Das Lehrerkollegium des Gymnasiums in Görz bedauert Leo Thuns Rücktritt und dankt Thun für seine Arbeit als Unterrichtsminister. Das Kollegium äußert sich jedoch zuversichtlich, dass das von Thun geschaffene Werk Bestand haben werde. Es ist überzeugt davon, dass mit den Reformen die Qualität der Gymnasien der Monarchie deutlich angehoben wurde. Besonders lobend heben sie hervor, dass sich durch die Reform der Kontakt zu Deutschland und damit auch der Austausch von pädagogischem Wissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen stark verbessert habe.
Das Schreiben befindet sich im Nachlass gemeinsam mit 39 weiteren Dankadressen unter der Signatur A3 XXI D623a.
Euer Excellenz!
Die gedrückte Stimmung, unter welcher der Lehrkörper des Görzer Obergymnasiums
zum Beginne seiner diesjährigen Tätigkeit zusammentritt, ist die Wirkung tiefen
Bedauerns und der von jedem bedeutenden Wechsel wachgerufenen ahnungsvollen
Fragen.
Gewöhnt, das gegenwärtige Studiensystem und seine reichen Segnungen
mit dem erlauchten Namen Euer Excellenz zu identifiziren, sieht sich das
Gymnasium, das sich mit Liebe in dasselbe eingelebt und es mit Bewußtsein in
kleinem Kreise durchzuführen bemüht war, durch den Rücktritt Euer Excellenz von
Ihrem hohen Posten plötzlich in einen Zustand der Verlassenheit versetzt, der es
beim ersten Anblick neuen Bewegungen preiszugeben scheint.
Wir vertrauen auf
den innern Werth des Werkes, das Euer Excellenz schufen. Das junge frische Leben
ächter Wissenschaftlichkeit, das in diesem Jahrzehend allüberall in unserm
großen Vaterlande erblühte, es wird Euer Excellenz liebender Pflege entwunden,
in sich selber Kräfte finden, die seine Erstarkung, seinen Bestand verbürgen.
Wir vertrauen dem guten Genius Österreichs. Er wird
nicht zugeben, daß der Kampf, den Euer Excellenz rastlos gekämpft hie mit
banaler Bequemlichkeit und Mittelmäßigkeit, dort mit der Verschiedenheit
provinzieller Sprach- und Kulturzustände, allerorts mit der mannigfachen Ungunst
äußerer und innerer Verhältnisse, werthvoller und bleibender Eroberung verlustig
gehe.
Doch was auch kommen mag, der Ruhm Euer Excellenz ist geborgen: geht
es zum Lichte hinan, so war es Euer Excellenz, der den Born erschloß; führt der
Weg ins Dunkel, so leuchten Thun’s Sterne um so heller.
Euer Excellenz haben
die Gymnasien aus lateinischen Hochschulen zu Bildungsstätten erhoben, in denen
ein vielseitiges wissenschaftliches Interesse in der alle einzelnen Richtungen
durchdringenden erziehenden Idee seine Bindung und seinen Werth für die
Entwicklung des Charakters findet; diese Bildungsanstalten erfreuen sich einer
ehrenhaften Stellung unter bewährten, aus ihrem eigenen Mittel hervorgehenden
Schulmännern; sie stehen nicht mehr isolirt, sondern sowohl mit dem Inland als
mit den vorgeschrittenen Anstalten Deutschlands in einem
regen Wechselverkehre, der den Austausch ihrer pädagogischen Erfahrungen und
wissenschaftlichen Erstrebnisse vermittelt; die hohen Behörden, von der humanen
Gesinnung Euer Excellenz beseelt, greifen nicht mehr mit Machtgeboten, sondern
mit dem Übergewichte taktvoller Ein- und Umsicht in den geregelten Gang der
Schule ein und indem sich überall das Streben beurkundet, das Verdienst an
seinen Platz zu stellen, arbeitet Meister und Geselle freudig stolz an seiner
Aufgabe, seiner Werthschätzung gewiß.
Genehmigen Euer Excellenz für diese
bewunderungswürdige Hebung und Entwicklung des Gymnasiallebens den schwachen
Ausdruck unsers innigsten Dankgefühls, die aufrichtige Huldigung unserer Herzen.
Der Himmel segne das Werk, das Euer Excellenz in begeisterter Brust getragen und
lasse Sie die reifen Früchte desselben in freudiger Bewunderung schauen!
C. Holzinger Director
Ferd. Gatti
Hubert Leitgeb
L. Preiß
J. Steiner
Thom. Hohenwarter
J. Sólar
A. Marusić
Pertout
Franz Schaffenhauer
Filip Pauschitz
Johann Trojanschek
Josef Indrak
Anton Diak
Görz, den 5. November 1860