Der Pfarrer Johann Szeberinyi übermittelt Leo Thun ein an den Kaiser gerichtetes Schreiben, mit der Bitte, dieses – sollte Thun mit dem Inhalt einverstanden sein – dem Kaiser zu übergeben. Szeberinyi hofft, dass Österreich nach der Krise durch die Niederlagen im Krieg nun wieder Stärke zeige und die Reformen der evangelischen Kirchen umsetze.
Eure Exzellenz,
Hochzuverehrender Herr Minister!
Die Fluthen gehn hoch. In solchen Zeiten darf die Schüchternheit den Muth, das
kindliche Vertrauen treuer Seelen nicht lähmen. Ich nehme mir die Freiheit an
Seine k.k. apostolische Majestät und
an Eure Exzellenz zu schreiben. Was will ich denn? Nützlich möcht' ich sein dem
Staate. Ob mein an Seine Majestät
gerichtetes Schreiben 1Nutzen bringen kann oder nicht?, das können
nur Eure Exzellenz beurtheilen, entscheiden. Daher stell‘ ich es ganz und gar
Eurer Exzellenz anheim, ob die Huld, den Brief Allerhöchsten Ortes
einzuhändigen, haben wollen oder nicht.
Erlauben Eure Exzellenz mit einigen
Worten meinen im Schreiben an Seine k.k.
apostolische Majestät eingenommenen Standpunkt zu beleuchten und
den Thatbestand zu constatiren.
Niemand kann für das Ultimatissimum in der
Willensrichtung Seiner Majestät haften –
auch kann unter gewissen Umständen ein Villa Franka [Villafranca] seine
Rechtfertigung finden. Nur darauf kömmt es dann an, dass die Abspannung des
Gegners gehörig ausgebeutet, dass die theilweise Nachgiebigkeit und Wohlwollen
mit unbeugsamer Energie gepaart werde.
Durch die Verordnung vom 10. Januar
2 ist nicht bloss die
Würde der hohen Regierung, ins[be]onders die Autorität des hohen k.k.
Cultusministeriums gewahrt worden, sondern auch die Opposition in
einen Gemüthszustand versetzt worden, dem zu Folge sie innerlich den Frieden, die Ausgleichung sehr wünschen muss. Beleg
dafür nicht bloss meine Hingebung, sondern auch die letzten drei Nummern des
"Egyházy [?]". Nach dem 10. Januar also, der den Ernst und Strenge des Vaters bewies,
glaube ich einen milden Blick desselben Antlitzes nicht für gefährlich. Das
Patent würde gleichsam durch die Synode eingeführt werden.
Immer wäre der Staat hiebei, der Reger, denn er trüge das Wesen, die schreienden
Kinder die Form davon. Setze freilich die 4 Bedingungen voraus, die ich
Seiner Majestät unterthänigst
vorgelegt habe.
Nochmals ehrfurchtsvollst bittend, den Brief nur in dem
Falle einhändigen geruhen zu wollen, wenn Eure Exzellenz seinen Inhalt
genehmigen, hab‘ ich die Ehre mich zu zeichnen, mit unverbrüchlicher Ergebenheit
und Dankbarkeit
Eurer Exzellenz
ergebenster Diener
Johann Szeberinyi
slav. ev. Pfarrer
Schemnitz, den 7.2.[1]860