János Simor an Leo Thun
Kroisbach, 21. November 1859
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Regest

Der Bischof von Györ, János Simor, informiert Leo Thun über den Stand der Verhandlungen zur Besetzung der Domherrenstelle in der Diözese Rosenau. Anschließend berichtet er, dass eine jüdische Mutter zwei ihrer Kinder in Raab ausgesetzt habe, die nun, da niemand für die Kinder sorgen wollte, von einem Domherrn und einem Pfarrer aufgenommen wurden. Die Presse habe daraus einen Skandal gemacht und eine Parallele zu dem Fall des Jungen Edgardo Mortara in Bologna hergestellt. Schließlich empfiehlt Simor Thun nochmals Joseph Mayer, der demnächst bei Thun vorstellig werden wird.

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Edierter Text

Euere Excellenz!

Gegen den Rosenauer Vorschlag läßt sich nichts erinnern: nach den mir zugekommenen Nachrichten unterliegen die in Antrag gebrachten Individuen keinem Anstande, nur kann meines Erachtens die Domherrnstelle nicht eher besetzt werden als die Domprobstei. Der Bischof hätte daher die Verleihung der letzteren abzuwarten und die Dompfarre inzwischen verwalten zu lassen.
Die Mortarageschichte zu Raab ist beschaffen wie folgt. Eine durchreisende Jüdin hat böswillig zwei Kinder zurückgelassen. Sie wurden von einem Juden angenommen, der sie jedoch bald der jüdischen Gemeinde abtreten wollte, diese war aber auch nicht gesonnen und auch nicht zu bewegen, für die Erhaltung und Erziehung der armen Kinder Sorge zu tragen. Die Vorsteher besagter Gemeinde haben vielmehr die Kinder auf das Stadthaus gebracht und sie dort dem Stadthauptmannsamte übergeben, von diesem veranlaßt übernahm aus Barmherzigkeit das eine Kind ein Domherr und das andere ein Pfarrer, die fraglichen Judenkinder sind übrigens bisher noch nicht getauft worden. Die Schlechtigkeit der jüdischen Mutter wurde von den Zeitungsschreibern benützt, um daraus eine Mortarageschichte zu schmieden.
Dr. Joseph Mayer, welchen ich die Ehre hatte Euerer Excellenz zu Gran zu empfehlen, wird sich in der künftigen Woche Euerer Excellenz vorstellen. Ich erlaube mir das Curriculum vitae des gedachten ehrlichen Mannes beizuschließen und ihm mit dem besten Wissen und Gewissen nochmals zu empfehlen.
Genehmigen Euere Excellenz den Ausdruck der tiefsten Verehrung, womit ich verharre zu

Kroisbach, den 21. November 1859

Euerer Excellenz

ergebenster Diener
Simor