Der Ministerialsekretär Ludwig Heufler liefert Leo Thun einen weiteren Bericht über seine bisherige Arbeit in Siebenbürgen. Seit seinem letzten Bericht hat er sich darum bemüht, die lokalen Beamten und Autoritäten kennenzulernen. Nunmehr ist Heufler von deren guten Absichten überzeugt. Bevor die Grundsätze für die Organisation des Unterrichtswesens in Siebenbürgen bekannt gegeben wurden, fand außerdem ein Treffen mit Vertretern der verschiedenen Konfessionen statt. Daran nahmen der griechisch-orthodoxe Bischof, ein griechisch-katholischer, ein römisch-katholischer und ein evangelischer Pfarrer, der Rektor des evangelischen Gymnasiums in Hermannstadt sowie Vertreter der österreichischen Regierung teil. Bei dem Treffen wurde insbesondere die Frage der Unterrichtssprache in den mehrsprachigen Gebieten beraten. Heufler konnte die Kommissionsmitglieder davon überzeugen, diesen Punkt vorerst aufzuschieben und die Frage der Unterrichtssprache von Fall zu Fall entscheiden zu lassen. Ein großes Problem stellt aus der Sicht Heuflers die Glaubensfrage in Siebenbürgen dar, die auch die Einheit des Landes gefährde. Er glaubt, dass es wichtig sei, die römisch-katholische Kirche zu stärken und damit den Einfluss des griechisch-orthodoxen Bischofs Schaguna zu beschränken. Schließlich berichtet Heufler, dass er derzeit die verschiedenen Unterrichtsanstalten des Landes besuche, um sich einen persönlichen Eindruck von der Gesamtsituation des Schulwesens, der Eignung der Lehrer und deren Lehrmethoden zu verschaffen. Ein erster Eindruck infolge dieser Besuche ist, dass die konfessionelle Trennung der Lehranstalten unbedingt erforderlich sei.
Euere Excellenz!
Kaum war ich hier angekommen, so schrieb ich als Ergebnis des ersten Eindruckes
an Euere Exzellenz einen Brief2,
den fortzusenden ich Anstand nahm.
Obwohl ich nun heute manchen Ausdruck
mildern würde, so würde ich mir doch ein Gewissen daraus machen, den Nothruf für
das Sachsenland, der darin enthalten ist, ganz zu unterdrücken und ich schließe
ihn unverändert bei und erwarte mit Zuversicht, daß Euere Exzellenz ihn als den
Ausfluß persönlichen, ich möchte sagen, kindlichen Zutrauens so nehmen werden,
wie er gemeint ist, gut und aufrichtig, sine ira et studio.
Ich habe seit
dieser Zeit die Männer der Regierung näher kennengelernt und bin ohne Ausnahme
von ihrer guten Absicht fest überzeugt. Baron
Wohlgemuth macht den Eindruck eines Ehrenmannes durch und durch
und es scheint mir, daß er die Zügel der Regierung nicht nur nominell, sondern
wirklich in der Hand habe.
Baron
Wohlgemuth hatte mit der Kundmachung der Grundsätze für die
Organisirung des Unterrichtswesens in Siebenbürgen absichtlich auf meine Ankunft gewartet. Ich schlug
vor, dieser Kundmachung eine Zusammentretung mit Vertrauensmännern verschiedener
Confessionen vorausgehen zu lassen, was denn auch geschah, und woran Bischof Schaguna, der
griechisch-katholische Pfarrer Manu,
der römisch-katholische Pfarrer Schlauf, der
evangelische Pfarrer Roth, der
Recktor des evangelischen Gymnasiums Göbbel, dann von Seite der Regierung Bach, Secktionsrath Glanz und
Prof. Schuller und ich Theil
nahmen.
Diese Grundsätze machten sehr guten Eindruck und zerstreuten die
Besorgnisse, welche schon hie und da wegen der bisherigen interimistischen und
etwas soldatenhaften Art und Weise, das Unterrichtswesen zu behandeln,
aufgetaucht waren.
Ein Paragraph dieser Grundsätze sagt, der Unterricht in
Volksschulen soll in der Muttersprache der Schüler ertheilt werden, wenn nicht
die Mischung der Nationalitäten es unmöglich macht. Es wurde bei der Conferenz
die Frage aufgeworfen, was denn in einem solchen Ausnahmsfalle zu geschehen
habe. Bach und Schaguna waren der Ansicht, daß dann die
Mehrheit entscheide und daß dieser Grundsatz dem Paragraphe bei der Publikation
eingeschoben werden soll.
Ich vertheidigte die Ansicht, daß das Ministerium gewiß
nicht zufällig hier eine Lücke gelassen, sondern sicher mit Grund diese Frage
unbeantwortet gelassen habe. Der Ausdruck die Mehrheit sei unbestimmt, es frage
sich dann, ob die Mehrheit der Einwohner oder die Mehrheit der Schulkinder, im
letzteren Falle, ob die Mehrheit der schulbesuchenden oder der schulpflichtigen
Kinder, weiter frage es sich, welche Mehrheit, die absolute oder die relative
und in beiden Fällen, ob 1, 2, 3 usw. mehr als die Hälfte oder das Drittheil.
