Rudolf Kink an Leo Thun
Troppau, 24. Januar 1855
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Regest

Der Statthaltereireferent Rudolf Kink nimmt die ihm von Minister Thun angebotene Stelle als Ministerialsekretär im Unterrichtsministerium an und äußert sich zu einigen Fragen der Unterrichtsverwaltung. Zunächst freut es ihn, Thun wieder direkt unterstellt zu sein, und gleichzeitig hofft er auch, in Wien seine wissenschaftlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu können. Für die Versetzung in das Unterrichtsministerium nimmt er auch gern einen erneuten Abstieg in der Beamtenhierarchie in Kauf. Allerdings erbittet er sich von Thun, selbstständig arbeiten zu dürfen und nicht bloß einem Referenten als Amanuensis zugeteilt zu werden. In der Folge geht er auf Probleme der Unterrichtsverwaltung in Schlesien ein und äußert sich zur Schwierigkeit den Posten des Schulrates in Troppau zu besetzen. Der Dechant von Freistadt, Josef Plasuń, werde hierfür von verschiedenen Seiten ins Spiel gebracht, doch genieße er nicht die Zustimmung des Landespräsidenten. Plasuń wäre zwar engagiert, doch fehlten ihm in einigen Bereichen die nötigen Fachkenntnisse. Außerdem fühle sich Plasuń stark Polen verbunden, was aus der Sicht von Kink in Schlesien problematisch sei, wo es regelmäßig Streit in Fragen der Sprachenverwendung im Unterricht gebe. Ein Schulrat müsse daher in dieser Beziehung vollkommen unabhängig sein. Kink empfiehlt außerdem, einen Laien zum Schulrat zu ernennen, weil der Kandidat ein Fachmann im Unterrichtswesen sein sollte und die Geistlichkeit außerdem bereits die Volksschulen überwachen würde. Ein weiterer Einfluss der Kirche würde aus seiner Sicht nur zu einer Verknöcherung des Bildungssystems führen.

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Schlagworte

Edierter Text

Euere Excellenz!
Hochgeborner Graf!

Euere Excellenz sind zu gütig, durch das Anerbieten einer Ministerialsekretärsstelle dem in meinem letzten Schreiben angedeuteten Wunsche so schnell zu seiner Realisirung zu verhelfen. Die Aussicht, wieder unmittelbar unter Euerer Excellenz Befehlen zu dienen und zugleich mit literarischen Arbeiten mich beschäftigen zu können, ist für mich zu lockend, als daß ich nicht dieses gnädige Anerbieten gerne annehmen möchte. Es ist mir zwar bei Anlaß meiner letzten Competenz für Troppau von Seite eines andern, und zwar sehr hohen Ortes, die etwas seltsame Bemerkung gemacht worden, daß gerade die Verwendung für literarische Arbeiten mich den Geschäften entfremden und folglich in meiner Diensteslaufbahn mich behindern könnte, auch gilt, nach der allgemeinen Auffassung, ein Landesrath in der Beamtenhierarchie höher in Rang und Titel, als ein Ministerialsekretär. Da ich jedoch vertraue, daß Euerer Excellenz Gnade mir auch in Zukunft nicht fehlen werde, so säume ich nicht, mich unbedingt zur Disposition zu stellen. Nur Eines erlaube ich mir ehrfurchtsvoll und mit der Bitte, nicht mißverstanden zu werden, beizufügen. Jetzt, nachdem ich einige Zeit gewöhnt war, mein Referat selbständig zu führen, würde es mir schwer fallen, einem Referenten als bloßer a manuensis zugetheilt zu werden, obgleich sich dieß bei einem „Sekretär“ von selbst versteht. Ich will damit nicht sagen, als ob ich, wenn mir eine solche Unterordnung aufgetragen würde, weniger eifrig meinen Aufträgen nachkommen würde, wenn aber Euere Excellenz die Gnade haben wollten, mir es zu ersparen, so würde ich sehr dankbar dafür sein.
In Betreff der Schulrathsstelle für Troppau würde es von hier aus sehr schwer sein, einen passenden Antrag zu stellen. Ich habe zwar gehört, daß der Dechant von Freistadt, Plasuń, (ein Verwandter des Concipisten Herrman) dafür genannt wurde und kann in dieser Beziehung nur sagen, daß der Herr Landespräsident in seiner Ernennung keine glückliche Wahl sehen würde. Plasuń ist zwar sehr thätig für das Schulwesen, das heißt die äußere Ausstattung, Baulichkeiten und dergleichen und hat großen Einfluß bei dem reichen Grafen Larisch-Männich. Aber für das eigentliche Fach fehlen ihm die Vorkenntnisse, insbesondere in Betreff der Realschule. Von Charakter ist er sehr heftig und ein enragirter Pole. Dieses letztere verstehe ich nicht in politischer, sondern in provinzieller Bedeutung. In Schlesien liegen sich nämlich die böhmische (zum Theile mährische) und die polnische Mundart in den Haaren und ihre wechselseitige Anfeindung ist bei vorkommenden Fällen größer als gegen das Deutsche. Es ist erst kürzlich wieder der Fall vorgekommen, daß er in einer Schule seines Schuldistrictes die polnische Sprache mit Gewalt der böhmischen Einwohnerschaft aufdringen wollte, und hiebei gegen den Schulrath Wilhelm sich in einem Berichte Ausfälle erlaubte, wegen derer ihn die Landesregierung zurechtweisen mußte. Da nun der Sprachenstreit in Schlesien ohnedieß ein wichtiges Moment ist, so würde seine Ernennung mancherlei Präjudiz mit sich führen.
Bei einem Schulinspector kömmt es hauptsächlich darauf an, daß er selbst ein Schul- und Fachmann sei. Hiebei geht aber, Alles in Allem betrachtet und mit Rücksicht auf bisherige Erfahrungen, meine Ansicht dahin, daß es besser ist, einen Nichtgeistlichen zum Schulinspector zu wählen, schon deßhalb, weil die Volksschulen ohnedieß unter der unmittelbaren und beinahe alleinigen Aufsicht der Geistlichkeit stehen und auch stehen müssen, woraus folgt, daß die Lehrer in so manchen ihrer Anliegen eine unpartheiischere Wahrung der Interessen und eine größere Unabhängigkeit der Entscheidungen sehen, wenn die Referenten bei der Regierung nicht auch wieder Geistliche sind. Jeder, und selbst der würdevollste Stand, schafft sich seine Sonderanschauungen und specifischen Traditionen, die sich, so zu sagen, verknöchern würden, wenn nach dem Pfarrer, dem Schuldistriktsaufseher, dem Schulenoberaufseher, und dem Konsistorium, also nach vier rein geistlichen Instanzen, das nächst höhere Glied ebenfalls wieder der Geistlichkeit angehören würde.
Indem ich bitte, mir diese Digression zu Guten zu halten, zeichne ich mich in Ehrfurcht und Dankbarkeit

Euerer Excellenz

gehorsamster Diener
Rudolf Kink

Troppau 24. Jänner 1855