Leo Thun übermittelt dem Ministerpräsidenten Bernhard Rechberg-Rothenlöwen ein Schreiben von Kardinal Joseph Othmar Rauscher. Gleichzeitig bittet er ihn um Mitteilung, ob er auf die darin vorgebrachte Angelegenheit eingehen möchte und ob die anderen Ministerkollegen davon in Kenntnis gesetzt werden sollen. Aus der Antwort Rechbergs, die sich auf demselben Blatt befindet, geht hervor, dass es sich dabei wohl um die bevorstehende Abtretung des größten Teils des Kirchenstaates handelt. Rechberg ist skeptisch, dass sich der Verlust dieser Gebiete verhindern lasse, indes glaubt er, dass die Rückerstattung der verlorenen Gebiete dennoch nur eine Frage der Zeit sei. Rechberg informiert Thun zuletzt, dass er eine Nachricht des französischen Botschafters in dieser Frage erwarte.
Beilage: Bernhard Rechberg-Rothenlöwen an Leo Thun.
o. O., o. D.
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Das im Brief erwähnte
Schreiben von Kardinal Rauscher liegt nicht bei.
Verehrtester Freund!
Der Kardinal Erzbischof hat heute das anliegende Schreiben an mich gerichtet. 2 Ich bitte Sie mir zu sagen, ob Sie darauf einzugehen finden und ob ich in diesem Falle auch die übrigen Kollegen davon in Kenntnis setzen soll.
Aufrichtig der Ihrige
Thun
Vom Klerus ausgehend finde ich eine Sammlung, namentlich wenn dieselbe unter
der Angabe für die Bedürfnisse des heiligen Stuhles ohne weiteren Beisatz
stattfände, ganz angemessen. Der schwierigen politischen Verhältnisse wegen
würde ich es aber für räthlich halten, daß das Ministerium und besonders das
Ministerium des Äußern sich nicht voranstellen.
Sollte es den
schwebenden Verhandlungen nicht möglich werden, die Lostrennung der
Romagna und anderer Theile des päbstlichen Gebiethes
noch zu verhindern, so dürften dem heiligen
Vater wohl kaum andere als moralische Mittel anzuwenden
bleiben. Die materiellen werden gegen die vereinten Kräfte der Revolution,
Sardiniens und des im Hintergrunde
stehenden französischen Staates, auf
keinem Falle ausreichen. Die Kraft des moralischen Widerstandes sind aber
keine politischen Mittel im Stande zu brechen. Auf diesem Wege wird der
heilige Vater siegen und wird die
Kirche zu neuer Kraft sich wieder im alten Glanze erheben. Der weltliche
Besitz des heiligen Stuhles ist ein Bedürfnis für die katholische
Christenheit. Sollte der heilige Vater momentan dieses Besitzes beraubt
werden, so wird sich dieses Bedürfnis so fühlbar machen, daß die
Zurückerstattung dieses Besitzes mit Bestimmtheit vorherzusehen ist.
Ich
erwarte morgen Nachmittag eine Mittheilung des französischen Botschafters in Betreff
der Romagna.
Ihr aufrichtigster
Rechberg