Der Statthaltereireferent Rudolf Kink nimmt die ihm von Minister Thun angebotene Stelle als Ministerialsekretär im Unterrichtsministerium an und äußert sich zu einigen Fragen der Unterrichtsverwaltung. Zunächst freut es ihn, Thun wieder direkt unterstellt zu sein, und gleichzeitig hofft er auch, in Wien seine wissenschaftlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu können. Für die Versetzung in das Unterrichtsministerium nimmt er auch gern einen erneuten Abstieg in der Beamtenhierarchie in Kauf. Allerdings erbittet er sich von Thun, selbstständig arbeiten zu dürfen und nicht bloß einem Referenten als Amanuensis zugeteilt zu werden. In der Folge geht er auf Probleme der Unterrichtsverwaltung in Schlesien ein und äußert sich zur Schwierigkeit den Posten des Schulrates in Troppau zu besetzen. Der Dechant von Freistadt, Josef Plasuń, werde hierfür von verschiedenen Seiten ins Spiel gebracht, doch genieße er nicht die Zustimmung des Landespräsidenten. Plasuń wäre zwar engagiert, doch fehlten ihm in einigen Bereichen die nötigen Fachkenntnisse. Außerdem fühle sich Plasuń stark Polen verbunden, was aus der Sicht von Kink in Schlesien problematisch sei, wo es regelmäßig Streit in Fragen der Sprachenverwendung im Unterricht gebe. Ein Schulrat müsse daher in dieser Beziehung vollkommen unabhängig sein. Kink empfiehlt außerdem, einen Laien zum Schulrat zu ernennen, weil der Kandidat ein Fachmann im Unterrichtswesen sein sollte und die Geistlichkeit außerdem bereits die Volksschulen überwachen würde. Ein weiterer Einfluss der Kirche würde aus seiner Sicht nur zu einer Verknöcherung des Bildungssystems führen.
Euere Excellenz!
Hochgeborner Graf!
Euere Excellenz sind zu gütig, durch das Anerbieten einer
Ministerialsekretärsstelle dem in meinem letzten Schreiben angedeuteten Wunsche
so schnell zu seiner Realisirung zu verhelfen. Die Aussicht, wieder unmittelbar
unter Euerer Excellenz Befehlen zu dienen und zugleich mit literarischen
Arbeiten mich beschäftigen zu können, ist für mich zu lockend, als daß ich nicht
dieses gnädige Anerbieten gerne annehmen möchte. Es ist mir zwar bei Anlaß
meiner letzten Competenz für Troppau von Seite eines
andern, und zwar sehr hohen Ortes, die etwas seltsame Bemerkung gemacht worden,
daß gerade die Verwendung für literarische Arbeiten mich den Geschäften
entfremden und folglich in meiner Diensteslaufbahn mich behindern könnte, auch
gilt, nach der allgemeinen Auffassung, ein Landesrath in der Beamtenhierarchie
höher in Rang und Titel, als ein Ministerialsekretär. Da ich jedoch vertraue,
daß Euerer Excellenz Gnade mir auch in Zukunft nicht fehlen werde, so säume ich
nicht, mich unbedingt zur Disposition zu stellen. Nur Eines erlaube ich mir
ehrfurchtsvoll und mit der Bitte, nicht mißverstanden zu werden, beizufügen.
Jetzt, nachdem ich einige Zeit gewöhnt war, mein Referat selbständig zu führen,
würde es mir schwer fallen, einem Referenten als bloßer a manuensis zugetheilt
zu werden, obgleich sich dieß bei einem „Sekretär“ von selbst versteht. Ich will
damit nicht sagen, als ob ich, wenn mir eine solche Unterordnung aufgetragen
würde, weniger eifrig meinen Aufträgen nachkommen würde, wenn aber Euere
Excellenz die Gnade haben wollten, mir es zu ersparen, so würde ich sehr dankbar
dafür sein.
In Betreff der Schulrathsstelle für Troppau würde es von hier
aus sehr schwer sein, einen passenden Antrag zu stellen. Ich habe zwar gehört,
daß der Dechant von Freistadt, Plasuń,
(ein Verwandter des Concipisten Herrman) dafür genannt wurde und kann in dieser Beziehung nur sagen,
daß der Herr Landespräsident in seiner Ernennung keine glückliche Wahl sehen
würde. Plasuń ist zwar sehr thätig für
das Schulwesen, das heißt die äußere Ausstattung, Baulichkeiten und dergleichen
und hat großen Einfluß bei dem reichen Grafen Larisch-Männich. Aber für das
eigentliche Fach fehlen ihm die Vorkenntnisse, insbesondere in Betreff der
Realschule. Von Charakter ist er sehr heftig und ein enragirter Pole. Dieses
letztere verstehe ich nicht in politischer, sondern in provinzieller Bedeutung.
In Schlesien liegen sich nämlich die böhmische (zum Theile
mährische) und die polnische Mundart in den Haaren und ihre wechselseitige
Anfeindung ist bei vorkommenden Fällen größer als gegen das Deutsche. Es ist
erst kürzlich wieder der Fall vorgekommen, daß er in einer Schule seines
Schuldistrictes die polnische Sprache mit Gewalt der böhmischen Einwohnerschaft
aufdringen wollte, und hiebei gegen den Schulrath Wilhelm sich in einem Berichte Ausfälle
erlaubte, wegen derer ihn die Landesregierung zurechtweisen mußte. Da nun der
Sprachenstreit in Schlesien ohnedieß ein wichtiges Moment ist,
so würde seine Ernennung mancherlei Präjudiz mit sich führen.
Bei einem
Schulinspector kömmt es hauptsächlich darauf an, daß er selbst ein Schul- und
Fachmann sei. Hiebei geht aber, Alles in Allem betrachtet und mit Rücksicht auf
bisherige Erfahrungen, meine Ansicht dahin, daß es besser ist, einen
Nichtgeistlichen zum Schulinspector zu wählen, schon deßhalb, weil die
Volksschulen ohnedieß unter der unmittelbaren und beinahe alleinigen Aufsicht
der Geistlichkeit stehen und auch stehen müssen, woraus folgt, daß die Lehrer in
so manchen ihrer Anliegen eine unpartheiischere Wahrung der Interessen und eine
größere Unabhängigkeit der Entscheidungen sehen, wenn die Referenten bei der
Regierung nicht auch wieder Geistliche sind. Jeder, und selbst der würdevollste
Stand, schafft sich seine Sonderanschauungen und specifischen Traditionen, die
sich, so zu sagen, verknöchern würden, wenn nach dem Pfarrer, dem
Schuldistriktsaufseher, dem Schulenoberaufseher, und dem Konsistorium, also nach
vier rein geistlichen Instanzen, das nächst höhere Glied ebenfalls wieder der
Geistlichkeit angehören würde.
Indem ich bitte, mir diese Digression zu
Guten zu halten, zeichne ich mich in Ehrfurcht und Dankbarkeit
Euerer Excellenz
gehorsamster Diener
Rudolf Kink
Troppau 24. Jänner 1855