Josef Kozáček an Leo Thun
Pressburg, 7. September 1854
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Regest

Anmerkungen zum Dokument

Josef Kozáček, Schulinspektor für katholische Schulen im Bezirk Pressburg, empfiehlt Leo Thun mögliche Kandidaten für den Posten eines Schulrates. Kozáček hatte nämlich erfahren, dass die Statthalterei in Pressburg den Auftrag erhalten habe, Minister Thun einige Kandidaten für das Amt des Schulrates zu nennen. Da Kozáček aber glaubt, dass man von Seiten der Statthalterei keine brauchbaren Informationen erwarten könne, empfiehlt er ungefragt selbst zwei Kandidaten. Der erste Kandidat ist Pfarrer in Komjath: dieser beherrsche die erforderlichen Sprachen und habe sich vorbildlich um die ihm unterstehenden Schulen gekümmert. Außerdem sei der Pfarrer in politischer Beziehung verlässlich. Anderslautende Auskünfte, die vielfach kolportiert würden, erklärt der Abt für falsch. Der zweite Kandidat ist Johann Uhlarik. Dieser gilt als äußerst fromm und korrekt. Allerdings scheint Uhlarik nicht von sehr guter körperlicher Konstitution zu sein, was bei den zahlreichen Reisen, die das Amt erfordere, von Nachteil sein könnte. Mehr Kandidaten kann Kozáček zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufbieten, da beinahe jeder, den er auf ein solches Amt angesprochen hatte, abgelehnt hat. Der Posten erscheint ihm wenig attraktiv. Die Gründe dafür glaubt er Thun nicht schildern zu müssen.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DB6C-6

Schlagworte

Edierter Text

Euer Excellenz!

