János Simor an Leo Thun
Rom, 12. Dezember 1854
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Regest

János Simor berichtet von den Feierlichkeiten zur Dogmatisierung der Immaculata Conceptio. Er schreibt, dass die Messe mit großer Würde und viel Pracht gefeiert wurde. Am Tag nach dem Hochamt habe der Papst noch einmal alle anwesenden Bischöfe und Kardinäle versammelt und sie aufgefordert, den Irrtümern der Zeit entschieden entgegen zu treten. Als diese Irrtümer habe er den Sozialismus, den Rationalismus und den Indifferentismus genannt. Simor wurde von verschiedenen Bischöfen versichert, dass der Papst bei der Erwähnung des Rationalismus auch die Lehre Anton Günthers gemeint habe. Dabei ermahnte er die Bischöfe auch, die Rechte der Kirche im Unterrichtswesen stärker wahrzunehmen, bzw. diese einzufordern. Aus diesem Grund begrüße der Papst auch den Plan des Bischofs von Verona, das dortige Gymnasium den Jesuiten zu übergeben. Dies beweise auch, dass das vielfach geäußerte Gerücht, der Papst schätze die Jesuiten nicht, völlig aus der Luft gegriffen sei. Simor berichtet dann, dass der Erzbischof von Gran unterdessen seine Meinung zum Konkordat geändert und sich beim Papst für den Abschluss des Konkordats ausgesprochen habe. Der Erzbischof hatte dabei jedoch die Beibehaltung der Vorrechte der ungarischen Kirche eingefordert. Simor versichert Thun außerdem, dass die deutschen Bischöfe den Abschluss des Konkordats unterstützen werden. Simor rät schließlich davon ab, die beiden vakanten Lehrstühle an der Medizinischen Fakultät der Pester Universität an Protestanten zu verleihen. Ein solcher Schritt würde in Rom böses Blut machen und vielleicht sogar den Abschluss des Konkordats gefährden.

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Rom, den 12. Dezember 1854

Euere Excellenz!