Endlich sei es ja möglich, daß eine Gemeinde, durch besondere Bedürfnisse
veranlaßt, gerade die Muttersprache der Minderheit als Unterrichtssprache
vorzöge. Überdies wäre es möglich, daß die Schule einer bestimmten Confession
und Nation angehöre, wie dieses in der Regel in Siebenbürgen der Fall sein wird, daß dieselbe auch von Schülern
und anderer Confessionen und Nationen besucht würde, und daß diese Fremden die
Mehrzahl ausmachten. Es sei also besser, diesen Grundsatz nicht auszusprechen,
sondern die Entscheidung den einzelnen Fällen vorzubehalten. Meine Ansicht wurde
von der überwiegenden Mehrheit der Vertrauensmänner angenommen, und Bach entschied sich demnach, die unveränderte
Kundmachung beim Gouverneur zu
beantragen, was denn auch geschieht. Wäre ich unterlegen, so hätte ich
jedenfalls drauf gedrungen, eine Anfrage bei Eurer Exzellenz zu machen, wie ich
überhaupt in allen Dingen darauf halten werde, daß alles organische und
prinzipielle dem Ministerium vorgelegt werde, damit die Siebenbürger Lob und was
hoffentlich nicht geschehen wird, auch den Tadel dem verantwortlichen Minister
zuwenden mögen und keinem anderem.
Warum Schaguna für die Einschiebung dieser par [sic!] Wörter war, ist
klar: die Romanen machen die große Mehrzahl der Einwohner aus; sie trachten nach
der Herrschaft im Lande, und die Kundmachung jenes Grundsatzes wäre der erste
wichtige und pracktische Schritt dazu gewesen.
Der Gouverneur war mit diesem Erfolge der
Conferenz zufrieden und empfiehlt mir überhaupt auf das dringendste, gegen die
Romanen und ihren Führer Bischof
Schaguna auf der Hut zu sein. Er hält den Grundsatz, daß die
Kirche die Volksschulen leite, in Beziehung auf die Griechen für sehr gefährlich
und hätte ihn selbst nicht aufgestellt; allein, er sieht ein, daß eine Ausnahme
doch nicht gemacht werden könne. Hingegen wird die Controlle des Schulrathes der
Regierung und die polizeiliche Aufsicht in Hinsicht auf sie umso strenger geübt
werden müssen.
Der hiesige griechisch-katholische Pfarrer Manu soll ein heimlicher Anhänger Schagunas sein; überhaupt ist die Union in
Siebenbürgen in Gefahr, und die
Einsetzung eines griechisch-katholischen Bischofes in Blasendorf
[Blaj], der sich an Klugheit und Energie mit dem Disunirten
messen kann, ist im Interesse der katholischen Kirche von höchster
Dringlichkeit.
Meine gegenwärtige Hauptbeschäftigung ist, die hiesigen
Unterrichtsanstalten und Lehrer genau kennen zu lernen und mir eine persönliche
Überzeugung von ihrer Methode und ihren Kenntnissen zu verschaffen, um seiner
Zeit über die Anstellung Einzelner bei den Unterrichtsanstalten des Staates
meine Anträge stellen zu können.
Dieses Geschäft geht langsamer, als ich mir
es vorgestellt hatte; allein ich will die Gründlichkeit der Schnelligkeit nicht
opfern und bitte Euere Exzellenz nur um Geduld, wenn die einzelnen
Organisirungsanträge nicht so bald kommen, als ich es wünschte und als Euere
Exzellenz vielleicht erwarten.
Die Bereisung der übrigen wichtigeren
Unterrichtsanstalten werde ich im Mai antreten. Die fünffache Spaltung des
Glaubensbekenntnisses ist hier über alle Maßen traurig; alle Kräfte sind
zersplittert und jede Maßregel ist nur ein Nothnagel. Die siebenbürgischen
Landstände haben am Schlusse der Reformation, welche mit der Revolution gegen
Ferdinand I. Hand in Hand ging und
ein Vehikel derselben war, jede weitere Neuerung in Religionssachen bei
Todesstrafe verbothen. Das war von ihnen unlogisch gehandelt, aber man erkennt
aus diesem Gesetze, daß die siegreichen Rebellen das Übel der Glaubensspaltung
recht gut einsahen. Sie hätten den Revolutionshebel gern weggeworfen, wenn sie
gekonnt hätten, allein es war zu spät und so wollten sie wenigstens es nicht
mehr weiter greifen lassen.
Die confessionelle Trennung der Lehranstalten
(mit Ausnahme der Dorfschulen), welche in den Grundzügen als Regel ausgesprochen
ist, halte ich nach gewonnener persönlicher Einsicht wirklich für sehr nöthig
und auch die Präparandenkurse werden davon nicht ausgenommen sein dürfen. So
hörte ich z. B. einem Vortrage des hiesigen Recktors Müller über christliche und
philosophische Moral an die Schullehrerpräparanden evangelischer Nation zu.
Seine Methode erklärte er selbst mir nach der Vorlesung folgendermaßen: Er sage
den Schülern zuerst, was ihr Dogma enthalte, dann was die Bibel sage, dann was
andere Confessionen sagen, und endlich, was die Vernunft hierüber bemerke, die
Wahl überlasse er dann dem Gewissen eines jeden Einzelnen. Quot capita tot
sententiae. Nach solchen Grundsätzen können katholische Schullehrer nicht
gebildet werden.
Ich empfehle mich der Gnade Euerer Exzellenz und geharre
mit ausgezeichneter Verehrung
Euerer Exzellenz
ergebenster Diener
Heufler