Ich würde mich nicht wagen Euer Excellenz mit diesen Schreiben lästig zu fallen, wenn das rege Pflichtgefühl und das unbegrenzte Vertrauen nicht von der Art wäre, dessen Andrange ich nimmermehr Wiederstand zu leisten vermag. Im mündlichen Wege hätte ich vielleicht durch vertrauliche Mittheilungen besser meine Aufgabe gelöst, allein die zahlreichen Geschäfte, die mich fast erdrücken, bei deren Bewältigung ich mich leidend befinde und einer ärztlichen Pflege noch immer bedürfe, anderseits die dringend gebotene Mittheilung, die ich nur im Interesse des Schulwesens, vermög meiner Instruktion zu machen habe, haben mich zu diesem kühnen Schritte, bei Abwesenheit des Grafen Attemš, verleitet.
Vom Unterrichtsreferenten Reiser habe ich gestern in Erfahrung gebracht, das Praesidium der hiesigen k.k. Statthaltereiabtheilung hätte von Euer Excellenz den Auftrag erhalten, einige Männer zu bezeichnen, welche sich für die nun kreirten Ämter der k.k. Schulräthe eignen würden. Seiner Aussage nach soll sich darob das Präesidium in Verlegenheit befinden und vermutlich wird es auch kaum in der Lage sein, geeignete Individuen hiezu namhaft zu machen zu können.
Bei so bewandten Umständen und vornehmlich damit ich meiner Gewissenspflicht nachkomme, kann ich, obwohl unbefragt, nicht schweigen, zumal mein Dienst und der vielseitige persönliche Verkehr mir doch so manche Gelegenheit verschaffte, einige für die Leitung der Volksschulen geeignete Kräfte kennen zu lernen. Ich wage demnach ehrfurchtsvoll die hohe Aufmerksamkeit Euer Excellenz auf zwei mir bekannte Männer zu lenken, welche nach meiner Überzeugung sich für das Volksschulinspektorat eignen würden. Der eine heißt Andreas Czaban, Pfarrer zu Komjath [Komjatice] im Unter-Neutraer Komitate, 41 Jahre alt, ein Priester im vollen Sinne des Wortes, von ausgezeichneter moralischer und politischer Haltung, welcher während der Wirren von Guerillarotten verfolgt, beraubt, sich nach Wien flüchten mußte und bei der kaiserlichen Armee während des Krieges seelsorgerliche Dienste mit Aufopferung und Liebe verrichtete. Sein ganzes Verbrechen, welches ihm so hoch bei dem Generalvikär in Tirnau [Trnava] Wiber angerechnet wird, besteht in dem, daß er in jenen Zeiten die Interessen des slavischen Elementes vertrat, das slavische Volk (als slavischer Seelsorger) von der verderbenden Gewohnheit des Brantweintrinkens zu heilen sich mit Eifer angelegen sein ließ. Daß er die čechische Litteratur mit Geldmitteln fördert, daß er zu jener Zeit dem Sprachzwange mit Entschiedenheit entgegen trat, weßhalb er beim Primaš als Panšlav verdächtigt, sich die durch seelsorgerliche, eifrige und ausgezeichnete Handhabung verdiente Gunst bis nun nicht erwerben konnte. Übrigens nach genauen Erkundigungen und Erhebungen, die ich am rechten Orte veranlaßte und selbst von jenen Geistlichen, die vermög ihrer Stellung und Gesinnung die magyarischen Interessen zu fördern berufen sind, konnte ich nicht erfahren, daß A[andreas] Czaban in die Reihe der Ultristen und Überspannten gehören und die Nationalität lediglich aus dem heidnischen Zeitpunkte auffassen würde; er ist gewohnt, jeder Nationalität die Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen und sich innerhalb jener Schranken zu bewegen, welche das erhabene und großartige Princip des einheitlichen Kaiserstaates erheischen. Also in politischer Beziehung könnte man ihm lediglich nur einen Verdacht des Panslavišmuš ohne allen Beweisen vorwerfen. Ich habe so oft Gelegenheit gehabt, ihn zu beobachten und vornehmlich in Wien 1849 als Emigrant zu verkehren und ich konnte nie eine Überspannung in dieser Richtung wahrnehmen, wohl aber eine Reife, Besonnenheit, eine entschiedene Hingabe für Kaiser und das große Vaterland, eine Anhänglichkeit und so zu sagen ehrfurchtsvolle kindliche Liebe Euer Excellenz gegenüber, welche ihm die herrlichen Institutionen und die Umgestaltung des Schulwesens einflößten. Was nun seine Eignung in schulrechtlicher Beziehung anbelangt, so erlaube ich nur zu bemerken, daß er der deutschen, slavischen, magyarischen Sprache in Wort und Schrift vollkommen mächtig ist, daß er vielseitige Bildung besitzt und zur allgemeinen Kunde einen biederen, festen, ja unerschrockenen Charakter besitzt, – fern von