften großen Anleihe ihre
Vermittlung zur Verfügung zu stellen und dies um so bereitwilliger, wenn sich
durch eine solche Dazwischenkunft das beiderseitige Interesse mit großer
Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt.
Ein solches Resultat scheint schnell
und sicher erreichbar, wenn sich die Österreichische Nationalbank veranlaßt
fände, nachstehende Finanzoperation unter ihrer Garantie und Vermittlung
ungesäumt durchführen zu wollen; zu diesem Ende:
a. Würde die
Österreichische Nationalbank auf Grundlage der ihr von der hohen
Finanzverwaltung überlassenen Staatsgüter eine hypothecirte 5 % Anleihe im
Betrage von 100 Millionen Gulden Barvaluta in und außerhalb des Kaiserreiches
zur Betheiligung auflegen.
b. Die Rateneinzahlungen für diese Anleihe, welche
in 10 aufeinanderfolgenden Monathen erfolgen dürften, müßten in Comptanten oder
in ausländischen Wechseln geleistet werden.
c. Die Nationalbank würde
hingegen die Verpflichtung übernehmen, die Verzinsung dieser Anleihe in
klingender Münze zu entrichten.
d. Die Nationalbank würde sich ferner
verbindlich machen, die ganze Anleihe von 100 Millionen Barvaluta
innerhalb 20 Jahren mittelst einer jährlichen Verlosung von je 5 Millionen
Gulden in klingender Münze zurückzuzahlen.
e. Indem die
Nationalbank eine solche Verpflichtung feierlichst übernehmen möchte, würde sich
dieselbe gleichzeitig verbindlich erklären, von den ihr überlassenen
Staatsgütern alljährlich 5 Millionen derselben nur gegen baare
Münze zu verwerthen, indem sie zu diesem Zwecke ein Object bestimmt,
welches im In- und im Auslande unter allen Verhältnissen willige Käufer finden
dürfte.
Wenn nun nicht sonst andere Rücksichten dieser Finanzoperation
hinderlich in den Weg treten, so unterliegt es keinem Zweifel, daß eine Anleihe
unter solchen Bedingungen selbst in Kriegszeiten zum Course von 90 % auf allen
Börsen und Geldmärkten eine eifrige und eine sehr lebhafte Theilnahme
hervorrufen müßte.
Die übernommene Garantie der Österreichischen
Nationalbank, welche über einen Baarfond von 105 Millionen Gulden verfügt,
Zinsen und Capital innerhalb 20 Jahren in klingender Münze zurückzugeben, würde
in ruhigen Zeiten an und für sich genügen, um ein günstiges Resultat mit
Gewißheit erwarten zu dürfen, da sich's aber nicht läugnen läßt, daß die Nationalbank
für den gegenwärtigen Stand ihres Baarfondes bei einem langwierigen Kriege keine
Garantie zu biethen vermag, indem es Jedermann weiß, daß die kaiserliche
Regierung, um den Staat zu erhalten, keinen Anstand nehmen darf, den Baarfond
der Nationalbank zeitweilig zu benützen, so ist deshalb ein solcher Fall im
Punkt c. ausdrücklich vorgesehen, indem dort auch die Wege bezeichnet sind, auf
welche Weise die Nationalbank die Mittel herbeischaffen würde, um ihre
übernommenen Verpflichtungen für alle Zeiten vollständig erfüllen zu können.
Die Aufnahme einer Anleihe in dieser Weise wäre unter den jetzigen
Verhältnissen politisch wichtig und in finanzieller Beziehung von hoher
Bedeutung. Einmal scheint es für die hohe Finanzverwaltung von besonderem
Werthe, wenn sich dieselbe in diesem Augenblicke mit der Aufnahme einer
Staatsanleihe gar nicht zu befaßen hätte. Wenn es die Nationalbank bei dieser
Gelegenheit kundgeben würde, daß sie sich zu einer solchen Finanzoperation
deshalb entschließt, um ihren Baarfond zu vermehren und sich der kritischen
Ereignisse ungeachtet in die Lage zu setzen gedenkt, um die vollständige
Aufnahme ihrer Baarzahlung vorzubereiten, müßte dies nothwendigerweise nicht
auffallen. Was übrigens das Übereinkommen und das Verhältnis zwischen der hohen
Finanzverwaltung und der Österreichischen Nationalbank rücksichtlich der
Verwendung und Bedeckung dieser Anleihe von Seite des Staates betrifft, so
dürfte dies wohl auf keine Hindernisse stoßen und das ganze Verhältnis könnte
somit mindestens während der Aufnahme der Anleihe gänzlich geheim bleiben.
Was nun die finanziellen Vortheile einer solchen Anleihe betrifft, so
dürfte dies wohl auf den ersten Blick deutlich ersichtlich werden:
Außerdem, daß der Nationalbank durch diese Operation die enorme Summe von
90 Millionen klingender Münze zufließen möchte, würde durch eine solche Anleihe
ein Werth von 100 Millionen geschaffen, welcher vollkommen geeignet wäre, 100
Millionen Comptanten zu representiren und während dem bisher in ängstlich
bewegten Tagen jeder Capitalist bestrebt war, in den Besitz von baarer Münze
oder fremder Wechsel zu gelangen, würde sich dann mindestens der weit größere
Theil derselben mit einer Obligation begnügen, welche jährlich mit 5 % verzinst
wird und die unter den obenbezeichneten Bedingungen dieselbe Beruhigung für sein
Capital gewährt als die unbequemen und unlukrativen Comptanten und fremden
Wechsel.
Eben so entschieden müßten die Vortheile dieser Anleihe für die
Österreichische Nationalbank selbst hervortreten, indem nur zwei Fälle denkbar
sind: "Entweder der Friede bleibt gesichert oder nicht".
Im ersten Falle
hätte die Nationalbank ihren Baarfond auf eine Höhe gebracht, wo dieselbe
einerseits die Baarzahlungen unter allen Verhältnissen ungesäumt wieder
aufnehmen könnte, andererseits die für diese Anleihe übernommenen
Verpflichtungen ohne Opfer und Schwierigkeit erfüllen würde.
Im zweiten
Falle hätte die Nationalbank bei einer rascheren Entscheidung des Kampfes
mindestens die Hoffnung, daß diese Anleihe für die Bedürfnisse des Staates
während dieser Zeit genügen möchte, ohne ihren dermaligen Baarfond vermindern zu
müssen.
Wie sich nun der gehorsamst Gefertigte gleich Anfangs zu bemerken
erlaubte, hat sich derselbe darauf beschränkt, die nöthigen Zahlen und Daten zu
verzeichnen und einige Bemerkungen über die Vortheile daran zu knüpfen, welche
sich durch die Realisirung einer solchen Anleihe ergeben dürften. Alle übrigen
Consequenzen so wie der practische Werth dieser Finanzmaßnahme überhaupt, bleibt
wie sich von selbst versteht, der weisen Einsicht Einer hohen Finanzverwaltung
anheimgegeben.
Möge das hohe
Finanzministerium an dem Guten, was dieser Vorschlag enthalten
könnte, Gefallen finden und denselben einer gnädigen Prüfung werth finden.
Wenn auch diese Idee von keinem Fachmanne herrührt, so ist sie doch in
einer schweren Zeit aus dem Herzen eines regierungstreuen Unterthanen
erfloßen.
Wien, am 14. April 1859