Der Bischof von Györ, János Simor, informiert Leo Thun über den Stand der Verhandlungen zur Besetzung der Domherrenstelle in der Diözese Rosenau. Anschließend berichtet er, dass eine jüdische Mutter zwei ihrer Kinder in Raab ausgesetzt habe, die nun, da niemand für die Kinder sorgen wollte, von einem Domherrn und einem Pfarrer aufgenommen wurden. Die Presse habe daraus einen Skandal gemacht und eine Parallele zu dem Fall des Jungen Edgardo Mortara in Bologna hergestellt. Schließlich empfiehlt Simor Thun nochmals Joseph Mayer, der demnächst bei Thun vorstellig werden wird.
Euere Excellenz!
Gegen den Rosenauer Vorschlag läßt sich
nichts erinnern: nach den mir zugekommenen Nachrichten unterliegen die in Antrag
gebrachten Individuen keinem Anstande, nur kann meines Erachtens die
Domherrnstelle nicht eher besetzt werden als die Domprobstei. Der Bischof hätte
daher die Verleihung der letzteren abzuwarten und die Dompfarre inzwischen
verwalten zu lassen.
Die Mortarageschichte zu Raab
ist beschaffen wie folgt. Eine durchreisende Jüdin hat böswillig zwei Kinder
zurückgelassen. Sie wurden von einem Juden angenommen, der sie jedoch bald der
jüdischen Gemeinde abtreten wollte, diese war aber auch nicht gesonnen und auch
nicht zu bewegen, für die Erhaltung und Erziehung der armen Kinder Sorge zu
tragen. Die Vorsteher besagter Gemeinde haben vielmehr die Kinder auf das
Stadthaus gebracht und sie dort dem Stadthauptmannsamte übergeben, von diesem
veranlaßt übernahm aus Barmherzigkeit das eine Kind ein Domherr und das andere
ein Pfarrer, die fraglichen Judenkinder sind übrigens bisher noch nicht getauft
worden. Die Schlechtigkeit der jüdischen Mutter wurde von den Zeitungsschreibern
benützt, um daraus eine Mortarageschichte zu schmieden.
Dr. Joseph Mayer, welchen ich die Ehre hatte
Euerer Excellenz zu Gran zu empfehlen, wird sich in der
künftigen Woche Euerer Excellenz vorstellen. Ich erlaube mir das Curriculum
vitae des gedachten ehrlichen Mannes beizuschließen und ihm mit dem besten
Wissen und Gewissen nochmals zu empfehlen.
Genehmigen Euere Excellenz den
Ausdruck der tiefsten Verehrung, womit ich verharre zu
Kroisbach, den 21. November 1859
Euerer Excellenz
ergebenster Diener
Simor