Der Jurist Friedrich Maassen bedankt sich bei Leo Thun für die Ernennung zum Ordinarius. Er interpretiert diese Geste als Zeichen von Thuns Wertschätzung für seine Arbeit. Maassen beklagt jedoch, dass sich durch die Beförderung seine finanzielle Situation nur wenig verbessert habe und es ihm noch immer beinahe unmöglich sei – trotz bescheidener Ansprüche – den Unterhalt für seine Familie zu bestreiten. Der Professor bittet Thun daher erneut um seine Versetzung, er sehe nämlich ein, dass für ihn keine Ausnahme gemacht werden könne und eine Erhöhung aller Gehälter derzeit nicht möglich sei. Neben den finanziellen Schwierigkeiten führt er für diese Bitte einen weiteren Grund an, nämlich eine Augenkrankheit, an der er seit seinem Aufenthalt in Innsbruck leide und die ihn zu großen Einschränkungen bei seiner Arbeit nötige. Eine Versetzung an eine andere Universität würde somit auch einen längeren Kuraufenthalt oder sogar eine mögliche Invalidität verhindern. Als möglichen neuen Dienstort schlägt er Graz vor, wo mit Johann Kopatsch nur ein Professor das Römische Recht lehre, wohingegen in Innsbruck, ihn eingerechnet, drei Professoren dieses Fach vertreten. Maassen würde jedoch eine Versetzung an jede andere Universität, ausgenommen Krakau und Lemberg, akzeptieren. Gleichzeitig erbittet er sich für den Fall einer Versetzung die Bewilligung eines Zuschusses zur Deckung seiner Übersiedlungskosten.
Eure Excellenz!
Geruhen Hochdieselben den Ausdruck des ehrerbietigsten Dankes für meine Ernennung
zum Ordinarius entgegen zu nehmen. Dieses Ereignis ist mir aus dem Grunde
besonders erfreulich, weil darin ein Beweis von Eurer Excellenz huldvoller
Anerkennung meines Strebens liegt. Es trägt dies nicht wenig zu meiner
Ermuthigung bei und erregt in mir den lebhaften Wunsch, das in mich gesetzte
Vertrauen im vollsten Maaße zu rechtfertigen.
Die damit verknüpfte Erhöhung
meines Gehalts ist freilich eine so geringe, daß meine finanzielle Lage nur
unbeträchtlich gebessert wird. Ich bin mir bewußt, in meinem Leben auf äußre
Vortheile stets weniger Werth gelegt zu haben als die meisten Menschen; ich
glaube aber auch kaum befürchten zu müssen, bei Eurer Excellenz den Verdacht
übermäßigen Eigennutzes zu erregen, wenn ich respectvollst geltend mache, daß
der Gehalt von 1000 fl. auch bei Ansprüchen, die auf das äußerste Maaß der
Bescheidenheit reducirt sind, nicht im Verhältnis steht zu den Bedürfnissen
einer Familie. Freilich kommen zu diesem fixen Gehalt noch Nebeneinnahmen aus
den Collegienhonoraren und den Taxen für die beiden Rigorosen, an denen ich
Theil nehme. Die letzteren sind aber so unbedeutend gegenwärtig, daß ich seit
Beginn dieses Studienjahres noch nicht 70 fl aus ihnen bezogen habe, und das
Collegienhonorar kommt bei regelmäßigen Verhältnissen ebenfalls wenig in
Betracht. Doch verzichte ich um so mehr auf die weitere Ausführung der
Beschränktheit meiner finanziellen Lage, als Eure Excellenz Hochselbst geruht
haben anzuerkennen, daß der systemmäßige Gehalt der hiesigen Professoren ein
unverhältnismäßig niedriger sei, und ich überdies wohl einsehe, daß in diesem
Augenblick nichts dabei zu ändern ist.
Dagegen bin ich so frei, eine Bitte
zu wiederholen, deren Gewährung Eure Excellenz in einer im September vorigen
Jahres mir huldvollst gewährten Audienz bereits hochgeneigtest in Aussicht
gestellt haben, die Bitte um Versetzung von Innsbruck. Der Grund, welcher mich
vor vier Monaten nöthigte, Eurer Excellenz diese Bitte vorzutragen, besteht
unverändert fort. Mein Augenübel hat sich nicht gebessert; ich habe die Zahl
meiner Arbeitsstunden bereits beschränken müssen; bei Licht ist mir gerathen,
das Lesen und Schreiben ganz zu unterlassen; ich habe mich daher genöthigt
gesehen, mir einen Menschen zu halten, der mir vorliest und nach dem Dictat
schreibt. Außer den bereits früher consultirten Ärzten habe ich noch einen mir
bekannten ausgezeichneten norddeutschen Ophthalmologen zu Rath gezogen. Er
bestätigt, was schon Dr.