allen Intriguen – Anmaßungen – Ansprüche usw. Seine Volksschule, die er leitet, hat er durch seinen Einfluß auf die Gemeinde sowohl in materieller als auch schulrechtlicher Beziehung sicher gestellt; ihm allein ist zu verdanken, die vollkommene Einrichtung und Erweiterung des Elementarunterrichtes durch Errichtung einer zweiten Lehrlokalität, die Anschaffung aller den anschaulichen Unterricht fördernden Lehrmittel; der beispiellose regelmäßige Schulbesuch aller schulfähigen Kinder; die bewirkte Lehreignung der dortigen Lehrkräfte; und dieß alles hat er ohne aller politischen Assistenz in seiner Pfarre ins Leben gerufen; und was charakteristisch ist, behauptete er in seinen ämtlichen dießfälligen Nachweisungen eine seltene Bescheidenheit, indem er dieß alles dem guten Willen der Gemeinde zuschrieb. Auf der Dienstreise begriffen, hatte ich in Verebely [Vráble] die Gelegenheit (am 29. Mai dieses Jahres) vom Weihbischof Krautmann, welcher in Komjath firmte und bei dieser Gelegenheit diese Volksschule besichtigte, zu vernehmen, daß diese Schule in jeder Beziehung als Muster aufgestellt werden kann. Ob Czaban als ein Fachmann im vollen Sinne des Wortes für die Volksschulen zu gelten habe, kann ich mit aller Sicherheit nicht bestimmen; so viel ist jedoch gewiß, weil ich ihn von seiner Jugend aus kenne, daß er nicht nur während seiner Studien als ein ausgezeichnetes Talent galt, sondern daß er auch stets an seiner Fortbildung arbeitete, und was die Hauptsache ist, daß er eine schnelle Auffassungsgabe, einen mächtigen Trieb zu seiner Vervollkommnung, den besten Willen, eisernen Fleiß und in phisischer Beziehung eine starke Complexion des Körpers besitze, endlich, daß er durch seine [?], durch ernstes und liebevolles Benehmen, äußeren Anstand der guten Sache einen Nachdruck zu verschaffen im Stande ist.
Der andere, welcher sich zu diesem Amte eignen würde heißt Johann Uhlárik, Pfarrer zu Istvanfalva, Ober-Neutraer Komitat, 35 Jahre alt, den ich jedoch nur seit 21. April letzten Jahres kenne, an welchem Tage ich seine Volksschule visitirte und die ich im ganzen [?] Bezirke, also unter 18 Volksschulen, als die beste zu bezeichnen habe. Sie ist eigentlich die Musterschule in diesem Rajon, wo sich auch 3 Hauptschulen befinden. Diese Eigenschaft der Istvanfalver Schule ist lediglich diesem Pfarrer zu verdanken, denn es ist ihm gelungen einen früher exceßiven Lehrer moralisch zu bessern und die methodische Gewandtheit durch persönliche Theilname am Unterrichte selber beizubringen. Er besitzt allgemeinen Ruf der ausgezeichneten Frömmigkeit, politisch richtiger Gesinnung, steht als ein unbescholtener Mann da, besitzt Vertrauen und Liebe bei seiner Gemeinde, die er für Schulzwecke ganz gewann, ohne aller politischen Aßistenz; wurde mir bei der Visitation, von dem vortrefflichen Dechant und zuverläßigem Mann Hajek als ein ausgezeichneter Mann in jeder Beziehung bezeichnet und wird von seinen Kollegen hochgeschätzt. Er spricht geläufig und richtig slavisch, deutsch und höchst wahrscheinlich auch ungarisch. Nur seine körperliche Konstitution und der Gesundheitszustand dem Äußeren nach scheint mir nicht ganz geeignet zu den Reisestrapazen, die er im nördlichen Theile des Preßburger Verwaltungsgebietes zu bestehen haben würde; vielleicht würde er diesen unterliegen. Er würde demnach, falls er der magyarischen Sprache vollkommen mächtig ist, sich für eine mildere Gegend mit größerer Zuverlässigkeit eignen.
Ich könnte noch mehrere geeignete Männer zu diesem Fache bezeichnen, welche jedoch theils weil sie einträglichere Pfründe besitzen, theils weil sie als Günstlinge des Primaš gelten und demnach nähere Aussichten auf Domherrenstellen besitzen, dieses Amt nicht annehmen würden. Überhaupt erlaube ich mir ehrfurchtsvoll zu bemerken, daß ich bis nun noch kein einziges Individuum finden konnte, die mir Lust und Bereitwilligkeit zum Inspektoratamte gezeigt hätten, wohl aber recht viele mitunter in jeder Beziehung ausgezeichnete Männer, welche mit Entschiedenheit dieses Amt ablehnten. Die Ursachen davon liegen zu nahe, als daß ich selbe anführen sollte.
Genehmigen Euer Excellenz die Versicherung meiner ehrfurchtsvollen Hochachtung

Euer Excellenz unterthänigster Diener
Kozaček

Preßburg, 7/9 1854