Plato Athanaczkovics an Leo Thun
Wien, 2. August 1854
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Regest

Der griechisch-orthodoxe Bischof des Bistums Bacs, Plato Athanaczkovics, übt Kritik an der Publikation „Elementa iuris canonici“ des griechisch-orthodoxen Bischofs von Siebenbürgen, Andreas Schaguna. Athanaczkovics beginnt seine Kritik damit, dass die Aussage Schagunas falsch sei, wonach es kein ähnliches Werk für die Rumänen gäbe. Genau das Gegenteil sei nach Ansicht des Bischofs richtig und er verweist auf das Pandektenbuch „Pidalionul“, das aus dem Griechischen ins Rumänische übersetzt worden sei. Athanaczkovics kritisiert dann auch die inhaltliche Ausrichtung des Werks und hebt zahlreiche Fehler hervor. Außerdem merkt er an, dass zahlreiche Behauptungen aufgestellt würden, für die Schaguna keine Beweise liefere.

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Edierter Text

Elementa iuris canonici der rechtgläubigen orientalischen Kirche. Zum Gebrauche der Geistlichkeit, des jungen Klerus und der Christen.
(In der romanischen Sprache), herausgegeben von Andreas Freiherrn von Schaguna, Diözesanbischofe der rechtgläubigen griechisch-orientalischen Kirche in Siebenbürgen, Commandeur des erlauchten österreichischen Leopoldordens und geheimen Rathe des Staates Seiner kaiserlichen königlichen apostolischen Majestät. Hermannstadt, in der Diözesanbuchdruckerei. 1854. S. XVIII. 183.

In der Vorrede klagt Bischof Schaguna über den Mangel dogmatischer, kanonischer und historischer Bücher in seiner Diözese und fragt sich selbst dabei, ob er deswegen an den Flüssen Babylons sitzen und weinen solle? Das that ich nicht – sagt er weiter – sondern sammelte als Professor der Theologie und Custos zugleich der Metropolitanbibliothek in Carlovicz durch 20 Jahre das Materiale zu diesem meinem Werke.
Diese Klage ist ungerecht; denn gerade hinsichtlich der kanonischen Bücher sind die Romanen besser gesegnet als die Serben, indem dieselben in ihrer populär-romanischen Sprache ein vorzügliches Pandektenbuch unter dem Namen „Pidalionul“ aus dem griechischen Urtexte übersetzt bereits seit 12 Jahren besitzen und es ist wirklich zu verwundern, wie sich Bischof Schaguna beim Vorhandensein dieses trefflichen romanischen Pidalions hat entschließen können, mit seinem gegenwärtigen so mangelhaften, seiner eigenen Benennung sehr wenig entsprechenden Büchlein hervorzutreten, dessen weit größerer Theil ohnehin einen, man möchte sagen, fremdartigen Stoff abzuhandeln scheint, wie z. B. § 1. Was ist die Kirche? und § 100. wieder: Was ist die Kirche? § 2. Wer ist das Haupt der Kirche? § 23. Vom Theodor Balsamon. § 24. Vom Johann Zonaras. § 25. Vom Alexius Aristenus. §§ 29–38. Von verschiedenen Sammlern und Übersetzern der Kirchensatzungen. § 59. Von den Chorobischöfen. § 90. Von den Nonnen (welche in Österreich gar nicht mehr existiren). § 94. Von dem ehrbaren Kreuze. § 116. Von der alten Begräbnisweise. § 117. Von der Begräbnisweise in den Verfolgungszeiten. § 131. Von der Adoption. § 132. Von der Verbrüderung und deren mehr.
Alle diese Gegenstände, welche theils dogmatischer, theils historischer Natur sind, könnten in einem umfaßreichen kanonischen Werke wohl ihren Platz behaupten, keineswegs aber in einer so gedrängten auf den nothdürftigsten Gebrauch des geistlichen Standes, des jungen Klerus und der Christen berechneten Skizze.
§ 2. behauptet richtig dogmatisch den Satz: „Das Haupt der Kirche ist nur Jesus Christus“, sagt jedoch weiter gar nicht, auf welche Weise Jesus Christus als Caput Ecclesiae invisibile, seine Kirche regiere, was auf keinen Fall nicht hat ausbleiben dürfen. Selbst in den §§ 42–90, wo es sich von der Hierarchie: Patriarchen, Erzbischöfen, Metropoliten, Bischöfen etc. handelt, ist diese Frage gehörig nicht gelöst worden.
§ 3. handelt vom unzertrennlichen Bündnisse zwischen Kirche und Staat; so lautet wenigstens die Aufschrift dieses §. Und doch stehen in dem Texte desselben §. ausdrücklich diese Worte: „Die Kirche kann auch ohne Beihilfe des Staates bestehen.“ Diese Behauptung ist wenigstens zwecklos und mit einer unverzeihlichen Unvorsichtigkeit blindlings hingeworfen und dem befangenen romanischen Lehrpublikum zum müßigen Nachgrübeln preisgegeben worden. Mag auch sein, daß dieser anstößliche Grundsatz den Verfaßer verführt habe, daß derselbe in diesem seinen rapsodischen Werke das tiefste Schweigen beobachte über das bestehende Rescriptum Declaratorium und über das Consistorialsistem.
Auffallend merkwürdig ist es, daß, indem dieses Werklein alle jene anfangs zitirten Gegenstände, obwohl dieselben gegenüber dieses Büchleins fremdartig und heterogen erscheinen, aufgenommen hat, doch dabei der anderen vielen gerade hieher gehörenden nothwendigsten Gegenstände gänzlich vergessen habe; so z. B. der Ehehindernisse, die doch ein Priester kennen und der junge Klerus lernen muß; so des Consistoriums, Appellatoriums, der Rekurse an den allerhöchsten Thron, welche alle drei doch als förmliche Institute bestehen.
Demnach dieses mangelhafte, hie und da weitläufige und dann wieder hie und da wunderlich aphoristische Büchlein, welches seinem Titel nach mehr verspricht, als es in seiner Durchführung leistet, sinkt völlig zur Unbedeutendheit herab und macht jedenfalls keine Ehre einem 20jährigen Studium.

Wien, am 2. August [1]854

Platon Athanaczkovics
Bácskaer Diözesanbischof