Mauermann und Dr.
Rothmund in München mir gesagt hatten, daß
eine Congestion nach den Augen und die dadurch bewirkten mouches volantes wenig
zu bedeuten hätten, wenn die bewirkende oder begünstigende Schädlichkeit
rechtzeitig entfernt werde, daß sie aber im entgegengesetzten Falle allerdings
gefährlich werden könnten. Er räth mir daher dringend, dem Einfluß des Sirocco
[sic!], den er für wesentliche Ursache der Congestion hält, mich baldmöglichst
zu entziehen. Es begreift sich leicht, daß ich keine eigne Ansicht in dieser
Frage haben kann; ich weiß nur soviel, daß ich bis vor noch nicht einem Jahre
mit Ausnahme meiner Kurzsichtigkeit die gesündesten Augen von der Welt gehabt
habe, daß sie aber seit dieser Zeit empfindlich gegen das Licht geworden sind
und ich häufig sich bewegende Punkte, die sogenannten mouches volantes,
erblicke. Ob das post zugleich ein propter, ob die hiesigen klimatischen
Verhältnisse damit in Zusammenhang stehen oder nicht, vermag ich nicht zu
beurtheilen, ich muß in dieser Beziehung den Ärzten vertrauen. Wenn aber diese,
wie geschehen, versichern, daß dem so sei, so darf ich getrost dem hohen
Ermessen Eurer Excellenz anheimgeben, ob ich unter diesen Umständen die
Entfernung von hier nicht wünschen und anstreben soll. Freilich weiß ich, daß
dem Wunsche, von einer Universität zur andern übersetzt zu werden, auch die
Umstände zu Statten kommen müssen. Ich habe an Gratz gedacht, wo gegenwärtig das römische Recht nur von Einem
Lehrer vertreten wird, und zwar von einem solchen, der in vorgerücktem Alter
zugleich der einzige Lehrer für das canonische Recht ist. Für dieselben Fächer,
denen der Professor Kopatsch in
Gratz allein vorsteht, sind hier
drei Professoren wirksam. Ich bezweifle auch nicht, daß ohne besondre
Schwierigkeit als Ersatz für mich an hiesiger Universität ein geeigneter
Privatdocent unter den hier gebildeten jüngern Juristen auszumitteln wäre. Ich
erlaube mir demnach, Eurer Excellenz die ebenso dringende als ganz gehorsamste
Bitte auszusprechen, mich, wenn nicht schon zu Ostern, so doch im Laufe dieses
Jahres, nach Gratz oder nach einer
andern Universität, nur nicht nach Krakau oder Lemberg, hochgeneigtest übersetzen zu wollen. Dieser Bitte bin ich
leider genöthigt, ehrerbietigst die weitre anzufügen, daß die Übersetzung ex
officio geschehe und nicht ein von mir auf amtlichem Wege einzubringender
Antrag erwartet werde. Das letztre würde gleichbedeutend sein mit gänzlicher
Abweisung meiner Bitte, da ich vollkommen außer Stande bin, die in solchem Falle
mich treffenden Übersiedlungskosten zu bestreiten, und zwar in diesem Jahre mehr
noch als in jedem andern, weil ich nach im März dieses Jahres zurückgelegter
dreijähriger Dienstzeit die normalmäßige Taxe von meinem Einkommen, soweit es
auf Gehalt beruht, zu zahlen haben werde, und mir daher von dem letztern nur
etwas mehr als 750 fl. frei bleiben.
Eure Excellenz, ich gehöre nicht zu
denjenigen Menschen, die gerne von ihren körperlichen Leiden gegen Dritte reden;
daß meine Augen leidend sind, wissen hier in Innsbruck verhältnismäßig wenige
Menschen. Eurer Excellenz gegenüber mich rechtzeitig auszusprechen, habe ich
aber für meine Schuldigkeit gehalten, damit für den Fall, den Gott verhüte, daß
das Übel in der That einen die Unterbrechung meiner Thätigkeit erfordernden Grad
erreichen sollte, weder Hochdieselben noch ich selbst mir den Vorwurf machen
könne: ich hätte mich früher melden sollen.
Indem ich noch einmal meinen
ebenso lebhaften als gehorsamsten Dank für meine Beförderung ausspreche, bitte
ich Hochdieselben den Ausdruck unbegränzten Respectes und tiefster Ehrerbietung
zu genehmigen, mit dem ich verharre als
Eurer Excellenz gehorsamster Diener Dr. Maaßen
Innsbruck den 13. Jänner 1858