Leo Thun an Bernhard Rechberg
Wien, 8. Februar 1858
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Regest

Leo Thun informiert den Chef der Zivilabteilung des lombardo-venetianischen Generalgouvernements Bernhard Rechberg über die Rechtslage für die Zulassung zu den juridischen Staatsprüfungen von dessen Sohn Alois. Zunächst gratuliert er jedoch, dass sich Alois doch noch aufraffen konnte, seine Studien abzuschließen. Thun weist Rechberg auf einige Regelungen hin, die Alois beachten müsse, um zu den Prüfungen zugelassen zu werden. Zunächst verweist Thun darauf, dass nunmehr die Reichs- und Rechtsgeschichte obligater Prüfungsgegenstand sei. Für Alois' Fall von größerer Bedeutung scheint ihm jedoch die Regelung zu sein, dass jeder Kandidat – um zur zweiten Staatsprüfung zugelassen zu werden – mindestens drei Semester an einer österreichischen Universität studieren haben muss. Da Alois nur zwei Semenster vorweisen könne, müsse er noch ein Semester an einer inländischen Universität inskribieren. Thun bedauert, dass er von dieser Regelung keine Ausnahme zulassen dürfe.

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Edierter Text

Wien den 8. Februar 858

Verehrtester Freund!

Ich hatte schon am Tage vor dem Empfang Ihres Briefes über die Angelegenheit Ihres Sohnes mit dem Referenten gesprochen. Die Zulassung zur Prüfung in Prag unterliegt keinem Bedenken, und Sie werden die Erledigung in den nächsten Tagen erhalten. Ich freue mich herzlich, daß Ihr Sohn den nicht geringen Grad moralischer Kraft entwickelt hat, um dieser Aufgabe noch Herr zu werden und seine Studien vollenden zu wollen. Seien Sie überzeugt, daß ich es mir immer zur Freunde[sic!] anrechnen werde, ihn darin so viel es mir noch möglich ist zu unterstützen.
Auf zwei Umstände muß ich Sie dabei aufmerksam machen, die vielleicht unerwartete Schwierigkeiten biethen könnten.
1) Ihr Sohn hatte v. J. noch die Hoffnung die nächst bevorstehende Prüfung wenn er sie in Wien abgelegt hätte, auf römisches Recht und kanonisches Recht beschränkt zu sehen, weil v. J. hier aus allerhand Gründen aus der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte noch nicht geprüft wurde. In Prag war schon v. J. dieser Gegenstand der bestehenden Vorschrift gemäß in die Prüfung einbezogen. Heuer ist er es ausnahmslos an allen Universitäten und ich kann davon nicht dispensieren. Ich hoffe sehnlichts, daß ihr Sohn darauf gefasst ist, widrigenfalls wäre das ein äußerst fataler Umstand, und ich weiß kaum wie darüber hinwegzuhelfen wäre.
2) Über die Möglichkeit, junge Leute welche nicht die Studien regelmäßig an der Universität machen, zu den Staatsprüfungen zuzulassen, dienthen die bestehenden a.h. Anordnungen zweierlei Modalitäten, es wird nämlich der Ausweis gefordert entweder daß sie mindestens 3 Semester frequentiert haben oder daß sie über gewisse Hauptfächer Privatissima bei ordentlichen Professoren besucht haben. Ihr Sohn kann nur zwei anrechnungsfähige Semester (nämlich die an der Insprucker Universität zugebrachten) ausweisen. Während des 3. (nämlich des hier zugebrachten) trat die Unterbrechung durch Erkrankung am Typhus ein; es konnte ihm deshalb nicht testiert werden und zählt nicht. Ich kann nun wohl das Gesetz so deuten, daß ich mich für die Zulassung zur ersten Prüfung mit den 2 Semestern begnüge, aber nur unter dem Vorbehalte, daß vor der Zulassung zur 2. Staatsprüfung noch ein Semester an einer inländischen Fakultät frequentiert werde. Ich fürchte, das passt nicht in Ihren Plan, und doch weiß ich auch das nicht zu umgehen, selbst dann nicht, wenn für die Gegenstände der späteren Prüfung wieder zu privatissimis Zuflucht genommen werden wollte, denn es geht wohl nicht an, die oben angedeuteten Modalitäten so zu kombinieren, daß jede derselben theilweise zu Anwendung komme. Es wird natürlich nichts im Wege stehen, daß er – nachdem er noch ein Semester frequentiert hat, privatissima benütze im Interesse seiner Bildung und dazu würde sich für die Gegenstände der späteren Prüfungen auch in Prag oder Gratz Gelegenheit biethen. Nur könnte damit nicht der formellen Anforderung des Gesetzes genüge geleistet werden, wenn einmal die Zulassung zu der 1. Prüfung ohne nachgewiesene privatissima nach der anderen Modalität der Frequentazion durch mindestens 3 Semester geschieht.

Herzlich der Ihrige
Leo Thun