Die beiden großen kirchlichen Feierlichkeiten sind vorüber. Eine wie die am 8. dieses abgehaltene – wurde selbst von den Römern seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen. Die dabei entfaltete kirchliche und weltliche Pracht will ich nicht beschreiben, sondern auf Befehl Euerer Excellenz mündlich erzählen. Unbeschreiblich feierlich und tief ergreifend war insbesondere der Akt der Verkündigung des dogmatischen Beschlusses durch den Heiligen Vater selbst. Es waren um ihn versammelt 54 Kardinäle, 1 Patriarch, 42 Erzbischöfe, 103 Bischöfe, die Ordensgeneräle, die ganze römische Prälatur, der hohe Adel, das diplomatische Corps, der Generalstab der französischen Armee und eine ungeheuere Menschenmenge, durch welche die großen Räume der größten Kirche der Welt so gefüllt waren, daß man sich kaum bewegen konnte. Die Römer erinnern sich nicht, die fragliche Kirche je so voll gesehen zu haben. Der Papst stand auf seinem Thron und las die dogmatische Entscheidung, oft zum Weinen gerührt konnte er kaum lesen, allein er ermannte sich bald wieder und verkündete die Entscheidung mit herrlicher, fester Stimme. Ich stand nicht weit vom Throne, konnte daher alles sehen und hören. Nachdem der Papst ein Präambulum, welches sich auf die Geschichte der Tage und die Veranlassung der eben stattfindenden Feier bezog, vorausgeschickt hätte, sprach er beiläufig, wie folgt:
Auctoritate Jesu Christi, SS. Apostolorum Petri et Pauli ac Nostra declaramus et definimus divinitus revelatam Doctrinam esse, quod Deipara Virgo singulari beneficio et gratia Dei, nec non ob merita passionis et mortis Jesu Christi a primo momento conceptionis ab omni labe peccati originalis praeservata fuerit.
Wenn ich auch die Verse nicht ganz genau angeben kann, dafür bürge ich, daß ich den Sinn der Entscheidung richtig ausgedrückt und angeführt habe. Die Publication erfolgte unter dem vom Papste selbst celebriten Hochamte nach dem ersten Evangelium, wobei der Kardinal Antonelli als Diacon fungirte und das Evangelium latinum mit schwacher Stimme gesungen hat. Das griechische Evangelium wurde von einem anderen gesungen. Nach Beendigung des Hochamtes war „Te Deum“ und feierliche Procession vom Bilde der Heiligen Jungfrau in einer Seitenkapelle, welcher vom Papste eine goldene Krone aufgesetzt wurde. Die ganze Feierlichkeit dauerte von 8 Uhr morgens bis halb zwei Uhr nachmittag. Abends war die Stadt und die Peterskirche festlich beleuchtet. Die in Folge der bischöflichen Conferenzen modificirte dogmatische Bulle wird bereits gedruckt und dann verschickt an alle Bischöfe. Am 9. dieses früh um 10 Uhr versammelte der Heilige Vater um sich die sämmtlichen Kardinäle, Erz- und Bischöfe und beschenkte jeden mit einem Bilde und einem Numisma der unbefleckt empfangenen Jungfrau. Das Numisma ließ er von dem ersten ihm von Australien geschenkten Golde prägen. Dann hielt er an die versammelten Väter eine lange feierliche Rede. Er dankte den Bischöfen für die ihm stets auch in den traurigen Tagen bewiesene treue Anhänglichkeit und für ihr Erscheinen in Rom. Die in diesen Tagen erlebten Freuden machten ihn vergessen auf die Widerwärtigkeiten der letzteren Jahre. Dann forderte er die Bischöfe auf mit allem Nachdruck zu bekämpfen a.) den Socialismus und Radicalismus, b.) den Rationalismus (der Güntherianismus war zwar nicht genannt, aber doch gemeint, wie mir einige Bischöfe versicherten), c.) den Indifferentismus. Dann beklagte sich der Heilige Vater über die Moderatores regnorum, welche die Kirche beherrschen wollen, namentlich wurde Sardinien angeführt, er forderte die Bischöfe auf dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, aber auch Gott was Gottes ist, daher die Übergriffe der weltlichen Machthaber in kirchlichen Dingen nicht zu dulden, usw. Endlich forderte er die Bischöfe auf, die ihnen von Christus eingeräumten Rechte und Pflichten in Bezug auf den Unterricht in den Schulen fest und ernst auszuüben. Nicht zum Staate, sondern zu den Aposteln und ihren Nachfolgern redete Christus als er sprach: Gehet hin und lehret alle Völker. Das ihnen hiedurch eingeräumte Recht sollen sie sich nicht nehmen lassen etc. etc. etc. Im Namen der Versammelten sprach der Kardinal Erzbischof von Lyon, er dankte dem Heiligen Vater für seine Hospitalität und versprach seine Befehle und Wünsche genau zu erfüllen. Man hofft, daß die meisterhaft ausgearbeitete Rede allen Bischöfen mitgetheilt werden wird. Ich lege auf diese von den Bischöfen – wie ich höre – mit Begeisterung angehörte Rede ein großes Gewicht und werde sie zu bekommen suchen. Ich habe schon in einem anderen Briefe die Ehre gehabt Euerer Excellenz zu berichten, es sei nicht wahr, daß die Jesuiten von dem Papste nicht geschätzt werden. Wie er über dieselben denkt, werden Euere Excellenz aus folgendem entnehmen. Der Bischof von Verona hat die Absicht das bischöfliche Gymnasium den Jesuiten zu übergeben. Alle Domkapitulare haben sich dafür ausgesprochen. Die Grafen Radetzky, Rechberg und der Podestà gleichfalls. Um ganz sicher zu Werke zu gehen, fragte er bei seiner Audienz den Heiligen Vater um seine Meinung über diese Absicht, und der Papst äußerte sich, der Bischof könne nichts besseres und heilsameres thun, als diese Absicht je eher auszuführen, die Jesuiten wären nicht nur gute Lehrer, sondern auch die besten Erzieher der Jugend. Es ist mir aus der besten Quelle bekannt, daß der Kardinal von Gran an den Heiligen Vater eine Einlage gemacht hat, in welcher er ihn um den Abschluß des Concordates bittet, er drückt dabei die Hoffnung aus, durch das Concordat werde die Österreichische Kirche gewinnen und die ungarische an den bisher genossenen Freiheiten nichts verlieren. Dann schließte er die Postulata der ungarischen Bischöfe an, jene nemlich, welche bei der Conferenz in Wien zwischen dem Wiener Erzbischofe und den Erzbischöfen von Gran, Kalocsa und Agram zu Stande gekommen sind, und wo von ein Exemplar der Erzbischof von Wien nach Rom mitgebracht hat und zwar, um davon hier Gebrauch zu machen. Ich habe den Kardinal einen nicht gefährlichen Feind des Concordats genannt, nun tritt er theilweise als Beförderer auf. Wie diese Umstimmung erfolgte, ob meine Bemühungen bei dem Domherrn Schirgl auch etwas gewirkt haben, weiß ich nicht, ich hoffe die Eingabe lesen zu können. Auch die deutschen Bischöfe erscheinen als Förderer dieser Angelegenheit, indem sie erklären, die Lage der katholischen Kirche in Deutschland hänge ab von dem österreichischen Concordate. Allein sie dringen darauf, daß ein vollkommen gut katholisches Concordat zu Stande komme, sonst würden sie ungemein viel verlieren, daher lieber Nichts, lieber kein Concordat, als ein schlechtes, so argumentirt insbesondere der Mainzer Bischof, welcher hier in hohem Ansehen steht. Er sagt, alle deutschen Katholiken erwarten mit der größten Spannung das österreichische Concordat, wird es nicht zu Stande kommen, dann verliert Österreich in Deutschland viel, wird ein nicht gut katholisches Concordat geschlossen, dann verliert Österreich in Deutschland Alles. Euere Excellenz haben die Gnade gehabt mir zu erlauben auch längere Briefe zu schreiben, ich mache von der mir gestatteten Freiheit einen Gebrauch und berichte auch über Kleinigkeiten, welche jedoch nicht ignorirt werden dürfen. Viele Bischöfe haben sich bereits entfernt, namentlich die meisten französischen und die belgischen. Auch der Mailänder Erzbischof ist nach Hause gereist. Die Einweihungsfeierlichkeit bei St. Paul hat nichts besonderes dargeboten, und die Mitwirkung von 6 ausländischen Kardinälen bei der Consecration der Kirche ist als eine Aufmerksamkeit für die Ausländer zu betrachten. Nach hieher gelangten Briefen wird von Seite der Protestanten daran gearbeitet, zwei an der medicinischen Facultät der Pesther Universität erledigte Lehrkanzeln mit protestantischen Lehrern zu besetzen. Meiner Ansicht nach wäre doppelt gefehlt in dem gegenwärtigen Augenblicke an die Pesther Universität noch mehr Protestanten anzustellen. Nichts hat hier mehr böses Blut als solche Anstellungen verursacht.
Genehmigen Euere Excellenz die Versicherung meiner tiefsten Verehrung, mit welcher ich die Ehre habe zu sein

Euerer Excellenz unterthänigst gehorsamster Diener
Simor

Rom den 12. Dezember 1854